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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110617012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911061701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911061701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-17
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Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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politische Umschau. DieNulklSrung über üen.,/sllEsVre". Zu dem Gerücht, datz der Expräsident Castro an Bord eines unter deutscher Flagge segelnden Schiffes in den Gewässern von Haiti sich be finde, erklärt der Inhaber der Firma Georg Grot- stück-Berlin, Konsul Erotstück, in den gestrigen Berliner Mittagsblättern: „Ich kaufte seinerzeit von der italienischen Re gierung den ausrangierten Kreuzer „Umbrio" und verkaufte ihn, nachdem ich ihn hatte modernisieren lassen, ipäter an die haitianische Regierung. Vor einigen Tagen mustte der Kreuzer, der allerdings unter deutscher Flagge fuhr, da er bis zur Uebernahme und Bezahlung durch die Regierung von Haiti mein Eigentum ist, Las Palmas anlaufen, um Proviant und Kohlen einzunehmen. 2n Las Palmas wohnte Castro, vielleicht wohnt er auch jetzt noch da: dies entzieht sich aber meiner Kenntnis. Das Anlaufen in Las Palmas gab zu dem Gerücht Anla>-, ich hätte das Schiff an Venezuela verkauft und Clfftro befinde sich an Bord, um von dort aus einen Putsch in Szene zu setzen. Die ganze Mär ist ebenso lächerlich wie absurd, und um bas ganze zu krönen, verwechselte man meinen Prokuristen Jakobi, einen guten Deutschen, mit C a st r o. Nachts erhielt ich ein Telegramm, datz das Schiff gestern abend in Port au Prince ein gelaufen und von den dortigen Behörden feierlich empfangen worden ist Im Laufe des heutigen Tages wird die Uebernahme des Schiffes und die Bezahlung durch die haitianische Regierung erfolgen. Im übrigen besteht die ganze Besatzung des Schiffes vom Kapitän bis zum letzten Mann hinunter aus Deutschen, die früher sämtlich in der kaiserlichen Marine gedient haben." Nun werden sich die Venezolaner wohl beruhigen. Auf je ein Sparkaffenbuch entfällt der höchste Be trag in den Vereinigten Staaten von Amerrta mit 1766, danach kommt Oesterreich-Ungarn mit 1000, Oesterreich mit 782, Deutschland mit 733, England mit 335 15 KUMsrüen Spsrksllengeiüer. Die mit Ende 1909 abgeschloffene Sparkaffen statistik weist in Deutschland einen Kesamtbestand an Svarlaffengeldern in Höhe von 14,55 Milliarden Mark auf. Hiernach darf man annehmen, datz gegen wärtig die 15. Milliarde erreicht ist. Diese Ziffer stellt dem Sparsinn der deutschen BevöUerung ein glänzendes Zeugnis aus, beweist aber auch bis zu einem gewiffenGrade, datz unsere wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen durchaus gesund sind. Auf je 100 Einwohner entfielen 1909 etwa 31 Sparkassenbücher, eine Ziffer, die von einigen kleineren Staaten, wie Schweiz mit 55,23, Dänemark mit 54 5, Norwegen mit 38,6 und Schweden mit 38 Sparbüchern, übertroffen wird, wohinter aber alle anderen Erotzstaaten zurückbleiben. Was die Höhe der Einlagen betrifft, sei bemerkenswert, datz von allen Ländern der Erde nur die Vereinigten Staaten von Amerika mit 15,6 Milliarden Mark einen höheren Sparkassenbestand als Deutschland aufweisen: alle anderen Staaten unterschreiten mit ihrem Spar- kaffenbestande 5 Milliarden, die Berechnung auf je ein Sparkaffenbuch und auf den Kopf der Bevölke rung ergibt ein zuverlässiges Bild vom Sparsinn und der wirtschaftlichen Lage. Auf den Kopf der Bevölkerungentfielen an Sparkassenguthaben in Deutsches Reich . . . . . l1909) 229,4 Preußen .... . . . 11909) 259,4 - Australien.... . . . l1908t 231,9 . Belgien . . . (1908- 97,07 - Dänemark.... . . . (1909) 357,25 - England .... . . . (19(L) 98 25 - Frankreich.... . . . (1907> 101,52 - Italien . . . (1908) 85 72 - Niederlande . . . . . . (1908) 71,88 - Rußland .... . . . (1908) 15,97 - Schweiz . . . (1908) 358,4 . Ungarn . . . (19<«) 88,8 - Schweden .... . . . (1909) 165,6 . Verein. Staaten v. Amerika l1909) 176,10 - Der neueStlitzpunkt Japans im psziök. Japan strebt mit der beschlossenen Errichtung einer neuen Basis für seine Kriegsflotte im Stillen Ozean auf den Bonin-Jnseln nach einem Zwijchenstützpunkt zwischen dem Jnselreich und seinem Flottenstützpunkt auf den Hawai-Inseln. Die Bonin-Jnseln liegen etwa 950 km südlich von Yoko hama unter 142" östl. L. und 270 nördl. Br. und etwa 900 geographische Meilen westlich von Hawai, und bestehen aus den erloschenen Vulkaninselgruppen der Parry-. Beechey- und Coffin- Jnseln. Sie sind daher von Iokohama und an nähernd auch von Nagasaki aus mit Kriegsschiffen bei 16 Knoten Fahrt in etwa 32 Stunden zu erreichen, und die Hawaiinseln von ihnen aus in etwa 9 Tagen. Die dadurch bewirkte Abkürzung der Fahrt für auf den Bonininseln stationierte japanische Kriegsschiffe, Truppen und Kriegsmaterial sowie Proviant und Heizmaterial nach Hawai gestaltet die Bonininseln zu einem Süchtigen maritimen Zwischenglieds und Stützpunkt Japans im Stillen Ozean nicht nur betreffs Hawais und der Ost küste des Pazifik, sondern auch in der Richtung auf die Marianen, Karolinen, Neu-Guinea und Australien, während Formosa mit dem Hafen der Pesca- doren ein derartiges Zwischenglied in der Richtung der Philippinen, Südchinas und Indiens bildet. Unter den zahlreichen Inseln der Bonininselgruppe bietet sich offenbar ein geeigneter, sicherer Hasen und Flottenstützpunkt für die Geschwader Japans, und man darf mit Interesse seiner Wahl unter den er wähnten 3 Inselgruppen, der Art der Ausgestaltung dieses Stützpunkts und der weiteren Entwickelung der maritimen Pläne Japans im Stillen Ozean ent- gegensehen. Neue /unkenvationen unü Telegrsphensnlagen In üen Kolonien. Es wurde jüngst gemeldet, datz in Togo eine Tele graphenanlage errichtet werden soll. Diese Neuanlag« ist, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" von kolonialer Seite mitgeteilt wird, nur ein geringer Teil der bevorstehenden Neuanlagen auf dem Gebiete der Telegraphie in den Kolonien. In der bedeuten- den Erweiterung, die der telegraphische Nachrichten, verkehr in den Kolonien erfahren wird, werden auch mehrer« Telefunkenstationen «inbegriffen sein. Ins gesamt find drei drahtlose Telefunken- Stationen und sechs neu« oberirdische Telegraphenanlagen geplant, die hier zusammenfassend genannt werden sollen. Die dret Telefunkenstationen haben ihren Stand inLüderitz- bucht, Ewakopmund und Duala. Die sechs telegraphischen Linien (oberirdisch) haben folgend« Anfangs, und Endstationen: Die erste, schon er wähnte Linie geht von Krete-Kratschi nach Bimbila (Togo), die zweite von Kribi nacb Grotzbatanga s(Kamerun). Di« bisherige oberiünsch« Feldkabel linie in Gibeon—Geitzabis—Maltahöhe (Deutsch- Südwestafrika) wird vergröbert, erhält einen umfang, reichen Betrieb und wird in eine oberirdische Tele- graphendrahtlime verwandelt. Eine Vermehrung der bisher vorhandenen Leitungen durch Bau von neuen oberirdischen Leitungen tritt an folgenden Li nien ein: auf der Telegrophenlinie Windhuk—Kari bik und von Keetmanshoop nach Romanshorn fDeutsch-Südwestafrika). Auch in Ostafrika wird eine zweite Leitung gebaut, und zwar erhält die Linie Daressalam nach Kilwa einen derartigen Zuwachs. Insgesamt werden die bisherigen telegraphischen Ver bindungen in den Kolonien also um neun weitere be reichert, von denen insbesondere die drahtlosen Sta- tionen eine für die Kolonien bedeutsame Einrichtung sind, deren Entwicklung man mit Interesse beobachtet. veullches Reich. Leipzig, 17. Juni. * Neichstagsabgeordneter Merkel hat in einer am Dienstag abend in Reichenbach abgehaltenen öffentlichen Versammlung der nationalliberalen Partei in längerer Rede über die Arbeiten des Reichstages gesprochen und dabei erklärt datz er eine Kandidatur für den nächsten Reichstag keines falls wieder annehme. Vorher hatte der neuange stellte Parteisekretär Dr. Linse-Reichenbach in einem einstündigen Vortrag das Thema „Liberalismus und Nationalpolitit" behandelt. * Der Kaiser ist am Freitag kurz vor 3 Uhr im Sonderzuge in Hannover eingetroffen und wurde am Bahnhose vom Polizeipräsidenten v. Beckerath und Geheimrat Barney empiangen und ins Fürsten zimmer geleitet, wo drei junge Mädchen den» Kaiser Kornblumen überreichten. Darauf fuhr der Kaiser,- der die Uniform der Königsulanen trug, im Auto mobil unter den Hochrufen des zahlreich versammelten Publikums nach dem Rennplatz. * Ein Geschenk des Kaisers. Der Kaiser hat der Einwohnerschaft der Insel Helgoland eine große Dökersche Baracke zum Geschenk gemacht. Die Baracke ist auf dem Unterlande ausgestellt worden und soll während der Zeit des Baues eines neuen Krankenhauies lür die Unterbringung von Kranken veiwandt werden. Nach Fertigstellung des Baues will man die geräumige Baracke erholungsbe dürftigen Schulkindern des Festlandes als Quartier zur Verfügung stellen. * Im Reichstags Wahlkreis Worms-Heppenheim werden die Nationalliberalen dem Neichstagsabgeord- neten Freiherrn v. Heyl, der 1909 aus der natio nalliberalen Neichsiagsfraktion ausschied, bei der nächsten Wahl einen Gegenkandidaten in der Perwn eines angesehenen Milglieds der national liberalen Partei gegenüberstellen. Dieses Vor gehen soll im Einverständnis mit einer grotzen Anzahl von nationalliberalen Parlamentariern er folgen. * Eröffnung des Erotzschiffahrtsweges Berlin— Stettin. Auf eine Anfrage an den Regierungs präsidenten in Potsdam als Chef der Verwaltung der märkischen Wasserstraßen ist, wie der „Inf." mit geteilt wird, die Antwort ergangen, datz die Er öffnung des Erotzschiffahrtsweges im ganzen nicht vor Herbst 1912 zu erwarten ist. Eine Ent- schlietzung über die beim Grotzschisfahrtsweg anzu stellenden Beamten ist nach dem „Militäranwärter" noch nicht getroffen worden. * Erlab über Erhöhung der Feuerficherheit in Warenhäusern. Die preutzischen Minister der öffent lichen Arbeiten, für Handel und Gewerbe und des Innern haben einen gemeinsamen Erlatz an die zu ständigen Behörden gerichtet, der sich mit einer Er höhung der Feuersicherheit in Warenhäusern befasst. In ihm wird ausgeführt, datz auf der Hauptwache der Berliner Feuerwehr vor einiger Zeit Brand- ver suche zu einem für diesen Zweck angefertigten gröberen Modell eines Warenhauses angestellt wurden. Hierbei hat sich die Vermutung bestätigt, datz in mehrgeschossigen Warenhäusern, die Lichthöfe nicht haben, solche Treppenhäuser, die nur an der Decke mit Entlüftungsvorrichtungen versehen sind, bei Ausbruch eines Brandes, namentlich bei vorzeitiger Oeffnung der Luftklappen, lehr schnell verqualmen und ungangbar werden. Eine wirk same Entlüftung von Treppenhäusern erscheint nur dann sichergestellt, wenn in ihnen Entlüftungsvor richtungen nickt blotz an der Decke, sondern auch in Höhe jedes Geschosses vorhanden find. In den zu erlassenden baupolizeilichen Verfügungen ist ausser dem die Betätigung der Luftklappen für den Regel fall der Feuerwehr vorzubehalten. * Der bekannte pfälzische Zentrümsführer Bürger meister Heinrich Erlewein rn Niederkirchen ist ge storben. Er war in den letzten Jahren wiederholt als Reichstags- und Landlagskandidat für den Wahlkreis Neustadt-Landau aufgestellt. * Sozialdemokrat und Schulvorstand in Preußen. Die Bedeutung des Artikels 4 der preutzischen Der- faffungsurkunde vom 31. Januar 1850 wird in einer neuerdings ergangenen Reoisionsentscheidung des 8. Senats des König!. Oberverwaltungsgerichts, der der Ausschluss eines Schulvorstandsmilgliedes wegen Betätigung sozialdemokratischer Gesinnung zugrunde liegt, in den folgenden zwei Sätzen erschöpfend dar gelegt: „Menn der Artikel 4 ausspricht, datz alle Preussen vor dem Gesetze gleich sind, so hat dies nur die Bedeutung, datz die Gesetze, ohne Unter schied des Standes, gegen jeden in vollem Umfang angewendet werden sollen. Und wenn es im Artikel 4 weiter heisst, datz die öffentlichen Aemter, unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen, für alle dazu Be fähigten gleich zugänglich find, so steht ja gerade in Frage, ob der Kläger als Bekenner sozialdemo kratischer Anschauungen zum Amte eines Schulvor standsmitgliedes nach den gesetzlichen Voraus setzungen befähigt ist." Diese Frage hat ebenso wie der Vorderrichter auch das Oberverwaltungsgericht verneint. * Beendeter Streik. Die Belegschaft der Zeche Glückauf-Segen bei Hörde (Westfalen), die seit länger als zwei Monaten im Ausstand verharrte, beschloss fast einstimmig, die Arbeit wieder auf zunehmen. Die Forderungen der Belegschaft sind nicht bewilligt worden. «USlSNÜ. Oestrrrrich-Ltngarn. * Der Besuch des König« Peter von Serbien am Wiener Hofe ist, wie das „Neue W. Tagbl." erfährt, für Anfang Herbst in Aussicht genommen. Italien. * Der Papst an das französische Episkopat. Ein päpstliches Schreiben empfiehlt dem Episkopat Frank, reichs, dafür zu sorgen, datz das nützliche Institut der Voltsmissionen sich immer mehr entwickle, und ermahnt die Bischöfe, in jeder Diözese hierfür geeignete Kräfte in den sogenannten Diözesan- Missionaren grotzzuziehen. An diesem Schreiben fällt auf, datz der Papst kein Wort über die Ver dienste der Ordensleute für die Volksmissionen sagt, und auch die Ordensleute nicht als Prediger hierfür empfiehlt, sondern die Heranziehung von Weltgeistlichen wünscht. Portugal. * Die neue Organisation des Auswärtigen Amte» wird, wie der „Tgl. R." aus Lissabon gemeldet wird, durch einen Erlatz geregelt. Die Legationen werden in solche erster und zweiter Klaffe eingekeilt. Die erster Klaffe bestehen aus den diplomatischen Vertretungen in Berlik, London, Paris, Rom, Rio und bei dem Vatikan. Der Vatikan geniesst also dieselbe Berücksichtigung wie das Quirinal und eine höhere wie Wien und Petersburg. Das höchste Gehalt, 8400 Milieis (1 Mrlreis --- 4,53 ^tj, soll der Gesandte rn Rio erhalten. Im Konsulardienst sollen aus Ersparnisgründen erhebliche Herab setzungen stattfinden und man hofft 480 000 da durch zu sparen. * Ruhe in Nordportugal. Die fortgesetzt in Lissabon eintreffenden Nachrichten, bah die über die Nordgrenze nach der spanischen Provinz Galizien ausgewanderten portugiesischen Monarchisten einen bewaffneten Einfall planen, veranlassten den Minister des Innern Dr. Almeida, persön lich den Stand der Dinge in jenen Landesteilen u untersuchen. Der Minister ist nach Vianna ab gereist und wird von dort Valencia und eine Anzahl anderer Grenzstädte besuchen. Am Donners tag abend ging, wie das , B. T." meldet, von ihm ein Telegramm beim Minister des Aeuhern Machado ein, in dem er mitteilt, bisher sei von den Ver schworenen keinerlei Einbruchsversuch unternommen worden und im ganzen Norden des Landes herrsche vollkommene Ruhe. Trotz dieser Fest stellungen fährt aber die Regierung mit den mili tärischen Sicherungsmatznah men fort und sendet weiter zuverlässige Truppen nach den Bezirlen, die für einen Putsch gegen die Republik zuerst in Frage kommen können. Rußland. * Mehr Truppen im Amurgebiet. Der Kriegs minister S chomlionow hat sich bei seiner Reise nach Ostasien überzeugt, datz die im Amurgebiet gar- nisonierenden Truppen auf 160000 Mann ge bracht werden. Um das zu ermöglichen, werden die erforderlichen Kasernen mit möglicher Beschleuni gung gebaut werden. Zur Erleichterung der Lösung dieser Aufgabe haben die russischen Behörden ihren früheren Entschluß, die Einwanderung chinesi scher Arbeiter völlig zu verbieten, aufgegeben. 24 000 Chinesen sollen zu Bauarbeiten zugelassen werden. * Der amerikanische Flottenbesuch. Am Donnerstag nachmittag besuchte der Zar das amerikanische Geich wader und ging in Begleitung des Marine ministers Grigorowitsch an Bord des Schlachtschiffes „Louisiana". Von der Wärme des offiziellen Empfangs sticht aber die verhältnismätzig kühle Ausnahme, die den amerikanischen Matrosen und Offizieren in Petersburg bereitet wird, etwas ab. Auch fällt es auf, datz das „Nowoje Wremja" wieder während des Aufenthaltes der transatlantischen Gäste sich in polemischen Leitartikeln gegen die Union erging. Finnland. * Finnland und die europäische Fahrplankonferenz. Man schreibt der „Voss. Ztg." aus Helsingfors: Die, finnische Eisenbahnverwaltung wollt» an der am 14. d. M. in Stockholm beginnenden euro päischen Fahrplankonferenz teilnehmen, wobei sie sich der Unterstützung des finnischen Senats er freute. Generalgouvcrneur Seyn jedoch, der in dieser Sache mit dem russischen Verkehrsminister verhan delte, erklärte, Ruh land werde nicht bei der Fahr- plantonferenz vertreten sein, und deshalb dürfe auch Finnland keinen Vertreter nach Stockholm senden. Diese Haltung der russischen Machthaber steht ganz im Einklang mit dem Streben. Finnlands Auto nomie immer mehr zu beschränken, aber es ist jedenfalls ein starkes Stück, dem Großfürstentum die Teilnahme an einer Konferenz zu verweigern, bei der es sich um internationale Vertehrsinteressen handelt. Türkei. * Der montenegrinische Geschäftsträger unter nahm bei der Pforte Schritte wegen der türkischer seits erfolgten Wiederbesetzung der Anhöhe von Jesero, die seit 1910 als montenegrinisches Gebiet anerkannt ist, sowie wegen Errichtung von Redouten auf montenegrinischem Gebiete und wegen des Brandes zweier montenegrinischer Wälder, die von den Türken aus strategischen Gründen nieder gebrannt wurden. Der Geschäftsträger ver langte Räumung von Jesero und Beseitigung der Redouten. Die Abreise der türkischen Militärkom- mijsion zur Abgrenzung der strittigen Punkte an der türkisch-montenegrinischen Grenze wurde bis zur Ernennung der montenegrinischen Delegierten verschoben. — Weiter wird aus Konstantinopel ge meldet: In einem Communiquü des Prehbureaus werden die auswärtigen Nachrichten über Greuel- taten türkischer Truppen gegen die Malissoren dementiert. Die Behauptung, datz Soldaten Kinder ermordet hätten, sei eine böswillige Erfin dung. Dagegen sel richtcg, datz Rebellen und Mon tenegriner bei Kastrati einem gefallenen türkischen Soldaten die Augen ausgestochen hätten. — Das Kriegsministerium dementiert die Meldungen, wonach bei Selke ein neuer für die Truppen schwieriger Kampf stattgefunden, die Schala- stämme sich erhoben und die Mirditen Alessia besetzt haben sollen. preWimmen. Der Ausfall der österreichischen Reichsratswahlen wird auch in der reichsdeutschen Presse lebhaft be sprochen. Die „Germania" richtet warnende Worte an die unterlegenen Christlich-Sozialen: „Falls die christlich-soziale Partei die Eigenbrödler in ihren Reihen unter drückt, falls wieder st r a f f e P a r le i L i s z i p l i n herrscht, falls die Wähler der Partei treu zur Partei presse stehen, hat man alle Tücken des Freisinns, alle Machtmittel des Kapitalismus nicht zu fürchten, son dern kann sie verachten. Der Stohseuszer: „Wir haben keinen Lueger mehr, ohne den ist es gefehlt", den wir in letzter Zeit oft haben ausslotzen hören, ist weder «in Trost noch ein« Tat. Keine Partei hat den An spruch, stets von einem genialen Mann geführt zu werden, aber jede Partei hat die Pflicht, di« Erb schaft eines solchen genialen Mannes in seinem Sinne zu verwalten und sich einem tüchtigen Führer unterzuordnen, der zum Kurator der Erbschaft als der geeignetste erscheint!" Di« „Kölnische Volkszeitung" ruft da- gegen den Christlich-Sozialen zu, sich nicht entmutigen zu lassen: „Das ganze Land, auch Tirol, hielt treu zudenChristlich-Sozialen.das ganze Land — außer Wien. Hier hat der Ansturm der ver. einigten Feinde, der Liberalen, der Sozialdemokraten und der Verganischen Rebellion, in der Tat die Christlich-Sozialen schwer erschüttert. Eie sehen sich fast überall in die Stichwahl gedrängt, in der ihre Gegner zweifellos Zusammenhalten werden. Vielleicht wird gerade diese Erfahrung, wenn die Bundesge noffenschaft jetzt offen zutage kommen mutz, erst gar manchem die Augen öffnen und die Schwankenden wieder fest machen: aber gleichwohl mutz mit gröberen Verlusten der Christlich-Sozialen gerechnet werden. Auf der liberalen Seite werden besonders diejenigen frohlocken, di« auch für Oesterreich eine Entwicklung im Zeichen des „antiklerikalen", anti christlichen Grotzblocks herbeisehnen. Dann aber wird der Zeitpunkt gekommen sein, wo eine Neuorientie rung der inneren Politik Oesterreichs nach großen, grundsätzlichen Gesichtspunkten unausbleiblich ist. Wenn über alle Klassengegensätze alle nationalen Feindschaften hinweg die Gegner einer auf dem Boden christlicher Welt- und Lebensanschauung er wachsenen aufbauenden Staatspolitik sich die Hände reichen, dann verlieren diese Schranken auch für die aus christlichem Boden stehenden Parteien ihre tren- nende Kraft, und durch ganz Oesterreich mutz dann neu erstehen ein wahrer Bund der vereinig ten Christen mit den Christlich-So zialen als deutscher Kerntruppe." Der „Berliner Börsencourier" kommt selbstverständlich zu ganz anderen Schlüffen als das ultramontane Organ: „Es ist in hohem Grade erfreulich, datz es die Deutsch-Freiheitlichen sind, denen in fast allen Fällen der Siegüber die Christlich- Sozialen zugefallen ist. Sie werden numerisch stärker in das neue Haus einziehen, denn in sehr vie len Fällen dürsten auch die Stichwahlen zu ihren Gunsten entscheiden. Weniger günstig sind die Sozial demokraten daran, von denen bis jetzt nicht weniger als hundert einem zweiten Wahlgange sich unter- ziehen müssen. Die vielfach aufgetauchten Besorgnisse, datz das neue Haus allzu radikal ausfallen werde, scheinen nicht zuzutreffen. Soweit sich die Konturen des neuen Polkshauses gegenwärtig zeigen — der Hauptsache nach sind ja nur noch di« Wahlen in Gali zien ausständig —, wird das Parlament arbeitsfähig sein und, zu einem Teil wenigstens, die Hoffnungen erfüllen, die nicht allein vom Träger der Krone und von seinem getreuen Berater, dem Ministerpräsiden ten Frhrn. v. Dienerth, sondern auch von der Gesamt heit der unbeeinflußten Wähler gehegt worden sind. Die Deutsch-Freiheitlichen, die so lange eine untergeordnete Rolle spielten, werden im neuen Hause einen wesentlich wichtigeren Fak tor bilden und gewiß dazu beitragen, daß das be- deutsame Problem der Lösung des trostlosen Nationa- litätenstreites in Böhmen einer baldigen gedeihlichen Lösung zugeführt werde." Das „Hamburger Fremdenblatt" schreibt: „Der erste Wahlgang, der am Dienstag in Oester reich stattgesunden hat, erhält durch zwei Tatsachen sein Gepräge: durch das Dobücle der Christlich-So zialen in Wien und den anderen niederösterreichischen Städten und durch das Heraufkommen einer deutsch-völkischen Arbeiterpartei, die sich in der nordböhmischen Industriestadt Gablonz siegreich gegen die internationale Sozialdemokratie behauptet hat und auch in anderen Wahlkreisen kräf tig in die Entscheidung mit eingreift. Auf tschechischer Seite hat sich ja längst eine nationalistisch-chauvini stische Grupp« unter den Sozialisten gebildet; es gebot also schon die Not den deutschen Arbeitern, sich von der internationalen Theorie abzuwcnden, die in Oesterreich nur den kulturell und wirtschaftlich tiefer stehenden slawischen Arbeitern das Heraufkommen gegen die Deutschen erleichtert." Don österreichischen Preßstimmen führen wir zunächst die des offiziösen „Fremdenblattes" an, dos die Niederlage der Christlich-Sozialen schmerzlich berührt: „Es war nicht wohlgetan, datz sich die Deutsch bürgerlichen zu wenig dankbar gezeigt haben sür die vier Jahre des Zusammenwirkens. Hoffentlich werden sie wenigstens bei den Stichwahlen überall dort zusammengehen, wo es möglich ist. Die deutsch- bürgerliche Politik darf ihren festen Halt in Wien nicht verlieren. Es ist zu wünschen, Latz sie diesen festen Halt nicht dadurch schwäche, daß man die Stadt, in der ein so großer Teil der Deutsch OZker- reicher lebt, zum Hauptkampsplatz zwischen den beiden großen Gruppen der Deutjchdürgerlichen macht." Die „Neue Freie Presse" sieht in dem Er gebnis der Wiener Wahlen ein historisches Ereignis für ganz Oesterreich. Die christlich soziale Partei habe nicht ecne Niederlage, sondern eine beispiellose Katastrophe erlitten. Schon jetzt sei gewiß, datz sie in der parlamentarischen Ver tretung Wiens eine Minorität sein wird. Die Minorität im Neichsrat könne aber nicht lange die Majorität im Gemeinderat bleiben. Es mutzte jo kommen, weil die Stadt niemals klerikal sein tonnte und weil die „himmelschreienden Sünden", durch welche die Ernährung der Städte so ganz der länd lichen Willkür überlassen wurde, herausfordernd wirkten. Endlich sei noch eine ungarische Stimme, die des „Bester Lloyd", angeführt: „Die Christlich-Sozialen erscheinen in diesem Augenblick als eine politisch« Armee, deren sämtliche Führer im ersten Kampfe niedergestreckt wurden. Der eine oder der andere wird sich vielleicht noch erheben. Es mag g«sck)«hen, daß eine gütige Walküre den und jenen noch zur säulengetragenen Walhalla des Parla ments emporträgt. Der furchtbare Schlag aber, der heute von den Wählerschaften gegen die Partei geführt wurde, kann nicht mehr verwunden werden. Dies« Partei hat das Schicksal ver dient, von dem sie ereilt wurde. Wir wollen nicht an die maßlose Ueberhebung ihres verstorbenen Füh rers erinnern, der mit frechem Uebermut einst ver kündete, er werd« nimmer rasten und ruhen, bis das schwarzgelbe Banner von der Ofner Zitadelle herab flattern werde. Wir wollen heute auch daran nickt mahnen, wie schwer das Prestige der österreichiscy- ungarischen Monarchie nach außen unter den Quer treibereien dieser Partei gegen Ungarn gelitten und in welchem Maße die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Staaten zueinander durch sie vergiftet wurden. Denn diese Unheilspolitik hat der Partei, deren Beziehungen sehr tief und sehr hoch reichten, leider in Oesterreich nicht geschadet. Sre hat sich selb st umgebracht, und den letzten Rest gab ihr der Tod Luegers, der sie zu Lebzelten noch notdürftig zusammenhalten konnte. Mit freundnach barlichem Interesse wird man in Ungarn die weitere Entwicklung dieser Wahlen verfolgen müssen. Es bedeutet bereits einen Gewinn für jeden aufrichtigen Anhänger des Dualismus, datz in Wien und Nieder, österreich die Christlich-Sozialen eine Schlappe erlit ten die in der moralischen Wertung einer Niederlage aleichkommt, und daß di« Deutsch-Freiheitlichen an Terrain gewannen. Die Physiognomie des nächsten österreichischen Abgeordnetenhauses wurde heute noch nicht ausgeprägt. Es wurden nur einige charakteri stische Züge eingezeichnet."
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