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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140307017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914030701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914030701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-07
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Lette 2. Nr. 120. Moryen-Nusgsve. Leipziger Tageblatt. Somrsvenü, 7. Msrr 1914. nun, gerade leit Auflösung des alten Kartells und jagt seine Ansicht schließlich in folgenden, sehr l>eiiier!enswerten Sätzen zusammen: „Die sächsische Bevölkerung kam zu der Einsicht, daß in dieser Weise ld. h auf Grund des konseroativ- nationallideralen Kartells. D. Red.) der Kamps gogcn die Sozialdemokratie nicht geführt werden dürfe, und da die nativ nalltberale Partei sich auf sich selbst besann und wieder etrre eigene Politik des matzvollen und gesunden Fortschritts begann, wobei sie den Grundsatz aufftellte und befolgte, den Mißmut der Bevölkerung durch Er füllung ihrer berechtigten Wünsche zu beseitigen und sic dadurch o.r Sozialdemokratie abspenstig zu machen, io konnte es nicht ausblciben, daß sie das Ver trauen weiter Kreise gewann und in raschem Ausstiege bei den Wahlen Siege errang. Das war bei den Reichstagswahlen 1907 und namentlich bei den Landtag-wählen 1905 und 1907 der Fall. Auch l>ei den unter dem neuen Piuralwahlrecht vollzogenen Landtagswahlen von 1909 stimmten für die national liberale Partei 125157 Wähler mit 536 541 Stimmen, für die konservative (einschließlich freikonseroative) dagegen nur 165 553 mit 2X7 409 Stimmen. Noch weit günstiger für die Nationallibcralcn war das Verhält nis bei den Reicl-stagswahlen von 1912, wo sie über 204 006 Stimmen erhielten gegen nur 121000, die für die gesamte Rechte, also die Konservativen, Freikonser vativen und Reformer zusammen abgegeben wurden. Bei allen diesen Wahlen, wie noch jüngst bei der Landtagscrsatzwahl in Großschönau-Ebers- bach, hat es sich gezeigt, daß gerade der Libe ralismus der Sozialdemokratie «ine ganze Zahl von Stimmen zu entzie hen und in der Stichwahl auch einem Konservativen zu zubringen vermag, die sonst entiveder überhaupt nicht oder gar für die Sozialdemokratie abgegeben werden. Schon allein dieser Umstand würde die Ausstellung einer nationalliberalen Kandidatur ausreichend be gründet haben, ich will aber gar nicht behaupten, daß e« nur diese selbstlose Erwägung gewesen wäre, nein, die nationallilierale Parteileitung glaubt, allen An laß zu der Annahme zu haben, daß ihr Einfluh im Wahlkreise seit 1912 noch erheblich gestiegen und das Vertrauen, das sie sich in dem letzten Jahrzehnt in Sachsen erworben hat, so wohl begründet ist, um ihr auch in diesem Kreis« einen Er folg zu sichern. Ja sie glaubt, unter den^eschikderten Verhältnissen zum selbständigen Vorgehe« geradezu verpflichtet zu sein llcberzeugt, vast dem deutschen Volke am besten durch di« national liberale, nicht durch freikonservativ« Politik gedient ist. mutz sie gerade vom „vaterländischen Standpunkte" aus in einem Kreise, wo sie so wohlbcgründet« Aus sicht auf einen Erfolg hat, ihre Pflicht erfüllen und den Wahlkampf wagen. Sie wird, sollte sie wider Erwarten unterliegen, in der Stichwahl ohne weiteres für den Freikonscrvativen eintretcn. und sie kann es nur bedauern, daß Herr Abg. Dr. Arendt schon jetzt für den anderen Fall, wenn das Mandat! nicht von dem Reichr-parteiler behauptet wird, den Verlust des Wahlkreises an die Sozialdemokratie, also das Versagen der rechts st ehenden Wähler im Endkampfe, prophezeit. Ich h^ff« bei dem gesunden Sinn unserer sächsischen Wähler, daß diese Prophezeiung falsch ist." Die Ueberlaftung -er Kommunen mit staatlichen Aufgaben. Die „juristischen Tagessragcn" schreiben: Auf Slädtetageu und in ähnlichen Vereinb- gungcn, sowie in der Fachliteratur ist neuerdings cifl und lebhaft darüber Klage geführt worden, das; den Gemeinden mehr und mehr Verrichtun gen für den Staat übertragen werden, die mit dem Kreis ihrer eigentlichen kommunalen Auf gaben gar nichts zu tun haben und sie im Gegen- ieil mit allerlei Aufwendungen belasten, die ihnen die Verfolgung ihrer eigenen, ständig an Umfang zunehmenden Zwecke zum mindesten lebhaft er schweren. Zurückzuführeu ist diese Erscheinung auf die unbermindert anhaltende Flutwelle neuer Gesetze. Sollten zur Durchführung aller neu geschaffenen Bestimmungen stets besondere Or gane berufen werden, so würde das Veanitenhecr ungeheuer vermehrt werden müssen. Vom Stand punkte des Staates würde dies vielleicht er träglich, ini Interesse der Versorgung der Unter offiziere sogar erwünscht sein, vom ökonomischen Standpunkt aber erscheint eine ins Ungemessene fortschreitende Vermehrung des Beamtenkörpers und zumal der inittleren und unteren Beamten als durchaus nicht erstrebenswert. Aus diesen Gründen ist man dazu übergegangen, die Aus führung derjenigen Gesetze, die in ländliche Ver hältnisse eingrcifen, tunlichst den Geiueindeorga- ucn zu übertragen. Jin Landtage hat die Erörte rung der mit dieser Gepflogenheit verbundenen Miststäudc das Ergebnis gehabt, dasz die Regie rung von allen Seiten des Hauses darum er sucht worden ist, auf diesem Wege, die Gemeinden mit staatlichen Aufgaben zu belasten, nicht weiter 3m März 1S14. Von Dr. Julius v. Pflugk-Harttung, Geheimem Archivrat am Königlichen Geheimen Staatsarchiv in Berlin. Der Herbstfeldzug 1813 kennzeichnet den Wende punkt in der Kriegführung Napoleons. Bis dahin batte er alle Feldzüge angriffsweise geführt: nun sah er sich bei Dresden zunehmend mehr in die Ver teidigung gedrängt. Er mußte weicl>en. um als ge waltige» Schlusiaktord eine Völkerschlacht vcrtcidi- gungsweise zu führen und zu verlieren, so das; der Rückzug fast in Flucht aus.rrtetc. Unter solchen Um- ständen konnte der Winterseldzug 1814 nur als Fort setzung des Begonnenen erscheinen. Er lag günstiger für den Verteidiger, weil er im eigenen Lande ge führt wurde, inmitten seiner Hilfsquellen, gestaltete sich aber geradezu verzweifelt durch die Uebermacht des Feindes. Militärisch konnte man überhaupt kaum an ernsten Widerstand denken. In keinem Kriege jedoch verquickte sich das Waffenwerk so mit der Politik wie im damaligen. Dor allem wünschte die habsburgisckjc Hauspolitik nicht den Sturz des Schwiegersohnes von Kaiser Franz, sie führte deshalb nur einen Krieg mit Vorbehalt, bis die Uneinigkeit der Verbündeten und die Kopflosigkeit der Heeres- sührung Schwarzenbergs das Unmögliche glücklich er möglichten. Napoleon siegte nach anfänglichem Miß erfolg«, und das setndlicye Hauptheer nahm wieder die Richtung nach Deutschland. Hätte der Imperator diesen glücklichen Umstand nur Halbwegs zu benutzen verstanden, so war sein Thron gerettet. Doch Napoleon befand sich längst jenseits von Gut und Döse. Er lehnte die günstigen Fricdensanerbtetungen ab, welche man ihm während eines Waffenstillstandes und auf dem Kongresse zu Chatillon bot. und zog da durch selbstmörderisch das Verhängnis über seinem Haupte zusammen, von nun an lächelte ihm nicht mehr das Glück. fortzuschverten. Es ist anzunehmen, das; diese Anregungen im Staatsministerium weiter er wogen und bei künftigen Gesetzen Berücksichti gung finden werden. Die Eröstnung -es rumänlsthen Parlaments. Das rumänische Parlament wurde am Frei tag vom König, wie aus Bukarest drahtlich ge meldet tvird, durch Verlesung der Thron rede feierlich eröffnet. König Karol, der vom Erbprinzen begleitet war, wurde bei seinem Er scheinen von den versammelten Senatoren und Deputierten mit Ovationen begrüßt. Die Thronrede besagt: Die Ereignisse des letzten Jahres insbeson- dere werden allgemein die Wichtigkeit un serer internationalen Stellung dar tun und noch mehr die Pflichten hervor- l-eben, die unsere gesunde und ständige Ent wicklung uns auferlegt. Die ständig sich ent wickelnde Organisierung der Ar mee und die Konsolidierung der Staatsfinanzen durch den Aufschwung der Arbeit und der Volkswirtschaft werden es gestatten, die Stellung, aus die wir stolz sind, nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern zu ver bessern. Ich bin glücklich, die ausgezeichneten Beziehungen des Königreichs zu allen Staaten neuerlich festzustellcn. Ru mänien würde nicht zögern, den Frieden, zu dem es so mächtig beigetragen hat, aufrechtzu erhalten und zu sichern. Dank sei nen Verbiirdungen ist es in der Lage, in diesem Teil Europas eine wohl tätige Beruhigung auszuüben. Die Armee hat dank ihrer Eigenschaften und dank dem glän zenden Aufschwung, von dem sie im vergange nen Jahre einen Beweis erbracht hat, ihr Prestige erhöht und unseres Volkes Dankbar keit erworben. Ihre Bedürfnisse machen neue Vermehrungen notwendig, die Sie, dessen bin ich gewiß, bewilligen werden; denn das Schick sal des Landes ist mit seiner Militärmacht eng verknüpft. Die budgetären Gesetze werden trotz der rwtwendigen Vermehrungen unser finan zielles Gleichgewicht nicht beeinträchtigen. Die Regierung wird auch ein organisches Gesetz über die Dobrudscha unterbreiten, das dort «ne gute Verwaltung sichert. Die Thronrede wurde wiederholt von leb haft em Beifall unterbrochen. Eine zahl reiche Menschenmenge bereitete dem Kö nig und dem Erbprinzen Kundgebungen Heer und Zlotte. Ivo Jahre Ziviloersorgung unserer Unteroffiziere. Es sind jetzt gerade 100 Jahre her, daß sich die er st en Ansätze zu einer Zivil- versvTjgung unseres Unteroffizier - k'o r p s ' oemerkbai: wachen. Als grundlegend muß dif Kabincttsvrder vom 7. August 1820 bezeichnet werdet, die die erste MsammenfKs- sung aller jener Grundsätze bringt, die seit etwa 1814 für die Unterbringung der Militäranwär- trr im zivilen Dienst ausgestellt worden sind. In ihr wird die Berechtigung zur Anstellung der Unteroffiziere im Zivcldienst bestimmt und ferner festgestcllt, welche Anzahl von mittleren Beanitenstellen durch Unteroffiziere nach einer Anzahl von Dienstjahrcn besetzt lverden soll. Diese Kabinettsorder wird ergänzt und erwei tert durch die beiden Kabinettsordern vom 31. Oktober 1827 und vom 7. November 1835, durch die die Versorgung nach 12jühriger Dienstzeit fest gesetzt wird. Das „Reglement über Zivilver- jorgung und Zivilanstellung für Militärperso- uen" regelt die Bestimmungen gesetzlich, die unter .(Kaiser Mlhelm 1. durch Bismarck eine groß zügige Ausgestaltung erfuhren, wie denn über haupt der große Kanzler an dem Ausbau der Ziviloersorgung den größten Anteil trägt. Bis marck erließ schon im Jahre 1868 ein Rund schreiben an alle Bundesstaaten, in dem er für eine einheitliche Regelung der Ziviloersorgung in dem damaligen Bundesgebiete eintrat. In diesem Schreiben steht ein charakteristischer Satz: „Die Erhaltung eines tüchtigen Unteroffizier standes bedeutet das wichtigste Interesse des Deutschen Bundes." Er loeist in dem Schreiben ferner darauf h-in, welche günstigen Erfahrungen mit der Zivilversorgung der Unteroffiziere in Preußen gemacht worden seien, und empfiehlt sie wärmstens zur Nachahmung. Ain '3. Okto ber 186'3 wurde in dein damaligen Bundes gebiet auf Bismarcks Drängen die preußische Ziviloersorgung der Unteroffiziere allgemein zur Durchführung gebracht. Auch weiterhin sorgte Bismarck für eine Vervolltonunnuua der An- stellungsbedingungen. Im Jahre 1^82 geneh migte der Bundesrat die neuen allgemeinen Grundsätze für die Unterofsizicrversorgung und legte die Beobachtung der Anstellungsgrundsätze in die Hände des Reichskanzlers, wobei aus drücklich oaS Vorrecht der Unteroffiziere vor den Invaliden ausaesprocl)«n wurde. Mit dem Ge setz vom 21. Juli 1888 eröffnen sich auch die Stellungen in den Gemeinden den Militäran wärtern, und wieder ist cS Bismarck, der im Jahre darauf eine nocb günstigere Erweiterung des Gesetzes veranlaßt. So ist Bismarck der eigentliche Scl-öpfcr unserer UnteroffizierSver- so'rgnng. Vas latelnlsthe Amerika un- -ie aor-amerikanlsche Union. Von einem Ausländsdeutschen wird uns ge schrieben: Der Jahreswechsel liogt zwar schon einige Zeit hinter uns. aber eine politische AuseinandersttzunL die sich an ihn angelnüpft hast verliert deswegen nichts von ihrer Bedeutung. Den Anlaß zu dieser Auseinandersetzung hat der Gesandte der Ver einigten Staaten von Ainerika in Quito, der Haupt stadt Ecuadors, gegeben. Er fügte nämlich seinem ge druckten Neujahrsglückwunsch folgende Stelle aus Präsident Wilsons Antrittsrede vom 9. Mürz rortgen Jahres hinzu: „Ernes der hauptsächlichsten Ziele meiner Amtstätigkeit wird sein, die Freundschaft mit den Schwesterrepubliken Mittel- und Südamerikas zu pflegen, ihr Vertrauen zu gewinnen und die den Völkern dieses Kontinents gemeinsamen Inter essen mit allen erlaubten und ehrliche» Mitteln zu fördern." Der Hinweis auf diese programmatische Erklä rung des Präsidenten der Union hat in einer viel gelesenen Zeitung Quitos, der „Prensa", einen ungewöhnlich sarkastischen Kommentar gefunden, dessen wesentlichste Stellen den nachstehenden Wort laut haben: „Mit einer so sympathischen Erklärung haben wir die Anwandlung verspürt, an die uneigennützige Liebe zu glauben, die der Riese im Norden den erz politischen Republiken des Dr. Zeballos bekennt. Wir haben uns überzeugt, daß die Behauptungen, Mr, Wilson befehde Mexiko, Lügen der Berrcht- erstatter sind, daß Mexiko und die lateinischen Völker in den Vereinigten Staaten ihren aufrichtigen Freund, ihren lieben Bruder besitzen, der Kriegs material lieferst nicht, damit sie sich zugrunde richten, sondern damit sie sich das Böse abschnerden. . . . Nach Kenntnisnahme von dieser amtlichen Erklärung können wir versichern, daß am heutigen Tage Panama, Kuba, San Domingo, P uerto Rico und die Philippinen vollständig frei sind. Kolumbien wird einige hundert Millionen Dollars erhalten haben, Ekuador wird den schweren Alp der Galapagoinseln los sein, in Peru wird der Lärm wegen, der „amerikanischen Polizei im Paseo" verstummt sein, Chile, Argentinien, Bolivien, Paraguay, Uruguay und Feuerland werden die imposanten Gestalten der anrerikanischcn Erz. Millionäre nicht mehr erblicken, das riesige Brasilien wird das Schreckbild eines selbständigen Amazonas» gebiets nicht sehen; die Heimat Bolivars und Sucres wird an ihren Küsten nicht den Kanonendonner der „Demoines" hören, die Castro wie einen Verbrecher sucht. Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Salvador und Guatemala werden monatelang« Feste feiern, wenn sie in der „Prensa" diese amtliche Erklärung lesen und sich dadurch überzeugen, daß das Gereds von einem zcntralamerikanischen Protektorat der Vereinigten Staaten nichts weiter als eine Ver leumdung war. Die latcinisck;en Völker verstehen ihren großen Bruder nicht. Im Weißen Hause haben wir einen Brennpunkt der Gerechtigkeit und Liebe. Wir erwidern diese Glückwünsche und teilen gleich zeitig mit, daß mir an die Aufrichtigkeit ihrer Ver sprechungen und Grundsätze geglaubt haben, während sich von unfern Lippen ein Lächeln stahl. . . ." Die bittere Ironie dieser Ausführungen spricht für sich selbst; sic kennzeichnet trefflich die Gefühle, die das lateinische Amerika dem großen Bruder im Norden entgegcnbringt. Deutsche» Reich« * Aus dem 22. Reichstagswahlkreise. Der N a - tionalliberale Verein für Treuen und Umgebung hielt am Donnerstag, 5. März, im Saale des Hotels „Deutsches Haus" eine zahlreich besuchte öffentliche Versammlung ab, die vom 1. Vorsitzenden, Seitens der Verbündeten hatt« di« österreichische Oberleitung in Politik und Heeresführung abgewirt schaftet. Dem Zaren riß die Geduld; er schlug Friedrich Wilhelm vor, die Rusten und Preußen sollten sich non den Ocstcrrcichern trennen und ohne sic auf Paris marschieren. Aber dies bedeutete das Grab des Bündnisses. Man schlug deshalb einen Mittelweg dergestalt ein, daß Blücher sich mit dem russischen Korps Wintzingerodes und dem preußischen Bülows vereinige und so verstärkt Bewegungsfreiheit erhalte. Es wurde zur rettenden Tat. Schwarzen berg wich noch immer. Blücher aber blickte nach vorne. Er drückte derartig, daß Napoleon vom Hauptheerc ablassen und sich gegen ihn wenden mußte. Damit war Schwarzenberg entlastet, er kehrte endlich um. besiegte die ihm gegenüberstehenden Marschälle bei Bar-sur-Aubc und besetzte am 4. März Troyes. Dann freilich machte er wieder vorsichtig halt, um Blüchers Bewegungen abzuwarten. Hierüber gerieten Alexander und Schwarzenberg heftig aneinander; jener wollte Blücher unterstützen, während dieser meinte, die geschwächte Hauptarmee dürfe sich keinem Angriffe aussetzen. Zu solchen Gegensätzen in der Kriegführung gesellten sich andere politischer Art. wie über die zukünftige Gestaltung Frankreichs und Deutschlands, Uber die Ausdehnung des Königreichs der Niederlande und namentlich über die Erwerbung Polens durch den Zar«n. Schließlich wußte man weder au« noch ein: Friedrich Wilhelm fürchtet« Verrat und Metternich schrieb: „Ich kann nicht mehr; der Kaiser Franz ist bereit« krank; sie sind all« ver- rückt und gehören ins Irrenhaus." Endlich am 13. März traf die Meldung ein, daß der gefürchtete Schlachtenaebieter bei Laon qcschlcmen sei: eine günstige Nachricht, welche durch Berichte aus dem Südosten und Südwesten ergänzt wurde. Nunmehr fand man sich im Vertrage von Chaumont wieder zusammen, freilich mehr äußerlich als dem Wesen nach. Blücher, von mehreren Marschällen und dann von Napoleon selbst bedrängt, hatte sich nordwärts den zugesagtcn Verstärkungen entgegen gewandt, nach deren Eintreffen sein Heer sich auf 100 000 Mann belief. Am liebsten hätte sich Marschall Vorwärts sofort auf das Scincbabel gestürzt, aber seine Trup pen waren derartig abgenutzt, daß Bülow äußerte: ..Die Armee ist beinahe verhungert, alle Disziplin und Ordnung hat aufgehört, und ich gestehe zu unserer Schande, daß sie etwas einer Räuberbande ähnlich sicht." Ueberdies hegte man Bedenken, fast die ganze Streitmacht Preußens einsetzen zu müssen, ohne bei etwaigen Unfällen Hilfe von der Hauptarmec er warten zu dinscn. Solche Erwägungen veranlaßten Blücher, nach dem festgelegeneil Laon zu ziehen, um seine Leute erst wieder gefechtsfähig zu machen. Als Napoleon diese Bewegung gewahrte, glaubte er, es Handl« sich um Rückzug und drängte heftig hinter drein. Hierdurch lief er bei Laon gerade auf den Feind, der mit großer Uebermacht in vortrefflicher Stellung seiner harrte. Der Kaiser wäre in sein Ver hängnis gerannst wenn nicht Blücher gerade krank ge worden und auch Gneijenau durch Unwohlsein und allerlei Umstände in seiner Leidenschaft gelähmt ge wesen wäre. Dies rettete den Waghalsigen vor völliger Vernichtung, vielleicht sogar vor Gefangen nahme. Immerhin sah er sich geschlagen. Er wandte sich deshalb gegen die Hauptarme«, wo er besteren Erfolg erhoffte, prallte bei Arcis-sur-Aube aber eben, fall» ab, trotz verzweifelten Ringen». Klar lag zu tage, seine Streitkräfte reichten nicht au« für den Stea. Und um die Lage noch zu verschlimmern, erfolgte zu gleicher Zeit eine di"lome.tischc Niederlage: Fast bis zur Unwürdigkeit batten die Verbündeten auf dem Friedenskongreste zu Chatillon di« Launen de« Imperators ertragen. Als sie schlechterdings nicht vorwärts kamen, schlossen sie die Sitzungen ot» zum 10. März. All«, die es gut mit Napoleon meinten. Fabrikbesitzer Bernhard Märker, geleitet wurde. Generalsekretär Dr. Brüß-Leipzig sprach über die Stellung der nationalliberalen Partei zu den anderen Parteien. Er behandelte unter leb haftem Beifall auch die Landtagsersatzwahl in Groß- schönau-Ebersbach und ihre Bedeutung für die poli tische Lage Sachsens. An den Vortrag knüpfte sich eine rege Debatte. * Nationalliberaler Verein für Leipzig und Um gebung. Dienstag, den 10. März d. I., findet im yotel „Rosentalkasino", Rosentalgaste, der fünfte voli- tische Diskussionsabend statt. Redakteur Artur Breitenborn-Eilenburg wird über „Mittel standsverbände" sprechen. Hierzu ist jeder mann bestens eingeladen. * Dom Verband Sächsischer Industrieller. An der am 10. März in Dresden stattfindenden Hauptver sammlung des Verbandes Sächsischer Industrieller wird als Vertreter des Reichsamts des Innern Ministerialdirektor Dr. Müller teilnehmen. H- * Der Kaiser in Wilhelmshaven. Das Linien schiff „Deutschland" mit dem Kaiser an Bord hat am Freitag nachmittag 2,15 Uhr die Schillig-Reede in Wilhelmshaven verlosten und ist nach Bremer haven in See gegangen. * Die Kaiserin ist am Freitag nachmittag 4,03 Uhr in Braunschweig eingetroffen. Auf dem Bahnhofe hatten sich der Herzog und die Her zogin mit Gefolge zum Empfange eingefunden. Nach kurzer Begrüßung fuhren die hohen Herrschaften von freudigen Zurufen begrüßt im Automobil lang sam zum Schlön. In der Begleitung der Kaiserin befinden sich Hofdame Gräfin Rantzau und Kammer herr Frhr. v. Spitzenberg. * Die Reichstagskommission für Hausierhandel und Wandergewerbe verhandelte am Freirag erneut über den Antrag, betreffend das Verbot des Hausier handels mit Margarine und Kunstspeisefett. Der Antrag wurde mit 14 Stimmen gegen 12 Stimmen bei einer Enthaltung bezüglich der Margarine an genommen, das Verbot des Hausierhandels mit Kunstspeisefett wurde mit 15 gegen 11 Stimmen ab gelehnt. Dann wurde der ganze erste Artikel mit den von der Kommission vorgenommenen Aenderungen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten ange nommen. Hierauf trat die Kommission in die Be ratung der Vorschläge über die Wanderlager ein. * Nochmals die „Auflösung de» Reichstags". Die „Süddeutsche Konservative Korrespondenz", die neu lich das Entlein von der bevorstehenden Reichstags auflösung wegen der elsässischen Kainpfgesctze in die Welt hatte flattern lasten, ist durch die Dementis nicht verschüchtert worden. Sie erzählt noch einmal: „Die Reichsregierung und der Bundesrat wer den, wenn j« der Reichstag, was wir aber für recht unwahrscheinlich halte«, den beiden Vor lagen seine Zustimmung versagt, ihre Entschließung nicht davon abhängig machen, ob die betreffenden Vorlagen für die Parteien der Rechten zugkräftig genug seien oder nicht. Wenn die Reichsregierung davon überzeugt ist, daß das Interesse des Rcicl-s und die ruhige und sichere Weiterentwicklung im Reichslwnde solche gesetzgeberische Maßnahmen dauernd erfordern, so wird sie keine taktische Ueber- legung davon adhalten. an das deutsche Volk zu appellieren, das bis jetzt in nationaler Hinsicht, wenn die Not an den Mann ging, gottlob noch nie versagt." / v Die „Kreuzzeitung", der wir diese Mitteilungen entnehmen, fügt dann noch aus ihrem Eigenen hin zu: „Sie, die „Kreuzzeitung", glaube nicht, daß'hie „Süddeutsche Konservative Korrespondenz" chre Spalten einem Mitarbeiter öffnen würde, der nicbt unbedingt zuverlässig unterrichtet sei. — Der ver storbene Freiherr von Ungern-Sternberg, der in früheren besteren Zeiten für die „Kreuzzeitung" sehr beachtliche innerpolitische Wochenschauen schrieb, pflegte in solchen Fällen zu sagen: Das find europäische Redensarten!" * Der Aufklärung bedürftig. Nach einem Bericht der „Dtsch. Tagesztg." haben Oberrcalschüler inKonstanz einen Fastnachts-,.Scherz" veranstaltet, der das Verlangen nach amtlicher Aufklärung des Sachverhalts Hervorrufen muß. Denn der genannten Quelle zufolge ist am Konstanzer Siegesdenk- m a l ein „Empfang des Fürsten Pümblitzhausen" u. a. in der Weise dargestellt worden, daß der Fürst in der Maske des Kaisers Wilhelm I. sich des Serenissimus-Stils befleißigte, und daß verwun dete Kriegsveteranen als betrunkene Trot te! auftraten. — Entsprechen diese Angaben den Tatsachen, so haben sich die Beteiligten einer uner hörten Frechheit und Taktlosigkeit gegenüber dem verewigten Herrscher und einer beispielloien Gefühls roheit gegenüber dem Volke in Waffen, das die Ein heit des Reiches auf dem Schlachtfeld«: begründen half, schuldig gemacht. Die badische Negie rung darf nicht zögern, die Oeffentlichkeit darüber zu unterrichten, ob die erwähnten Vorgänge fick, tat sächlich abgespielt haben, und wie sie geahndet werden sollen, wenn sie wirklich vorgekommen sind. * Ein freikonservativer Parteitag suchet am 21. und 22. März in Berlin statt. suchten ihn zur Vernunft zu bringen. Er ließ nur leere Worte machen. Sogar Metternichs Kunst, das Leblose zu beleben, reichte nicht mehr aus. Am 19. fand der Kongreß mit Erklärungen gegenseitigen Be dauerns sein rühmloses Ende. So sah Napoleon sich im Felde wie auf dem Parkett geschlagen, hier und dort durch eigene Schuld. Der Boden schwand ihm unter den Füßen; selbst Paris wurde seiner Unversöhnlichkeit überdrüssig. Die Stimmung für das Königtum wuchs, und die Bourbonen boten den Frieden. Da reifte in dem überreizten Hirn des Korsen ein ebenso waghalsiger wie abenteuerlicher Plan. Er verschwand vor der Front und erschien im Rücken der Verbündete», hoffend, sic dadurch von seiner Haupt- stodt ab und hinter sich hcrzuziehen. Hätte er nur mit Schwarzenberg zu tun gehabt, würde er wohl Erfolg erzielt haben, aber anders dachten Alexander, Blücher und Metternich. Auch letzterer hatte Na poleon schließlich aufgegeben, so daß ein glückliches Ende des Feldzuges seinen diplomatischen Zielen entsprach. In einem Kriegsrat wurde der end gültige Marsch auf Paris beschlossen und damit Na- valeons Sturz besiegelt. Vergebens traten die Mar schälle Marmont und Morticr den Verbündeten mit dem Rest ihrer Truppen entgegen. Sie wurden über den Haufen geworfen und räumten die Stadt. Am 31. März zogen der Zar und der König von Preußen ein in das endlich bezwungene Paris mit glänzendem militärischen Prunk. Trompeten schmetterten, Trom meln raffelten, Bajonett« blitzten, Fahnen flatterten und Uniformen leuchteten in allen Farben. Laut er scholl der Ruf: „Vive le roi!" Aus Schutt und Moder erhob sich neu die Herrlichkeit der Bourbonen, unv zu Ende war der Glanz des Kaiserreichs. — Napoleon blieb nur der Verzicht auf den Thron. Er, der Europa bezwungen hatte, er mußte sich begnügen mit der kleinen Felseninjel Elba, die seine Feind« ihm au» Gnode gewährten.
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