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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.06.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110627025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911062702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911062702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-27
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Bezugs Prei- Anzelqen "Preis für Lrivira »nd V«r,n« vur- «Irr, Trägri und Sordttrur» 2»al tügltch tn» Pau» ardrachl « Pf. monatU L7u VH. vt«tt«liohrl Bri unlern Filialen » Au» »»hmrilellrn ada>d»ll 7S Vt. «onalU. »lenellährl. E»r« »«, V»U. tnnerhald Drumhlanv, und der drutichru Kalanirn virkirljadrl ».8» MI.. monotl. 1.2U «k au»>ihl Poildrllrllarid Fern«! in Belgien Danemarl den Donauftaaten, Jlalien iiuremduea. Niederlande Nor wegen Oenerrei« - Ungarn. Nuliland, Schweden Schwei» u Soanten. In allen übrigen Liaarrn nui direki durch vie Er>LaIl»urU« de» Blalle» «rdälllich. Da» üerpnge, lagedtan «rlchem« rinai täglich Sonn- u. Frierrag» nui morgen». Adonn«menl»-illnnadm» I«d»n»>»,all« 8, bei unieren Trägern. Filialen Soedileuren »ad NnnadmrireUen. >ow>« Boftanilern und Brreliragern. Etaidloertauldprei» r>V„ Abend-Ausgabe. NipMer Tagtblaü t 14 892 IN-chtaalchln», Tel.-^nschl.i 14 693 s 14 694 <c.l.-An,ch>. Handelszeitung Amlsvtalt -es Nates und des Nolizeiarntes der Ltadt Leipzig. für Inlerarr au» orioiia und Umgebung dir llpaliigePrriueil« 2SPt..dir NrNamr- tetle I Bit.. oon au»wärl» jvPtt Neklainen U2V Mk.. Inlerarr oon Bedorden im amt lichen 1r,l di« Pettljeil« S0 Pf. ib«>chalr»nnjeigen mir Plauoorlchristen a. in der tlvendaurgad« lm Pretl« «rtzodt. Nadarr nach Tarif Beilagrgedudr Grlomt» autlag« L MI. p laujend erkl. Poilgebühr. Teildeilage hader. Felierteilt« Nuliraae können n«chr jurück- aejogen werden ,,ur da» Lrlcheinen an beitimmlen Tagen und Plagen wird lein« Garantie übernommen. Anzeigen - Ännahme 2»k«nni»,»lf« bei »amtlichen Filialen u. allen Annoncen« Lroedlttonen de» In» und Ausland«». Druck und Verl«, »«» Lei»,,,«» Inge» dl«»«» L. Prl«. Inhadrr. P«»l Nitrit,». Üledattion und G,ich<tI»»Itrll«: IodannisgasI« 8. daupt-Filiale Dre»d«n: Seeitrase 4. l tlelephon 4«Mx Nr. 176 viensmg. üen 57. Hunt 19ll. Die vorliegende Au'gabe um,aßt 6 Seiten. Lsillsur suk der Luche nach Mitarbeitern. Nachdem sich der bisherige Finanzminister Cail- laux zur Uebernahme des Präsidiums im Ministe rium entschlossen hat, gibt er sich jetzt alle erdenkliche Mühe mit der Neubildung des Kabinetts. Bei der Schwierigkeit der Lage, wie wir sie in unserer heuti gen Morgennummer kennzeichneten, ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich diese Ausgabe nicht rasch und leicht vollenden läßt. Nach Drahtmeldungen aus Paris lehnte Ldon Bourgeois die Uebernahme des Ministeriums des Aeußern wegen Krankheit ab. Poincarö, der hierauf zur Annahme desselben Portefeuilles aufge fordert wurde, will heute antworten. Falls auch er ablehnen sollte, würde sich Caillaux an den Präfekten des Seinedepartements de Selves wenden. Die übrigen Portefeuilles werden wahrscheinlich folgen dermaßen verteilt: Präsidium und Inneres: Cail laux, Justiz: Doumergue oder Truppi, Finanzen: Klotz, Krieg: Etienne oder Mes si m y, Marine: Delcasse, Unterricht: Steeg, öffentliche Arbeiten: Augagneur, Handel: Lhaumet, Ackerbau: Pams, Kolonien: Mes si m y oder Lebrun, und schließlich Arbeit und soziale Fürsorge: Renault. Caillaux wird vom Parlament eine Ver längerung der Session über den üblichen Zeitpunkt, eine beschleunigte Budgetbewilligung und die Annahme eines Gesetzes über die Abgrenzung der Wcinbaubczirke, das er noch einbringen will, fordern. Die Erörterungen der Wahlreform will er durch Ver mittlungsvorschläge fördern und die Verhandlungen niit den Eisenbahngesellschaften über die Wiederein stellung der entlassenen Angestellten fortsetzen, jedoch darauf verzichten, zu Zwangsmaßregeln seine Zu flucht zu nehmen. Weiter liegen dazu folgende Drahtnachrichten vor: Paris. 27. Juni. (Eigene Drahtmeld.) Wie ver lautet, hat Caillaux in der Unterredung mit seinen künftigen Mitarbeitern heroorgehoben, daß er vor allem die unverzügliche Erledigung des Budgets anstrebe, und Laß er zu diesem Zwecke die Vertrauensfrage stellen werde. In der Frage der W a h l r e f o r m will er eine Vermittelung Vorschlägen, die die Stimmen sämtlicher Republika ner auf sich vereinigen könnte. Wie schwer es jedoch sein dürste, einen Ausgleich zwischen den Anhängern und Gegnern der Proportionalwahl zu erzielen, zeige sich in dem von Len ersteren gefaßten Beschluß, auf die ausdrückliche Willenskundgebung der Mehrheit der Kammer die Wahlreform aus Grund des Pro portionalwahlsystems auf das schnellste durchzusühren, und in dem sie ferner erklären, daß di« Vorlage be reits die größtmöglichsten Zugeständnisse an die Gegner der Wahlreform enthalte. Paris, 27. Juni. (Eigene Drahtmeld.) Nach einer Blättermcldung hätte Caillaux die Absicht, den Di rektor des Zollwesens Delanney zum Seine präfekten zu ernennen. (Demnach hätte sich Caillaux inzwischen dafür entschieden, den gegen wärtigen Seinepräfekten de Seines als Minister des Aeußern ins Kabinett zu nehmen. Die Red.) DepelHenmechlel zwilchen üem Kaller unü üem prällüenten Takt. Nach einer Meldung der „Associated Preß" hat der Kaiser an den Präsidenten Taft ein Tele gramm gerichtet, das in deutscher Uebersetzung folgendermaßen lautet: „Einer Einladung Badgers folgend, hatte ich das Vergnügen, auf der „Louisiana" zu frühstücken. Ich habe das Schiff besichtigt und bitte Sie, meine besten Komplimente entgegenzunehmen zu der vortrefflichen Mannschaft und zu dem vor züglichen Stande der Leistungsfähigkeit und Ordnung, den ich auf dem ichönen Schiffe gesunden habe. Ich bin gewiß. Sie werden erfreut sein zu vernehmen, daß das Sternenbanner in Kiel gut vertreten ist. Ich danke Ihnen auf das auf richtigste dafür, daß Sie das schöne Geschwader ge sandt haben. Ich bin glücklich, die kameradschaft lichen Beziehungen zwischen den Offizieren und Mannschaften der beiden Flotten zu beobachten, die sich in kurzer Zeit gebildet haben." Präsident Taft erwiderte: „Ich weiß Ihr freundliches Telegramm in hohem Maße zu schätzen und Ihre so herzlichen Empfin dungen für die amerikanische Flotte, für die es eine Quelle großen Stolzes ifl, daß Eure Majestät dem Admiral die Ehre erwiesen haben, das Früh stück auf der „Louisiana" einzunehmen und das schiff wie die Besatzung des Schiffes zu besichtigen. Ich fühle mich sehr glücklich zu erfahren, daß das Sternen banner in Kiel gut vertreten ist, und daß die Ossi ziere und Mannschaften die wertvolle Gelegen heit hatten, mit der deutschen Flotte Freund schäft zu schließen, für deren Gastlichkeit ich ebenso wie für Eurer Mafestät freundliche Aeußerungen meinen herzlichsten Dank sage." Verschärfung ües englischen Derfstlungskamples. Kaum sind die Krönungstage vorüber, da setztZn England bereits wieder der Streit um die Verfassungs reform ein. Die Lords unternahmen einen sehr kräftigen Vorstoß zur Wahrung ihrer Rechte, so daß sich die Situation sehr ernst zu gestalten beginnt. Ein Telegramm meldet darüber: London, 27. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Die kon - st i t u t i o n e l l e Krisis ist wieder i n schärfster Weise ausgebrochen, und zwar durch die gestern abend erfolgte Bekanntgabe oon Amende ments der Lords zur Parlamentsbc'll. Lord Lans- downe brachte ein Amendement ein, daß keine Maßregel, die di« Krone oder die protestantische Thronfolge berühre oder die Einrichtung nationaler Parlamente für Irland, Wales, Schottland oder Eng land zum Ziele habe oder irgendeine Maßnahme, die nicht vom vereinigten Komitee des Ober- und Unterhauses gutgeheißen werd«, der königlichen Sanktion unterbreitet werden dürfe, bevor nicht das Urteil der Wähler eingeholt worden sei. Ferner unterbreitete Lord Crower einen Zufatz- anrrag, der die Ernennung eines Komitees von sieben Mitgliedern aus beiden Häusern vorsieht, das bestimmen soll, o b ein Gesetz eine der artige Bedeutung habe, daß es dem Urteil der Wähler unterbreitet werden müsse. — Die Blätter beider Parteirichtungen erklären die Lage für ernst und weisen darauf hin, daß die Lords die Meinung hegen, der Dersicherungsentwurs hätte die Popularität der Negierung beeinträchtigt. Ferner seien die Lords der Meinung, daß das Volk von den Krönungsfeierlich- keiten einen so tiefen Eindruck bekommen hätte, daß. falls die Regierung gezwungen würde, zuriickzutrcten. sie eine zweite allgemeine Wahl nicht überleben werde. Für alle Fälle seien die Lords entschlossen, die Ne gierung zu zwingen, sich klar darüber zu ännern. welche Garantien sie vom König bezüglich der Ernennung der Peers erhalten. pülitilche Nachrichten. Der Kaiser beim Kaiserlichen Jachtklub. Kiel, 27. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Der Kaiser begab sich gestern abend nach dem Kaiserlichen Jachtklub, wo er die Preisverteiluna kür die Kriegsfchiffboote vornahm und sodann an dem Festessen des Kaiserlichen Jachtklubs in den Klub räumen teilnahm. Verurteilung wegen militärischen Aufruhrs. Wilhelmshaven, 27. Juni. (Priv.-Tel.) Das K r i e g s g e r i cht der Küstenartillerieinspeklion ver urteilte wegen militärischen Aufruhrs einen Angeklagten zu acht, einen zu sechs und zwei zu je fünf Jahren Zuchthaus, zwei andere Angeklagte zu je fünf Jahren Gefängnis. Die Verurteilten hatten einen Unteroffizier gemeinschaftlich geprügelt. Dementi. Paris, 27. Juni. (Eig. Drahtmeld.) Ein Morgen blatt hatte ein Telegramm seines Korrespondenten in Marseille veröffentlicht, wonach dort bei einer studentischen Kundgebung ein Bildnis des Deutschen Kaisers verbrannt worden sein sollte. Wie die „Agence Havas" mitteilt, hat sich nach dem Bericht des Präfetten kein derartiger Vor fall ereignet. Drohender englischer Bergnrbeiterstreik. London, 27. Juni. (Eigene Drahtmeld.) Di« Vereinigung der Bergarbeiter i» Northumberland und Durham empfahl ihren Mit- gliedern, mit einer 14tägig«n Frist zu kündigen, wenn die Grubenbesitzer nicht einwilligen sollten, ein anderes System der Arbeitsschichten einzuführen. Der Seeleutestreik. London, 27. Juni. (Eigene Drahtmeld.) Die Allgemeine Arbeiterunion forderte von den Vereinigungen der Schttsvauer am Tynefluß, Wear und Clyde eine Lohnerhöhung von 10 Prozent. London, 27. Juni. (Eig. Drahimeld.) Die Ber einigungen der Fuhrleute und der Hafen arbeiter in Liverpool hielten gestern abend Sitzungen ab, in denen sie beschlossen, für die gegen wärtig mit den Seeleuten in Streit befindlichen Schiffahrts-Gesellschaften keinerlei Waren zu befördern. Oie Möne Erzellen;. 17) Roman von T. Tschürnau. lNachvruct verboten.) Ob der Tod des Grafen mit jenem Ereignis im Zusammenhang stand, ob nicht, war niemals erwiesen wo.Len; fest stand nur, daß Graf Matuska in seine,n Arbeitszimmer neben dem Kinde, das er so zärtlich liebte, tot zujammengebrochen war, und Laß man m seiner fest zujammengepreßten Hand einen Brief fand, den die rasch herdeigeeilte Gräfin sofort an sich nahm. Was dieser Brief enthalten hatte, erfuhr niemand. Fest stand auch, daß die Vermögensverhältnjsse des Eicien sich nach seinem Tode als total zerrüttete er wiesen: die Gläubiger legten Beschlag auf das Haas, das Inventar, die Wagen, die Pferte, kurz auf alles tote und lebende Gut, das vorhanden war. Ohne eine Rente, die der Gräfin aus einer Fa milienstiftung zufloß, wäre sie vollkommen mittellos gewesen. Da kam denn die Erbschaft eines alten Oheims, der da draußen eine halbe Stunde vor der Stadt, in der Villa Monbijou ein wunderliches Einsiedlerleben geführt hatte, der Gräfin eben recht. Das Schlößchen war schon damals, als die Dame die Erbschaft antrat, einer Renovation dringend be dürftig. Tapeten und Möbel ließen an Schönheit und Frische so ziemlich alles zu wünschen übrig. De: Garten war eine Wildnis: die Stallungen und sonsti- gen Nebengebäude befanden sich in einem ruinen- haffcn Zustande: immerhin war das ganze für eine Frau in Len Verhältnissen der Gräfin Matuska sehr akzeptabel. Sie siedelte denn auch sofort nach der Villa Mon bijou über, änderte nichts an dem, was sie vorfand, ließ verfallen, was verfallen wollte, und lebte mit sehr geringer Dienerschaft etwa ein Jahrzehnt lang in dem Schlößchen, bis sie dann — literarischer Rück sichten halber — nach Berlin Lbeffiedelte, von wo sie nun vor wenigen Tagen zurückgekehrt war, um wieder hier ihren Wohnsitz aufzujchlagen. Das Kind hatte Gülzow nach jenem Beerdigung^, tage nie wiedergesehen, und wenn er jetzt an sie dockte, so sah er sie noch immer als ein winziger, blasses, schattenhaftes Gejchöpfchen mit weitgeöffneten, furchterstarrten Augen, das von den Falten oer mütterlichen Trauerrobe beinahe gänzlich verdeckt wurde. Bei dem Kondolenzbesuche hatte er erfahren, daß eine Verwandte das Kind mit aufs Land genommen habe, damit es sich erhole. Von diesem Besuche war die kleine Komtesse Ma- tusta nie zurückgekehrt. In der ersten Zeit hatte Gülzow stets nach ihr gefragt, so oft er mit seiner genialen Tante zu sammentraf. O, es geht ihr so gut; sie befindet sich sehr wohl; hatte di« Gräfin immer gesagt. Manchmal hatte sie ihn auch zerstreut angesehen, als müsse sie sich erst darauf besinnen, daß sie irgend- wo in der Welt eine Tochter habe, die das einzige Gut war, das ein grausames Schicksal ihr gelassen hatte. Wenn Gülzow an diese im wundervollsten Ton fall deklamierte Klage dachte, die er an jenem Be- erdigungstage zum mindesten ein halbes Dutzend mal von seiner genialen Tante hatte vortragen hören, fühlte er sich allemal versucht, ihr die unhöflichsten Wahrheiten zu sagen, und manchmal brach er das Gespräch kurz ab, weil er fürchtete, unwillkürlich den Ekel zu verraten, den diese durch und durch unwahre Frau ihm einflößte. Dann, nach und nach, waren seine Anfragen selte ner geworden, und schließlich hatten die Wogen der Zeit das Bild des zarten, lieblichen Kindes hinweg gespült, wie sie so vieles Hinwegspülen, was der Ver gangenheit angehört. Heute wachte di« Erinnerung an jene träume rischen, süßen Kinderaugen wieder mächtig in ihm auf; sie waren ihm so gegenwärtig, so seltsam ver- traut, er sah sie mit solcher Deutlichkeit vor sich, als könne unmöglich ein volles Dutzend Jahre zwischen dem einst und jetzt liegen. Da hielt der Wagen vor dem Gittertor der Villa, das, kunstvoll in Eisen gearbeitet, dem Verfall wider standen hott«, dem das ganze übrig« Besitztum an heimpesallen war. Auch die steinernen Wappenschilder auf den ge waltigen Seitenpseilern des hohen Tores waren noch wohlerhalten: jenseits ober begann der Verfall. Ein ziemlich schmaler, schnurgerader, von dichten, hohen Taxusheckcn umschlossener Gang führt« bis nach dem Portal des Schlößchens, das, vergraut, ruinenhaft, mit architektonischen Schnörkeleien üb«:- laden, als trübseliger Ueberrest aus einer alten, längstverschollenen Zeit dalag. Selbst im lichten, sonnigen Frühling konnte das Schlösickzen kaum freunclich ausjehen; jetzt nn trüben Wuuerlicht erschien es inmitten der schwarzen Taxus- hccken wie eine hohe Gruft. Dazu keine Spur oon Leben rings umher, kein HunL, der Len Ankömmling durch sein Bellen be grüßt, kein Mensch, üer von üen erblindeten Fenstern her ausgeblickt hätte nach dem Besucher. Geisterhaft schauten von ihren Postamenten weiß leuchtende Götterbilder aus den Taxusheüen; dem einen sehlte ein Arm, dem andern die Nase; Amor harr« seinen Köcher und Neptun seinen Dreizack ein- geüüßt. „Ein Ort, um melancholisch zu werden", dachte Gülzow, während er durch das ziemlich eng« Portal in den weiten, halbdunklen Flur trat, aus Len von allen Seiten her hohe, vom Alter dunkel geberzre Türen mündeten. Eine sehr breite Trcpp« mit wuchtigem Eelänoer aus Eichenholz sühne zum ersten Stockwerk empor. Mächtig« Steinvajen am Aufgang und auf der Treppenwendung mochten einst in alter Zeit nne Fülle oon Blumen getragen haben; jetzt trugen sie nur gleich dem Geländer, den Stufen, den Fenster simsen, gleich allem, worauf sich der Blick richtete, eine dicke Staublage. Die einst gewiß sehr prachtvolle Deckenmalerei über dem Treppenhaus« war kaum noch erkennbar. Genau so verblichen und herabgekommen sah der alte Liener aus, der den East im ersten Stockwerk empfing. Die Livree des Alten mochte wohl einst dunkel blau gewesen sein; jetzt schillert« sie in den ver schiedensten Nüancen, vom tiefen Blau bis zu einer unbestimmten Zuckerhutfarbe. Der Diener öffnete eine Flügeltür und ließ Gül zow in ein mittelgroßes Balkonzimmer treten, dessen Decke und Wände die wunderlichsten Stukkaturen zeigten. Die Ausstattung, im steifen Stil des Empire ge halten, stand zu dem Raume an sich in gar keiner Harmonie: die Möbelstoffe waren vergilbt, die Tep piche verschossen und beschädiot. die seidenen Vorbänae 105. Zshrysng. Uns Leipzig unü Umyegenö. Leipzig, 27 Juni. Wetterbericht der Kgl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 28. Juni. Südwestwinde, heiter, etwas wärmer, vorwiegend trocken. Pöhl- und Fichtelberg: Glänzender Sonnen- unter- und -aufgang, Abend- und Morgenrot. Temperatur des Flutzwaffers. 26. Juni abds. 6Uhr 27. Juni irüh Uhr 27. Juni mirgs. >2Uhr Eermaniabad (Pleiße) 20,5" 6 20,5" 6 20,5" L Schwimmanstalt (Elster) 17,0« k 16,0" k 16,0° 8 Gemeindebad Schönefeld (Parthe) 15,0 U 14,0" L 15,0 K t Universi.ätsnachrichten. Die theologische Fakul tät der Universität Leipzig hat dem Eeneralietretär des Zentralvorstandes des Gustav-Adolf-Vereins Pastor Martin Braunschweig, der früher Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in Saloniki in der Türkei war und jetzt als Probst der der evan gelischen Landeskirche Preugens angeschlossenen evangelischen Gemeinden Brasiliens nach Rio Grande do Sul geht, die Lizentiatenwürde ehrenhalber erteilt. * Der Bismarckturm bei Leipzig. Wie wir bereits mitteiltcn, war der mit dem zweiien Preis (800 Ui) prämiierte Entwurf oyne Namen eingeliefert worden. Die Arbeit trägt das Kennwort: „Turm Mat". Da sich der betreffende Künstler bis heute noch nicht gemeldet hat, tragen hoffentlich diese Zeiten zu ,emcr Ermittlung bei. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen, daß die Ausstellung der Ent würfe, Pan,trage 7, nur noch Mittwoch geöffnet lst und abends 6 Uhr geschlossen wird. — Zur Eartenstadtbewegung. In der jüngsten Verjamuttung der Ortsgruppe Leipzig der Deutschen Garten st adtgesell schäft gab d.r Vorsitzende Dr. Konrad Hage» bekannt, daß ow Gorteustaotausstellung noch um einige Tage ver längert worden sei. Dann sprach Schriftsteller Meiß- gerer über „Die gemeinnützige Bau- tätigt eit in Leipzig und die Garten- st a d t L e w e g u n g." Der Vortragende versuchte rn seinen Ausführungen darzulegen, was oon der ge meinnützigen Bautätigkeit im allgemeinen geleistet worden ist, welche Zi.'te sie sich gesetzt, welche Erfolge sie errungen hat. Den eigentlichen Anstoß zu größeren Unternehmungen zur Verbesserung der Wohnungs verhältnisse gab Mitte der achtiger Jahre Professor Hasse, dann kamen die Stiftungen gemeinnützig denkender Privatleute zur Erbauung billiger Woh nungen, wie sie vor allem die vier oon Meyer er richteten Kolonien mit ihrem Stiftungskapital oon 7 Millionen Mark aufweisen. Hier ist im ganzen in 2792 Wohnungen für rund 12 000 Menschen Platz ge schaffen. Es ist damit etwas wirklich Großes geleistet worden. Weiter ist die Salomonstiftung mit sieben Häusern und 149 Mietparteien zu nennen, weiter La, im Jahre 1897 gegründete Ostheim mit 19 Häusern und an den Fenstern sahen aus, als ob sie einer General- rcinlgung dringend bedürftig wären. Das Ganze atmete jene Ungemütlichkeit und jenen Mangel an gutem Geschmack, der dem Grafen von früher her in peinlicher Erinnerung war. Auf einem Tischchen stand inmitten ziemlich ver staubter Porträts unü Nippsachen ein kleines Pastell bild, das die Aufmerksamkeit Les Grafen erregte. Es stellte ein etwa zehnjähriges Kind mit lang herabfließendem, lichtem Haar und strahlenden, dunklen Augen dar. Konnte das seine kleine Cousine sein? Es war Achnlichkeit vorhanden und doch auch nicht. Jene Kinteraugen, deren er sich heute so lebhaft erinnerte, hatten immer einen ernsthaften, beinahe schmerzlichen Ausdruck gehabt; diese hier blickten lachend und glückselig in die Welt hinein. Und das Gesichtchen selbst! Es war gerundet, frisch, wie eine junge Rosenknospe, schelmische Grüb chen saßen in Wangen und Kinn, der rosige Mund lächelte mit der ganzen heiteren Sorglosigkeit, die ein glückliches Vorrecht der Kindheit ist. Eigentlich erinnerte das Bild ihn weniger an da schwächliche. blasse Gesicht seiner kleinen Cousin«, als an ein anderes, das er kürzlich irgendwo gesehen haben mußte. Aber wo — wo? Die Tür wurde rasch hinter Gülzow geöffnet. Er wandte sich um. „Verehrte Tante", wollte er sagen, aber das Wort blieb ihm in der Kehle stecken. Die schlanke Gestalt, die leichten Schrittes quer über das Zimmer her auf ihn zukam. batte auch nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit derjenigen, die er zu sehen erwartet hatte. Es war, als habe plötzlich lichter Sonnenschein das düstere Zimmer überflutet, fo strahlend in Schön heit. Jugend und Lebensfrische stand diese» reizend« Gescköpf da ihm gegenüber. Ohne jede Ziererei oder Schüchternheit streckte sie ihm die Hand entgegen, die er in der seinen hielt, ohne sie. wie er das jeder anderen Dame seiner Be kanntschaft gegenüber getan haben würde, an seine Lippen zu ziehen. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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