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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140318011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914031801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914031801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-18
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Millmoch, IS. Mii« ISl< Leip>i«er «Lagedtatl. Nr. lL9. Nlorgen-Nusgave. Sette 7. KW MW MGI! Kunst untt wissensekcltt Tagebuchaufzeichnungen Emerson. über Goethe. Emersons intimes Tagebuch erscheint gegen- wärtia in einer französischen Ausgabe, von der der Pariser Verlag von Armand Colin soeben den ersten, die Jahre 1820 bis 1840 umfassenden Band ausgibt. Seit Hermann Grimm die deut sche Leserwelt zuerst mit dem amerikanischen Philosophen bekannt gemacht hat, ist das Inter esse für ihn bei uns stetig gestiegen, und sein Tagebuch wird um so weniger verfehlen, in Deutschland Anteil zu erregen, als es im Grunde nichts anderes als einen einzigen großen Mono log dieses Wahrheitsuchers darstcllt. Auf seine Entwicklung hat betanntlich neben Carlyle, dessen erste Bekanntschaft er gleichfalls im Tagebuche schildert, vor allem Goethe einen entscheidenden Einfluß ausgeübt, und cs ist von besonderem Interesse, in dem Tagebuche die Spiegelung der Wirkungen zu beobachten, die die Lektüre Goethes auf Emerson ausgcübt hat. Es findet sich eine Auszeichnung darüber unter dem 21. März 1836, und zwar war es damals spe ziell das Goethesche Gedicht „Müsset im Natur erkennen", das einen großen Eindruck auf ihn hervorbrachte, weil er darin „eine Bestätigung seiner eigenen Spekulationen über die Lehre der Anwesenheit des Ganzen in den Teilen er blickte. Er sann diesem Gedichte, und besonders dem „offenen Geheimnis", wovon Goethe spricht, tief nach. Es heißt im Tagebuche: „Dies „offene Geheimnis", wie er es nannte, dies ist cs, was unser Goetlze, weise und sinnlich, gehaßt und geliebt zugleich, zu betrachten liebte. In seiner Formulierung übte er seinen Geist. Ich habe die letzten zwei, drei Tage Goethe gelesen. . . Da sitzt er im Mittelpunkte alles dessen, was zu sehen und zu kennen ist, und macht Seifenblasen auf Seifenblasen, so durchsichtig, rund und warm in der Farbe, daß er denkt und auch andere denken macht, es seien Miniaturen des Alls schlecht weg. Alle seine kleinen Gedichte, wie seine Epi gramme, seine Leuten, dus Parabolische, sind von dieser Art. Hast du die „Weltseele" gelesen? Die Gefahr solcher Versuche universeller Dich tung liegt nur darin, daß nichts so beklagens wert ist, als wenn man dabei versagt. Man kann einen schleckten Roman, ein schlechtes Stück schreiben, tut nichts. Das ist Besseren als Goethe passiert. Aber wenn das, was die größten Wahr heiten sein sollten, zu flachen Trivialitäten ent artet, so wirkt das entmutigend. Ich fürchte sehr, daß die Zeit, als unparteiischer Richter, über Goethe keinen so günstigen Spruch fällen wird wie über Carlyle, ich fürchte sehr, daß unter seinem Glauben nur der Mangel an Glau ben, unter seiner Liebe nur die Liebe seiner eigenen Bequemlichkeit liegt. Und doch ist seine Muse universell und „katholisch", wie nur eine." Man sieht aus diesen Bemerkungen, daß Emerson vor allem die philosophische Seite an Goethes Gedichten in Betracht nahm und daß er von ihnen zugleich angezogen und dann wie der befremdet wurde. So ist es ihm ja auch mit Goethe im ganzen gegangen: es ist ihm, ivie sein berühmter Essay über den Dichter be weist, schwer geworden, sich mit ihm ausein- anderzusctzen, und schließlich muß man alles in allem za doch sagen, daß er zum vollen Ver ständnisse Goethes nicht durchgedrungen ist. Da für bilden die hier mitgeteilten Tagcbuchauf- zcichnungen, tastend, oft unklar und mystisch, wie sie sich darstcllen, ein neues Zeugnis. „parflfal" in Leipzig. Die Vorbereitungen zur Erstaufführung des „Parsifal" sind nun zur letzten, am Freitag, den 20. d. M., stattfindenden Generalprobe gefördert. Nach monatelangen, umfangreichen, musikalischen und szenischen Vorbereitungen gingen in den letzten Tagen und Wochen die Proben mit raschen Schritten zu Ende. Die Regie, Geheimrat Martersteig und Dr. Lert, hatten mit dem Schöpfer der Ausstattungen, Professor Robert Engels-München, und dem tech nischen Leiter des Stadttheaters, des Maschinen inspektors Linnebach, die Bühnenbilder und ihre Anordnung festgelegt, die in ihrer malerischen Aus führung Professor Engels, ebenso wie die Kostüme, in seinen originalen Ideen durcharbeitete. Die dar stellerischen Arrangements, besonders des durch den Sängerkreis und die Thomaner verstärkten Chors und der Blumenmädchen, wurden vom Intendanten und Oberregisseur Dr.'Lert angelegt und von letzterem in engem Anschluß an die Bayreuther Darstellung ausgearbeitet. Für die neuartige, von Geheimrat Martersteig intendierte Gestaltung der Wandel dekoration wurde nach sorgfältigen Proben mit dem Direktor Hausmann des optischen Instituts Winkel L Co. in Göttingen ein eigener Apparat konstruiert, welcher gestattet, farbige Lichtbilder fest und optisch bewegt über die volle Bühnenöffnung zu werfen. Gleichzeitig konstruiert« Obermaschineninspektor Linnebach eine neue Beleuchtungsanlage aus acht 3000k«rzigen Nitrallampen, die in Kombination mit dem vorhandenen Apparat die Bühne des neuen Theaters zur modernsten Belichtung und Beleuchtung befähigt, und das Fortunysystem fast ersetzt. Die voll ständig plastische Gralshalle, nach Motiven aus San Vitale in Ravenna erbaut, dürfte zu den allergrößten, bisherigen Bühnenaufdauten gehören, und bringt zum erstenmal die in der Bayreuther unplastischen Deko ration unausführbare Erstrdee Wagners, den „mittleren Chor" sichtbar zu stellen, zur Durch führung. Den modernen, technischen Fortschritten angepasst, wird auch das Speer- und Eralskelch- problem gelöst. Die beiden Waldbilder find auf plastisches Relief vor perspektivischen Hintergrund gestellt, der Zaubergarten in völlig neuer, auf rein farbig« Harmonien von Raum und Bewegung der Blumenmädchen entwickelte Weise gelöst. Die schweren Verwandlungen werden trotz der veralteten Bühnen einrichtung des Neuen Theaters technisch und künst lerisch durchaus modern, d. h. ohne von der Plastik des Bühnenbildes Konzessionen zu verlangen, durch geführt. — Der musikalische Apparat, unter Leitung von Operndirektor Otto Lohse, ist vielfach verstärkt. Das Orchester ist so weit vergrößert, daß die erst« Parkettreihe geopfert werden mußte, die Pulte mit neuer, das Bühnenbild nicht abblendender Beleuch tung versehen. Acht Bühnendirigenten vermitteln den musikalischen und szenischen Kontakt von Orchester und Bühne. Die Glocken sind dieselben wie in Bayreuth (System Steingraber) und werden noch durch tiefe, abgeftimmte Tamtams klanggesättigter gestaltet. Leipzig, 18. März. Klavierabend von Paul Goldschmidt. Wenn ein Pianist sich für einen ganzen Abend Chopin zur Auf gabe nimmt, dann setzt der Zuhörer voraus, daß er eine scharf umrissene Persönlichkeit kennen lernt. Diese Voraussetzung wurde diesmal leider nicht er füllt. Der Abend verlief recht schwankend. So ging die B-Moll-Sonate am Anfang fast eindruckslos vorüber, während später die H-Moll-Sonate technisch und musikalisch viel bessere Eindrücke hervorrief. Der Pianist ist ein sehr gewandter Techniker, nur daß ihn schnelles Zeitmaß besonders in Läufen zu Ueber- treibungen verleidet, wodurch die Klarheit leidet. Das oerschiedenfach nicht zweckmäßig gebrauchte Pedal verschlimmert das Uebel. Anderseits geht die Uebertreibung auch oft in langsamen Teilen zu weit, so daß das Interesse verloren geht. Das Lyrische tritt vielfach gut in die Erscheinung. Einen guten Teil Weichlichkeit muß man allerdings mit in Kauf nehmen. Hinzu kommt spielerisch gerade an Stellen, wo Ausdruck erzielt werden soll, das mehr oder minder merkbare Nachschlagen der Melodie in der rechten Hand. Zur G-Moll-Ballade sowie auch zur As-Dur-Polonäse fehlte nicht die körperliche, durch aus aber die fortreißende innere Kraft. Verichwom- menheit in Technik und Rhythmus trat hier hemmend in die Erscheinung. ^rtur Lediegel. * Leipziger Schauspielhaus. Das fröhliche Spiel „Als ich noch im F l ü g e l k l e i d e" von Albert Kehm und Martin Frehsee, das am Sonnabend im Schauspielhause zur Erstaufführung erlangt, hat leine Uraufführung am Hamburger Stadttheater (Altona) erlebt und eine so überaus günstige Ausnahme beim Lublikum gefunden, daß man sich dorr nach den ersten zehn ausverkamten Vorstellungen einen Husarenfieber - Erfolg verspricht. Das liebenswürdige und harmlose Familienstück spielt in einem Madchenpensionate (zwölf Mädchen deheilschen die Bühne) und zudem in einer Univerntäts- stadt. berührt allo Kreise, die von vornherein die Sympathien eines weiteren Publikums für sich haben dürften. Auf den Hamburger Erfolg hm ist das Stück übrigens bereits von den meisten Bühnen erworben worden. — Die Uraufführung von „Re- veil le", Drama eines Seeoistziers von Richard Küas, ist nunmehr auf den 28. März angesctzt worden. — Das Gastspiel Albert Bassermanns (Basserm an n-W och e) findet statt von Dienstag, 14. April (3. Osterfeiertag), bis Dienstag, 21. April. Wegen des Gastspie-repertoirs finden zurzeit zwischen der Direktion und dem Künstler Verhandlungen statt. Gewiß ist bis jetzt, da» Bassermann u. a. in den ersten Aufführungen von Sternherms „Snob' auflreien wird. Das Stück hat in den Kammer- lpielen des Deutschen Theaters mit Bassermann außerordentlich gefallen und sich unverhofft als Zug stück ersten Ranges bewährt. * Wirtschaftlicher verband bildender Künstler Leipzigs. Der Einladung einer vorbereitenden Kommission folgend, hatten sich am gestrigen Diens tag abend im Festsaale des Künstlerhauses etwa 120 Künstler und Künstlerinnen aller Richtungen ver sammelt. um über die Gründung eines Verbandes zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen zu beraten. Professor Bruno Heroux hieß die Versammlung willkommen und erteilte dem Berliner Maler Sandkuhl das Wort zu einem informierenden Vortrage. Der Redner betonte, daß die beabsichtigte Gründung wie die in Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Hamburg und München bereits bestehen den Gruppen rein wirtschaftliche Interessen verfolgt. So handelt es sich besonders um Schaffung von Kranken- und Unterstützungskaffen, Schaffung einer Rechtsschutzstelle und eines Verlagsrechts. Da 85 Personen ihr« Mitgliedschaft anmeldeten, erklärte der Versammlungsleiter, Prof. Heroux, den Wirt schaftlichen Verband bildender Künst ler Leipzigs, e. V. für gegründet, die vorge- schlagenen Satzungen wurden angenommen und fob> gende Herren in den Vorstand berufen: Geheim rat Professor Dr. Oeffner 1. Vorsitzender, Pro fessor Schiller 2. Vorsitzender. Zeicheninfpektor Lindemann 1. Schriftführer, Architekt R. Wag ner 2. Schriftführer, Julius Süß, Schatzmeister. Als Beisitzer wurden gewählt die Herren Pros. Heroux, Prof. Fr. Hein, Architekt Herold. Architekt Drechsler, Maler Howard und Frau Wolf-Arndt. * Versteigerung bei C. G. Boerner. Auf der Versteigerung der Sammlung A. O. Meyer-Ham burg erwarb Prof. Vogel für das Leipziger Museum von Vincent van Gogh „The Dust- man" für 460 vr, von 2. E Hummel für 85 „Italienisches Wirtshaus" und für 7600 Mark Schwinds prächtiges Oelbild „ DieElbe". Auch sonst wurden für Schwind sehr Hobe Preise ge zahlt. Die Berliner Nattonalgalerie zahlte 13600 für „Abenteuer des Malers Binder": ein Wiener Sammler erwarb „Die schöne Melusine" für 11200./«, große Ankäufe machte die Hamburger Kunsthalle, die Museen in Dresden. München, Essen, Stettin, Gör litz und Erfurt. Düsseldorf kaufte für 9200 ./L Schwinds „Küthchen iür Heilbronn" und für je 4500 zwei seiner schönsten Hetzeneckerporträts. * Gemäldeoersteigerung in der Galerie Del Vecchio in Leipzig. Am 25. März findet in genannter Galerie die Versteigerung der Privatsammlung des Herrn L. H. in M, sowie von Gemälden aus anderem Besitz statt. Die mit künstlerischem Verständnis zusammen gestellte Sammlung begegnet jetzt schon einem regen Interesse, sind doch in dieser Sammlung bedeutende deutsche Meister vertreten, so nennt der Katalog u. a. Fritz Baycrlein. Max Gaißcr, Otto Gebier, Hans Dahl, prachtvolle Defregger, Eduard Grützner, Hans Pellar, Richard Pietzsch. Angelo Jank. H. v. Haber mann, Otto Sinding, Jos. Israels, Keller-Rcutlin- qen. Franz von Lenbach, Adam Kunz. Gabriel Max. Hans Thoma. C. Spitzweg, Toni Stadler. Franz von Stuck, Joseph Wopfner. H. Zügel. L. v. Zumbusch usw. Der reichillustrierte Katalog dieser Sammlung wird zum Preise von 1 in der Galerie Del Vecchio abgegeben, der nichtillustrierte ist kostenlos erhältlich. Die Vorbesichtigung t«rr Sammlung findet vom 21. bis 24. Mürz statt, zu der der Eintritt frei ist. Paul Ernst, dessen Brief an die Grillpar zer-Stiftung vor einiger Zeit durch die Blätter ging, hat soeben von der T i e d g c - 2 t i f t u n g eine Ehrengabe erhalten. * Eulenbergs „Zeitwende" fand bei der Erstauf führung lm Deutschen Theater in Köln bestrittenen Beifall. * Die Staöl in England. So bekannt der Aufent halt der Staöl in Deutschland durch ihr Buch gewor- oen ist, jo wenig Aufmerksamkeit hat man oisher ihrem Besuch« in England gewidmet, obgleich er ziemlich lange dauerte. Er erstreckte sich nämnch über 11 Monate, vom Juli 1813 bis zum Mal 1814. Miß Doris Gunnell hat in einer sranzösfichen Zeitschrift für Literaturgeschichte dem Ausenthalte der staöl in England jetzt «ine längere Studie gewidmet, aus der hervorgehl, daß die geistvolle Schriftstellerin auch jen seits Les Kanals alle Welt Lurch ihre glänzende Unterhaltung bezauberte, aber sich auch durch ihre Offenherzigkeit dort so manchen Feind machte. Sie verkehrte in dem angenehmen und sehr besuchten Salon der Ai i ß Berry, wo sie u. a. das monumen tale Wort zum besten gab: „Bonaparte ist nicht ein Mann, sondern ein System." Ferner ging sie viel mit Lady Daoy um, in der man sogar, jedoch mit Unrecht, Las Urbild ihrer Corinna hat sehen wollen. Aber die interessante sten Bekanntschaften machte sie bei der Lady Holland, wo sie u. a. mit Sheridan, Loleridge und vor allem mit Lord Byron zusammentraf. Byron brachte sie große Huldigungen dar; beinahe wäre er sogar ihr Schwiegersohn geworden; aber als sie sich eines Tages erlaubte, seine gezierte Miene und seine gesuchte Hal tung bei Tisch, wo er mit halb geschlossenen Augen zu sitzen pflegte, zu kritisieren, da erregte sie den Zorn des Dichters, der zum Entgelt Corinna und Delphin« alp jungen Mädchen gefährlich erklärte. Später ver söhnten sich aber Byron und die Staöl wieder; und als sein« Verehrerin ihm dann in der Schweiz eine glänzende Aufnahme bereitete, da wußte er von „unserer lieben Frau von Coppet" gar nicht gut ge nug zu reden. Noch am 1. April 1814 schrieb die Staöl an Benjamin Constant, sie beabsichtige noch weitere vierzehn Monate in England zu bleiben. Da erfolgte die Rückkehr der Bourbonen und warf all« ihre Pläne über den Haufen. Am 8. März 1814 ver ließ sie England, das ihr lebhaftes Interesse erweckt, aber Loch immer ihr auch das Gefühl erregt hatte, Laß sie dort in ein«r Art Verbannung lebe. ver gute Namr. 31) Roman von Georg Engel. I9l2 dx Orsrdlstn 6» 0». ^>. m. d. N. l.siprt<-., „Du willst also das offenbare Recht ver letzen und dieses Gut behaupten?" fragte sie ruhig, aber ihre Stimme klang verschleiert und drohend. Der Vater nickte schwer mit dem weißen Kopf und ballte die Faust gegen das Fenster hin, als wollte er in eine feindliche Ferne hin- ansdrohen. „Mein Glück, mein Weib und mein Ver mögen babe ich an den Schurken von Vater dieses Menschen verloren. Ein geschlagener Mann bin ich geworden durch diese diese Holstein. Wenn ich dir die furchtbare Geschichte meines Lebensabends jetzt ins Gesicht schleuderte, dann hätte cs wohl em Ende mit deinem Girren und Flirten um diesen diesen Menschen! Mein Vermögen und das, auf das ich einst für dich, mein Kind, gehofft hatte, ist in Rauch aufgegangen, nur meine Schulden blieben mir und das Erbgut, das ich nach dem Testament für den Knaben des Wüstlings verwaltete, wenn cr jemals ein ehrlicher Mensch werden sollte. Meine Gläubiger drängten, aber so wahr ein Gott über mir lebt, ich habe sie nie von dem befriedigt, das aus diesem Gute floß. Das legte ich zueinander, Zins auf Zins, immer für jenen Knaben des Verruchten, der sich auf fernen Mee ren hcrumtrieb. Von meinem Gehalte sparte ich mir ab, was ick meinen Gläubigern allmählich zahlte. Aber ihr wurdet größer; Kurt wurde Offizier, und in dir lebte der prachtliebende Sinn deiner Mutter aus. Damals nahm ich zuerst von jenen Gutsgeldern für mich; ich betrachtete cS als reichliches Entgelt für meine Mühe. Und dann kam der Knabe zurück. Ich hatte mich nicht getäuscht; es war der freche Lüstling wie sein Vater, der alles mit sich in den Pfuhl hineinzog. In seinem frechen Sinn gehörte das Gut be reits ihm, er verfändete es dem Grafen Burg haus, und beteiligte sich so an einem Betrüge. Aber bei Gott, ich hätte ihm auch ohne dieses Letzte das Gut nicht ausgeliefert, denn sein Leben war das schamloseste, das je von einem jungen Manne geführt wurde. Und von nun an gehörte das Gut mir. Fast die Hälfte davon nahmen meine Gläubiger, ich aber war frei. Und nun soll ich dieses Gut unverändert herausgeben? Ich werde es nicht, und kann es nicht. Für mich bleibt er ewig der Befleckte, ein Mann nut angefaultem Cha rakter, dessen Seele bereits die Krankheit zer wühlt, an der sein Vater dahingesunken ist. Diesen Standpunkt werde ich festhalten und mit ihm stehen und fallen." Wirr starrte der Landrat vor sich hin, dann sank cr noch tiefer zusammen und preßte seine kalten Finger an die Schläfen. „Es darf nicht kommen, das Schreckliche," stöhnte cr in tiefster Seelenqual und blickte mit leidig aus sein Kind, „aber vorbereiten will ich dich darauf. Wenn man ihm doch in selt samer Verblendung dieses schöne Gut zusprechen sollte, und man scheint, durck seine Künste ge täuscht, bereits mit dieser Absicht umzugkhen, in derselben Minute, Sylvia, werden mich meine Leute auf den sechs Brettern vom Hofe tragen! Er hat dann das Recht, das Gut so zu for dern, wie es ihm hinterlassen wurde, während ich kaum noch die Hälfte besitze. Die Gelder und Zinsen, die ich anfangs für ibn gespart hatte, sind fort, das Vieh fort, nichts blieb übrig, als ein gcbrandmarkter, alter Name und eine Waise." Die letzten Worte hatte der Landrat nur noch geflüstert. Ein krampfhastes Zittern be fiel ibn und erschütterte seine Gestalt so stark, als ov alle Wurzeln geborsten wären, mit denen dieser knorrige Stamm aus dem Grunde haftete. Lautlos kauerte sein Kind neben ihm. Alles war ihr zu Eis erstarrt, Liebe, Lebenslust und Freude, nur die entsetzliche Angst der Selbst erhaltung und die Furcht vor der Not bebten in ihrer Brust. Und plötzlich flatterte ihre Seele über das Meer in die Waldschmiede zurück, aber die weiße Lohe verzehrte diesmal den glänzenden Mann, und alle Hammerschläge schienen gegen sein Haupt gerichtet. 12. Das Fischerdörfchen schien in Alarm! In wenigen Tagen sollte die Fischerdepu tation an den König abgehen, die dem Landes herrn ein kräftiges Wörtlein über die unbe queme Steuer anvertrauen sollte. Da gab's noch zu beraten. Magistratsbureaus hatte man auf Föhren nicht, man mußte sich anders helfen. In Föhren lagerte alles unten am Strand um die Boote. Alle, Senat wie Volk, sahen voll ehrerbietiger Bewunderung auf den alten Hessel, Hertas Vater, und empfanden, daß sich hier ein Stück Weltgeschichte abspicle. Der alte Hessel war Führer der Deputation, er hatte die weitreichendsten Vollmachten in der Tasche, ja, das Dorf hatte ihn sogar ermäch tigt, dem alten König nötigenfalls den Kops gehörig zurechtzusetzen. So saß denn der alte Hessel auf seiner Kiepe, halb Sulla, halb Metternich, und wäh rend er in kurzen Zwischenräumen mächtige Dampfwolken in die Luft blies, waren seine Bewunderer heimlich davon überzeugt, daß jeder Stoß bereits einen in Rauch übergegaugenen Gesetzesvorschlag bedeute. Plötzlich jedoch wurde die erhabene Stille empfindlich unterbrochen. Der alte Euler hum- pelte unvermittelt in den Kreis und blickte sich triumphierend um. Er war unter des Kapitäns neuem Regime Obermeister der Werft geworden, und seine treue Seele erwies seinem Brotgeber be«. reitS göttliche Ehren. „Kinnings, wißt ihr all?" „Ne," entgegnete der alte Hessel, der die Diktatur unbedingt an sich gerissen hatte, „ne, gar nix." „Sie haben ihn zum Abgesandten vor- geslagen!" „Wen?" fragte der Sulla des Dorfes un- beirrt weiter. „Na wem?" echote Euler beleidigt, „wem werden sie woll? Ihm natürlich, meinen Baron, haben sie vorgcslagen. In der Fabrik gehen Zettel rümmer, auf denen steht, er soll Abge sandter werden!" „Abgeordneter," verbesserte der alte Hessel. „Ne, Abgesandter, sage ich, soll cr werden," schrie der Werftmcister noch einmal und fuchtelte mit seinem roten Taschentuch hin und her. „Meine Stimme hat er, denn mein Baron ist mein Mann, und den Landrat wähle ich nich, der is mich zu grandig!" „Jawoll," pflichteten Nörs, Märtens und Kickhäwcl als getreue Leibwache bei, „der is uns zu grandig." Der alte Euler blickte sich triumphierend nach dem Volksgemurmel um und blies die Backen erstaunlich weit auf. „Du, Euling," räusperte sich Hertas Vater und bot dem Obermeister gnädig seine Schnupf tabaksdose an, „weißt du all Vating, ick bin auch Abgesandter —, morgen geht's los." „Na, da kiek einer oll Hesseln an," knurrte der Tribun behaglich, während er sich breit beinig auf eine leer stehende Kiepe niederließ, „wat wist du denn zu unsen Allergnädigstcn seggen?" „Io, ivat »vard ick seggen," replizierte der alte Schiffer und spie energisch seinen Priem tabak aus. „Ne, Magestät, ward ick seggen, mit de nigc Stüer dor bilden Sie sich man nix in, dor ,s nix — sowir sünd wie jo ganz tanfrcden mit Magestät — Awerst wat de nigc Stüer is, de latenS sich man von Se ehre Ministers bitahlen, de sich son Snack up den grännen Disch utdackt hewwcn; wie arme Lüt awerst blieben dorbi gtrn ut'n Spel." „Jawoll," schrien Nörs, Märtens und Kick- häwel ganz hingerissen, „ut'n Spel." (Fortsetzung in der Abendausgabe.) UMn-Seiilen Vkspvr üv Lkins, MudiL lL-oaiilert v. deärvett. Isiletss, elMon etc. Äis ^ro886 Mäs! "Mss - «koppelt, droit, «voiedklivssvoä! -»- voll tr. 5.85 dis kr. 18.50 p. Kvtor Kuttsr unurebeoä, »ued voo »tkvll »ollitibov Loiösll.tokkoa. Hk. S.85 dl. «k. 1S.85. ll»,7 Hormoboi'S II«»a 8 n. — " " --"
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