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flben-» Ausgabe t», r»tp?«o »»o vor»n« «»rch anker* resae» ua» SpeSttear» »mol tS-U» In« stau-gedra»tr monatlich >.« M., »ierteyahriich r.75 M. Sei »er »elchäftosteU,. unser» Maie» ua» NuogodeNeUea od,»h»it, m»aoiNchiM..vi»rt»yahrU»SM. durch Sie posti tnnerhoib Veutfchian»» und »er »rutsche« Kolonie» «oualUch I^o M., oierteyahrUch 4.S» M.. auoschiieZUch poNdeNeUgel». Da» Letpztg», La»«biatt erscheint «verklag» »mol. Sonn» a. Zelertago tmal. Ja Leipzig, »en Nachbarorten un» »en Vrtrn mit eigenen Ziliaien wir» K» stdeavauogad» noch am stden» »«« Erscheinen» in» Hau» griiesert. Serltaer N«»aetioa:Ia»»n2«iten>7, Zernsprech.ynschiuK: Moabit Nr.4»7. /lrntsbloü des Rates und des polrreiarntLS der Stcrdt Leipzig «eöaktiou »nö SrschastosteU«: ^»hanniogass« Nr.«. o Zrrnsprech.Knschlutz Nr. >4»04, >4»»Z un» 14»»». ISS. Jahrgang . sü» Inserat» au» Leipzig un» Umgebung »ie /InAkluelisIreifL» Ispaltig»p«rit>eii»rrps., »ic Nekiam, >»>l»t m.. von ouowart» L» Pf., Nekiamea >.ro iN., Klein» sin-eigen »iepetit-eii« nur r»ps.b.wi«»«rhol.Nod.,Inserate von Vehor»rn im amtlichenLeU »ir Petit» -eile »o ps. SeschSstoan-eigen mit piahvorschrif« »n Preise erbbbt. Nabatt nach Laris, vetlagen; Sesamtausl.SM.»«»Lausen» auoschi.postgedube. f>az»»g»n»stanohme: Zohanniogossr», bet sämtlichen Ziimien »eo Leipziger Lageblatt»» uns allen Mnnoncen-Lepebitionrn »eo In» un» stu-i n»e*. Seschastostell« für Seriia u. Sir Pr. stran.'endurg: dirrktion Wolter Zlirgel, Serlln w. l». Margarethenstrak« 6. Zrrnsprech»slnschiuft: Lübow -,a7>. Ar. 140. »S14 Mittwoch, »en iS. Msr; Vas Wichtigste. * Die Herzogin von Braunschweig ist heute morgen 5 Uhr von einem Prinzen ent- bunden worden. (S. bes. Art.). * Der Deutsche Handelstag tritt heute in Berlin zu einer Tagung zusammen. * Zur Untersuchung der Angelegenheit Röchelte, in die der bisherige Finanzminister Caillaux verwickelt ist, hat die französische Depuliertenkammer einen besonderen Ausschuß eingesetzt. (S. Leitartikel). * Dec Senat' von Britisch-Süd-- afrika hat die Indemnitätsbill an-- genommen (S. Ausl.). * Die Chemische Fabrik und As^ phalt werke in Worms stehen seit Mitt- woch früh in Flammen. (S. Nachr. v. Tage). Der 5aN Laillaux. Wie wir vorauSsagtcn, ist aus der Rachctat der Frau Caillaux über Nacht eine „Regierungs frage" entstanden. Mit der Entlassung des Finanznnnistcrs Caillaur und einem Plätze- wechsel im Ministerium geben sich die erregten Köpfe der Politiker nicht zufrieden. Die Kam mer Hal sich bereits gestern nachmittag der Sache bemächtigt, und im Handumdrehen kam es zu den schlimmsten Austritten. Der Ausschuß, der sich seinerzeit mit der Lpekulantengcschichte des Banuers Nochctte befaßte, soll nun eine gründliche Untersuchung veranstalten, alle irgendwie beteiligten Personen vernehmen, die reine Wahrheit ergründen und sie dann der Kammer mittcilen. Alio Panama! Man kann sich nach dem gestrigen Vorspiel in der Kammer darauf verlassen, daß dieses Unternehmen der Kammer nicht zum Nutzen des Ansehens des Landes, geschweige denn sei ner Regierung ausfallen wird. Nur Leute wie Zaurss bringen es fertig, dem Untersuchungs ausschuß einen großen Erfolg zu prophezeien. Was er in der „Humanitü" schreibt, ist echt französisches Phrascnwerk. „Der Ausschuß wird unbekümmert um Cliguenwesen und Partei gruppen, ohne Voreingenommenheit nnd ohne Liebedienerei volles Licht verbreiten. Darin be steht die Ehre der Republik, die Größe Frankreichs, daß cs in den schwersten und ver worrensten Stunden sein Heil in Klarheit sucht." Wie das schön klingt. Wir sind überzeugt, daß Tausende vaterländisch gesinnte Franzosen ganz anders denken. Aber Haurös ist ja der Ob mann des Ausschusses. Das erklärt seinen Eifer, und es ist ja auch nicht zu leugnen, daß seine Partei den Vorteil haben wird. Die Sozial demokratie wird sich als Retterin des Vater landes aufspielcn und bei den kleinen Bürgern neues Ansehen gewinnen. Nicht mit Unrecht meint das „Echo de Paris": „Nichts kann die fassungslose Haltung dieser Kammer besser kenn zeichnen, als daß sie Jaurös die diskretionäre Gewalt erteilt. Jaurös wird als Obmann des Rochette-Ausschufscs der oberste Richter der Re publik sein. Er wird verhören, verfolgen und die einflußreichsten Politiker wie die beschei densten Bürger einsperren lassen können. Von allen Skandalen, welche das Ende dieser Tagung gebracht hat, ist dieser nicht der kleinste. Aber der Senat muß das Votum der Kammer ge nehmigen, und cs erscheint nicht zweifelhaft, daß er cs tun wird." Achnlich urteilen viele andere Blätter. Wer die Dinge ernst überdenkt, wird in liefe Niedergeschlagenheit verfallen, und diese Stimmung wird durch die Unter suchung schmutziger Händel, selbst wenn sie mit größter Gewissenhaftigkeit geführt wer den soll, nicht gebessert werden. Auf geraume Zeit wird von ernster politischer Arbeit, die so bitter nötig wäre, kaum zu reden sein. - * * * Ueber die gestrige Verhandlung der Kammer wird berichtet: Der royalistische Abgeordnete Delahaye brachte folgenden Antrag ein: „Erregt über den gestrigen Anschlag, durch den nach dem Geständnis seines Ur hebers Enthüllungen verhindert werden sollten, die den gegen eine Gerichtsperson gerichteten Verdacht der Gesetzesverletzung zu verstärken geeignet sind, fordert die Kammer die Regierung auf, diese Ge richtsperson abzusetzen oder sie zur Ver folgung der Ankläger zu zwingen." Die Sozialdemo kratie verlangte eine Untersuchung der Vorgänge durch einen Ausschuß. Der frühere Ministerpräsident Barth ou griff den Marineminister Monis an, indem er einen willkürlich aus Aktenstücken ent nommenen Brief verwertete, um den Marinemlnifter Monis als eifrigen Beschützer des Bankiers Nochette blcßzustellen. Varihou sagte: Hier ist der Brief des Oberstaatsanwalts Fabre. sEroße und langanhal- tcnde Bewegung.) Barthou las dann den Brief vor, in dem Fabre erklärte, am 22. März 1911 von Monis aufgefordert worden zu sein, das Verfahren gegen Rochctte einzustellen. Monis protestierte und sagte, er kenne das Schreiben nicht. Barthou fuhr mit der Verlesung des Briefes fort, in dem Fabre ausein- andersetzt, wie er endlich Len Bitten Monis' nach geben mußte. Barthou schloß mit den Worten, er nehme jegliche Verantwortung für sein Eingreifen auf sich. (Lebhafter Beifall auf zahlreichen Bänken im Zentrum und auf der Rechten wie auf mehreren Bänken der Linken. Große Unruhe.) Der Schluß der Sitzung gestaltete sich überaus stürmisch, Naci - dem Doumergue auf Barthous Vorwürfe erwidert hatte, ergriff der Radikale Cecaldi, ein Freund Caillaux', das Wort. Er beschuldigte Barthou, daß er sich des Berichtes des Oberstaatsanwaltes wider rechtlich bemächtigt hätte, um seine politischen Gegner verfolgen zu können. Der Redner machte Barthou für das gestrige Drama verantwortlich. sEroße Bewegung; stürmischer Beifall aus der äußer sten Linken.) Schließlich zog Delahaye seinen Antrag zurück und der sozialdemokratische Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen. Pressestimmen. Paris, 18. März. Die Anwürfe, die die politischen Gegner in der gestrigen Kammersitzung gegeneinander schleuderten, finden in der Presse einen leidenschaft lichen Widerhall. Der radikale „Rappel" schreibt: „Diese Sitzung war ekelerregend. Unter dem roten Talar der Richter zeigen sich plötzlich die brandigen Stellen. Die Schamröte muß einem ins Gesicht stei gen bei dem Gedanken, daß fremde Botschafter ent setzt und spöttelnd Liesen Szenen beiwohnten." Die nationalistisch-antisemitische „Libre Pa role" sagt: „Weich' eine Schande für das ganze Land, in die Hände solcher Männer gefallen zu sein! Wenn ganz Frankreich einer Sitzung wie der gestrigen hätte beiwohnen können, dann würde die Tyrannei keine fünf Minuten mehr dauern." Der „Eaulois" schreibt: „Wir werden Cal- mette ein großartiges Leichenbegängnis bereiten. Vor uns taucht die Erinnerung an das Begräbnis des gleichfalls von einer mörderischen Kugel hingestreck ten Journalisten Victor Nois auf. 190 000 Menschen gaben seinem Sarge das Geleite. Jener Tag war die Generalprobe des 4. September, wo das Kaiserreich fiel." Frau Caillaux. Paris, 18. März. Die Familie des ermordeten Cal mette beschloß, bei dem Prozeß gegen Frau Caillaux als Privatbeteiligte auszurreten, und übertrug ihre Vertretung dem ehemaligen Präsi- deten der Advokatenkammer CHSnu. Ein Blatt erzählt, Frau Caillaux habe ihrem Gatten, als sie von dem Besuch beim Gerichtspräsi denten Monier heimgekehrt war, die Unterredung mitgeteilt, die sie mit Monier gehabt habe. Caillaux, den die Nervosität seiner Frau mit Be sorgnis erfüllte, sagte in der Absicht, sie zu beruhigen, zu ihr: „Wenn die Sache so liegt und wenn die ge richtliche Verfolgung unmöglich ist, werde ich Cal- mette eins ins Gesicht hauen." Gegenüber der Be hauptung der Frau Caillaux, sie habe den Anschlag begangen, weil sie die Veröffentlichung eines auf sie bezüglichen Privatbriefes verhindern wollte, erklärt der „Figaro", daß Calmette keine derartigen Briefe besessen habe und daß der kürzlich veröffentlichte Privatbrief, aus dem übrigens alle persönlichen stellen ausgemerzt worden seien, eine andere Dame betreffe. Paris, 18. März. Der .Zigaro" schreibt über den von Barthou verlesenen Bericht des Oberstaats anwalts Fabre: Dieses für Caillaux und Monis so niederschmetternde Schriftstück trug Calmette seit einigen Tagen in seiner Brieftasche bei sich. Er hatte es auch in seiner Tasche, als er dem Mord anschlag zum Opfer fiel, und ein Blatt dieses Schrift stückes ist von einer der mörderischen Kugeln durch bohrt worden. Neue Unruhen. Paris, 18. März. Die Unruhen des gestrigen Tages ließen auch für den Abend Ausschreitungen befürchten, denen jedoch der Polizeipräsident durch außerordentliche Maßnahmen vorgebeugt hatte. Die Garde Republique und andere berittene Truppen hctten Anweisung, sich für jeden Augenblick bereit zuhalten. Gegen 10 Uhr abends sammelten sich wiederum groß« Menschenmassen an, die sich nach der Rue Drout bewegten. Bor dem Geschästshausc des „Figaro" kam es zu einem Zusammenstöße init der Polizei. Die Kette der Schutzleute wurde durch krochen. Hundert Meter weiter stieß die Menge jedoch auf neue Polizeimannschaften, die sie schließlich zurückdrängtcn. Es wurden wieder Rufe laut: Nieder mit Caillaux, nieder mit dem Mörder, nieder mit Doumergue! Die Mcnschenmasscn durchbrachen er neut die Schutzmannsketten nnd marschierten nach den' Place de la Republique, wo Militär stand. ;»5 Verhaftungen wurden vorgenommen. Noch nachts 1 Uhr dauerten die Kundgebungen an. Geburt eines Erbprinzen in SraunsthweiA. Wie wir bereits heute vormittag durch Aus hang bekanntgabcn, ist heute in den frühen Morgen stunden dem Herzogspaare von Braunschweig das erste Kind geboren, ein Prinz, dem Kaiserpaare also ein neuer Enkel, geboren worden. Ueber das freudige Ereignis, daß weit über Braunschweigs Grenzen hin aus mit freundlicher Teilnahme begrüßt werden wird, lief zunächst folgende Drahtmeldung ein: Braunschweig, 18. März. Di« Herzogin Viktoria Luise ist heute morgen 5 Uhr von einem Prinzen entbunden worden. Im Laufe des Vormittags erhielten mir nach weitere Drahtnachrichten: Braunschweig, 18. März. Aus höchsten Befehl wird nachstehendes ärztliches Bulletin zur öffent lichen Kenntnis gebracht: Das Befinden Ihrer Königl. Hoheit der Herzogin Biktoria Luise und des neugebore nen Erbprinzen ist ausgezeichnet. Krukenbera. Dr. E. Lurtz Braunschweig, 18. März. Die Kunde von der Geburt eines Erbprinzen durcheilte heute morgen wie ein Lauffeuer die Stadt und fand überall freudigen Widerhall. Die öffentlichen und privaten Gebäude sind beflaggt, die Schulen ge schlossen. Um 9 Uhr 5 Minuten begann ein Sa lut schieß en auf dem Löwcnwall, dem eine große Menschenmenge beiwohnte. Braunschweig, 18. März. Die durch die „Braun schweigischen Anzeigen" veröffentlichte amtliche Bekanntmachung über die Geburt des Erb prinzen hat folgenden Wortlaut: Auf höchsten Befehl bringen wir hierdurch zur allgemeinen Kenntnis, daß die Herzogin Viktoria Luise heute vormittag ö Uhr von einem gesunden Erbprinzen glücklich entbunden worden ist. Das Befinden Ihrer Hoheit und des neugeborenen Prinzen ist das nach den Umständen denkbar günstigste. Das durch dieses allseits ersehnte, hochbedeutsame frohe Ereignis unserem Fürstenpaarc zuteil gewordene große Glück wird in den Herzen aller Braun schweiger den freudigsten Widerhall finden. Braunschweig, 18. März. Hgl. Braunschw.-Lüncburgisches Staatsministerium sgcz.) C. Wolff. Radkau. Boden. Denn, ist dem Menschen jedwede Freude in der Brust vernichtet, dann ist sein Leben nur ein eitler Schein, er schleicht nur als ein Toter durch das Leben. Ob ihm der Reichtum füllet Haus und Hof, ob eine Krone um das Haupt ihm strahlt, fehlt ihm der Frohsinn, dann ist alles dies nicht soviel wert, als einer Flamme Schatten. Sophokles. Vie Autorschaft Shakespeares. Im April dieses Jahres wird die Welt den 350. Geburtstag Shakespeares feiern, der als Täufling unterm 26. April 1564 in das Psarregister eingetragen wurde uno demnach zwilchen dem 2l. und 24 April geboren sein muß. Wie der Tag nicht ganz lest steht, der der Menschheit das größte dra matische Genie schenkte, >o ist es sogar möglich ge wesen, daß man ihm den Ruhm, die unsterblichen unter seinem Namen gehenden Werke geschaffen zu Haden, überhaupt adstritt. Seit vor mehr als einem halben Jahrhundert die Bacon-Theorie, die den Philosophen Bacon als Verfasser der Dramen proklamierte, aufgetaucht ist. hat die Forschung die Sinnlosigkeit dieser Behaup tung durch mannigfache Beweisführung aufgczeigt. Sel.samerweije ist dabei aber eine hoch wichtige tatsache unberücksichtigt geblieben, die erst jetzt in einem bedeutsamen Buche beantwortet wird. Eins steht fest: der Shakespeare, von besten Erdenleben uns Kunde geworden ist, war ein Schauipieler. und wenn sich nun nachweisen läßt, daß nur ein Schau spieler diese Dramen geschricven haben kann, dann ist die Autorschaft Shakespeares mit Sicherheit fest gestellt. Diese Aufgabe lost Prof. Johannes E. Schmidt in einem sieben erscheinenden Buch „Shake speares Dramen und fern Schauspielerberuf". Dir Welt der Bühne und des Lchauipielers nimmt in dem Vorstellungskreis Shakespeares eine auger- ordentlich große Rolle ein. Mehr als 70 seiner Vergleiche sind dem Theaterleben entnommen; eins Heiner Lieblingsbilder macht die Szene als Stätte d^e« Scheins zum Symbol der Welt, Ampielungen arif Dinge der Bühnentechnik liegen ihm ungewöhn lich nahe, so daß man selbst das Wort „Himmel" des öfteren auf den Thcaterhimmel deuten muß, so z B. die Stelle in „Heinrich VI ": „Verhängt werbe der Himmel mit Schwarz", womit die dunklen Tücher an der Bühnenwand gemeint sind Häufig bricht auch der Stolz des Dichters auf seinen Stand durch, so in jener berühmten Dekla mation des melancholischen Jacques, der das Treiben der ganzen Welt mit dem Tun des Schauspielers auf eine Stme stellt, während die Verachtung des Schaujpielerberuses im 111. Sonett wohl nur auf eine vorübergehende Verstimmung hindeutet. Auf das Handwerk des Schauspielers wird immer wieder Bezug genommen und das Merkwürdige ist, daß auch Könige und kriegerische Helden, wie Lear, Macbeth, Coriolan und Othello, deren ganzes Wesen und Sein dem Kulissenreich unendlich fern liegt, ihre Gleichnisse aus der Bühnenwelt holen, während doch sonst Shakespeare seine Menschen durchaus innerhalb des ihnen gemäßen Vorstellungskreises hält. Seine Bühnenvergleiche entnimmt der Dichter unmittelbar aus den Einrichtungen und Zuständen der zeitgenössischen englischen Bühne und erweist sich hier als ein vortrefflicher Kenner; auch tn dem Theaterrepertoire jener Epoche ist er sehr gut be schlagen. und inan kann logar bei ihm die sonst bei Schauspielern stets zu beobachtende Vorliebe für Reminiszenzen und Zitate konstatieren; öfters zieht er irgendwelche Dramen und Situationen aus Stücken heran, in denen er vielleicht gespielt hat und die ihm daher besonders lebendig in der Erinnerung standen. Eine große Anzahl längst verschollener eng lischer Dramen. Pantomimen, Prologe, Maskenspiele und Mohrentänze sind jo mit höchster Kunst in das Werk Shakespeares hineinverwebt, und derartige Anspielungen stehen ihm so mühelos zu Gebote, wie es nur bei einem mitten im Theaterleben stehenden Mann möglich war. Ja. Shakelpeare ist von dem Gedanken an Bühne und Publikum so beherrscht, daß er verschiedene Male selbst die Illusion aufhebt und plötzlich seine Helden auf der Bühne daran erinnern laßt, daß sie nur im Theater agieren. So fallen z. B. Cassius und Brutus plötzlich aus der Rolle und sprechen von dem großartigen Dramenstoff, den sie der Welt literatur hinterlassen. Shakeipeare lebt eben ganz in der Sphär» des Theaters, und deshalb bringt er auch so häufig ein Schauspiel im Schauspiel auf die Bretter, so im „Sommernachtsiraum", wo die Schilderung der komödiespielcnden Handwerker und dann das Publikum reiche Erlebnisse aus der Bühnenpraxis und Erfahrungen des Regisseurs in grotesker Form wi'verspiegeln, dann in der „be zähmten Widerspenstigen" und vor allem im „Hamlet". Ueberhaupt liebt der Dichter bunte Episoden, die wie Zwischempiele im eigentlichen Spiel stehen, lustige Intermezzi, groteske Foppereien, Verkleidungen uno Maskeraden, und aus genauester Kenntnis des Bühnen wirksamen heraus legt erdenSchauspielernBravourstllcke in den Mund, gibt ihnen Gelegenheit zu „Einlagen", in denen sie ihre höchste Kunst zeigen können. Aus allem leuchtet hervor, daß der Schöpfer dieser Szenen selbst eine starke mimiiche Veranlagung besaß. Der Dichter gefällt sich sogar mit Vorliebe darin, eine dramatische Szene in Worten nach.u- spielen. Die Figuren sind dann, durchaus schau spielerisch gesehen, in der lebendigsten Angabe ihrer Gebärden und Stellungen. Man fühlt, wie Shakespeare all diese Rollen wenigstens im Geiste selbst geipielt hat. und daher erklärt sich auch seine Vorliebe für Schauspielernaturen; er übertiägt die Züge seiner eigenen mimischen Begabung besonders häufig auf seine Narren, dann aber auch auf Heuchler, die koniequent eine Rolle ipielen, wie Hamlet uno Edgar, Richard HI. und Jago, aber auch auf einen königlichen Komö dianten wie Richard II. oder einen Bramarbas wie Pistol. So bringt uns das Buch zum Bewußtsein, daß Shakespeares Werk aus dem Urgrund einer schauspielerischen Begabung geboren ist. Am deut lichsten aber beweist das der Hamlet, dem Schmidt eine Behandlung für sich gewidmet hat. Wer anders als ein Schauspieler hätte diesen Dänenprinzen schaffen können, der eine io starke Liebe zum Theater, ein so großes Verständnis für den Schauipieler besitzt und selbst als geniale Komödiantennatur erschein!? Nur Shakespeare, der Schauspieler, konnte zum Schöpfer dieser Dramen werben. o. X. Kunst un- Wissenschaft. * Dülberg« „Cardenio" in Mainz. Als viertes Theater deutscher Sprache, nach Nürnberg, München und Bern, brachte das Mainzer Stadt theater Franz Dülbergs Drama „Cardenio" heraus. Die Aufnahme des Stückes war durchaus freundlich. Dülderg konnte nach dem vierten und sünften Akt persönlich danken * Sin« Uraufführung von Scherz, Lift und Rache, des vieraktigen Singspiels von Goethe, welche. der Dichter 178l schrieb und welches technischer Schwierigkeiten wegen niemals auf die Bühne ge langte, wird, wie uns aus Halle telegraphisch ge- meldei wird, von Höllischen Universitäts- und Gesell schaftskreisen für Ende März vorbereitet. * Ein Theaterskandal im Chemnitzer Zentral theater. Aus Chemnitz wird uns berichtet: „Die SündedesHerrnLulatsch", eine burleske Operette von dem Berliner Schauspieler Hugo Dublin, zu der Jean G i l b e r t, der bekannte Komponist des „Püppchen" und des „ A u t o l i e b ch e n s ", die Musit geichrieben hatte, sollte im hiesigen Zentral theater die Uraufführung erleben. Cie Direktion des Zentraltheaters hatte aber nicht mit dem Chemnitzer Publikum gerechnet, das durchaus keine Neigung zeigte, sich ein solches Machwerk vor setzen zu lassen, denen Aufiührung tatsächlich eine Sünde war. Das Publikum bereitete dieser Premiere ein vorzeitiges Ende. Gleich nach dem zweiten Akte, das den Traum eines armen Schreibers darslellt, letzte trotz der glänzenden Ausstattung heuiges Zischen und Pfeifen ein. so daß der Vorhang fallen mußte. Als sich dann der Vorhang wieder hob, setzte erneutes Pfeifen und Lärmen ein, so daß ein Weiterspielen unmöglich war. Das Publikum demonstrierte weiter lebhaft gegen die geist- und witzlose Handlung, so daß „Die Sünde des Herrn Lulatich" ein vorzeitiges unrühmliches Ende fand. Es ist übrigens das erste Mal in Chemnitz, daß ein Stück derartig energisch abgelehnt wurde. Der bekannte Münchner Humorist Hans Hauser rettete noch einigermaßen die Situation, indem er ein Couplet von der Verblödung der Operette vortruz. * Eine neue symphonische Dichtung „Haschisch" von S. Liapunow wurde im ersten russischen Symphoniekonzerl in St. Petersburg erstmalig aufgeführt und errang einen großen Erfolg. * G. K. Chestertons grotesker Roman „The Flying In n", der erst im Januar d. I. erschien und bereits in 5>. Auflage vorliegt, erscheint binnen kurzem in deutscher Ueberfctzung im Hyperion- Verlag, Berlin. * Entdeckung eine» neuen Lonnenflrcken». Wie uns aus Toronto telegraphisch gemeldet wird, haben dortige Astronomen gestern einen neuen Sonnenflecken entdeckt, dessen Durchmesser 10 000 Meilen betragen soll.