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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110529017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911052901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911052901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-29
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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Schwand flog m» Wertcheim und Grade di« kürzer« Zeit und hielt sich trotz einiger Böen tadellos. Er konnte lehr glatt landen. Zum Schluffe wurde Grade gebeten, einen Aufstieg zu unternehmen. Er nahm in Wertheim, Maschine Platz, kam tadellos hoch und zog in weiten Kreisen bis zum Einbrüche der Dunkelheit über den Platz. Ergebnis der Wettbewerbe. Das Ergebnis für die ausgeflogenen Wett, bewerbe ist folgendes: Preis vom Wallerturm: 1) Schwand 2 Minuten 5» Sek. 2j Wertheim 3 Minuten 12 Sek. 3t Oelerich 3 Minuten 17 Sek. Preis von Lindenthal sWurfpreisj: 1l Büchner 5 Meter vom Mittelpunkt entfernt. 2) Kahnt 9 Meter vom Mittelpunkt entfernt. 3s Schwand 14 Meter vom Mittelpunkt entfernt. D^r Abschiedsflug kam nicht zum Austrag, die dafür ausgesetzten Preise wurden unter Hinzu fügung einer größeren Summe unter die Herren ver teilt, die sich um das Zustandekommen der Leipziger Flüge verdient machten, nämlich' Grade. Müller, Schwand, Wertheim und Oelerich. Unterwegs und am Ziel. Neber den weiteren Verlauf des Fluges der Teil nehmer an der Fahrt Leipzig—Plauen gingen uns folgende, durch Extrablätter veröffentlichte tele. graphische Meldungen zu: * Pegau, 28. Mai. (Priv.-Tel.s Die Flieger Büchner, Lindpaitner und Laitlch über flogen in kurzen Zwischenräumen um v Uhr 50 Min. Pegau. (:) Altenburg, 28. Mai. Van den Höhen bei Altenburg wurden die Flieger gesichtet, der erste kurz nach 7 Uhr, der nächste 7 Uhr 35 Min. und der dritte etwa 10 Minuten später. Tausende von Menschen hatten sich eingcsunden, um dem seltenen Schauspiele beizuwohnen. Es war ein herrlicher Anblick, die Fahrzeuge im Glanze der Abendbeleuchtung maje stätisch ihre Bahn ziehen zu sehen, auf der sie sich eine Viertelstunde lang mit den Blicken verfolgen liehen. ir. Greiz, 28. Mai. Erster Flieger 7 Uhr 45 Min. gesichtet. Das Flugzeug hat die Stadt in ruhiger Fahrt übersegelt. ; Schiebstand bei Plauen, 28. Mai. Soeben, 7 Uhr 50 Min., wird das Flugzeug N r. 53 (Bruno Büchner; die Ned.s hier gesichtet und hält die Richtung auf den Landungsplatz. * Plauen, 28 Mai, 8 Uhr 10 Min. Büchner ist hier um 7 Uhr 53 Min. als Erster glatt ge landet. * Plaue«, 28. Mai. Laitsch ist hier 8 Uhr 25 Min. glatt gelandet. * Plauen, 28. Mai, 8 Uhr 40 Min. Lind- paintner muhte w e g e n M o t o r d e f e k t bei Ronneburg landen. Er denkt aber die Fahrt heute noch fortzusetzen. G Büchners Fahrt nach Plauen. * Unserem nach Plauen gesandten Spezial berichterstatter gab Leutnant Hans Stes sens von der Unterossizierschule in Potsdam den folgenden Bericht über den Flug Leipzig-Plauen, an dem er als Begleiter des Ersten, Bruno Büchner, teilgenommen hat: Unsere Fahrt von Leipzig nach Plauen? Es war eine fürchterliche Kurvenfahrt! Ein rechter Drang zum Fliegen war so gegen 4 Uhr nachmittags über- Haupt nicht vollenden, da südlich von Leipzig im Vogtland Gewitter telephoniert wurden. Gegen 6 Uhr hieß es: „lleberall ruhig." Büchner sagte so fort zu mir: „Nur keinen Augenblick verlieren", und lieh seinen „Aviatik" herausholen und anlaufen. Ein trefflicher Start, eine Wendung über den Flug platz zum Abschied«, und fort ging es, in Richtung auf Wahren. Die Lust war doch schon wieder böig geworden, und mit einigen Schwankungen kamen wir bei Groitzsch über die Elster. Das Plateau begann, wir muhten steigen. Der Barograph zeigte 450, 500, 600 Meter. Die Höhe war gut. Bor uns schied sich Sonnenschein und Schatten in markantem Striche. Ob wir durch die Scheidewand zwischen Warm und Kühl unbehelligt hinüurchkommen? Die ersten Waldungen, die Vorläufer de» Vogt landes, im Osten Zeitz! Die Maschine stampft trotz ihres 100 I». 8. Argusmotors und der über 90 Kilo meter groben Geschwindigkeit. Di« Böen werden stärker und stärker, und Büchner arbeitet ange strengt mit der Verwindung. Es ist ein dauerndes Schaukeln und Schwanken. Ich hoffe, es hört bald auf. Wir steuern über den Wald. Nordöstlich Greiz, rechts ein Tal über die Elster, von der die Tal wirbel heftig anfassen. Wir sind über dem östlichen Teil von Greiz. Unten das Gewimmel von Men schen, ob sie aber ahnen, wie hier oben gerungen wird? lieber dem Göltzichtal batten wir die Böen noch stärker Die Maschine bewegt sich wie ein Boot auf sturmbewegter See. Man muh die Zähne zusammenbeihen, um an seine Pflicht, die Orientierung, zu denken. Wir schwenken nach rechts, um über die Elster zu kommen. Es wird furchtbar. Ein Sturmwind, den ein dunkler Gewitterhaufc hinter uns herjagt, wirft uns wie einen Ball hin und her. Herauskommcn scheint un möglich. Der Führer saht mit seiner linken Hand in das Gestänge, um mit der rechten kräftiger arbeiten zu können. Die Maschine schiesst um 30 bis 40 Meter steil herunter, senkt sich rechts, dann links, dann sausen wir wieder hoch. Doch die Energie des Führers bringt uns durch. Wir haben das Elstertal hinter uns und nähern uns dem Plateau, auf dem Plauen liegen muh. Noch einmal saht es uns bestig, aber wir sind bald hindurch, und rechts einer Dnnstmasse, aus der vereinzelte Türme hindurch schauen, sehen wir vor uns die Hellen Fliegerschuppen des Flugfeldes. Ein eleganter Gleitflug, und unter brausendem Beifall sind wir ge landet. Aber weih diese jubelnde Menge, wasfürein Kampf eswar? Ich qeheauf Büchner zu und drücke ihm die Hand. Es sollte ein Dank sein aus Hochachtung Denn es war eine Fahrt auf Leben und Tod. Neuer Lhemniher Flugkag. Wie der Chemnitzer Verein für Luftschifsahrt be- kanntgibt, haben die Flieger Laitsch, Lind- paintner, Büchner und Hoffmann zugesagt, an einem neuen Flugtage in Thcmnitz.an dem auch der Rundslug um Chemnitz, Preis der „Chemnitzer Neuesten Nachrichten" ausgeflogen werden soll, zu starten. Das Programm für die Flugveranstaltungen ist folgendes: Montag, den 29. Mai nachmittags, festlicher Empfang der Flieger vom Sachsen-Rundslug. Dienstag, den 30. Mai nachmittags 3 Uhr, Wur f- oreis 1700 „st. Passagierflugpreis 1000 Mark. Groher Rundflug um Chemnitz lPreis der Chemnitzer „Neuesten Nachrichten") 16 000 Mark. Trostpreise nach Befchluh des Organisations ausschusses. DeuMes Reich. Leipzig, 29. Mai. * Prinz Han» von Glücksburg Der bereits ge meldete Tod des Prinzen Hans von Glücksburg er folgte am Sonnabendabend kurz nach 7 Uhr infolge einer Lungenentzündung. Der Verstorbene ist 86 Jahre alt geworden. Wegen seiner Verwandt schaft mit den meisten Höfen Europas batte er den Bestürmen „Der Onkel Europas". Prinz Johann, der am 5. Dezember 1825 zu Gotorp geboren wurde, lebte am Kopenhagener Hose, und hat von dort aus zeitweilig für den Neffen König Georgios die Statt halterschaft in Athen geführt, wo er sich schnell grohe Popularität erwarb. In den späteren Zeiten des Kopenhagener Hofhaltes genoh er die besondere Freundschaft des mit seiner Nichte vermählten Zaren Alexander 111., auf den er wiederholt einen ver mittelnden Einfluh ausgeüdt haben soll. * Sechs Prinzen als Leutnants zur See. Die sechs rangjüngsten Leutnants zur See sind sechs Prinzen. Von diesen ist Prinz Heinrich XXXVII. von Reuh im März 1907 in di« Marin« ein getreten; gegenwärtig ist er an Bord des Panzer kreuzers „Blücher" kommandiert. Prinz Friedrich zu Glücksburg, der im März 1910 in die Marine trat, besucht gegenwärtig di« Marineschule. Der im April 1909 eingetretene Prinz Ernst von Ratibor und Corvey absolviert gegenwärtig den Waffenlehrgang. Prinz Maximilian zu Solms-Hohensolms» Lich, der der Marine seit April 1910 angehört, besucht ebenfalls die Marineschule. Neu in die Marin« «ingetr«ten sind im März dieses Jahres Prinz Franz Joseph von Hohenzollern und Prinz Eberhard von Arenberg. Der erstere ist an Bor- de« Schulschiffes „Hertha", der letztere an Bord der „Viktoria Luise" eingeschifft; beide erhalten mit den neueingestellten Seekadetten ihre erst« seemännische Ausbildung. Ein Patent als Leutnant zur See be sitzt vorläufig noch keiner der sechs jungen Prinzen. * Ueber die Fischereigerechtigkeit hat der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten in einem neuen Erlaß an die Oberpräsidenten folgender ausgeführr: Anläßlich der Ausführung der wasserwirtschaftlichen (besetze vom 4. August 1904 und 1. April 1905 ist mehr fach di« Frage von Bedeutung geworden, wem die Fischerei in Gewässern gehört, die in oder an einem Flusse oder einem sonstigen Gewässer geschaffen sind, wie Häfen, Durchstiche mit oder ohne Erhaltung Les bisherigen Wasserlaufes, Ent- und Bewässerungs gräben, sonstige Gräben, z. B. zur Heuabfuhr. Vor fluter — zum Teil mehrere Kilometer lang und von erheblicheren Abmessungen —, Schiffahrtskanäle mit und ohne Wiedereinmündung in einen Fluhlauf usw. Durch allgemeine gesetzlichen Bestimmungen sind diese Fragen nicht entschieden; ebenso sind hier keine Ge richtsurteile bekannt, in denen diese Fragen er schöpfend oder wenigstens in allgemeinerer Weise be handelt sind. Auch die Praxis ist, soweit hier über setzen werden kann, keinesivegs einheitlich; wenigstens ist in den hier bekannt gewordenen Fällen die Re gelung in sehr verschiedener Weise erfolgt. Die An gelegenheit ist von Bedeutung für die Wasserbau verwaltung in ihrer Eigenschaft als Unternehmerin, die die neuen Gewässer schafft, und als Besitzerin aus gedehnter Fischereien. Auf Anordnung des Ministers sind deshalb di« zuständigen Behörden zu einer Prü fung und Aeußerung darüber veranlaßt worden, ob Fälle der gedachten Art bereits zur Erörterung ge kommen sind, und wie gegebenenfalls die Entscheidung oder tatsächliche Regelung erfolgt ist. * Die Uebungen der 2. Garve.Jnfanteriebrigade, die in diesem Jahre der neuernannte Brigadekomman deur, Generalmajor Frhr. v. Lüttw : tz. leitet, wer den am 29. d. M. durch den Kaiser besichtigt werden, der im Anschluß das Frühstück im Döberitzer Lager im Kreise des Offizierkorps einnimmt. Am 10., 12., 13. und 14. Juni sind di« Besichtigungen der Garde Kavallerieregimenter auf demselben Platze. * Programm der Konferenz der Statistischen Landevämter. Ueber das Programm der Konferenz der Statistischen Landesämter, die vom 9. bis 11. Juni in Danzig stattfinden wird, erfährt die „Inf." folgendes: Die Konferenz wird eine vorbereitende Tätigkeit ausüben, die sich aus die Ausgestaltung be stimmter Arten von Statistiken bezieht. Die ent sprechenden Vorschläge sollen dann dem Bundesrat unterbreitet werden. Es handelt sich im wesentlichen um die Ausgestaltunader Lohnstatistik. der Unter- richisstckffsikk, der Stansff^tzd«öGrundbesitzes. der Bau tätigkeit, der Landwirtschaftsstatistik und Binnen- schiffatzrtsstatistil. Der Vorsitz auf der Konferenz ist dem Präsidenten des Statistischen Amtes des Reiches van derBorght übertragen worden. Außer den Vorständen der Stastitischen Landesämter nehmen vom Reichsamt des Innern der Geheime Oberregierungsrat Koch, sowie drei andere Refe renten, und vom preußischen Handelsmini sterium der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Dr. Lusensky an den Beratungen teil. * Studienreise der Bostoner Handelskammer durch Europa. Wie schon berichtet, veranstaltet die Handels kammer zu Boston in diesem Sammer eine Studien- retse durch Europa, deren deutscher Teil von der American Association of Tommeree and Trabe, Berlin, unter Mitwirkung von deutsch«» Handels kammern und kaufmännischen Korporationen geleitet werden wird. Die Amerikaner, ungefähr hundert an Zahl, werden sich mit dem Studium von sozialen Aufgaben befaffen, wie z. B. mit den in Deutschland so hoch entwickelten Ardeiterfürsorge- und Schutz einrichtungen, dem kommerziellen und industriellen llnterrichtswesen, der Kranken- und Kinderfürsorge und den baupolizeilichen und hygienischen Einrichtungen, auf welchen Gebieten Deutschland bekanntlich bahn brechend gewirkt hat. Es sollen hierzu Handels- und Handwerksschulen besucht werden, städtische Waffer- ünd Kraftwerke, Schlachthöfe, Asyle, Heilanstalten für Trinker und Tuberkulosekranke, Arbeiteransied- langen, Feuerschutzanlagen in Fabriken und andere Wohlfahrtseinrichtungen. Um einer falschen Auf fassung von dieser Reise entgegenzutreten, sei bemerkt, daß einige der bedeutendsten deutschen Fabriken nur besichtigt werden sollen, um den Herren an Ort und Stelle ein Bild von deutscher Arbeiterfürsorge zu geben, nicht aber um Fabrikations methoden zu studieren. Auslaut. Sesterreich-Ungarn. * Gras Aehreuthal gebt nicht nach GödöNö, um seinen Antrittsbesuch beim Kaiser zu machen, son dern wird warten, bis der Kaffer in Schönbrunn angekommen ist. Der Tag der Ankunft des Koffers in Schönbrunn ist, wie bereits gemeldet, auf den 1. Juni festgesetzt. Italien. * Das Befinden des Papstes. Der „Offervatore Romano" erklärt ganz entschieden dar von mehreren Zeitungen verbreitete Gerücht von einem Ohn- machteanfall, den der Papst gestern erlitten haben sollte, für unrichtig. Der Papst habe am Freitag und Sonnabend zahlreiche Audienzen erteilt. Norwegen. * Das norwegische Wassergesetz. Nach fünf tägigen Verhandlungen hat am Sonnabendabend im Odelsthing die Abstimmung über den Gesetzentwurf, betr. größere Wasserregulierungen, stattgefunden. Die erwartete Ministerkrise ist nicht eingetreten, da die von der Regierung angenommene Form der ersten Para graphen eine Mehrheit von zwei Stimmen ge funden hat. Türkei. * Ein Kamps zwischen türkischen und bulgarischen Erevztruppen. Aus Küstendil wird gemeldet: Am Sonnabendnachmittag kam es in der Nähe des Grenzpostens Dcvebair zu einem Gefecht zwischen bulgarischen und türkischen Erenztruppen. Hierbei wurden ein türkischer Offizier und zwei Soldaten erschossen; auf bulgarischer Seite wurde ein Soldat verwundet. Die Ursache des Zusammenstoßes ist noch nicht aufgeklärt. An geblich sollen die Türken auf bulgarischem Gebiet eine Schanze gegraben haben und dabei von bulgari schen Soldaten gestört worden sein. Der Vorfall er regt großes Aufsehen. Serbien. * Der französische Besuch des Königs Peter. Bereits am Sonnabend begannen neue Ver handlungen zwischen der französischen und der serbischen Regierung über den Pariser Besuch des Königs Peter, der voraussicht lich Anfang Juli erfolgen wird. Die fran- zösische Regierung zieht dieses Datum dem Herbst rcr. der zuerst als Zeitpunkt für den Besuch in Aussicht genommen war, als seine Vertagung nötig wurde. Falliöres wünscht den König Peter vor seiner Reise nach der Normandie und nach Holland zu empfangen. An dem Programm, das für den Mai besuch festgestellt war, wird im Juli nichts geändert. Lsnüukzsuker. Von Arno Feld. tNachdruck verboten.j In die dunkelsten Winkel hat unsere moderne Wistenschaft geleuchtet, an mehrtausendjährige sorg sam gehütete Traditionen die Sonde der Forschung gelegt und vieles, was von uns als unanfechtbar galt, als Aberglauben auf den Kehrichthaufen gewor fen. Und dennoch gibt's auch heute noch ein Lank, vor dem die Erkenntnis Haltmacht — das ferne süd liche Märchenland Indien ist's, in dem der blaue Lotos und die papageienköpfige Para- vindablume berauschenden, die Sinne verwirrenden Duft aushanchcn, die uralten siebenhundert Sprüche des Halas den Menschen geheimnisvolle Weisheit verkünden und Zauberer. Schlangenbeschwörer und Fakire stauncnerregende Wunder vor unser» Augen aussührcn. Freilich, Wunder gibt's nicht, alles auf Erden geht mit natürlichen Dingen zu — jo hat man's uns in der Schule gelehrt und wir sind auch fest davon überzeugt — folglich wird das auch auf die indischen Wunder zutressen, aber immerhin ist s noch niemand gelungen, sie zu erklären. Handelt sich's bei ihnen um Taschenspielerei oder um ge schickte Ausnutzung uns noch unbekannter Natur kräfte und optischer Gesetze, wie weiterhin um die Anwendung gewisser Pslanzensäfte. von deren eigen tümlichen Wirkungen man bei uns nichts weiß? Vielleicht eint sich alles dies, um Illusionen hervor- zubringcn, die man ganz ungerechtfcrtigterweise aufs okkulte Gebiet verweist. Unendlich viel haben wir aus schriftlichen Berich ten, aus Dichtungen und aus dem Munde von Rei senden über die indischen Wunder gehört, dessen un geachtet findet sich darunter noch manches, das, ab gesehen von einem ganz engen Kreis von Indien forschern dem Publikum völlig fremd ist Dies ist namentlich bezüglich des „S a n d u k z a u b e r s" der Fall. Man nennt ihn so nach einem wenig verbrei teten Stamm, der in einem langen düstern, zwischen den himmelhohen nördlichen Himalajabcrgen eingc- senkten Tal haust. Die Sanduks sind ein Volk, von dem man kaum weiß, welcher Raffe man es zuzuzäh len hat, am ähnlichsten erscheint cs noch den Tibe tanern, ähnlicher, als den Indern, mit denen es weder hinsichtlich seiner Bräuche, Sprache, seines Charaklers und seiner Körpcrbildnng auch nur das mindeste aemeinsam hat. Ehedem hielt man es für eine indische Kaste — und zwar für die tiefste, noch unter den Parias stehende — weil cs angeblich einen der hindostanischen Götrer, nämlich Schiwa, den Der. nichter, anbeten sollte dach hat sich dies längst al» ein Irrtum herausgestcllt. In Wahrheit verehren die Sanduks als einzige Gottheit den Panther, ein mythisches Ungetüm, das ihrem Glauben nach in einer Art Felsenburg Hausen soll, die gleichzeitig da» Tor zu ihrer Talschlucht bildet. Der gesamte San- dnkzauber steht mit dem göttlichen Panther in Ver bindung, er wurzelt in ihrem Kultus und was di« Sanduks an Werken der Kunst — allerdings einer denkbar rohesten, auf unterster Stufe stehenden — icsitzeu und von denen manche Forscher meinen, daß ie auf eine uralte, vielleicht vor Jahrtausenden ver- unkene Kultur deuten, das sind mehr oder weniger Symbole ihrer barbarischen religiösen AnschauunHeii. So befindet sich z. B. auch über dem erwähnten Fel sentor ein riesenhafter Pantherkops, der von einem Kranz von Tütenschädeln umgeben ist. Die letzter» stammen alle von Weibern — den Panthcrbräuten her. Im großen und ganzen hat wohl nur sehr selten ein Fremder das Sandukgebict betre ten, da die Stammesangehörigen die Eindringlinge ausrauben und niedermetzeln, alles, was man über den Sandukzauber weiß, ist den Indern und Eng ländern gerüchtweise überbracht worden, sofern sic es nicht mit Hilfe seiner Wirkungen nach außen hin sich zusammenkombinierten. Aus einem, wie dem andern darf man wohl selbstverständlich den Schluß ziehen, daß bei den über den Gegenstand kursierenden Er zählungen die Phantasie stark mitgearbeitet hat, aber auch dies zugegeben, bleibt noch genug Unheim liches und Unbegreifliches übrig, dessen Tatsächlich keit sich nicht leugnen läßt. Was nämlich die vorhin erwähnten Wirkungen des Sandukzaubers nach außen hin anbetrifft, so haben sie so weite Kreise gezogen, daß man sie sogar in unserm aufgeklärten Europa verspürt haben will. Es ist etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahre her, als eine seltsame Geschichte durch die Zei tungen lief. Ein englischer Missionar, der längere Zeit Gast des britischen Residenten in Ghasi- pur gewesen war, kam mit seiner Frau, einer Ber linerin, und seinem zweijährigen Töchterchen nach unserer Rcichshauptstadt, um seine Verwandten zu besuchen. Eines Tages bemerkte die Mutter beim Baden des Kindes, daß sich auf dessen Brust ein schwacher flechtenartiger Ausschlag zeigte. Da der selbe sich weiter über den Körper verbreitete, ging sie mit der Kleinen in eine Klinik, wo die Aerzte nach langer Beratung untereinander die Diagnose stell? ten, daß es sich um einen Fall von Lepra handelte. Es sprach zwar einiges gegen diese Annahme, aber man erklärte es sich dadurch, daß es wohl nicht Lepra in der heutigen Form war, wie sie unter andern in Sibirien so massenhaft in Erscheinung tritt, sondern um den ursprünglichen Aussatz, von dem in der Bibel so viel die Rede ist. Wie aber kam das Kind zur Lepra? In Indien, im nördlichen Himalajagebiet gab es diese Krankheit ja gar nicht. Der Ausschlag aber verschlimmerte sich ständig und nach drei Mo naten überzog er den ganzen Körner mit Ausnahme des Kopfes. Aber war das denn überhaupt ein Aus schlag? Alle Rauheiten waren verschwunden, nur erschien die gesamte Haut des Mädchens gelbbraun und samtartig, wie die Haut eines Tieres, und ganz seltsam leuchtete das weiße Antlitz aus der dunkeln Umgebung hervor. Gleichzeitig mit dieser körper lichen Verwandlung änderte sich auch der Charakter des Kinde». Es wurde unberechenbar, launisch, sein« Stimme nahm einen tierischen Klang an und es fing an, auf allen Vieren zu laufen. Daß es sich nicht um Lepra handelte, war sonnenklar, ia, die Aerzte begriffen jetzt nicht, wie man überhaupt auf diesr Krankheit hatte verfallen tonnen. Das Kind wurde aus einem Krankenhaus ins andere geschickt, dl« be rühmtesten Spezialisten untersuchten es, aber keiner von allen wußte, was er von dem rätselhaften Leiden zu halten halte. Inzwischen nahm dasselbe immer zu, die Kleine tonnte kein einziges Wort mehr sprechen, sondern brüllte und lallte nur noch und ihre geistigen Fähigkeiten verschwanden gänzlich. Zuneh mend mehr machte sie den Eindruck eines Tieres. Schließlich mußte man sie in einer Anstalt für blöd sinnige Kinder unterbringen. ^egt enoliu) erzählt oer Vater des Kindes eine wunderliche GejaMste, die er bisher peinlich ver- Ichuuegen hatte, einesieffs, weil er nrzyr für aber- glaubl,ch getstilien werden wollte, und anüernteils, weil er meinte, daß die Vermutungen, die er an jen^ Begebenheit ruüpsle, nicht mit der christlichen Reli gion im Einklang standen und sich daher nicht für einen Geistlichen ziemten. Es waren nämlich kurz bevor oer Missionar mit seiner Familie die Reise nach Europa antrat, Sandukgaukler nach Ghasipur gekommen und hatten auf dem Hof des Residenten ihre Künste zu zeigen begonnen. Sie ließen gleich den indischen Fakiren Laub und Blumen aus einem dürren Stock hervorjchießen und eigen tümliche farbige Flammen in freier Luft entstehen. Dann hießen sie die Dienerschaft in die Flammen hineinzugreifen. Die Hautteile, die sie berührten, färbten sich darauf braun oder rötlich, so, als ob sie verbrannt wären. Wenn die Leute über diese Wirkung des Feuers erschraken — beiläufig bemerkt, bereitete es ihnen keinen Schmerz — zogen die Sanduks ein Fläschchen mit einer funkelnden Flüssig keit hervor und benetzten die scheinbar verbrannten Stellen damit, worauf die braunen Flecken sofort oer- schwanden. Der englische Missionar ärgerte sich über dies Gaukelspiel, und er bat den Residenten, die Fremden von feinem Hof zu verjagen. Jener folgte der Weisung, ohne den Sanduks den von ihnen er hofften Lohn für die Vorstellung z» geben. Hierüber ergrimmt, brachen diese in ein Wutgeheul aus, und ihr Anführer, ein riesenhafter, in ein orangeaelbes Gewand gehüllter Alter mit einem scheußlichen Raub, tiergesicht, stürzte auf das kleine Töchterchen des Missionars zu, ergriff es und zog es rasch durch eine Flamme, die er durch blitzschnelles Erheben seines Stabes in der Luft erscheinen ließ. Dann setzte er das Kino auf die Erde und eilte in wilder Flucht den Seinen nach. Der Resident wollte die Sanduks verfolgen lassen, aber seine indischen Diener warfen sich vor ihm auf die Erd« und flehten ihn an, es zu unterlassen, da die gefährlichen Fremden sonst einen verderblichen Zauber ausllben würden, der bestimmt war, das ganze Haus mit seinen Bewohnern dem Untergang zu weihen. Da in Indien erfahrungs gemäß jeder von dem dortigen Aberglauben ange. steckt wird, so ließ der Resident die Sanduks ziehen. Dem Töchterchen des Missionars hatte überdem da. Feuerbad nichts geschadet, man sah auch nicht die Spur einer braunen Färbung auf seiner Haur. Der Missionar vergaß das Begebnis bald, ja, er erinnerte sich nicht einmal daran, als sich später in Berlin der Ausschlag bei seinem Kinde zeigte, erst als dessen ganzer Körper sich mit dem schauerlichen samtartigen Braun überzog, fiel es ihm ein. Natür. lich begegnete er mit seiner Erzählung äußerstem Unglauben bei den Äerzten. Man sprach damals viel von einer neuen Tropenkrankheit, die sich durch ähnliche Erscheinungen bemerkbar machte, wie man sie bei dem Missionarskinde konstatierte, und nahm an, daß es sich bei dem letzteren um diese handelte. Uebrigens starb die Kleine bald, und da auch keine weiteren Fälle jener Tropenkrankheit auftauchten, geriet die ganze Sache in Vergessenheit. Immerhin gab es einige Leute, die eins Zeitlang in Ghaffpur und Umgegend gewohnt hatten und noch nach langen Jahren von der Geschichte sprachen; disje behaupteten, daß viele angebliche Erscheinung?- formen des indischen Tropenfiebers auf Sanduk zauber zurückzuführen seien. Die Sanduks — so sagten sie — wären durch ihre grausige Religion ver pflichtet, dem göttlichen Panther jährlich eine be stimmte Anzahl von Bräuten zuzuführen, doch ge- hörten sie ihm erst nach dem Tode und müßten, um der Ehre teilhaftig zu werden, als seine Gattinnen in seinem Felsenschloß zu Hausen, auf bestimmte Art ge tötet werden. Ueber die Form dieses Opfertodes wußten zwar auch sie nichts Bestimmtes, doch hatten sie gehört, daß namentlich bei kleinen Mädchen, die ein Sanduk in rachsüchtiger Absicht berührt, stets hinterher die rätselhaftesten krankhaften Symptome sich gezeigt hatten. Die Tochter einer Hindufrau aus Ghasipur hatten sie z. B. mit sich geschleppt und dann an einem einsamen, schattenlosen Ort, auf den die Sonne sengend schien, verlassen. Als man das Kind einige Tage später fand, war es irrsinnig, und auf seinem Rücken erblickte man rote, wie vom Stich eines Insekts herrührende Punkte, die nie mehr ver- schwanden. Nach seinem zwei Jahre danach erfolgten Tode sah man diese Stiche noch genau so deutlich, wie in der Stunde, in der man die Kleine in der Einöde auffand. Noch wunderbarer war ein anderer Fall, der das Töchterchen eines englischen Offiziers betrat. Seine Eltern, die mit dem Kinde in einem Land hause wohnten, hatten es eines Tage» für kurze Zeit im Schatten eines Gehölzes verlassen, und al« sie zu ihm zurückkehrten, fanden sie es mit Paravinda- blumen geschmückt. Die fünfjährige Kleine erzählte, daß zwei häßliche braune Männer ihr die Blüten um Stirn und Handgelenk geflochten hätten. Man nahm sie ihr ab. aber merkwürdig — der berauschende Duft dieser Blumen haftete auch dann noch an dem Mädchen, und im Laufe einiger Wochen ging er in einen Geruch von Fäulnis über, der zuletzt so stark wurde, daß man die Nähe de, Kindes kaum ertragen konnte. Gleichzeitig bemerkte man stetig wachsend Zeichen von Geistesverwirrung bei dem unglücklichen Geschövf: ein Jahr spater war es tot Der Vater der Kinder hatte wenige Tage, bevor man dar Kind
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