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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.06.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110628016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911062801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911062801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-28
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Bezug-. Prri» Ar Lrtvtt» a»d v»c»n» »»rch m,s«r» Irä,«> und So»dtt«uc« Lmal tigNch in» van» grdialvi » PI. <no»a«U, k.7u »l. vttileliahrl V»> unirr» Filialr» » An» »»tzmenellen adardull 7S Pt. «oncttl., LLMr »»«nrliahkl. »»« P,Ur tnnrrdald Deuuqcano» und »er dotlchrn Aolonir» »ruriiüdi^ r.SU Ml„ nionatl. l.Si Bll. uu»>chl Poildellrllarld grrnrr t» V«l»»«n, Danrmart orn Donauftaatr», Ilaltrn ^u^rmduru. «»rdrrlandr Kur» »««en OrNerrria - Unaoin Rußland, kchwrdrn. Saiweu » Lvantr» In all«» lldi'L«» klualen »ui 0>l«N vullh dt« S«tchatt»nrll« l»r» Blatt«» ««dalttlch. La» Ueipttgr» tagrdlan «ttchrim 7 mal lägttcd. Bonn» u. /liirnaa» in» mora«n». Adonnrmrnl»»Annadm« 2»»«»m»»all« d»l unl«r«n tca«rr». tZUcattn Lprourak«» a»ü Aaaadm«il«Urn. >owi< Boltaimrra und Bn«ttrau«rn. St»,«l»«r«»»i»p«,»» »W. Morgen-Ausgabe. Nip.;igcr TilgcbiaU «el.-r»sch> «v>anOelv^etlung« rk>..A«li>,l^i«M Amlsklatt des Nates und des Notizeiamtcs der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis flr Inlecar» au» L«tt>r>u uns Uma»b«»g dl« llpalttg» Brttr»»«!« L P1..IN« Brklamr- t«tl» > Mk., oon aurwatt» ZU PI. A«Namrn lUi» Mk.. Änlrrar« von Behörden im amt» ltchrn L«tt dl« Petllrell« 4«I Pt. E«I<dail»an«r<grn mll Plauoorjldristrn a. in der Adenvauraadr im Prrii« erhöht. Rabatt »a<S larts. Bettaa«h«duhr Betamt- aullaa« - Ml p laulend erkl. Poilaedühr. l«tlde»Iagr höbet. FeftrNettt« ÄuttraAe können nrrhl »urück» a«iug«n «erden r,ür da» erlcheinrn an demmmirn Tagen und Plagen wird kein« ibaranti« iidernommen. An,«»gen - Annahme. 2»tz»»,i»,»g» 8, del iamlliiven Filialen u allen Annonce»» Lrvedrlionen de» Zn» und Au»land«» r«»» »»» Verla, »e» r«g«» blatte» 2. Bolz. Inhaber Bau« Alle««». Nedattron »»» »«Ichillr.Itell«: Zodannlsgaii« L K«»»i - Arlial» Dre»d«n: Eernrah« 1, l «Telephon EU Nr. l77. Mlnwoih. üen SS. Juni ISII. lVS. Jahrgang. Die vorliegende Angabe »msaßt 24 LeiLen Vas Dlchtlglte. * Der Staatssekretär vom Reichsfustizamt Dr. Lisco ist zum Besuche Les Reichsgerichts in Leipzig eingetroffen. (S. Dischs. R.) * Für die Betriebe des Sächsisch-Thürin gischen Färdereioerbandes droht für heute eine Aussperrung, die 8—10 000 Arbeiter betreffen würde. (S. Dischs. R.) * Die Türkei hat den Albanesen ein« neue Bedenkzeit von 14 Tagen gewährt. tS. Letzte DepeichcnG * Die liberalen Geistlichen Groß- Berlins Übergaben ihre Protestkundgebung gegen die Amtsentlassung Iathos der Oeffent- lichkeit (S. Dischs. R,) * Infolge des 2 c e l e u t e st r e i k s ist die Lage in verschiedenen englisck-en Häfen sehr ernst. (S. Letzte Dep.s *Caillanx hat das neue französische Kabinett gebildet. (2. letzte Dep.) Monsieur Munck. Samuel Smiles hat in einer seiner moralischen Schriften einmal den bitteren, aber leider tresienden Satz niedergejchrieben: „Liu großer Teil von dem, was heutzulage für Vaterlandsliebe ausgegcben wird, besteht aus bloßem Pharisäertum und aus Engherzig- keit, die sich als nationale Borurtcile, nationale Ettel- keit und nationaler Hag äußern." An dieses Worr wurden wir erinnert, als von Baris her die Kunde über den lächerlichen Chauvinismus nach Deutschland kam, der sich in übelster Wei,e bei dem feierlichen „Empfang" des Herrn Studiosus Munck aus Straß burg, des beträchtlichen geistigen Leiters des Cercle des Ltudiants Alsaciens, breit gemacht hatte. Wär« dem jungen Manne mit der Relegation in Straßburg eine Unbill zugesügt worden, so könnte das Gebaren der französischen Studenten, die diesen „Märtyrer" wie einen tlefgekräntren, verdicnlen Staatsmann feierten, verständlich ersännen. Ader die Straß' kurzer Unioersitätsbehörde hat doch nur jo gehandelt, wie im umgekehrten Falle gerade die französischen Nationalisten es dringend fordern würden. Wozu also der Lärm? Wozu dieser Paroxysmus von Ver himmelungen, wozu diese bombastischen Sympathie kundgebungen, an denen teilzunehmen sogar ein Pro fessor sich nicht gescheut und geschämt hat! Man braucht zwar die Bedeutung solcher Vorkommnisse, un« sie sich letzt im Zuiammenhang mit Muncks Ein zug in Paris abgespielt haben, nicht zu überschätzen, aber ebensowenig kann man an ihnen völlig achtlos voriioergehen. Widerwärtige Ausbrüche nationalisti scher Ueberichwenglichkett sind jedcujalls bedenkliche Krankheitserschemungen am Körper eines Volkes. Ihre Bekämpfung sollte sich eine wachsame Regierung stets angelegen sein lassen. Kommt man in franzö- fischen Rcgierungskreften im Hinblick auf die tolle Deutjchenhetz« der Pariser Studenten nicht von selbst zu dieser Einsicht, fo muß eben durch einen sanften Druck von deutscher Seite auf Mäßigung hingcwlrkt werden. Die Berechtigung dieses Verlangens mag ein Brief unseres Pariser T.-Muaroeuers verdeutlichen, worin diese jüngsten Freundllchtciten gegen Deutschland und die Deulichen insgejamt an,chaulich geschildert werden: I,. Paris, 26. Iunu Etienne Munck, relegierter Student der Straß burger Universität, ist der Held von Paris ge worden. Wenn ern Protestler in den Retchslairoen am Kragen genommen wird, wenn ein Zislin oder Hansi wegen allzu beleidigender Karikaturen oder etn Abbä Wetterte wegen Ueberschreitungen des Preß gesetzes rn seinem franzönichen Giftblättle mit etwas Gefängnis bestraft werden, dann besteigen diese tapferen Leute die Elienbahn und versäumen nicht, Len Pariser Nationalisten ihre Ankunft auf dem Ost bahnhof anzumelcen. Der Studiosus Munck, der für den jetzt aufgelösten „Cercle Les Etudiants Alsa ciens" das bekannt« deytschfeindlich« Epistel verfaßte, hielt es für seine Pflicht, sich ebenfalls die gebührende Huldigung der Boulevards bereiten zu lasten. Am Freitagabend landete er um 9 Uhr 15 Min. in Paris: di« Bahnhoshalle war von Hunderten von Studenten angefiillt, die den bedeutenden Straßburger Jüng ling auf ihre Schultern emporhoben und unter dem Geschrei: ..Hoch Munck!" ..Nieder mit den Pan germanisten!" „Es lebe Eliaß-Lothringen!" zu einer Hank trugen, von der herab Herr Ren6 Henry, Professor der Ecole des Sciences Politiaues. eine erschütternde Ansprache an den „Verbannten" hielt. 'Der Professor stellte „die scheußlichen alldeutschen Derl«umdungen" an den Pranger. „Wir wollen etwas echt französisches tun", schloß er. „meine Frau ist mit mir hierher gekommen, um Sie zu bitten, unter unserm Dach, in einer französischen Familie, abzusteioen. die geehrt kein wird, mein freund. Si« empfangen und feiern zu können." Der Straßburger Eritudiosus Munck war über dies« Worte so gerührt, daß er in theatra'ischer Weise eine auch vorhandene Trikolore an sich riß und mit Küssen bedeckte. Die Begeisterung der Studenten grenzte daraus ans Delirium. Es war dies eine schöne Vor bereitung für die sonntägliche Protestkundgebung der Studentenschaft gegen die „Straßburger Post", die das Quartier Latin um seine jungfräulickte Tugend gebracht hat. Dteje Protestkundgebung „gegen die deutschen Be leidiger" artete in einen maßlosen chauvinistischen Skandal aus, der jedenfalls sür Frankreich unan genehmere Folgen als für Deutschland haben könnte. Gerade letzt, wo die Republik mit Spanten un Kon flikt liegt bedarf sie des deutschen Wohlwollens mehr als je: Man scheint ader eine deutsche Inter vention ln Marokko geradezu provo- zierenzu wollen. Daß die „Straßburger Post", die schon die französischen Aeroplane mit Gewehr feuer empfangen wissen wollte, auch diesmal etwas über die Schnur gehauen hat, als jre gelegentlich der Auslösung des „Cercle des Etudiants Alsaciens" von der Unmoral des Quartier Latin iprach, reicht wahr haftig nicht aus, um die>e über ganz Frankretch aus- g<.breclele Lluoentenbi-wegung und diese Hochflut von Verleumdungen gegen Las ganze deutsche Volk zu rechtfertigen. Den Anstoß zu dieser Niesenhetze hat wiederum der „M a t l n" gegeben, der mit Gewalt jen>atlonelle Eleignifse herauizubeichwolen oerlucht, um die Aus- Nl«lt,aiilteit von dem Europäischen Runeslug des verhagten Konturrenzblalles „Journal" avzucenken. Nur die Munsterknie macht es euugermalzen ent schuldbar, daß von Negicrungsjeite nichts geicyah, um bei der gegenwärtigen internationalen Lage diese höchst unporitijche und geradezu verdrecheriiche Aus- reizung gegen Deutschland zu verhindern. Wenn auu) die republikanischen und selbst jorl,chrittttch.n StuüenlenvereiNlguiigen sich der Manifestation an schlossen, kann nicht bezweifelt werden, daß es sich wieder um einen nation-llstcjchen Vorstog, alio um ein jur die Republik geiahrliches Manöver handelt. Di« ßrößte Brandrede hrelt ein Student, der ein.» bekannten Namen trügt, „F e rr y, Vor sitzender der progrejsistiichen Studentenichast („pro- greislstljch" will rn der jranzoji.chen Parleisprache „laiholtich-repuvltlaniich" besagen), und Ser „Mann" veroiientlicht sie in Spenichrcft aus seiner ersten Seite. Was sagte der junge Ferry? „Im Wunsche gerecht zu sein", erklärte er, zunächst dem alren Deutschland und seinen großen Mannern Ehre er weisen zu wollen, „da sie dre rastinierten Produkte einer noch barbar»,chen Zimlijauon waren, di« sich vom französiichen Herde den Funken unsres Genres geholt hatten". (!!!) Er erinnerte an Goethe, „der jernen Söhnen verdat, sich in die Heere der V.roun- Leten einjtellen zu lasten", an Moritz von sachsen, „der die alt« Fremdenlegion Frankreichs bei Fonlenoy dejehligte', an Richard Wagner, der jagte: „Nie werde ich besser verstanden werden, als rn „Frank reich", und an Nietzsche, der jein Vaterland „das platteste Land Europas" nannte . . . Der junge Monsieur Ferry schloß seine „htstorijche" Auseinandec- setzung mit jolgenden Gemeinheiten: „In Pans, in jenem Teil der Hauptstadt, der kosmopolitisch ist, gibt es Orte der Ausschweifung wre in allen Hauptstädten. Das wissen die Fremden >ehr wohl: Rian hat pe für sie reserviert. Und wissen Sie, was uns Franzosen und den Ausländern in diesem internationalen Paris am meisten aujiallt? Ls gibt kein unsittliches Schau spiel, keinen verrufenen Ort, wo nicht Deutsch ge sprochen wird." Der von der Straßburger Universität ausgewiesene Student Munck führte den Ehrenvoriitz der von 3000 Jünglingen besuchten Versammlung; er vcr- sicherle unter endlosem Beifall, daß di« Eftaß-Loth- ringer unverbrüchlich mit dem großen französiichen Vaterland verbunden sind. Ren« Henry, Pro fessor an der Ecol« libre des Sciences Politigues (der Nicht staatlichen katholischen Hochichulej, bei dem Munck abgesuegen ist, pries die Tugenden des Rele gierten, oer ein Vetter Les jüngst verunglückten Aoratikers Pierre Marie sei und der nicht inniger mit dem Ruhm und auch der Trauer Frankreichs ver eint jein könnte. Der edle Professor gab eine voll- ständige Aufzahlung aller von den Reichslanden er duldeten „Qualen". Mit dem Rufe: „Erhebe dich, Galli . . . stehet auf, Franzoien, auf, gegen die Bar baren!", endete Henry. Der Präsident der größten Stuüentenoereinigung, der Tourolle mit Na- men, versicherte, „daß niemand in Frankreich vergißt und je vergessen kann", woraus er eine große Zahl Telegramme aus Lyon, Bordeaux, Dijon, Montpellier, Algier, Mimogcs, Dejan«on und bis aus Zürich verlas. Trotzdem die Organisation des. Meetings dem Pclizeiprefekten Lepine versprochen hatte, aus d«r Strage keine Kundgebungen zu veranstalten, wurde eine Strohpuppe auf den Platz St. Germain- dcs-Prös getragen, die ursprünglich den Statthalter der Reichslande vorstellen lollte, die man dann aber in einen Chinesen verwandelte und „Wagner" ge tauft hatte, nach dem Chefredakteur der „Straßburger Post", der in Hanoi zur Welt kam und erst „auf seine alten Tage ein Alldeutscher wurde". Als die Stu denten mit dem Ruf: „Nieder mit Wagner!" Feuer an die Strohpuppe legen wollten, schritten Polizei- kommistäre ein. und ein Schutzmann trug auf dem Rücken den Chefredakteur der „Straßb. Post" zur Wache. Trotz eines starken Aufgebotes von Schutz- mannichasten gelang es mehreren hundert Studenten, ein „Monome^' zu bilden und unter vielem Geschrei nach dem Denkmal des Licn de Belfort zu marschieren, wo Blumen niederaelegt wurden. Erst lange nach Mitternacht trat Ruhe im Quartier Latin «rn. Der - slirtlchritilichelvshlcrchtsanlrag im preutzMeu Mgeorünetenhaus. Berlin, 27. Juni. (Tel.) In ungemütlicher, verdrießlicher Stimmung befin den sich zahlreiche Mitglieder des preußischen Abge- ordnetenhause«. Sie haben das Gefühl, daß die Rege lung ihrer eigenen Geschäfte ihnen völlig über den Kops genommen wird. Si« wissen nicht, wann Ser Schluß der Tagung erfolgt. Es hängt von den Mehr. hcitsparteien und der Negierung ab. Die Regierung macht von dem Recht«, den Landtag zu schließen, oder zu vertagen, Gebrauch, sobald die Vorlagen, auf Sie si« Wert legt, erledigt sind. Ob man ihr daraus einen Volwurf machen kann, wollen wir hier nicht erörtern. Iedensalls sällt kie Beratung des fortschritt lichen Wahlrechtsantrags in eine Stlm- mung hinein, die sich aus Mißvergnügen und Frrlen- ohnung zujammcnfetzt. Der Antrag trägt das Datum des 10. Januar d. I. und richtet an die Staatsregir rung das Ersuchen, noch in dieser Session «inen Ge,«tz- ei*wurj vorzulegen, der uiner entspreckjendcr Abände rung der Vcrsassung das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht einführt, rie Gesamtzahl der Abgeordneten neu bestimmt und die Wahlbezirke aus Grund der Volks-ählung von 1905 neu f«ststellt. Für- wahr eine umfassend« Formulierung! Daß dieses große Gesetzgedungswerk noch in der laufenden Ses sion, wie der Antrag verlangt, geleistet wird, erwartet natürlich niemand, denn die Session liegt eben in den letzten Zügen. Ob es nötig war, daß der Minister des Innern von Dallwitz, der zu den Zweckoerbandsges«tz«n mit zahlreichen Reden erschienen war, samt feinen Ge treuen das Haus verließ, als die Beratung des An trags begann, kann bezweifelt werden. Der Wahl- rechisrese-ent Geheimrat von Falkenhayn bezeugte immerhin Interesse, aber er gab zugleich kund, daß dieses mehr private Arbeit sei, d«nn er nahm oben auf der Tribüne Platz. Viel verstanden hat er sicher lich von der ersten Rede nicht. Abg. Träger be- gründete den Antrag namens der Volkspartei. Ad-»: er tat es mit jo leijer Stimme, daß außer den Abge ordneten, die um ihn einen Ring bildeten, schwerlich jemand den Zusammenhang der Wort« aufgesaßt hat. Man läßt dem greisen Kämpen gern und nicht zum ersten Riale das Wort zu diesem Antrag als Ehren recht. Wenn er aber wüßte, wie große Enttäuschung er wegen seines leisen Organs schon den Besuchern be reitet hat, hätte er wohl längst auf dieses Recht ver zichtet. Mit viel weniger Grazie, aber mit mehr Stimm, Mitteln legt sich Abg. Hosmann (Soz ), der sich durch fortwährendes Vohren Verdienste um die An setzung des Antrags erworben hat, für die extremen Forderungen seiner Partei ein. Er, wie sein Bor» retner, schilderten die Mächte, die sich der Reform widersetzten, dre Anläufe zur Reform auf seit«» der Regierung und das Ideal, das jedem vor Augen stehl. Hofmanns Rede war so radikal daß er am Schluß nur von seinen eigenen Leuten, nicht auch von der antragstellenden Volkspartci Beifall erntete. Das Votum der Konservativen, durch Abg. von Heydc- brand abgegeben, lautete in allen Teilen ableh nend. Abg. Herold, der Vertreter des Zentrums, wollte dagegen dem geheimen Wahlrecht die Wege ebnen und Abschwächungen des plutokratischen Cha, rakters der bestehenden Bestimmungen erwirken, ko- lange das direkte Wahlrecht unerreichbar (?) sei. Die Nationalliberalen, deren Wortführer Schiffer- Magdeburg war, billigten das allgemeine, ge heime und direkte Wahlrecht, lehnten dagegen das gleiche ab, verlangen vielmehr eine Abstufung, und zwar unter Berücksichtigung ter ideellen Mo ment«, der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung uiw Aus des Freiherrn von Zedlitz (Freikons.j Darlegungen hörte man in der Hauptsache ein Nein heraus. Nach rhm sprach noch Korsanty (Pole), dann fand ein Schlußantrag durch die Stimmen d-r Rechten, einiger Zentrumsmitglieder und der Nn- tionalliberalen Annahme, so daß nur noch Fisch beck (Vpt.) ein Schlußwort namens der Antragsteller zu sprechen hatte. Dabei hatte er bereits mit leb haftester Unruhe der rechten Seite des Hauses zu kämpfen. Die Abstimmung erfolgte geteilt, nach den beiden Hauptforderungen des Antrags. Da jedesmal die Rechte dazu half, daß entgegen nationalliberalen Ab änderungsanträgen die radikale Formulierung ge wahrt blieb, sahen sich die Nationalliberalen niemals in der Lag«, mit Ja zu stimmen, während das Zen trum seine Stimme für das gleiche Wahlrecht in die Wagschale werfen konnte. Beidemal war nur eine Minderheit für den Antrag, so daß dieser in seinen beiden Teilen abgelehnt wurde. Ein anderes Er gebnis wäre vorzuziehen gewesen, schon damit ter Re gierung gegenüber ein klarer Wille der Volksvertre tung zum Ausdruck gekommen wäre. 8. Kongreß üer Gemerklchssten DeMWsnüs. Hx. Dresden. 26. Juni 1911. Nachdem die Wahlen zu Vorsitzenden des Kon greßes, wie wir bereits berichteten, vorgenommen waren, erstatt«!« der Vorsitzende der Generalkommis- sion der Gewerkschaften Deutschlands Reichslagsab- geordneter Legien den Rechenschaftsbericht für das verfloßenen Jahr. Er wandte sich mit größter Schärfe gegen einen Antrag des Zweigvereins Bremen des Deutschen Bauarbeiter-Verbandes, der G.wcrkschaflskongreß möge beschließen, daß in Zu kunft an der Gewerkschastsschule nnr Parteigenosten al» Lehrkräfte tätig sein dürfen und zwar nur solche, die den Klaßen- Kamps in klarster Weise ihre Schüler lehren. Fer ner bekämpft« er einen Antrag der Verwaltungs stelle Barmen des Deutschen Metallarbeiter-Verban des. bei der Auswahl der Lehrer für die Parteischule daraus zu sehen, daß dieselben in ihren politischen An schauungen der sozialdemokratischen Partei angehören. Abgeordneter Legien betonte, daß bet der Auswahl der Lehrkräfte di« Parteizugehörigkeit nicht notwendig ist, sondern daß allein der Umstand entscheidend sein darf, daß der Lehrer die nötig« Befähigung und das nötig« Vertrauen hat. Ferner lehnt« Abgeord neter Legien einen Antrag der Verwaltungsstelle Erfurt des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes ab, der die Gewerkschaftsschule der Eeneralkommission mit der sozialdemokratischen Parteischule vereinigen möchte. Das Zusammenarbeiten mit dem Reichsamt des Innern in bezug auf die slreikstatistlk nennt Abgeordneter Legten «in „ge sundes Berhältni s". Man hat auch dort schon eingesehen, daß di« Streikstatistik nichr mehr von den unteren Polizetorganen gemacht werden kann, sondern, daß die Streikstatistik ohne Mithilfe der Gewerkschaften unmöglich ist. Ausführlich be sprach der Redner die Differenzen mit einzelnen Parteischriststellern und Parteizeitungen. Wir haben in den letzten Jahren mit Befriedigung ein vollständig «lnmütlges Zujammenarvclten zwischen Generaltommlsslün und Partelvorstanü konstatieren können, auch bet Dingen, wo ursprünglich Meinungs verschiedenheiten vorhanden waren, wo es schien, als ob wir nicht zujamnienlommen könnten. Run wird man auf christlicher Seit« jagen, daß auf dem Deut schen Gewerkschaftskongreß die Zusammengehörig- teir von Gewertjchafl und Partei offiziell wieder ein mal betont worden sei, ergo seien öle gewelkschafr- ltck)«n Organisationen sozialdemokratisch. Demgegen über erkläre ich, daß die Gewerkschasten durch dieses Zujammenarbelten mit dem Paneioorslano noch lang« nicht jozialdemolratische Gewerk schaften geworden sind. Aber die politische Organi sation der Arbeiterklasse und deren gewerkschaftlich« Organisation rekrutieren sich eben aus denselben Schtchlen der B.oölkerung und sie müssen daher ein gutes Stück miteinander gehen. Sie haben jedoch ge trennte Aufgaben zu erfüllen. Die Hirjch-Dunckerjchen Gewerkschaften sehen ihre politische Vertretung in der fortjchrtttlich«!, Lolkspartei und die christlichen Gewerkschaften im Zentrum. Wer heule im öfjent- ltck)«n Leven wirten will, muß sich eben eine politisch« Vertretung sichern. In diesem Sinne sehen wir in der Sozialdemokratie unsere politisch« Vertretung. Dieses einmütige Zusammenarbeiten ist dagegen nicht möglich gewesen mit einzelnen Par te i s ch r l f l st e l l e r n und Parleizeitungen. Man hat uns vorgeworfen, die gewerkschaftliche Arbeit sei eine Sisyphusarbeit. In wenigen Jahrzehnten haben wir große Erfolge erzielt. Wir haben aus stumpf- fin nigen Arbeitern, die sich alles von den Unternehmern bieten ließen, kampfes frohe und tüchtige Arbeiter gemacht. (Lebh. wiederh. Bei fall.) Das lst keine Sisyphusarbeit, und man soll mit derartigen Redensarten nicht wieder kommen. Wir haben deshalb auch dem Genossen Kautsky gegenüber reckst deutlich unsere Meinung gesagt. Wir haben fejtgestellt, was durch unsere Organisa tionen erreicht worden ist an Verkürzung der Arbeits zeit, Erhöhung der Löhne usw. Kautsky versteht es, in manche Sätze einen Sinn hineinzulegen, der nicht drin ist. Und wenn wir bei der Abwehr diesen Spieß umdrehen, so soll man diesen Spaß nicht verderben. (Hciterkeit und Beifall.) Sozialdemokratische Schrift steller haben auch gesagt, die Stellung der Gewerk schaftsbeamten müße notwendig zu bürgerlichen An schauungen führen (Lachen), Es ist geradezu un glaublich, daß etwas derartiges erklärt werden kann. Da kommt dann ein xbeliebiger Schriftsteller in die Partei hineingeschneit — vielleicht rasselt er von links herein und nach rechts wieder hinaus — und erhebt derartige Vorwürfe. Man weiß oft gar nicht, wielange diese Leut« Parteigenossen sein werden. Wir haben nach den Erfahrungen, die wir mit ihnen gemacht haben, alle Ursache, sehr skeptisch zu sein. (Sehr richtig.) Ich erwähne auch die Tätigkeit un serer Lokalbeamten. Wir sind es unseren Angestellten schuldig, in aller Oeffentlichkeit zu erklären, daß die Arbeit unserer angestellten Beamten vom Verbands vorsitzenden bis zum letzten Lokalbeamten herab ein« verdienstvolle Tätigkeit für die deutsche Arbeiterbe wegung ist, und wir weisen es mit aller Entschieden heit zurück, daß diesen Leuten etwas angehängt wird. (Lebhafter wiederholter Beifall.) Wir legen Wert darauf, daß der Gewerkschaftskongreß auch hier er klärt, daß wir im vollen Einverständnisse mit unseren Mitgliedern gehandelt haben und daß oer, wenn auch nicht sehr noble Ton der Eeneralkommission in diesem Falle ganz angebracht war. (Lebhafter chiederholter Beifall.) Don den zahlreichen zum Rechenschaftsbericht oor- lwgenden Anträgen werden die auf Vereinigung von Partei- und Ge werkschaftsschule zurückgezogen. Ebenso wird ein Antrag Lübeck zurückgezogen, die Maiseierfrage auf die Tagung des nächsten Internationalen Sozialisten kongresses zu setzen. Ein Antrag des Zweigvereins Bremen des Bauarbeiterverbandes, die Arbeitspro dukt« des Herrn Cal wer im Korresponden.zblatt nicht mehr aufzunehmen, weil diese den Klassen kampf nicht fördern, sondern hemmen, wurde aus reichend unterstützt. Ferner liegt «in Antrag ver schiedener Stellen von Berlin und Gotha des Metall arbeiter-Verbandes vor, bei Aussperrungen, deren Unterstützung infolge ihres Umfanges nur mit außergewöhnlichen Mitteln möglich ist, ist von allen der Generalkommission angeschlossenen Verbänden ein der Mitgliederzahl entsprechender Beitrag zu erheben; die Art der Aufbringung der Mittel bleibt der Mitgliedschaft überlasten, darf aber keines falls durch Sammlungen über die eigene Mitglied schaft hinaus geschehen. Nachträglich ist ein An trag eingegangen, eine Kommission von elf Mitglie dern einzusetzen, die gemeinsam mit der General- kommifsion über die weitere Ausgestaltung der Gewerkschaftsfchule beraten soll, und zwar nach der Richtung einer Ver längerung der Dauer der Unterrichtszeit und einer Verringerung der Zahl der Teilnehmer. Diepont, Bildhauer. Berlin: Der Antrag des Zen- tralvereins der Bildhauer Deutschlands auf Schaffung einer allgemeinen Kaste. zu der sämtliche Zentraloerbände nach ihrer Mit-
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