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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.06.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110608024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911060802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911060802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-08
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Dezug-.PreiL NN t!«tvn» »«» V»c»a» »>rch «je», TiLaei »»d Lo«»»r»re 7m« l tü§l< ch tn» pa»e a«draa>» » VI. «onotl.. t.7v Ml. vieNeliahcr Bet »»I«c» iZtUal«» ». An» «cchmeUelten adaehoU 7» Vt. «„»U, r^S VU. oc»«ett»dkL »«» «. V»I tnnerhal» Demuhlanv, end bet tzoyche» Notoile» o«,n«ltüdkt. I.IV Mt„ «»»atl. l.Al Vit «»»scht VoÜdrftrllaeU» tzrr»« tn Bel»te», Dänemark, de« Donau Kaare», ItaUe» L»r«md»rL Hte»«kl»»d«, 1l«» wezeir, Oestrneick. ll»»ar», Vutzlotrd, Schweden Schwere n Spante» 8, alle» iidnaen Sraare, «», »tcev bnrch »t» lö«Ichätt»il»ll» de» vtatta» «datrltch. Da» Lerptti« DazedUru erlcheta» »wat täglich Son», n «»»»na»» »»» »ar,»«». Adonn»mr»r»«>»nadm« I»>a»»»»«»K» der unleren Ir»,«rn. Ktltate». Spedtteare» »nd Vanadwettelke», t»»m» Vattmrer» »»Z VNellräger». Gk»»il»«rt»»t»»rak» tM. Abend-Ausgabe. KWigcr TagMM Handelszeitung. «ei,rnsch.^'.;Z; Amlsölalt des Aates «nd des Nolizeiamtcs der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prel- f>» Snlera» «»» «er»««» »»» Umgeb«»» ote llpalrrg, VrNrieU« B Ps-bi»-ieklam». e«Ue l Mk., oon ,n»wan» » Vt. «eklamen Ü2U Mk.. änlerar, »»» vedördr» >m am«. ttche» Detl bt» V«rtr«»»le so P« S«1chäsr»ant«lge» <nü Pla»oor!chr>tte» » r» der Lvenbauegad» im Prerl« erhädr Siadarr nach larit Brrlagegedudi rbeiain». autlag« d Mk i> Taulend eilt Boilgebudl. letldeUag» dübel. AefteNrtlr« Äutrräae können nrchr «urüa- aerogen werden gü« da» Lrlchelnen a» veNimmrrn Tagen »nb Bladen wird kel», lbarantt» übernommen Nn-rtgr». Annahme 2»d»»»r»,»g« tü bet limrltche» «ritalen ». allen Annoncen. Lrvedrttone» be» 2a. »Nb »«»landen Dr»U »»» Beet», »„ ti»t»,r,« Tage» dlarr,» S. V»l» Inhaber: Paal Ndrüe». Redaktion »ad »«lchälloll«»:: 2odannr»galle 8. Hanoi-«lli»l» Dr»»0e», Seearak» < 1 tleleoho» RAX Nr. lS7. Vonnersrsg, üen S. Tun! ISIl. l25. Jahrgang. : Die vorliegende Ausgabe umfaßt 6 Seiten vis LLpeSitiovvo ckvs LvipLiKsr lL§obiLUv8 «llä ckor levipLiZvl' ^llZsmemen 2situv§ dcüllilen kiob nur uoeb S-sipLiß, ^odamiisKLSss 8, Voiäer-AedLuäo parterre liaks Lm Lebä-uäs ües lL§6b1aNe3. Der Kukrul üer ellstz- lothringiMen Nationsiilten. bietet insofern keine Ueberraschnng, als ja bekannt war, das; die Mehrheit der Abgeordneten der Reichs lande mit der Neuregelung der Verfassung nicht zu frieden war Aber es ist doch stark übertrieben, wenn jetzt behauptet wird, daß die Verfassungs reform einen Rückschritt gegen den bisherigen Zustand bedeute. 2m Gegenteil haben die Reichs tande wertvolle politische Zugeständnisse erhalten, und es besteht eigentlich in staatsrechtlicher Be ziehung kein Unterschied mehr zwischen ihnen und den übrigen deutschen Bundesstaaten. Daß dem Bundesrate nech gewisse Funktionen in den inneren elsaß-lothringischen Angelegenheiten vorbehalten sind, beruht darauf, das; de: Kaiser, in dem die Gesamt heit der Bundesstaaten verkörpert ist, der Landes herr der Neichslande ist. Bevor nicht hierin eine Aende.ung eintritt, wirb sich die Mitwirkung des Bundesrats bei den inneren Angelegenheiten Elsaß- Lokhringens nicht ausschalten lassen. 2m übrigen wäre es bedauerlich, wenn nun alsbald nach Beendigung der schwierigen Vcrfassungsreform eine w üste Agitation einsetzle, die den im^ren Frieden in den Neichslanden beeinträchtigen und das Ver trauen, das man der politischen Reife der Bewohner des Grenzlandcs im Westen des Reichs gezollt hat wenig rechtfertigen würde. Eine solche Agitation' wäre auch durchaus zwecklos, denn die Verhand lungen der letzten Monate haben zur Genüge gezeigt, das; für absehbare Zeit die Gewährung grösjerer Zugeständnisse keinerlei Aussicht auf Erfüllung bat. Wenn es die Verbreiter des Aufrufs mit ihrem engeren Paierlande wirtlich gut meinten, so hätten sie erst einmal die weitere Entwicklung auf der Basis der ncugeschafscnen Lage abwarten sollen. Sie würden dann zu der Erkenntnis gekommen fern, das; dem clsast- lothringischen Volkstum unter dem Schutze der neuen Verfassung die Gewähr freier Entfaltung sehr wohl gegeben iit. Ter alldeutschen Presse bietet das Vorgehen derer um Blumenthal, Preist und Wetterls natürlich einen hochwillkommenen Anlast, die Regierung wegen des Verfassungsgesetzes erneut aufs heftigste anzugreifen. Sic übersieht dabei vollständig, daß di« reichsländi schen Nationalisten sich bisher nur stark im Reden, klein im Handeln gezeigt haben, dast von diesen bra marbasierenden Herrschaften wenig oder gar nichts zu fürchten ist, wenn die übrigen Parteien ihre Pflicht bei der Wahl tun. Die Parteigründunz wird von der reichsländischen Presse auch bereits entsprechend — und sicher richtiger als von den alldeutschen Or ganen — gewürdigt. Die „Lothr. Ztg." und di« „Metzer Ztg.", die beide auf liberalem Boden stehen, behandeln die Nationalistenpartei mit beißender Ironie und die „Strastb. Post" gibt ihrem Vertrauen für die Zukunft in folgenden Worten Ausdruck: „Libe rale, Zentrum und Sozialdemokraten, die großen Par teien, die sich ehrlich auf d«n Boden der Verfassung gestellt haben — unter dem Vorbehalt ihrer gesetz mäßigen Weiterentwicklung —, werden das trennend« und sprengende Element der N a t i o n a I i st« n p a r. tei als den gemeinsamen Feind zu beharr- dein haben, der unter allen Umständen zurückgedrängt werden muß im Interesse der uns allen teueren, enge ren Heimat und e«s großen Vaterlandes." MoüerMen-verelnigung. In der Wochenschrift „Das Neu« Jahrhundert" regt ein Verweigerer des AntimoL«rnisteneides an, es möchten alle diejenigen Geistlichen Deutsch lands, die den sogenannten Modernifteneid nicht geleistet haben, zu einer gemein samen Besprechung in einem größeren Orte Deutschlands Zusammenkommen. Vorläufig sei von Nom aus alles ruhig, weil man nach so vielem Miß erfolg offenbar fürchte, wiederum die allgemeine Auf merksamkeit auf sich zu lenken. Wahrscheinlich werd« man aber, nachdem die einzelnen über di« Gründ« ihrer Weigerung nach Nom berichten müßten, so ganz im stillen daran denken, j«d«n für sich nach dem alten Wahlspruch stiviclo ot üvpora besonders in Ar beitzunehmen und zu isolieren. Da würde sich eine gemeinsam« Fühlungnahme s«hr empfehlen, da mit alle mehr über Noms Schritte unterrichtet wür den und sich danach einricht«n könnten. Di« Redak tion des „Neuen Jahrhunderts" teilt hierzu mit, daß ihr bereits 25 Namen und Adressen von Eidesver weigerern bekannt seien und bittet um Vorschläge zu dem in der Zuschrift angeregten Plan. Oie Ovambo-Frsge. 2n den nächsten Wochen wird der „T. R." zufolge Major Franke wiederum die Ausreise nach Deutsch- Eüdwestafrika antreten. Es verlautet, das; er dazu ausersehen ist, die Ovambo-Frage der Lösung näher zu bringen. 2m Reichs-Kolonialamt ist man der Ansicht, dast das längere Hinziehen und Ver tu, chen in dieser wichtigen Frage nicht mehr durch zu führen ist. Es geht nicht mehr länger, dast wir uns ängstlich hüten, die Ruhe der Ovambo ku stören, und allen Weißen den Zutritt zu ihrem Gebiet ikntersagen, während von Norden her die portugiesischen .Nachbarn sich wiederholte Eingriffe in unsere Interessensphäre erlauben. I Die Lüderitzbuchter Minenkammer hat dem Gou- l vernement in Windhuk Beweise dafür gebracht, daß die Portugiesen in dem deutschen Be reiche des Ambolandes Arbeiterrekrutierunaen vornehmen, während wir sehr zaghaft vorgehen, obwohl die Farmer im Damaralande und die Diamanteninteressenten von Lüderitzbucht die kräftigen Arbeitshände der Ovambos sehr nötig hätten. Uedriaens berichten wiederum die Portugiesen, deutsche Offiziere hätten sich unberechtigterweise nördlich der Grenze bewegt. Dieselben Quellen wollen übrigens wissen, daß auf die Gerüchte von Goldfunden hin sich im Okavangogebiete zahlreiche Schürfer aus aller Herren Länder eingcfunden hätten. Was nützt es aber, allen Weißen das Be treten des Ambolandes zu untersagen, wenn wir nicht in der Lage-oder festen Willens sind, eine Kontrolle über die Beachtung des Verbotes aus zuüben? lNsurlce Rouvier Dei frühere französische Ministerpräsident Mau rice Rouvier ist am Mittwoch — wir brachten bereits heute morgen die Meldung von seinem Tod« — an einer Lungenentzündung gestorben. Der Verstorbene hat ein Alter von 69 Jahren erreicht. 1877 ins Parlament gewählt, bewährte er sich zu nächst als Deputierter, dann als Senator des De partements Alpes Maritimes besonders in Handels und Finanzangelegenheiten. Er wurde zum ersten- Male Minister unter Gambetta, der ihm 1881 das Portefeuille des Handels anvertraute. Er trat 1882 mit Gambetta zurück, wurde aber unter Ferry von neuem Minister, diesmal für die Kolonien. 1887 war er zum ersten Male Ministerpräsindent, aller dings nur von Mai bis Dezember. Im Jahre 1889 übernahm Rouvier aufs neu« die Finanzen, die er bis 1892 unter verschiedenen Ministerpräsidenten be hielt. In den Panamaskandal verwickelt, legte er sein Amt im Dezember 1892 nieder. Sofort nachdem der Prozeß gegen ihn niedergeschlagen war, wurde Rouvier aufs neue in die Deputierlenkammer ge wählt. Er war dann von 1992 bis 1965 Finanz minister, 1905 Ministerpräsident. In der Zeit der Marokkowirren führte er zuerst die Geschäfte des Finanzministeriums und übernahm dann nach dem Sturz DelcassSs das Portefeuille des Aus wärtigen. Zuletzt war Rouvier Präsident der Fi nanzkommission des Senats. Nachd«m er Combes als Ministerpräsident abgelöst hatte, wurde er wegen seiner versöhnlichen Haltung oft angefeindet. 2mmer aber hatte der Mann die Aufmerksamkeit des Par laments, wenn er mit seiner erstaunlichen Sachkennt nis die verwickelten Probleme der französischen Fi nanzbeziehungen behandelte. Wiederholt wurde bei den Kabinettskrisen in letzter Zeit sein Name ge nannt. politische Nachrichten. Der Ausschub des Mitteleuropäischen Wirtschafts vereins in Deutschland hat in seiner letzten Sitzung Graf Vitzthum v. Eckstädt, kgl. sächsischen Staatsminister des Innern und Acußern, und v. Pfister, Geheimen Kommerzienrat, Präsidenten der Handelskammer München, zugewählt. In der gleichen Sitzung wurde das bisherige Ausschußmitglied Geh. Kommerzienrat H a b e n i ch t, Erster stellvertretender Vorsitzender der Leipziger Handelskammer, an Stelle des ausscheibenden Geheimen Kommerzienrats Zweiniger in das Direktorium berufen. Anarchistenkongrest. In Düffeldorf wurde während der Pfingsttage der Iahreskongrest der Anarchistenförderationen Deutsch lands abgehalten. Es waren hierzu aus zwanzig Orten 41 Delegierte erschienen, darunter fünf aus Berlin. In den teils öffentlichen, teils geheimen Zu sammenkünften wurden Referate erstattet, u. a. von Cahn (Berlin) über den sozialen General streik sowie von Paul Nicolaus (Berlin) über die Stellung der Anarchisten zu den nächsten Reichstags wahlen. Unter Hinweis auf die grundsätzliche Gegnerschaft zum Parlamentarismus wurde strikte Stimmenthaltung empfohlen. Als Hauptaufgabe der Föderationen werden die Proklamierung des Anti militarismus und die Einleitung einer an archistischen Jugendbewegung angesehen. In Deutsch land bestehen zurzeit zwei anarchistische Föderationen mit dem Sitz in Berlin und in Krefeld. Die Ver schmelzung beider wurde abgelehnt. Sitz der geschäfts führenden Kommission der anarchistischen Föderatio nen bleibt Berlin: zu ihrem Leiter wurb« Paul Nicolaus (Berlin) gewählt. Eine geheime Be sprechung in einem besonderen Lokale wurde, als die Polizei erschien, kurzerhand abgebrochen. Streikexzeffe. Elmshorn, 8. Juni. (Tel.) Bei dem Streik der Lederarbeiter kam «s gestern zu Zu sammenstößen mit der Polizei. Es wurden Schüsse abgegeben und Stein« geworfen. Das Ende des Internationalen Friedenskongreffe». Clermont-Ferrand, 8. Juni. (Telegramm.) Der Internationale Friedenskongreß hat sein« Arbeiten beendet und am Schlüsse seiner Beratungen einen Beschluß angenommen, der dem Wunsch« nach einer Beschränkung der militä rischen Lasten Ausdruck gibt. Nochmals die französischen Winzer. Bar-sur-Anbe, 8. Juni. (Tel.) Im Weinbauqebiet pflanzten mehrere Gemeinden al^rmals auf den Rat häusern und Kirchen rote Fahnen auf. Verschie den« Inschriften erscheinen wied«r auf den öffent lichen Gebäuden. In den Dörfern herrscht leb. hafte Erregung. Ankunft des Sultans in Saloniki. Saloniki, 8. Juni. (Telegramm.) Der Sul tan ist an Bord des Panzerschiffes „Haireddin Bar barossa", dem das ganze Geschwader folgte, hier «in- aetroffen. Eine vieltausendköpfige Menschenmenge begrüßte begeistert die einfahrenden Schiffe. Kus Leipzig und Umgegend. Leipzig, 8 Juni. Wetterbericht der Königl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 9. Juni. Nordw.stwinde, zunächst wolkig, später aufheiternd, kühl, zeitweise Regen. Kau Wett. 12j Roman von Erika Nicübcrg. »Nachdruck verboten.) Eine Fundgrube an Modellen war's. Dort der junge Bursche, wie er seinen binscnschlanken Körper bog und nun die volle, goldgelbe Garbe spielend hob! Wundervoll, dies Spiel der sehnigen Glieder! Und jener Alte — welch ein Prachlkopf! Die ganze Härte unablässiger Plage und Arbeit auf dem hageren Gesicht, ein Lasttier, alt geworden im Joch und dennoch trotz des düster ergebnngsoollen Aus drucks etwas wie freie Selbstbestimmung in den Zügen —das Bewußtsein: „Es mußte so sein. Und — ich bab's geschafft:" Den malen, formen dürfen —! und dann „Arbeit" darunter schreiben! Eberhards Herz klopfte. Die Lippen waren ihm heiß und trocken, die Stirn brannte. Er seufzte so schwer, daß es einem Stöhnen glich. Wie lange sollte es noch so weiter gehen? Wie lange ertrug «r's noch? Dies war kein Leben mehr. Nicht die Welt, die di« seine war. Nichts von dem. was man hier seine Schuldigkeit nannte, tat er. Schämen mußt» er sich vo.r jenem Alten, der ohne Rast und ohne Klage sich plagte, bis er reif war und hinsank wie das Korn, das seine Hände banden. Ein Tagedieb und armseliger Grübler war er ge worden — und wußte doch ein Göttergeschenk fein eigen, fühlte die Kraft von Hunderten und .aß hier stumpf und dumpf. Nichts war mehr sein. Er selbst gehörte sich nicht mehr. Drüben im Forst, so nahe, daß man über den Daumwipfeln ein schlankes, gerades Rauchsäulchen aufsteigen sah, da lag das Forsthaus. Wann hatte er die Schwelle zuletzt betreten, die seine Kinderfüste so unzählige Male überschritten? Er mochte das ernste, Kraft und Selbstzucht fordernde Antlitz des Forstmeister» nicht sehen. Zu Hause in seinem festverschloffencn Schrank lagen neben Bergen von heimlich entworfenen Skizzen Erdmuthes Briefe. Alle voll Trost, Mut und leuchtend zuversicht licher Hoffnung — er las sie jede Nacht, er trank jedes ihrer Worte in sich hinein — aber er beant wortete keinen. Was soll ein Mensch, der wartet, von sich sagen? Sollte er ihr schreiben: „Riesengroß wächst meine Sehnsucht nach dir. nach meiner Welt. Sie flattert angstvoll in die dunkle Nacht hinaus. Sie schmiegt sich in den sonnenöurchleuchteten Tag. Sie pocht in meinen Schläfen, die nach deiner kühlenden, lieben Hand verlangen. „Mein Herz brennt! Komm! Last uns endlich zusammen wandern!" Was hülfe es, wenn er so schriebe? Es schirrte das Leid, es schürte das Sehnen. Und das blasse Leidensgesicht der Mutter mahnt« stündlich: „Gedulde dich — noch ein Weilchen! Last mir Loch den Trost deines Anblicks! Last auch ihn, Len harten Mann, noch nicht allein!" Noch nicht! Aber wann? wann? Warten! Da stand es wieder, das Wort. So dunkel, so drohend, wie dort die blauschwarze Wetter wand. Und wie angstvolles Warten lag es auch auf der Natur. Nicht der leiseste Lufthauch bewegt« Halm und Blatt. Als hielte alles den Atem an, als laure olles in weiter, unheimlickzer Stille. Eberhard wandte den Kopf nach Westen. Höher und höher stieg die unheilbringende, dräuende Wand, jetzt von fahlen, gelblichen Streifen durchschossen. Ganz weit in der Ferne rollte der erste Donner. Hastiger wurden die Bewegungen der Arbeiter. Die Garben flogen auf die Wagen. Fuder um Fuder türmte sich. Engmann in seinem grauen Drellanzug arbeitete wie «in Knecht voran. Er warf keinen Blick mehr nach dem Sohne seines Herrn, obwohl er innerlich fand, es sei eine Schande, dem lieben Herrgott zur gesegneten Erntezeit so Len Tag abzustehlen. An der Wegbicgung, hinter Eberhard, taucht« «in Reiter auf. „Der alte Herr!" Wie ein Ruck ging es durch die Leut«. Alle Muskeln spannten sich Zum Donnerwetter, man mußte Loch vor'm Regen unter Dach und Fach —! Bertram Hoffner hielt neben seinem Sohne. Er fragte ihn nicht: „Warum warst du nicht, wo Lu sein mußtest?" Kein Vorwurf kam über seine Lippen. Aber Eberhard wußte alles, was dieser ernste, stumme Mund verschwieg. Ein grenzenloses Mitleid mit dem Manne, den er auf Schritt und Tritt so bitter enttäuschte — mit sich selbst riß ihn fort. Dicht an das Pferd heran trat er, und seine Hand auf die des Reiters legend, sprach er: „Vater, ich lann nicht mehr, laß mich frei!" Stumm sahen sich beide in die einander so ähn lichen Gesichter — dann sagte Bertram Hoffner langsam: „In sechs Wochen bringe ich deine Mutter fort — du wirst dein Vaterhaus nicht ohir« Herrn lassen." Als er sich im Weiterreiten noch einmal zurück wandte, iah er seinen Sohn am Stamm der Eiche lehnen — die Augen hielt er geschlossen —, wie er selbst zu tun pflegte, wenn er einen inneren Sturm zur Ruhe zwingen wollte. Als Eberhard die Lider wieder öffner«, war der Netter verschwunden. Fort war Las Blau des Himmels, gigantisch wuchs die Wetterwand. Windstöße jagten über das Feld — ein Aechzen ging durch die Baumwipfel — angstvoll schnoben die Pferde — laute Rufe, Peitschenknallen — eine letzte, größte Anstrengung von Mensch und Tier — dorthin, dem schützenden Dach entgegen schwankten die Wagen einer nach dem andern, eine lange Reihe — leer das Feld — der Sturm war da Uirü weiter gingen di« Tage. Langsam, so langsam. Tie Hände, die zur Erntezeit rastlos sich gemüht, konnten jetzt ein wenig feiern. Die Feb>er, über deren goldenem Aehrenmeer Blitz und Donner sich entladen, lagen kahl unter wolken verhangenem Hcrbsthimmel. Schon begann der Pflug die Erde zu neuer Einsaat aufzureißen. Im Herrenhaus« auf Hoffnershalm war es still. Bertram Hoffner und seine kranke Frau waren nach dem Süden gefahren. An einem Sonntagmorgen reisten sie. Leicht und welk wie ein herabgewehtes Blatt lag Frau Annas Hand auf ihres Sohnes Haupt. Noch einmal hiclicn sie Z viesprache miteinander — nicht viel war's, was ihre Lippen sich sagten — Leidtragen und Schweigen lernt sich meist zu gleicher Zeit. „Wenn er wiederkommt — laß ihn dich noch finden! — Geh nicht heimlich!" In Frau Annas leise Abschiedsworte clengen vom Turm die Sonntaosglocken. „Lebe wohl! Lebe wohl, mein Sohn!" Und Tag reihte sich an Tag Eberhard tat seine P'licht. Er mar der Erste am Morgen, der Letzte am Abend. Aber das Feuer seiner blauen Augen war eingeschlafen — er ging umher wie im Traum. Tagelang dachte er oft kaum noch, daß dies elende Hinschleppen Stund« für Stunde mehr den göttlichen, lebendigen Quell in ihm verschüttete — nichts weiter wollte «r, als Las Denken ersticken, das Wollen er töten. Und dumpfer und dumpfer pochte sein Blut. — Erdmuthe war dagcwesen. Ganz kurz, kaum einen halben Tag in den Ferien. Auf der Oberförsterei hatten sie sich gesehen. Mit einem Schrei hatte er sie in seine Arme geriffen — sie standen und umschlangen sich und preßten sich wie in Verzweiflung und hielten einender bei den Händen: „Lassen wir uns los, so müssen wir versinken — unter gehen!" Wohl eine Stunde lang saßen sie so. Nur kurze, abgerissene Sätze sprachen sie. Sein Haupt lag in ihrem Schoß, sie konnte nichts, als immer beruhigender über sein Haar streichen. Seine Seele war wüst, und in diesen wüsten Räumen seines Innern, die nicht leer und tot werden konnten, in dcnen Verzweiflung und Schmerz in wilder Folge einander jagten, hallte ihr reines, Helles Trostwort nicht mit dem alten bezwingenden Klang wider. Erdmuthe begriff es: für jetzt war ihm das große Licht von grauen, erstickenden Wolken verhüllt. Zer reiben konnte ihre Hand sie nicht Sie konnte nur immer in gläubiger Zuversicht neben ihm gehen — hinan den steilen Dornenweg zur Kunst, die ihn segnen oder vernichten mußte. Uno dann war das Forsthaus wieder leer, und drüben aus Hosfnersholm saß ein in Zweifeln ringen der Mann einsam und gramverstört. Beinahe vierzehn Tage lang hatte cs geregnet. Zuerst in Strömen, daß die ganze Welt wie mit dichten, grauen Schleiern verhängt schien, dann spärlicher, und jetzt zum Mittag fielen nur noch einzelne, schwere Tropren in seltsam einschläferndem Rhythmus. Eberhard harte in der Stadt zu tun. Am Morgen war er hingcfahren, erledigte voller Hast die notwendigen G«,chatte, ließ, ohne etwas zu genießen, im Gasthaus wieder anspannen und fuhr zurück. Mas ihn so nach Havse trieb? Eine fast krank hafte Sehnsucht nach Einsamkeit. Er fühlte einen förmlichen Widerwillen gegen jedes Zusammentreffen mit Menschen. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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