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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.06.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110620016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911062001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911062001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-20
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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( 14 634 Amtsblatt des Aales und des Vottzeiamtcs der Lladt Leipzig. für Inserat« au, Leipzig und Umgebung di« lspalrtge Petitzetl« 25PI., di« Reklame- »eil« l Mk.. von auswärt» 30 Ps., Reklamen U2V Mk.' Inserate von Behörden rm amt lichen Teil di« Petit»«,l« SU Pf. G«Ichäst»ant«lgen mit Platzoorschristen u. in der Abendausgabe im Preise erhöht. Rabatt nach laris. Beilagcgebübr Gesamt, antlage ü Mk. p Tausend »rkl. Postgebühr. Teildcilage Hoher. Fefterteilt« Austraa« können nrrbt zurück, aeiogen werden Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: I,ban»i,g»ss« 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Expedition«» de» In» und Ausland«». Druck »ud Verla, de» Leipziger Tag«» blatte» E. Polz. Inhaber: Paul Rürste». Redaktion und keschäst.ftell«: Iohannisgasse 8. Hau»t»Ailial« Dr„d«»: Seestrage 1. l (Telephon 4521). Nr. 16S Vlrnsisg, üen 20. Juni lSll 105. Jahrgang. Die vorliegende Aufgabe umfaßt 20 Leiten. Las Wichtigste. * Das deutsche Kronprinzenpaar ist zur Teilnahme an den Krönungsfeierlichkeiten in Lon don eingetroffen. (S Deutsch. R.) * Direktor Colsman verteidigt den Grafen Zeppelin gegen Angriffe Maximilian Hardcns. (S. des. Art.) * In Bethanien (Deutsch-Südwestafrika) wur den fünf Bethanier-Hottentotten wegen Bandenbildung zum Zwecke eines Aufruhrs hinge- richtet. (S. Deutsch. R.) * In Deutsch-Böhmen kam es aus Anlaß der Wahlbewegung zu Ausschreitungen. (S. Ausl.) * In Glasgow haben sich die Hafenarbei ter dem Seeleute streik angeschlossen. (S. bes. Art.) * Die konstituierende portugiesische Kam mer proklamierte offiziell die Republik. (S. Ausl.) Die Reform üer Ggmnalirn. Dem humanistischen Gymnasium in Preußen drohen, wie es scheint, neue Gefahren. Angeb lich soll wieder einmal eine Schulkonferenz stattfinden mit dem Ziel, das Griechische fakul tativ zu machen und durch das Englische zu ersetzen. Das ist zwar, wenn schon nicht gerade in offizieller Form, abgeleugnet worden, und dennoch erhält sich das Gerücht und schafft neue Beunruhigung. Das humanistische Gymnasium, das in seiner heutigen Gestalt in Preußen auf die Regulative von 1812 und am letzten Ende auf Wilhelm von Humboldt zurückgeht, hat mancherlei nicht unansehnliche Feinde. Da sind zunächst die im Verein „Neichsschulreform" zu sammengeschlossenen Kreise, die in dem All deutschen Friedrich Lange ihr geistiges Ober haupt verehren, und denen in ihrem Nationa lismus eine ausschließlich auf das Deutsche gestellte Schule als Ideal vorschwebt. Sie leben der Ansicht, daß die Berührung mit dem Fremden zum mindesten die nationale Gesinnung ge fährde und erstreben schon aus diesem Grunde die Einschränkung des altsprachlichen Unterrichts. Zu ihnen gesellen sich dann die praktischen Leute, die Nützlichkeitsfanatiker um jeden Preis. In manchem Stück grenzen sie an das an, was man sonst in anderen Zusammenhängen „Real politiker" heißt; wenigstens findet man hier wie dort dieselbe abschätzige Behandlung von allem, was nicht unmittelbar zu ver werten und in Mark und Pfennig umzu rechnen ist; die gleiche brünstige Verehrung der sogenannten Wunder der Technik und der „mo dernen" Entwicklung. Das sind, wie gesagt, nicht ganz unbeträchtliche und nicht ganz ein flußlose Kreise. Gewichtiger aber noch ist die wohl allgemein bekannte Tatsache, daß auch der Kaiser, obschon selbst ein Eymnasialabiturient, den Realanstalten den Vorzug gibt. Deshalb wird es nützlich sein, trotz aller halben Demen tis, zumal im Kultusministerium eine gewisse Behutsamkeit beobachtet werden soll, diese Reformbewegung mit Aufmerksamkeit zu ver folgen. Man muß sich nämlich klar sein, daß dieses sogenannte englische Gymnasium nichts anderes bedeutet, als die Zerstörung des klassischen Gymnasiums überhaupt. Das alte Verech- tigungswesen mochte seine Bedenklichkeiten ge habt haben. Es hatte Unzählige auf die Latein schulen geführt, die es zu einem wissenschaftlichen Berufe nicht trieb, die dafür auch gar nicht taugten, und die, wenn sie dann doch über kurz oder lang die ihrer Veranlagung und ihren Bestrebungen nicht entsprechende Anstalt ver ließen, dem Leben im großen Durchschnitt hilf los gegenüberstanden. Wer diesen abgebrochenen Tertianern und Sekundanern begegnet ist, wird fast immer die Empfindung gescheiterter Exi stenzen gehabt haben. Das find die proble matischen Naturen im Goetheschen Sinne, die keiner Situation genügten und denen auch keine Situation genügte. Aber nach dieser Richtung sind die hauptsächlichste^ Steine des Anstoßes inzwischen ja wohl fortgeräumt worden. Wir haben Realgymnasien, wir haben Realschulen, und beide öffnen den Zugang auch zu den Universitäten und nahezu zu allen Fakultäten. Das „Realpennal" — das ist in diesem Lande der Aeußerlichkeiten und der Kastenschichtungen, das ehedem das Land der Dichter und Denker war, wohl zu beachten — gilt jetzt als ebenso feudal wie die humanistischen Anstalten. Es hat die Gymnasien entlastet und ihnen jenen Zwangsvorzug genommen, der in Wahrheit eine auferzwungene Bürde war. Wer will, kann das Gymnasium nun meiden und es trotzdem genau so weit in Staat und Gesellschaft bringen, wie die jungen Deutschen, die zwischen 16 und 19 Jahren mit Cicero und Horaz schlafen gingen und sämtliche unregelmäßige Aoriste sich einprägten. Daneben hat das Gymnasium sich auch „modernisiert"; hat sich allerlei neue Lehr gegenstände einverleibt, mehr vielleicht, als der Einheitlichkeit des Ausbildungsganges zuträg lich war. Nun sollte man des Experimentierens aber genug sein lasten und diejenigen, die nach der Väter Weise ihre geistige Schulung aus den humanistischen Gymnasien zu beziehen wünschen, nicht daran hindern. Nicht nur aus dem vielleicht nicht ganz unpädagogischen Gesichts punkte, daß gerade diese Dinge einer gewissen Stetigkeit bedürfen. Auch aus dem anderen, noch ernsthafteren, daß man just in solchen Fragen die Erfahrung sich als Lehrmeisterin dienen lassen soll. Schließlich sollen unsere Schüler doch nicht zu wandelnden Konversations lexika erzogen werden. Das ganze Misten der Zeit kann heute kein Mensch mehr umspannen, und die Polyhistoren von Leibnizschem Ausmaß sind selbst unter unseren Professoren aus gestorben. Das Beste, was die Schule dem Jüngling, der hinterher die Universität bezieht, mitgeben kann, ist eine Grundlage, die es ihm ermöglicht, mit Gewinn und mit Lust späterhin wissenschaftliche Studien zu treiben Das haben die Gymnasien bisher zuwege gebracht, und so ist aus ihrer Vergangenheit eigentlich kein Grund abzuleiten, warum man sie in Anstalten umwandeln müßte, in denen dem Schüler alle Dinge und noch einige eingetrichtert werden, die sie, wenn's schon darum geht, am Ende ebenso gut vergeßen, wie die Lehren der latei nischen Syntax und die unregelmäßigen Verba. Jugenüpklege. Dem ungemein wichtigen Problem der Jugend pflege, der körperlichen, geistigen und sittlichen Förderung der schulentlassenen Jugend vom 14. bis 20. Lebensjahre, widmen gegenwärtig die Re gierungen der Einzelstaaten, voran Sachsen und Preußen, die Parlamente und freie Vereinigungen für soziale Wohlfahrtspflege mit Recht ihre Aufmerk samkeit mehr denn je. Auf der diesjährigen Haupt versammlung des Sächsischen Landes verbandes für Verbreitung von Volks bildung, die am 16. Juni in Frairkenberg statt fand, hat der in diesen Fragen bewährte Direktor Alwin Herrich (Leipzig) einen bemerkenswerten Vortrag gehalten, der die Stellung des genannten Verbandes zur Jugendpflege eingehend darlegt. Bei dem allgemeinen Interesse, das für dieses Problem gegenwärtig vorhanden ist, glauben wir den Be strebungen für Jugendpflege einen Dienst erweisen zu können, wenn wir hier diesen Vortrag zum Abdruck bringen. Hoffentlich werden dadurch manche Kreise, die diesen Dingen bisher kühl gegenüberstanden, den alten Freunden und Förderern der Jugendpflege neu zugewonnen. Der Vortrag lautete: Wenn man sich in die bisherigen Jahresberichte unseres sächsischen Landesverbandes für Verbreitung von Volksbildung vertieft, so wird man finden, daß der Verband all den wichtigen Fragen, die im Laufe von 3^/, Jahrzehnten aus dem weiten, breiten Ge biete der Volkserziehung und Volksbildung aufge taucht sind, eine eingehende Würdigung und Behand lung hat zuteil werden lasten. Unser Landesverband arbeitet allerdings nicht mit hochtönenden Schlagworten und mit lautem äußern Gepränge, sondern in stiller, ernster Weise. Vielleicht verrichtet er seine ernste Arbeit, die der Lösung der größten Kulturaufgaben gilt, manchmal in etwas zu bescheidenen Formen, so daß die an regenden, köstlichen Ergebnisse seines ausdauernden Wirkens zunächst nurseincn vertrautesten Mitarbeitern und Freunden bekannt werden. Letztere tragen zwar die Anregungen in das weite Land hinaus und suchen sie in den dem Landesverbände angegliederten Körperschaften fruchtbar zu machen, aber die maß gebenden Kreise und zahlreiche vorbildliche, schaffens freudige Männer und Frauen, die für die Teilnahme an den Jugenderziehungs- und Volksbildungs bestrebungen zu gewinnen sein würden, beachten sie zu wenig. Diese Tatsache ist bedauerlich, »umal unsere Vereinigung sich nicht damit begnügt, bloß zu sagen und zu erläutern, wie die Voltsbildungsarbeit anzupacken und auszugestalten ist. sondern an vielen Orten durch ihre führenden Männer und in ihren örtlichen Organisationen zeigt, wie man selbst Hand anlegen und schaffen mutz, was man für gut hält und fordert. Anderseits ist leicht nachzuweiien, daß unser Verband vielfach der Vorläufer und Vor kämpfer, also der Künder und zugleich Gestalter von hehren Eedanien und nützlichen Wohlfahrtseinrich tungen geworden ist, die sich erst allmählich durch setzen mußten und von andern aufgegriffen worden sind. So ist unser sächsischer Landesverband von Anfang an unermüdlich bemüht gewesen, die Jugend pflege zu fördern, deren planmätziger Ausgestaltung jetzt die deutschen Staatsregierungen ihre Aufmerk samkeit zuwenden wollen. Ich erinnere daran, daß unsere Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung 1872 aus der natio nalen Begeisterung und dem Gedanken heraus gegründet worden ist, daß nach der auf den Schlacht feldern erkämpften äußeren politischen Einigkeit auch die innere geistige Einheit errungen und vor allen Dingen danach gestrebt werden müße, durch die Pflege idealer und praktischer Bildung die sozialen und wirtschaftlichen Gegensätze auszugleichen. In diesem edlen vaterländischen Sinne hat unser sächsischer Landesverband für Verbreitung von Volksbildung unter der Leitung seines bewährten Vorsitzenden, des Herrn Justizrats Dr. Eensel, und seines fleißigen Schriftführers, des Herrn Schuldirektors Röhn, streng sachlich und treu gearbeitet. Ich erinnere weiter daran, daß u. a. bereits 1883 unser Verband auf der Hauptversammlung zu Zwickau durch einen Vortrag des Herrn Realschuloberlehrers Dr. Götze über: „Die Stellung unserer Gesellschaft zu den Bestrebungen der Vereine für Körperpflege' das innige Zusammengehen der körperlichen und geistigen Bildungsarbeit warm befürwortet hat, und daß schon 1887 auf der Haupttagung des Verbandes hier im gastlichen, geistig und wirtschaftlich vorwärts- strebenden Frankenberg in einem Vortrage des Herrn Schuldirektors Pache: „Gesetzeskunde und Volkswirtschaftslehre für die Fortbildungsschule" verlangt worden sind. Auf der Jahresversammlung in Zwickau 1890 hat Herr Dr. Lion: „Das Jugend spiel" und in Roßwein 1893 Herr Geheimrat Dr. Böhmert: „Die Volksbildung und Volkserholung" in den Mittelpunkt der Verhandlungen gestellt. 1902 war es mir in Marienberg vergönnt, meine Gedanken über: „Die Erziehung und Fortbildung der Lehrlinge, jugendlichen Gehilfen und Arbeiier" auszusprechen; 1905 forderte ich in Mylau die Bil- dungsverelne und die Deutsche Turnerschaft zu ge meinsamer Arbeit auf, und 1907 wies ich in meinem Vortrage über: „Koloniale Bildung und Erziehung" gelegentlich der Hauptversammlung unseres Ver banoes in Zöblitz erneut auf diese eminent wichtigen Ausgaben hin. Im Berichte über die Tätigkeit und die Bestrebungen unseres sächsischen Volksbildungs verbandes für 1907 sind sämtliche Gegenstände, die auf seinen Jahresversammlungen behandelt worden sind, zusammengestellt. Ich brauche sie deshalb hier nicht erschöpfend aufzuzählen. Aus dem Erlaß der sächsischen Ministerien des Kultus und öffentlichen Unterrichts und desännern vom 12. Dezember 1910 sowohl, als auch aus dem Erlaß des preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts und Medizinal-Angelegenheiten vom 18. Januar 1911 spricht erfreulicherweise eine starke Ueberzeugung. In der diesjährigen preußischen Thronrede vom 12. Januar ist dem Gegenstände ein besonderer Ab schnitt gewidmet, der sogar dem Ausbau des Fort- dildungsschulwesens vorangestellt ist. Damit soll wohl von höchster Stelle aus die ungeheure Wichtig, tigkeit der Jugendpflege anerkannt und die feste Absicht zum Ausdruck gebracht werden, daß man den großen Gedanken aus dem Dämmerlicht entschieden an das Helle Tageslicht ziehen will und nun erwartet, daß durch die allgemeine lebhafte Anteilnahme aller wahren, geistig und sittlich tüchtigen Volks- und Vaterlandsfreunde und- Freundinnen eine andauernde, kraftvolle Bewegung geichaffen werbe, die imstande sei, dieser gewaltigen und äußerst dringlichen natio nalen Aufgabe erfolgreich zu dienen. Die Thronrede sagt mit Recht: „Von Erfolg wer den die Absichten der Slaatsregierung nur begleitet sein können, wenn sie in der freiwilligen Mit arbeit weitester Kreise des Volkes tatkräftige Unter stützung finden," und in den Grundjätzen und Rat schlägen für Jugendpflege, die der preußische Kultus minister seinem Erlaß vom 18. Januar cr. beigegeben hat, heißt es am Eingänge: „Aufgabe der Jugend pflege ist die Mitarbeit an der Heranbildung einer frohen, körperlich leistungsfähigen, sittlich tüchtigen, von Gemeinsinn und Gottesfurcht, Heimat- und Vaterlandsliebe erfüllten Jugend. Sie will die Er- zichungstätigkeit der Eltern, der Schule und Kirche, der Dienst- und Lehrherren unterstützen, ergänzen und weiterführen. Zur Mitwirkung bei der Jugendpflege sind alle berufen, welche ein Herz für die Jugeno haben und deren Erziehung im vaterländischen Geiste zu fördern bereit und in der Lage sind." Es dürfte wohl keine größere und bedeutsamere Aufgabe geben, als dafür zu sorgen, oaß die zahl reichen Kinder unseres Volks: die langen Leute beiderlei Geschlechts vom 14. bis 20. Lebensjahre sich in körperlicher, geistiger und sittlicher Gesundheit entwickeln. Es erübrigt sich, hier die Beschweroen, Gefahren und Versuchungen zu nennen, denen die männliche und weibliche Jugend gerade in diesem tatsächlich kritischen Alter ausgesetzt ist, oder nützliche Winke zu geben, die notwendig sind für das gedeih liche Hineinwachsen in die neue Umwelt des Berufs lebens, des selbständigen Entschließens und Genießens, der staatsbürgerlichen und familiären Rechte und Pflichten und in den immer schwieriger werdenden Kampf ums Dasein. Gleichzeitig sei wiederholt und betont, daß es sich nicht um staatliche Einrichtungen mit Besuchs- zwang für die schulentlassene Jugend handelt, sondern um die tunlichst freie Entfaltung aller geeigneten Kräfte im Dienste der Jugendpflege unter Ausschaltung der bureaukrati- schen Schablone. In der Jugend liegt die Zukunft unseres deutschen Vaterlandes! Wenn wir uns ver» gegenwärtigen, daß 1907 bereits über 7 Millionen 14 bis 20jähriger Jünglinge und Mädchen vorhanden waren und daß von 4 800 000 Angehörigen beiderlei Geschlechts im Alter von 14 dis 18 Jahren schon 3 800 000 im Erwerbsleben standen, so können wir einigermaßen ermessen, welch ungeheure Zahl von abgeklärten, opferfreudigen Persönlichkeiten nötig ist, um den großen Gedanken einer planmäßigen Jugend pflege in die Tat umzusetzen. Für die in unjerm Verbände zusammengeschlossenen Bildungsoereine dürften gewisse Richtlinien gegeben sein und sach gemäße Entschlüsse nicht schwer fallen. Der tat kräftigen weiteren Mitarbeit an der Jugendpflege können und dürfen wir uns schon kraft der Ver gangenheit und der Bestimmung unserer Gesellschaft und unseres Verbandes nicht entziehen. Wir wollen dem Rufe der Regierung freudig folgen und dem eingesetzten Landesausschusse für Jugendpflege helfen soviel wir können. Die leitenden und mitwirkenden Persönlichkeiten der Bildung-.» vereine haben sich meist in den verschiedensten Formen der Bildungsarbeit betätigt und verfügen üoer eine reiche individuelle Erfahrung sowohl als auch über eine ausgezeichnete Kenntnis derjenigen Männer und Frauen, die als Helfer, Spielleiter u. dgl. geeignet sein dürften. Jedenfalls aber braucht dann nicht befürchtet zu werden, daß die Veranstaltungen ein seitig und langweilig würden. Neben dieser Gefahr der Verödung besteht noch die Gefahr, daß die Kräfte zersplittert werden könnten. Man schreite deshalb auch nicht ohne weiteres zur Neugründung eines be sonderen Vereins für Jugendpflege, sondern erwäge den Ausbau vorhandener Körperschaften mit ver wandten Bestrebungen. Denn durch die fortgesetzte Gründung von Vereinen mit enybegrenzten Einzel bestrebungen werden die Kräfte überspannt und die gemeinnützige Arbeit wird vermindert. Aus diesem Grunde muß der Ausartung in der Zersplitterung des Vereinslebens entgegengetreten und nachdrücklichst zur Sammlung der Kräfte gemahnt werden. Die Bildungsoereine müßen sich in erster Linie mit der Lehrerschaft und der deutschen Turnerschaft, sowie mit den Fußwanderungen und den vernünftigen Sport pflegenden Vereinigungen verbünden. Sodann muß in Verbindung getreten werden mit den In nungen, kaufmännischen und Beamtenvereinen, Arbeitgeberverbänden, Arbeitervereinen, landwirt schaftlichen und Militärvereinen. Auch mit den kirchlichen Vereinen muß eine innigere Fühlung hergestellt werden. Das Vorurteil und die Ab neigung gegen die Jllnglingsvereinc und ähnliche Einrichtungen haben größtenteils keine Berechtigung mehr, weil der deutsche Pfarrer, der in den meisten Fällen diese Vereine leitet, gegenwärtig am sozialen und wirtschaftlichen Leben des Volkes den regsten Anteil nimmt und einen vielseitigeren, mehr auf praktische Betätigung gerichteten Studien- und Bildungsgang durchmacht als ehedem. Er dürfte deshalb mit zu den berufensten und auserwähltesten Mitarbeitern auf dem Gebiete der Jugendpflege gehören. Um nun die große Sache vorwärtszubringen, er laube ich mir, zu beantragen, heute einen fünf- bis siebenköpfigen Ausschuß zu wählen, der bis Anfang September d. I. die positiven Maßnahmen uno mög lichst einen Arbeitsplan für ein gedeihliches Zu sammenwirken der berufenen Kräfte auszuarbeiten hat Im Anschluß daran möchte ich der Versammlung vorschlagen, zu beschließen, daß die so gewonnenen Unterlagen nach der Zustimmung des Vorstandes unseres Verbandes den Königl. Sachs. Ministerien des Kultus und des Innern voraelegt werden. Zuvor scbon, also möglichst bald, möchten die beiden Herren Minister durch den Vorstand unseres Landes verbandes gebeten werden: 1) zur allgemeinen Aufklärung eine Denkschrift über die Jugendpflege, oder wenigstens eine ähnliche ausführliche Darlegung mit Grund sätzen und Ratschlägen zu verfassen und zu verbreiten, wie der preußische Minister der der geistlichen Unterrichts- und Medizinal- angelegenherten unterm 18.Januar 1911 heraus gegeben hat; 2) dem Lanvesausschuß und den Lokalausschüssen für Jugendpflege zu empfehlen, bei der Wahl und Berufung von Mitarbeitern den neutralen sächsischen Landesverband für Verbreitung von Volksbildung mit zu Rate zu ziehen; 3) bei der Bewilligung und Verteilung von Geld mitteln zur Förderung der Jugendpflege bestrebungen die Bildungsoereine mit zu be rücksichtigen. die an der Jugendpflege hervor ragend beteiligt sind und unserm Landesver bände angehören; 4) die Jugendpflege nicht etwa bloß auf die männliche Jugend zu de chränken, sondern voll und ganz auch auf die weibliche Jugend aus zudehnen. Diesen Eingaben könnten sämtliche in unserem Landesverbands gehaltenen und gedruckt vorliegenden Vorträge beigeschlossen werden. Um Mißverständnisse auszuschließen, sei erklärt, daß unser Landesverband nicht etwa selbständig in die Jugendpflege eingreifen und mit dem für dicüe Bestrebungen gegründeten speziellen Landesausschusse in Wettbewerb lreten, sondern sich dem Landesaus schusse unterordnen und ihm ratend und tatend zur Seite stehen soll Trotz vieler unerfreulicher Erschei nungen leben wir doch in einer großen Zeit; wir werden aufgefordert, an einem wirklich reformato rischen Werke mitzuarbeiten. Die Bedingungen, die Kuno Fischer für eine Reformation voraüssetzt, sind vorhanden. „Jedes reformatorische Werk ist die Lösung einer Zeitaufgabe; einer solchen, die den Gang der Dinge unterbricht, die Zeiten scheidet, die herkömmlichen und ausgelaufenen Richtungen abschließt, neue er- öffnet und die vorhandenen Bildungsformen der. gestalt umwandelt, daß, um es kurz und treffend zu sagen, die Natur der Sache wie neugeboren aus der Natur des Menschen hervortritt." Ich spreche es nochmals aus, es gilt einer großen Sache, deren Folgen in nationaler und kultureller Beziehung von mächtigem Werte sind. Wenn das Deutsche Reich seiner ewigen Mission treu bleiben, seine innere geistige und wirtschaftliche Entwicklung sowohl, als auch die so notwendige An teilnahme am Kultur- und Wirtschaftsleben der ganzen Welt fortfetzen, steigern und zu einer Ge sundung führen will, so muß die Jugendpflege in großem Stile eingerichtet werden. Und darum freudig und mutig an die großzügig und zugleich vertiefend zu gestaltende Arbeit zur inneren Einigung unseres Volkes.
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