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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.03.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191403154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140315
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140315
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-15
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Sonntags-Ausgabe Sezugspreis«: L »»natllch ».45 M., »i»r<»I>Shr«ich 5.75 M. S»i -«r O»s»aft»st,u«. uns»n» ZiUoira un-tzu«gad«ft»U»n obgeho!»: monatlich»M., otertilj-hrltch S M. vurch ->» Post: innrrdaid dkutschlanü» un» -er -»«»sch«« Koioai«, moaalltch l^o M., vtcrteil-hrlich 4.50 M.. auolchii«tzlich poltd«N«Ug*i-. da» L»ipzig«r Lagrbiatt »rscheiat wrrktag» »mal, Sonn» u. Z«i«r<og» »mal. 2a Leipzig, -«n Nachbarorten un- Sen Orten mit eiaeaen Malen »>r- -l» fiden-auogab« noch am NdenS -»» Erscheinen» in» Hou» geliefert. Vrrliner Ne-akttoarZa-enAelten »7, Zcrnsprech-siajchiug: Moabtt Nr.»47. /Irrrtsplcrtt des Rates und des potlreuuntes der Stadt Leipzig NrSakttou nnü Oeschäftsstelle: lohanaiogag« Nr.». » Zernsprech-sinschiuA Nr. »4»»4, »454, un- »4-44. ISS. Jahrgang tiir 2ns«rat« au» Leipzig un- Umgebung -i« /Lnzeigenprei^. ,spalt»,»p»t>t„n»45pf.,s>»n»klome>e>leim.. p»n ou»w-rt» so Pf., NeNamen >.2S M., »leine ftn,eigen »iepetitzeiie nur ropf.d.wtr»«rkol.Nad.,2nserat« von VehSr-e» im omilichrnjeii Sie Petit» z«»l, 50 Pf. O»sch-ft»anzetg«n mit plahvorschrif» im Preise erhöht, ltadatt nach Laris. Setlagen! O»lamtaufl.5M.»a»Laufenü ausschl poNgedühr- Nnzetgen'Nanakm«: )»bannt»galsr«. bet s-mtlichen Zilialen -»» leipziger Lagebiotte» un- allen ftnnoneen-Expr-ttionen -»» Sn» un» Nu»lanSr». O»sch-ft»st»U, für verlla u.-t» pr.Vron-eaburg: VirektionWalterZltegel, Viril» w. >0, Margarethenslrah« ». Zerosprech-Nnschlug: Llitzow S47». Nr. 134 1914 Sonntag, üen lS. Msr;. Vas Aicbtigsle. * Ueber die-Besoldungsvorlage ist im Reichstage zwischen sämtlichen Par teien ein Einvernehmen erzielt worden. (S. Dtschs. Reich.) * Salandra hat die Bildung des ita ¬ lienischen Kabinetts übernommen. (S. Ausl.) * Das japanische Unterhaus hat den Abänderungsvorschlag abgelehnt. (S. Ausl.) * Die Suffragetten haben in Bir- mingham ein Haus in Brand gesteckt. 'S. Nachr. v. Tage.) * Der türkisch-serbische Friedens ¬ vertrag ist am Sonnabend unterzeichnet worden. * Der Hafen Esmeraldas in der süd amerikanischen Republik Ekuador ist zum Frei hafen erklärt worden. * Es wird der Vorschlag gemacht, die Leip ziger Sedanspiele zu allgemeinen Spielen für Turnen und Sport auszugestalten. (S. Sp. u. Sp.) Umschau. Leipzig, 24. März. ist Ein Pressespuk — nichts Wetter! Da scheint die Meinung zu sein, über die man sich zwischen Berlin und Petersburg im Hin blick auf die gereizten Auseinandersetzungen der letzten Tage einigte. Die russische Regierung hat das Blatt „Rossija" beauftragt, die Be trachtungen der deutschen Presse über die ge spannten Beziehungen zu Rußland als „Zeitungspessimismus" abzutun und mitzu- icilen, das; die Regierungen diesseits und jen seits nicht beabsichtigen, „über die „Legende" der deutsch-russischen Freundschaft ein Kreuz zu machen". Die „Nordd. Allgcm. Ztg." hat darauf hin zunächst der „Petersburger Börscnzeitung", die in ausfallender Weise auf die Kriegsbereit schaft Rußlands gepocht hatte, zu bedenken ge geben, daß ihre Ausführungen ebensowenig wie der Lärmruf eines deutschen Blattes (siehe „Köln. Zeitung") die „feststehende Ehrlichkeit der offiziellen Friedenspolitik" zu stören vermöchten, um dann dem freundlichen bildlichen Ausdrucke der „Rossija" bei zupflichten, wonach die besagte deutsch russische Freundschaft keine „Legende" ist, sondern etwas Wahres und Wirk liches. Herr v. Bethmann läßt also von neuem die „feststehende Ehrlichkeit der offiziellen Frie denspolitik" verkündigen, und er ist einverstan den, wenn wir von der „Rossija" belehrt wer den, daß Rußland seine militärische Vervoll- tommung aus denselben Gründen betreibe, wie die anderen Großstaaten. Also hat auch die deutsche Presse kein Recht, sich über die An strengungen auf russischer Seite aufzuhaltcn. Das ist klar, nur — daß eine Kleinigkeit über sehen wird. Nicht über die Ausbildung des russischen Heeres, auch nicht über die Verstär- ,ung der Wehrmacht im allgemeinen, sondern über die angekündigten Kriegsvorbercitungen und Probcmobilisicrungen hatte die deutsche Presse ihr Befremden geäußert. Sind diese „Er scheinungen" nach russischer Auffassung durchaus harmloser Natur — die Probcmobilisierung tostet zwar die Kleinigkeit von einigen hundert Millionen —, nun so könnte ja Deutschland in seinen östlichen Teilen dieselben harmlosen Maß regeln ausführen. Ob dann die russische Presse nach den schönen Lehren handeln würde, die sie uns heute erteilt? Herr Ssasanow hat dieser Tage, ganz un Einklang mit jener von der „Rossija" bc- tundeten Wertsck>ätzung der „Legende", ernem un garischen Redakteur sein „Verwundern" aus gesprochen über das „Mißtrauen" gegen die russische Politik. Was will man nur? Gespannte Beziehungen zum Dreibunde und insbesondere zu Oesterreich? Lächerlich! Die Beziehungen sind — so sagte Herr Ssasonow — „ganz aus gezeichnet". Krieg? Wozu? Ern Krieg im 20. Jahrhundert — so sagt Ssasonow — würde ein Weltbrand werden, und einen Weltbrand entzündet man nicht aus Gefühlsgründen! Zwar un vorigen Jahre — freilich — eine böse Zache . . Aber — so sagt Ssasonow — „das alles ist m erledigt", und Oesterreich ist heute so fried- ttebend wie Rußland auch. Also! Und Frank reich? Hat nicht erst dieser Tage Herr Dou- mergue in der französischen Kammer ein ganz ur rosiges Licht getauchtes Bild der französi schen Weltfriedenspolitik entworfen? Zwar rüstet man und nimmt alle bösen Begleiterscheinungen ker Wiedereinführung der dreijährigen Dienst zeit auf sich, die Annahme des neuen Kader gesetzes wird mit Genugtuung verzeichnet, aber den Freund hintcrgeht, ihn seiner Ehre be raubt und ihn schließlich noch im Duell über den Haufen schießt? Und da gibt es nach Leute, die am Duell festgehalten wissen wollen, weil es als eine Art Gottesgericht die Entscheidung in die Hand Gottes lege! Es ist erfreulich, daß diesmal auch auf konservativer Seite, abgesehen von einigen allgemeinen vieldeutigen Wendun gen, kein ernsthafter Versuch gemacht worden ist, das Duellwefen als eine zur christlichen Stan- desauffassung gehörige Einrichtung in Schutz zu nehmen. Die Beseitigung des Duells wird schließlich am sichersten besorgt durch — die Duellanten. — — — War diese Aussprache im Reichstage, wenn es auch bei Meinungsäußerungen verblieb, einer vorgeschrittenen Auffassung dienlich, so gab es daneben doch auch einige allgemein begrüßte sach lich wertvolle Ergebnisse. Der Gesetzentwurf über Bürgschaften des Reiches zur Förderung des Baues von Kleinwohnungen für Reichs- und Militärbedienstete, das Postscheck gesetz und das Luftverkehrsgesetz sind gesichert und werden dem Reichstage gutgeschrie ben werden. Das ist nicht ganz unwichtig, da es ja noch immer Blätter gibt, die im Vertrauen auf die Gedankenlosigkeit ihrer Leser alle paar Tage diesen Reichstag als lebendigen Beweis für die Trostlosigkeit unserer inneren Zustände zu kennzeichnen lieben und nach dem Tage rufen, an dem sich alles, alles wenden soll. Aber sie müssen sich gedulden: Herr v. Bethmanns Gesundheit ist nicht erschüttert und es scheint fast, als habe er nach rechtshin durch gute Zusprache die Gefühle der Ungeduld und des Grolls etwas zu dämpfen verstanden. Wie weit wir von der gefürchteten „Par lamentsherrschaft" entfernt sind, lehrt uns dieser Tage wieder ein Vergleich mit Italien. Dort war es möglich, daß ein Staatsmann, nämlich Gtolitti, vierzehnmal aus dem Minister amtescheiden und vierzehnmal, getragen von der parlamentarischen Welle wieder eintreten konnte. Und doch gilt ec heute als einer der erfolg reichsten Staatsmänner Europas und gilt nicht nur, sondern ist es tatsächlich. Keiner hat cs so verstanden, das Instrument des Parlaments zu handhaben, und selbst jetzt, wo er sich wegen par teipolitischer Kämpfe unter Berufung auf sein hohes Alter — er ist 73 Jahre alt — zurück zieht, rechnet man mit seinem Wiederkommen. Wie alle Könner, hat er neben einer starken Gefolgschaft von Freunden und Bewunderern selbstverständlich auch eine gute Zahl Feinde. Dazu zählen nicht nur die 'Gegner des Drei bundes, die offenen und heimlichen Freunde Frankreichs, sondern auch alle jene zweifel haften Politiker, die seine staatsmännische Ueber- legenheit stets als eine Beeinträchtigung ihrer eigenen Wertschätzung empfanden. Was Wunder, wenn er von dieser Seite beschuldigt wird, sich einen guten Abgang aus lorbeerbestreuten Tep pichen in einem Äugenblick gesucht zu haben, wo die Kehrseite seiner ruhmreichen Politik zum Vorschein kommen und die lange Rechnung für Tripolis bezahlt werden muß. Es steht schlecht um die Finanzen, schlecht um die Deckung der Kosten für die Heeres- und Marinevermehrung; die Beamtenschaft, die sich um die Gehaltsauf besserung betrogen sieht, droht mit dem Aus stand und der Senator Fürst Campo reale malt gar den Bankerott an die Wand. Es ist Ehrensache für einen Mann wie Giolitti, seinen Ruf zu retten und zu zeigen, daß er nicht nur bunte, dem Volke schmeichelnde Bilder hervor zuzaubern versteht, sondern auch zur Stelle ist, wenn die Not an die Türe pocht. öestellte Professoren. Die einst beliebte Bezeichnung „Katheder sozialisten" ist aus dem Tagesstreit ziemlich ver schwunden. Man verstand darunter jene Hoch schullehrer der Volkswirtschaft, die in dem Rufe standen, eine Lehre zu verbreiten, die der Un- parteiischkeit entbehre und auf einen staats gefährlichen Sozialismus zugeschnitten sei. Für den einen oder anderen mochte der Vorwurf bis zu einem gewissen Grade zutreffcn. Die Industrie, wie überhaupt das Unternehmertum, konnten den Vorwurf erheben, daß häufig vom Katheder Urteile gefällt würden, die nicht auS praktischer Sachkenntnis, sondern aus einer an genommenen Lehrmeinung herangereift seien. Wenn diese Angriffe seltener wurden, so liegt es wohl weniger an den Versuchen, da und dort den „Kathedersozialisten" durch die Be rufung von Gelehrten mit genehmeren Ansichten Abbruch zu tun, als an dem von selbst, sagen wir auf wissenschaftlichem Wege eingetretenen Aus gleich. Gerade darin zeigt auch die National ökonomie ihre wissenschaftliche Qualität: sie ver- bessert stetig ihren Standpunkt, um aus der Enge des zeitweiligen Gesichtskreises herauszu kommen und allmählich die höchste Warte zu gewinnen. Man freue sich dieses Strebens und störe eS nicht durch Eingriffe, die auf die Dauer ja doch nichts ausrichten. Zu dieser Erkenntnis — wen wundert's? — ist die „Deutsche Tagesztg." noch nicht durchgedrungen. Ueber die Art, wie sic diesmal ihre Wünsche und Schmerzen geltend macht, schreibt ein Mitarbeiter: — so sagt Herr Doumergue — das alles tut Frankreich nur, um sich zu behaupten und den Weltfrieden zu befestigen. Und sagt Herr Chur chill etwas anderes, wenn er für seinen neuen Flottenvoranschlag im ganzen lOö Millionen Mark mehr fordert, als er erst for dern wollte! Nein, es ist schon so: Europa lebt in einem wahrhaft glücklichen Zu stand. Alles rüstet um die Wette, damit ihm der Friede erhalten bleibe. Nur die unglücklichen, vernagelten „Zeituugspessimisten" beunruhigen gelegentlich die Welt durch ihre gänzlich veraltete Auffassung, wonach Kriegsrüstungen zum Kriege bestimmt seien. Lächerliche Gesellschaft. Sie war es ja auch, die vor kurzem in dem Auftreten Rußlands gegen die deutsche Militärmission eine Unfreundlichkeit sehen wollte, obwohl es doch auf der Hand lag, daß sich die ehrliche rus sische Politik lediglich bemühte, unsere Regie rung und unseren General Liman von Sanders schwerer Sorgen zu entheben. Diese Leute, die, wie die „Nordd. Allgcm. Ztg." so treffend sagt. Mit Hilfe von Tinte und Druckerschwärze die „feststehende Ehrlichkeit der offiziellen Friedens politik" zu stören versuchen, sind für die Staats männer Europas überaus lästig; sie haben keinen Sinn für politische Illusionen, sind gemütlos und unvernünftig, was sich u. a. ja auch darin zeigt, daß sie sich über die Zunahme der internatio nalen Spionage aufhalten, während doch der jüngste Attaches weiß, wie notwendig die Spio nage ist, um durch fortdauernde Beweise der Aufmerksamkeit das gegenseitige Vertrauen der Mächte auf die „feststehende Ehrlichkeit der offi ziellen Friedenspolitik" zu erhalten und zu för dern. Man sollte diese Leute cinsperren . . . Ein russisches Blatt Hütte den Reichskanzler aufgefordert, vor dem Reichstage eine Ruß land begütigende Erklärung abzugeben. Das ist nun nicht mebr nötia, da ja nach der mit Hilfe von Tinte und Druckerschwärze zustande gekom menen Erläuterung in der „Nordd. Alla. Ztg." alle- in bester Ordnung ist. Zeit hatte der Reichstag, den Herrn Reichskanzler über Ruß land zu hören. Es fehlt an Stoff — gewiß ein seltener Fall —, und die Tagungen sind deshalb für die nächste Zeit eingeschränkt worden. Der Haushaltsausschuß wird also ruhiger als sonst seine Arbeit erledigen können. Mit Genug tuung verzeichnete man allgemein den glatten Verlauf der Beratung des Etats des Kolo- nialamtes. Es will eben alles gelernt sein, und am Ende hat dieses Hineinfinden in die Kolonialpolitik nicht gar zu lange gedauert. Welch ein Abstand zwischen der Auffassung Ca privis, dem ähnlich wie Eugen Richter die ganze Kolonialpolitik ein Unbehagen war, und der heutigen Haltung des Reichstages! Seinerzeit fiel im Reichstage das Wort, eS wäre am besten, die deutschen Kolonien wie einst die deutsche Flotte än den Meistbietenden loszuschlagcn. Auf olchen Unsinn verfällt heute selbst die Sozial- remokratie nicht mehr. Es zeigte sich aber auch diesmal, wieviel auf den führenden Mann an kommt. Die Kolonien werden nicht mehr gepflegt wie eine Sache, die man der Augen der Nachbarn wegen anstandshalber instand halten muß, son dern wie ein Gut, das mehr und mehr die Opfer an Mühe lohnt. Das bewies der Reichstag mit der Bewilligung der großen Bahn bauten in Südwest- und Ostäfrika. — Zwischen durch widmete der Reichstag wieder einmal dem Duellübel eine ausgiebige Beratung, und zwar auf Verlangen des Zentrums, das über die traurige Bereicherung dieses Kapitels durch einen Vorfall in Metz Auskunft verlangte. Auch hier eine Wandlung gegen früher. Der Kriegs minister v. Falken Hayn sprach anders, als dies manche seiner Vorgänger zu tun beliebten. Er stellte nicht den Satz auf, wonach das Duell nun einmal als Begleiterscheinung standesge mäßer Erziehung aufzufasscn sei. Er verläßt sich auf die Zeit, die so manches überwindet. Auch mit dem Vorhaben, die „freventliche Her ausforderung" mit Gefängnis zu bestrafens ist er einverstanden. Leider wird noch eine Weile vergehen, bis durch die Neuordnung des Straf rechtes auch auf diesem heiklen Gebiet eine längst gewonnene Einsicht in eine feste Formel ge bracht werden kann. Von einem Duellverbot verspricht sich indes der Minister nichts. Warum? Wieder ist auf England hingewiesen worden, wo seit dem Jahre 1844 das Duellverbot für das Offizierkorps besteht und seinen Zweck voll ständig erreicht hat. Man weiß doch, daß der Kaiser nicht nur das militärische Verhalten der Offiziere beobachtet, sondern auch das gesell schaftliche. Ein Wort von ihm, und der Tango war nicht mehr. Der Begriff Ehre muß und wird bestehen auch ohne irgendwelche Bindung an das Duellwesen. Der Kaiser hat das Wort gesprochen: „Wer imstande ist, die Ehre eines Kameraden frevelhaft zu verletzen, den werde ich nicht in meinem Heere dulden." Gleichwohl haben wir eine Reihe von Prozessen erlebt — wir erinnern nur an das Sittendrama von Allenstein —, die eine ganz unerhörte Auf fassung des gesellschaftlichen Umganges mit — dem Weibe des Kameraden aufdeckten. Auch bei der Metzer Geschichte gab diese Verlotterung des Ehrbegriffs den Untergrund ab für den blutigen Zusammenstoß. Wie steht es denn um die Ehre eines Offiziers, der äußerlich alle Formen der Kameradschaft erfüllt, aber einer Liebelei wegen „Bekanntlich nähert sich Adolf Wagner seineni achtzigsten Lebensjahr. Das ist gewiß ein Alter, in dem auch Gelehrte beginnen können, auszuruhen, und Gustav Schmöller, der um drei Jahre jüngere, ist denn auch bereits im Herbst seinem Kollegen, der ihm durch bald zwei Menschenalter Kampfgenosse und zuweilen auch leiser Gegner war, mit seinem Beispiel vorangegangen. Aber Adolf Wagner hat von solchem Ruhebedürfnis noch nichts verraten und da ist cs just von der „Deutschen Tagesztg." nicht freundlich, ihn» nahczulegcn, daß es Zeit wurde zum Scheiden: denn Adolf Wagner war sein Lebelang ein konservativer Mann und einer der wärmsten akademischen Vorkämpfer der deutschen Landwirtschaft. Indes das Haupt organ der Agrarier ist nun einmal, wie es in dem zum Studcntensang gewordenen Gocthe- lied heißt, „von besonderen! Schlag" und so eröffnet es bereits jetzt die Debatte über Wag ners Nachfolgerschaft. Die dürfte beileibe keinem „Brentanoschüler" zufallcn: nicht einein Mann aus den Kreisen jener volkswirtschaftlichen Theorie, die „immer mehr abwirtschaftete"; nun endlich müsse einer von den „hervorragenden jüngeren Gelehrten" berücksichtigt werden, die „insbesondere aus agrar-wissenschaftlichem Ge biete wirkten". Wir wissen nicht, wen das Bünd- lerorgan bei diesen allgemein gehaltenen Wen dungen im Auge hat. Nur das wissen wir, daß eS bittere Unbill ist, der deutschen national ökonomischen Forschung nachzusagen, sic hätte bisher kein Herz und kein Interesse für die Landwirtschaft gezeigt. Das Gegenteil ist der Fall. Die von der Goltz, Buchenberger, Sering, von den älteren Knapp, Miaskowski u. v. a. haben in der Beziehung geradezu Fundamentales ge leistet. Die drei Bände des „Vereins für Sozial- wlitik" über die bäuerlichen Zustände in Deutsch- and, die umfangreichen Monographien über die kindliche Arbeiterfrage, das ländliche Erbrecht, Iber Kreditfrage, Genossenschaftswesen und Sachsengängcrei sind ausschließlich von An hängern und Schülern der neuhislorischen Schule, die man ja wohl auch die kathedersozialistische nennt, geschrieben und zusammengelragen wor den. Also was will man? Daß sie mühselig nach der Wahrheit suchten und nicht einfach lehrten, was mächtigen Jnteressentengruppen in den Kram paßte und behagte? Gerade das wird inan ihnen zu hohem Ruhme rechnen müssen. Cs ist nicht leicht, in dem Streit der Parteiungen, bei dem Lärmen der vorschnell aburteilenden öffentlichen Meinung in Wirtschafts- und sozialpolitischen Dingen sich strenge Unparteilichkeit zu wahren; in der Tagesprcsse, die in ihrem Tretwert jedes ernste wissenschaftliche Mühen mitleidlos zer stampft, wird es sogar zum Martyrium. Die deutschen Nationalökonomen haben es bisher ver mocht; es hat sie nicht angefochten, wenn mau sic von rechts Förderer und Begünstiger der Sozialdemokratie und von ganz links „Limo- nadcnapostel", „Flottcnprofejsorcn" und „Zoll wucherer" gescholten hate. Ruhig und ziel bewußt sind sie ihren Gang gegangen, keinem anderen Zwang gehorchend, als den ihrer Ge wissen. Darauf beruht die hohe Bedeutung un serer heutigen nationalükonomischcn Forschung." k*oli1iletie UebeMeM ver Deutsch-Amerikanische wirtschafteverdan-, dessen Begründung am 2. März beschlossen wurde, hielt am 12. März seine erste Mitgliedervcr sammlung in Berlin ab, in der über hundert Industrielle aus allen Teilen Deutschlands vertreten waren. Die Versammlung hatte zunächst zu dem Vor schlag Stellung zu nehmen, den Deulfch-Amerika nischen Wirtschaftsoerband als selbständigen Verband nicht weiter bestehen zu lassen, sondern ihn unter Ver zicht auf die Selbständigkeit einer eigenen Organ» a tion mit beschränktem handelspolitischen Au,gab:n- kreis als Abteilung der Deutschen Gesellschaft für Welthandel zu konstituieren. Trotz des Hinweises, daß mit der Ablehnung dieses Vorschlages auch der Gedanke der Deutschen Gesellschaft für Wetthandel als gescheitert anzusehen wäre, konnte sich die Mitglieder Versammlung nach sehr eingehender Beratung mit Rücksicht auf die außerorüentl.ch große Bedeutung des deutsch-amerikanischen Güteraustausches und auf die Eigenart der handelspolitischen Verhältnisse zu den Unionstaaten von Nordamerika zu einem so weit gehenden Verzicht nicht entschließen. Einstimmig hielt sie an der selbständigen Begründung des Ver bandes mit eigenen Satzungen fest, brachte jedoch in voller Anerkennung der großen Aufgaben der g« planten Deutschen Gesellschaft für Welthandel und des Zusammenarbeitens der zentralen Verbände ebenso einmütig zum Ausdruck, daß sie bereit sei, mit der Deutschen (Gesellschaft für Welthandel in ein näheres organisatorisches Verhältnis zu treten. Wenn inzwischen der Plan einer Deutschen Gc'ell chaft als aufgegeben bezeichnet wird, so wird doch die Hoffnung ausgedrückt werden dürfen, daß das auf dem Gebiete einer Welthandclsstellc erstrebte Zusammenarbeiten der gesamten deutschen Industrie mindestens für das Arbeitsgebiet des Deutsch-Amerikanischen Wirt schaftsverbandes erreicht wird. Wie sehr die Bestre bungen des Deutsch-Amerikanischen Wirtschastsoer- bandes schon jetzt in den weitesten Kreisen begrüßt werden, beweist die Tatsache, daß dem Verbände so fort Überdreihundertdeutsche In du st rie- firmen, darunter Vertreter der bedeutendsten Unter-
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