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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.03.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140314026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914031402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914031402
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-14
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Abend - Ausgabe ISS. Jahrgang Gr t»»p»>g ua» voran« ourch unser« Lräoee uaSSp«oitrur»rmaltügU<t> in» hau» gebracht« monatlich I.4S M., »lerteyührUch ,.7» M. Set »er ch«»chSft»N«U,, unsrru riual«n und NuagadeNrUen adgrbolt« m»aatUch>M..oI«rtrhädrUchrM. Durch «te Post: ianrrhold veutschlanb» unü »er brutsch«» Kolontra «onatitch t^b M.. otrNrliührllch 4.L0 M.. au»schli«AUch postdrst«llg«lb. Da» Lrtpztgrr Lagedlott rrschrtnt Werktag» -mal, Sonn» u.ZetrNag»tmal. Ja Leipzig. Sen Nachbarorten uns Srn lvrtrn mit eigenen Ztlialen wir» -ir ftdcnSauogab« noch am stdenS Seo Erscheinen» in» hau» geUrsert. SerUner NeSakttoor In Sen Zeiten 17, Zernsprech» Nnschlutz: Moabit Nr. »S7. AmdsbioU des Rates und des polrzeüurULS der Stadt Leipzig »eSaktton und S«schSst»st«Ur: ^ohanuiogoss« Nr.«. » Zernsprech.staschlutz Nr. 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(S. Nachr. v. Tage.- * Bei dem Sturm an der nordafrika nischen Küste haben 35 Schiffe Schiff bruch erlitten, darunter ein spanisches Kanonen boot. (S. Nachr. v. Tage.) * Nach einer Meldung aus München soll der Erfinder Dr. Diesel nicht in der Nordsee ertrunken sein, sondern sich in Kanada eine neue Existenz gegründet haben. iS. bes. Art.) Italiens kommender Mann und Ser Dreibund. (Bon unserem römischen Mitarbeiter.) In Giolitti hat der Dreibund seinen eifrig sten Befürworter in Italien verloren. Dieser Verlust wäre unersetzlich, wenn wir nicht die be rechtigte Hoffnung hätten, daß der Mann, der mit Meisterhand und beispiellosem Erfolge Ita liens Geschicke jahrelang geleitet hat, sich noch nicht für immer von der Regierung zurückgezogen hat. Giolitti ist mit seiner derzeitigen Ent lassung ni>«.t von der politischen Bühne getreten. Alle Änzeickstn sprechen dafür, daß er über ein lurzes die Zügel der Regierung wieder ergreifen wird. Augenblicklich wird — sofern Giolitti nicht im letzten Augenblick doch noch die Bildung des neuen Kabinetts übernehmen sollte — eine Art Interregnum geschaffen, dessen Ende, der jetzt zurücktretende Ministerpräsident ganz nach Belieben herbciführen kann, da ihm in seine vorübergehende Muße das Vertrauen des Volkes und des Parlamentes in ungeschwächtem Maße begleiten wird. Schwerlick) werden wir je wieder ein bes seres D r c i b n n d - M i n i st c r i n m (wenn dieser Ausdruck erlaubt ist) erleben, als cs Giv- litti im Verein mit seinem Außenminister, Mar quis di San Giuliano, dargcstellt hat. Tie bei seinem Rücktritt in Paris augestimm ten Jubelfanfaren zeigen es uns zur Genüge. In seiner Hinneigung zu den beiden Zentral mächten kann Giolitti weder von einem San ni n o noch von einem Salandra, geschweige gar von einem Luzzatti übertroffen werden. Das sind die Männer, die augenblicklich die meiste Anwartschaft auf den vakanten Posten als Re gierungschef haben. Herr Sonninogiltals F ü h r e r d e r N a t i o n a l i ste n. In den Jah ren 1906 und 1909 stand er an der Spitze der Regierung. Beide Male genau hundert Tage lang. Darum wird er spöttisch der „M inister der hundert Tage" genannt. Giolitti hatte ihn beide Male mit einer leichten Geste aus dem Sattel gehoben. Sollte es der betagte Herr Sonnino jetzt, wo die Chancen für seine Regie rungstätigkeit noch viel ungünstiger sind als in den Jahren 1906 und 1909, doch wagen, sich von demselben Herrn Giolitti in den Sattel wieder hinaufheben zu lassen, um jeden Augen blick gewärtig zu sein, abermals, unter schallen der Heiterkeit, von seinem Herrn und Meister wieder heruntergeholt zu werden, so wird man in diesem Spiel der Parteien keineswegs eine Erhöhung des Ansehens Italiens zu erblicken haben. Herr Sonnino ist zwar kein Gegner des Dreibundes, aber auch kein Gegner der Ententegruppc. Wir würden unter seiner Regierung, falls sie dies mal länger als hundert Tage dauern sollte, sehr leicht eine Wiederholung der sattsam be kannten Extratouren Italiens erleben, zumal da heute England und Frankreich mit heißem Be mühen Italien zu einem neuen Mit te l m e e r a b k o m m e n zu verleiten versuchen, um so der unter der Giolittiscken Negierung im mer drohender gewordenen Gefahr eines gemein samen Operierens der italienischen und der öster reichischen Flotte noch vor dem Ernstfall zu be gegnen. Herr Sonnino hatte uns während seiner Rc- gierungsperioden keine überzeugenden Beweise einer großen Liebe zum Dreibund gegeben. Dagegen hat er es nach seinem Sturze nicht unterlassen, mehr oder weniger offen Kritik an der Tätigkeit des Dreibundes zu üben. Und in dieser Haltung mußte er sich gar häufig Zurechtweisungen von dem Außen ministers, di San Giuliano, gefallen lassen. Sonninos Minister des Aeußeren, Gras Guie- ciardini, aber ist unvergessen geblieben mit sei nen schweren Angriffen, die er am 7. Juni des Jahres 1911 in seiner Eigenschaft als einfacher Abgeordneter in der Kammer gegen den Drei bund richtete. An jenem Tage hatte Marquis di San Giuliano in seiner Replik gegen den Angreifer die Worte ausgesprochen: „Wir haben ein' großes Interesse an einem starken Oester reich, als auch Oesterreich ein großes Interesse an einem starken Italien hat." Die Balkan ereignisse haben jene Worte genügend illustriert. Ob Herr Sonnino und sein Freund Guicciardini seither umgelernt haben werden? Manchmal wollte es den Anschein haben . . . Die Probe auf das Exempel aber möchten wir erst nicht machen. Herr Luzzatti, Giolittis Vorgänger, ist uns als eifriges Mitglied des französisch-ita lienischen Verbrlldcrungskvnimitees hinreichend bekannt. Von ihm haben wir eher eine Locke rung als eine Festigung des Dreibundes zu er warten. Jedenfalls würde Luzzatti, käme es unter seiner Regierung zu einem Kriege, weit eher Partei für den Dreiverband als für die Zentralmächte ergreifen. Es ist begründete Hoffnung, daß Giolitti auch im Hinblick auf die Außenpolitik Italiens im Bedarfsfälle die „un sicheren Kantonisten" stützt, um so seinem Lande die alte Position innerhalb des Dreibundes zu erhalten. k>oMiseke UeberlieM Ein Kompromiß über -ie Sonntagsruhe. Wie wir erfahren, unterhandelt die Reichsregie rung mit einigen bekannten Sozialpolitikern der bürgerlichen Parteien über das Zustandekommen eines Kompromisses über die strittigen Bestimmun gen des in der Kommissionsberatung befindlichen Gesetzes über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe, wobei sie mittlere Linie zwischen den Wünschen der Prinzipale und der Handlungsgehilfen innegehalten werden soll. Es ist zu erwarten, daß eine Einigung erfolgen wird, so daß dann der Annahme des Gesetz entwurfes im Plenum nichts mehr entgegcnstehen würde. Das Komvromiß wird sich auf folgende Punkte erstrecken: Die Grenze für die völlige Sonn tagsruhe in Städten mit über 75 ONO Einwohnern soll beibehalten werden. In diesen Orten wird für das Bedürfnisgewerbe (Fleisch, frische Back waren, Milch, Blumen, Eis usw.) eine Arbeits zeit von 3 Stunden vorgesehen werden, die um 1 Uhr ihren Schluß zu finden hat. Für die Kontore soll sowohl in Städten über 75000 Ein wohnern, als auch in allen anderen Städten die völlige Sonntagsruhe eingeführt werden, mit einigen Ausnahmen für das Schis ahrts- und Spedi tionsgewerbe. Weiter dürfte Gegenstand des Kom promisses sein, die Sonntagsarbeit in den offenen Ladengeschäften in Städten unter 75 000 Einwohnern auf 3 Stunden zu bemessen, wo bei eine rxsw Schlußstunde gleichfalls um 1 Nhr vor gesehen ist. Die zehn Ausnahmetage, die von der Reichsregierung vorgeschlagen sind, sollen beibehalten werden, jedoch soll die Arbeit an diesen Ausnahme tagen nicht über 7 Uhr abends stattfinden. In den Städten, in denen heute bereits eine über die Kompromißoorschläge hinaus^ehcnde Regelung der Sonntagsruhe ortsstatutarisch festgesetzt ist. sollen diese ortsstatutarischcn Bestimmungen von dem neuen Gesetze nicht berührt werden. Weiter will man den berechtigten Wünschen der konditionieren den Apotheker entgegenkommen. Es soll vereinbart werden, daß in den Städten, in denen 2 Apotheken vorhanden sind, an den Sonntagen abwechselnd je eine Apotheke geschloffen sein muß, so daß für die andere Apotheke völlige Sonntagsruhe herricht. Sind mehr Apotheken vorhanden, so soll eine bezirksweise Regelung der Sonntagsruhe stattfinden, wie es jetzt bereits in Bayern Brauch ist. In den Kreisen der Arbeitgeber sowohl als auch der Handlungsgehilfen ist man der Ansicht, daß dies Kompromiß, das beiden Teilen entgegcnkommt, die einzige Möglichkeit bietet, das Zustandekommen des Gesetzes zu bewirken. Vie Rochette - Angelegenheit im fran zösischen Parlament. Die Gegner der Regierung scheinen sich, wie aus Paris telegraphisch gemeldet wird, der Hoffnung hinzugeben, daß es ihnen doch noch gelin gen werde, den Finanzmrnister Caillaur vor Schluß der Legislaturperiode zu Fall zu bringen. Sie machen kein Hehl daraus, daß sie in der Röchelte- Angelegenheit ein geeignetes Mittel zur Erreichung ihres Zieles erblicken. In den Wandclgängen des Palais Bourbon war auch bereits das Gerücht ver breitet, daß der Bericht des Oberstaatsanwalts Fabre, der auf die politische Seite der Rochettc- Affäre ein bedenkliches Licht wirst entweder von der Presse oder von der Kammertribüne herab in die Oeffentlichkeit geworfen werden soll. — Die von Ja ures, dem Obmann des Rochette-Ausschuffes, in seiner gestrigen Rede getanen Acußerungen, „man bringe uns neu« Dokumente und wir werden dann urteilen", wird als eine Andeutung auf diesen Be richt aufgefaßt. Sehr bezeichnend ist in dieser Hin sicht der Leitartikel der dem früheren Ministerpräsi denten Aristide Briand nahestehenden „Petitc Republique", die u. a. schreibt: Niemals ist die Lage Laillaux' kritischer ge wesen. Wenn, wie man ankündigt, vielleicht schon in einigen Stunden oder einigen Tagen ein unbe streitbares Schriftstück auftauchen sollte, das einen Beweis sür die Pression bildet, die Monis und Caillaux auf die mit der Untersuchung der Rochette Affäre betraute Gerichtsstclle ausqeübt haben, dann werden die Deputierten, die gestern auf Ersuchen der Regierung für die einfache Tagesordnung gestimmt haben, einen verurteilenden Wahrspruch fällen müssen. Jedenfalls muß es sür Caillaux eine Ehren sache sein, noch vor Ablauf dieser Session auf die An- I klagen zu antworten, die allzu bestimmt und allzu 1 heftig sind, als daß er sie mit stiller Verachtung hin- ! nehmen könnte. — Iaurcs sagt in der „Humanitö" Zrieörich Hebbels letztesNotizbuch Zu seinem fünfzigsten Geburtstage bekam Friedrich Hcbocl von seiner Frau Christine eine kleine Bries- iaschc mit eigenhändiger Widmung. Es war ein rle:ncs, schlankes, in roten Leidcnmoiree gebundenes Büchlein, das 12 Blätter enthielt. Diese Bricsta-che begleitete den Dichter in !cincm letzten Lebensjahre, wohin er sich wandte, uno alle Eintragungen ent stammen diesem letzten Jahre seines Erdcnwallens. Nach Hebbels Tode hat Frau Christine dann diese Reliquie ränge Jahre treu gehütet, dis ne sie als Dank Sem Hebbelforscher R. M. Werner schenkte, der sie sirr 'eine Sakularausaabc der Werke Hebbels ver- ichiedenrlich benutzt hat. Die Brieftasche in ihrem ganzen Umfange herauszugebcn, war ihm nicht mehr vergönnt, und so forderte die 'Wiener Bibliophilen- Gesertzchaft Hans Halm auf, diesen letzten Wunsch Werners zu erfüllen. Demnächst erschein: nun als Gabe an die Mitglie der der Gesellschaft ein genaues Faksimile der Brief rasche, über deren Inhalt der Herausgeber tm jüngsten Hefte des „Merkers" auch der weiteren Oeffentlichkeit nähere, interessante Mitteilungen macht. Die erste Seite der Brieftaich« ist ganz dem Meu chen eingeräumt, während später zwischen Aphoris- men und Gedichten das Menschliche nur noch flüchtig auftaucht. Man liest — nicht ohne wehmütige Er griffenheit —: ..Heiserkeit, Puls, Atem . . .", oder die Beiordnungen des Arztes, die der Leidende gewissen fast ausgezeichnet hat. Den Hauptinhalt der Brieftasche aber bilden Ein iälle. Noti en, Entwürfe, und zwar bieten sich die Er lebnisse und Gedanken des Dichters hier in noch 'rischerem Abdrucke dar, als im Tagebuche, wo sie bereits verarbeitet, geläutert, geformt sind. In der Brieftasche stehen z. B. die einfachen Worte: „Die 2inde, unter der ich ging, und ihr D u j t." Dieser kurze Satz hält das Erlebnis, das Bild, die Stimmung iest, aus dem bann das am 27. Juni in das Tagebuch eingetragene Gesicht hervorging: „Ich schritt vorbei en manchem Baum. Im Spiel der Morgenwinde." Lin anderes dichterisches Erlebnis um chließt die kur.ze Aufzeichnung des Notizbuches: „Eine B cne Mgtest Du aus dem Fenster: — da erblickte der Jüng ling Dich" — wir haben hier Sic Keimzelle des seinen ^dichtchens: „Eine Biene ver ucht das Mädchen ängstlich zu scheuchen" vor uns, das sich in Hebbels lachlaß vorfand. Die drastischen Schlagworte: „Kell nerin, Ohrfeige. Klopfen. Nachts", geben den Grund- stedanken der schönen Ballade „Lustig tritt ein schöner Knabe" an, di« Hebbel zivei Monate später in Baten - niessrschrieb. Neben dem Lyriker kommt in der Brieftasche auch der Dramatiker Hebbel zu Worte. Aus dem ge- olanten Gudrundrama stehen einige Bruchstücke do: Gudrun hat die abgesallcne Magd zur Hochzeit chmiickcn müssen. Als diese nun auch unter den Dienerinnen erscheint, weist sic sie zurück. Sic sagt: „Ich liebte!" — Ein anderer Einfall zu diesem Drama: „Gudrun (als sic den Auftrag von der Königin crhälts: Ich hab' es oft genug von ihr ge lehrt uns werd' es können." Die letzten Verse und damit die letzten Zeilen der Brieftasche überhaupt sind Entwürfe zum „Demetrius", über dem Hebbel ebenso starb wie Schiller. Zwischen die skizzierten oder halboollendcten Ge dicht« und die Bruchstücke zu Dramen schreibt Hebbel Einfälle hin. Aphorismen, Gedanken über Menschen und Tiere Wir heben hieraus einige besonders be deutende Sätze heraus. „Der Dichter verwandelt die Welt in ein Spiel. Was heißt das? Er kehrt das Ding um: wenn in der Welt das Gesetz der Erscheinung erliegt, so erliegt im Kunstwerk die Erscheinung dem Gesetz." Zwei Aphorismen gelten Goethe: „Am alten Goethe ist es merkwürdig, wie er sich nach und nach mit den Kunstaesetzcn abfindet. Das wirft ein Re flexionslicht auf die Pfuscherei. — Goethe verkehrte nicht mit der Totalität der Menschheit, sondern mit ihren einzelnen Fakultäten." Ein anderer Gedanke zeigt ihn mit der Psychologie des französischen Volkes beschäftigt, das er ja aus eigener Anschauung kannte: „Warum sind die Fran zcqen in der Politur den Deutschen so weit voraus? Weil sie so viel mehr schmutzigen Egoismus zu ver bergen haben. Der Deutsche bleibt ewig Kind, aber es ist ein Segen." Fesselnd und rührend zugleich sind die Aufzeichnungen, die von Hebbels Tierliebc und von seinem Studium des Tieres und der Tierseele zeugen. „Wer weiß denn, ob nicht jedes Tier die Fähigkeit hat. in ein anderes, höheres, überzugehen? Erst in großen Weltkrisen der Natur könnte sich das zeigen. — Mit welch einer Blut- und Qualschuld hat die Menschheit sich durch ihre Sünde an der Tierwelt bedeckt! — Ich setze mein Eichkätzchen in den Baum: cs leckt die Hand die cs hinein«,esctzt und schlüpft wieder in sic zurück. Die ganze Welt, die ihm gehört, ist ihm fremd, und es fürchtet sic." Kunst un- Wissenschaft. * Amtliche Nachrichten von der Universität Leipzig. Aus Anlaß des heutigen (gestrigen! 70. Ge burtstages des Geheimen Kirchenrats Professor tt. Dr. H e i n r i c i wurde der Jubilar am Vor mittage in seiner Wohnung in der Stephan- strane 12 durch Essangsdarbietungen der Sänger schaft „Arion" erfreut. Im weiteren Verlaufe des Tages fanden sich bei dem Jubilar folgende Persönlichleiten zur Beglückwünschung ein: Im Namen des evangelisch-lutherischen Landestonsisto- riums in Dresden gratulierte der Vizepräsident Se. Magnifizenz Oberhofprediaer ('. Dr. Dibe- lius. Die Glückwünsche der Universität wurden überbracht durch Se. Magnifizenz den Rektor. Geheimen Hofrat Professor Dr. jur. Otto Mayer. I Im Namen der hiesigen theologischen Fakultät beglückwünschte den Jubilar in einer Ansprache der Dekan der Fakultät Geheimer Kirchenrat und Konsistorialrat Professor i'. Rendtorff. in dessen Be gleitung sich sämtliche zurzeit hier anwesenden Mit glieder der Fakultät befanden. Ferner überbrach ten Glückwünsche namens der Meißner-Konferenz der Oberkirchenrat Grießhammer aus Meißen sowie Geheimer Kirchenrat l'. Dr. Hartung, Leipzig, und im Namen der Geistlichkeit der Stadt Leipzig Superintendent v Cordes. Weiter wurden dem Jubilar Glückwünsche aus dem Kreise seiner beson deren Fachgenossen überbracht durch eine Abordnung von Verkretern der neutestamentlich - exegetischen Forschung. Diese Abordnung, geführt von Professor 0. Dr. Deißmann, Berlin, überreichte eine Festschrift, betitelt: „Neutestamentliche Studien. Georg Heinrici zu seinem 70. Geburtstage dargebracht von Fach genoffen, Freunden und Schülern. Verlag I. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig 1914.' Aus dem Kreise der Mitglieder des Königlichen Konviktoriums, dessen Direktor der Jubilar ist, be glückwünschte ihn eine Deputation, bestehend aus dem Vikar und 2 weiteren Tischienioren, und der Kon- viktinspettor überbrachte einAlbum.das ausdenZinsen der Konviktkaution geschafft worden ist und das bei Gelegenheit des 70. Geburtstages des Konvikt direktors im Konfikt eingeführt werden und dazu dienen soll, jene heiteren Gedichte, die unter dem Namen „Wursttatzversc" bekannt sind, künftig voll ständig der Nachwelt zu erhalten. Das Album trägt daher die Bezeichnung: „Oonvietorum verbeul, iocost." * „Frau Kardinal", eine L-rciaktigc Komödie des jungen Leipziger Autors, gelangte am Donnerstag abend im St adtthe ater zu Bremerhaven zur Uraufführung. Die Komödie spielt in den letzten beiden Märztagen und am l. April des Jahres 1631 zu Nancy, und behandelt in kurzen kecken Strichen eine amüsante Liebesgeschichte am dortigen lothringi schen Hofe. Prinzessin Claudia von Lothringen heiratet nämlich gegen den Willen des Hofes in Paris, dem die Kinderlosigkeit des regierenden Herzogs Karl eben recht ist. ihren Vetter, den jungen Kardinal Franz von Lothringen, aus Staatsinteresse, aber mehr noch — aus Liebe. Durch einen lustigen Pagenstreich nun. den der Aprilmummenschanz auf das glücklichste begünstigt, wird der 74jährigc fran zösische Kommandant Marschall de la Force, den Ludwig als Aufpasser nach Nancy geschickt hat, ge foppt, und die jungvermählte Herzogin entweicht am Tage nach ihrer vom Marschall klug verhindert geglaubten aber doch vollzogenen Hochzeit nachts in Pagentracht der französischen Machtzone und folgt ihrem ebenfalls geflüchteten Kardinal-Gemahl. In dem sehr bühnenwirksamen, der Darstellung durch aus lohnende Aufgaben stellenden Stück, bei dem leider gestern, k-er Bremerhavener Moral zuliebe, alle Pikanterie klüglich und sorgfältig wcgrctouchiert war, sind einzelne Personen recht frisch und lebhaft gezeichnet, besonders die Figur der Prinzessin Claudia und die des Pagen Peter Pierre. Die Darstellung nahm sich des Werkes mit Liebe an und verhalf ihm zu einem schönen lebhaften Erfolg. Von den Dar stellern machten sich die Damen Burghofs, Wessel und Oscarsen. sowie die Herren Wolter und Dr. Teßner besonders um die Aufführung verdient. Dem eben falls erschienenen jungen Autor, der glückstrahlend über seinen ersten Bühnenerfolg quittierte, wurden beim Schluß des dritten Aktes herzliche Ovationen zuteil. Die im Verlage von Erich Reiß in Berlin erschienene Buchausgabe des Werkes ist bereits mehrfach kritisch gewürdigt worden. H. 1?. 8c-Ir. » Otto Hinnerk: Ehrsam und Genossen. Intime Ausführung des Münchner „Neuen Vereins". Hinnerks Schicksal ist es, „hie und da ' aufgeführt zu werden, und daran wird nur ändern, daß der Atem des Dichters länger wird, daß aus blühenden Einzel heiten und guten Einfällen ein Ganzes wird. In seiner Komödie vom ehrenwerten Bürger und Diebe Ehriam verstimmt vor allem der hundsschlechte Schluß, den man vielleicht in historischer Ehrfurcht einem Leising oder Gutzkow nachsehen könnte. Bei einem heutigen Werke geht es nicht, daß der Dichter einfach die Karten aus der Hand wirft und mit erklärenden Worten sein Spiel zu Ende bringt. Auch sonst ist die Komödie etwas mager. Darüber hinaus aber hat man immer wieder das Gefühl, daß in Hinnerk ein echter Komödicnschreiber steckt. Er versuch! nirgends mit Aeußerlichkeiten zu wirken, er versteht es, seinen Humor tragisch zu grundieren, er hat die echte Güte des Dichters und seine Worte sind oft überraschend plastisch. Darum gehört er zu den Dichtern, denen man immer ihre schlechten Stücke verzeiht und von denen man sich immer — mit der Hoffnung auf Besseres — enttäuschen läßt. Die Auf führung unter Dr Mannings Regie war sehr gut. Der Regisseur. Frau Konrad Ramlo und Herr Wahl boten durchweg gute Leistungen. Das Pu blikum blieb — trotz einiger Ziicher — lau. Kalter von UoIIg"cker. * Eine Ausführung von Fritz von Unruh» „Preußendrama". Der vor 25 Jahren gegründete Verein „Freie Bühne" in Berlin plant, wie uns der Vorstand mitteilt, eine einmalige geschlossene Aufführung des Dramas „Louis Ferdinand, Prinz von Preußen" von Fritz von Unruh vor geladenen Gästen. Damit wird die Hoffnung erfüllt, die wir vor einigen Tagen an dieser Stelle ausgesprochen haben, und ein dichterisch wertvolles Werk wird seiner Bestimmung, von der Bühne herab seinen dramatischen Gehalt zu zeigen, zugeführt. * Erich Jankes „Antionus", ein psychologisch nicht reifes, aber kulturhistorisch interessantes Drama, fand bei seiner Uraufführung im Dernburqer Stadt theater dank ausgezeichnet vorbereiteter Darstellung herzliche Aufnahme.
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