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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140314011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914031401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914031401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-14
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Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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^1ii8 Leiprig unü Umgebung Leipzig, 13. März. Vie Papiermühle auf -er buchgewerblichen Weltausstellung Leipzig 1-14. Nachdem beschlossen worden war, auf der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik die 200 Jahre alte Haynsburger Papiermühle als eines der interessantesten Ob jekte zu zeigen, wurden deren Betriebseinrich- langen von dem technischen Direktor der Aus stellung, ztaiserlichen Baurat Dr. Nicolaus, geprüst. Bei dem ehrwürdigen Alter der Mühle waren natürlicb einzelne Teile baufällig gewor den, so das; stch deren Reparierung rcsp. Er gänzung nölig machte. Ehe man daran denken tonnte, die Mühle zwecks Uebersührung auf die Ausstellung zu verladen, musste sie in ihre Be standteile zerlegt und zurcchtgemacht werden. Bei dieser Arbeit mußte man Sorge tragen, das; die historische Treue gewahrt, dabei aber doch vollkommene Betriebssicherheit erreicht wurde. Nunmehr liegt die Mühle in ihre ein zelnen Teile zerlegt vollkommen versandtsertig da, doch must mit dem Versand selbst gewartet werden, bis der Bau des Bahnbofs Haynsburg beendet ist. Alsdann wird die Mühle nach der Ausstellung übergeführt werden, und wie einst in deni idyllischen Winkel am alten Elsterflussc werden dann auf der Buchgewerbeausstellung ihre Räder klappern. Den Betrieb der Mühle übernimmt die Hirma I. W. Zanders in Ber gisch Gladbach, die genau in der alten Weise ans Lumpen di'e verschiedensten, bei Kennern so beliebten Büttenpapiere aus der Ausstellung Herstellen wird. Ganz besonderen Wert gewinnen die Er zeugnisse der Papiermühle dadurch, daß sic auch benutzt werden sollen, um alte Drucke in natur getreuer Nachbildung anzufertigen. Zu diesem Zwecke sind an die alte Papiermühle historische Werkstätten ungegliedert, in dellen alte Lettern mit der Hand gegossen, zusammengesetzt und zum Drucke verwendet werden. Durch das Eutgegen- lommeu verschiedener Zirmen, die die nötigen Gerätschaften zur Verfügung stellen, wird es er möglicht werden, alte, besonders interessante Drucke neu hcrzustcllcn, die auf der Ausstellung auch zum Verkaufe gelangen sollen. * Zur Musterung. Der Gang zur Musterung ist für einen jungen Mann ein hochchedeutsamer Augen blick des Lebens. Zur Musterung! Man fühlt sich eigentlich erst jetzt richtig als Mann. Schon Wochen vorher renommiert der angehende Vaterlands verteidiger bei einer „starken" Zigarre, wie er dem nächst mit dem Herrn Unteroffizier fertig werden wird. — Aber nach der Musterung klingt es schon anders. Es ist doch so eine eigene Sache um die Uniform. Tauglich, — Ersatzreseroe, — ein Jahr zurück, so klingt es kurz und bündig, und ehe man sich versieht, ist alles schon gewesen, und man hält einen Schein in den Händen, der verschiedene Buchstaben und Zahlen enthält, die man nrcht entziffern kann. Doch ein Schriftgelehrter vermag Auskunft zu geben: Also Mindestmaß für den Dienst mit der WafA: 1,54 Meter; der Buchstabe vor den Ziffern be deutet: geringe körperliche Fehler, die die Fähigkeit zum Dienst mit der Waffe nicht ausschließen. Buch stabe tt: Körperliche Fehler, die zwar den^aktiven Dienst mit der Waffe ausschlicßcn, jedoch d<'n aktiven Dienst ohne Waffe oder den Dienst in der Ersatzreseroe ermöglichen. Buchstabe Gebrechen oder Krankheiten, die zeitweilig dienstunfähig ma- cknm, jedoch beseitigt werden können, so daß gänzliche oder teilweise Tauglichkeit eintritt. Buchstabe I): (Gebrechen, die den Dienst im stehenden Heere, sowie in der Ersatzreseroe ausschlicßen, die Tauglichkeit für den Landsturm aber nicht verhindern. Buch stabe L: Krankheiten und Gebrechen, die zum Dienst im stehenden Heere und der Ersatzreserve, im all gemeinen auch für den Landsturm dauernd untaug lich machen. — So lauten die Erklärungen, und die Vertreter d«r ersten drei Kategorien ziehen vergnügt dahin, Lieder singend und im Knopfloch bunte Schlci- fen: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein . . . * Der Vorstand des Sächsischen Gemeindetages hat in seiner letzten Sitzung im Februar d. I. u. a. folgende Gelegenheit behandelt: 1. Der Vorstand des Sächsisckx'n Gemeindetages hatte durch eine Eingabe vom 14. November 1913 an das Ministerium des Innern darum gebeten, den Gemeinden für ihre Tätigkeit bei der Veranlagung zum Wehrbeitrage und zur Vermögenssteuer eine Entschädigung zu gewähren. Daraufhin hat das Ministerium des Innern mitgeteilt, daß es nicht möglich sei. eine iolche Entschädigung für die Tätigkeit der Gemeinden ;>>r Durchführung des Wehrbeitragsgesetzcs zu ge währen, und daß eine Entschließung hinsichtlich des Besitzsteuergesctzes erst nach Erlaß der sächsischen Voll- zngsvorschriftcn zum Besitzstcuergesetze gefaßt werden könne. Von dieser Verordnung wird Kenntnis ge nommen. 2. Mit Rücksicht darauf, daß der gegen wärtige Landtag voraussichtlich erst in der zweiten Hälfte des Monats Mai geschlossen werde und der Deutsche Städtctag bereits Mitte Juni stattsinden wird, soll die diesjährige Versammlung des Säch fischen Gemeindetages am 11. und 12. September ab gehalten werden. Als Tagungsort ist bereits früher Chemnitz bestimmt worden. 3. Es wird beschlossen, die Erstreckung des Gesetzes vom 23. August 1878, das Disziplinarverfahren gegen städtische Beamte be treffend, auf die berufsmäßigen Gemeindevorstände bei der Negierung zu befürworten. 4. Wegen des Gesetzentwurfs zur Regelung der rechtlichen Verhält nisse im Eisenbahnwesen soll eine Eingabe an die Staatsregierung und di« Ständeversammlung aus gearbeitet werden. 5. Weiter will man bet der Staatsregierung wegen der Behandlung der Ge- meindcbeamten in der Novelle zum Gesetze über die Zeugen- und Sachverständigen-Gebühren vorstellig werden. * Lutherkirch«. Nächsten Sonntag (Oculi), abends 6 Uhr, findet in der Luthsrkirche eine Aufführung der „Gründonnerstag-Passion" von Heinrich von Her- zogenbcrg statt. Ansprache hält Pastor Zierold. Hieran schließt sich Deichte und heiliges Abendmahl. " Für Apotheker. Das Ministerium des Innern hat die Errichtung einer neuen Apotheke in Dresden-Cotta, im sogenannten Schanzen viertel, genehmigt Bewerbungen um diese Kon- -ejfion sind späteüens bis zum 30. April 1914 bei der Kreishauptmannfchast Dresden einzureichen. * Im Lehrlinqsdaheim zu Leipzig. Gneisenau- straße 1V. I.» sind lür Ostern noch einige Plätze frei. Das Daheim nimmt junge unbescholtene Leute auf. die weder beim Lehrherrn noch bei Angehörigen wohnen können und sucht ihnen möglichst das Eltern haus zu ersetzen. Prospekte werden auf Wunsch so fort zugesandt. Volkstümlich - wissenschaftliche Borträge. "Nach Alaska, dem äußersten Nordwesten Nordamerikas, sollen die Besucher der morgen, Sonntag, abenos 8 Uhr im Verein für Volkswohl, Löhrstraße 7, statt findenden Sonntagabendseier in Wort und Lichtbild geführt werden durch Dr. Hugo Lück, der Kanada und dieses merkwürdige Land auf Grund eigener Anschauung kennen gelernt hat. Die gesangliche Ausstattung dieses Abends hat die Sopranistin Frl. Elisabeth Schnerr übernommen, die von Frl. Clara Winter aus dem Blüthnerflügel begleitet wird. Der Zutritt zu dieser Veranstaltung ist frei für jedermann. — Am Montag, den 16. März, abends punkt 8'/, Uhr hält Syndikus Dr. Stresemann. Präsidialmitglted des Bundes der Atidustriellen. in der vom Verein für Volkswohl vercnutalteten Vor tragsreihe „England und Amerika" den Schlußvor trag über: Die Aussichten der germanischen Völker im Kampf um den Weltmarkt. * Gesangsaufsührung vom Leipziger Lehrer-Ge sangverein im Innern des Völkerschlacht-Denkmals. Die morgen Sonntag, nachmittags j46 Uhr, nb Innern des Völkerschlacht-Denkmals stattfindende Aufführung vom Leipziger Lehrer-Gesangverein wird die folgende Vortragsordnung aufweiscn: „Are, verum corpus" von W. A. Mozart, bearbeitet von C. Reinecke, „Der Gottesacker" von Friedrich Beneken, bearbeitet von Wilh. Berger, „Nachtliek/' von F. Kuhlau, und „Abendlied" von K. F. Adam. Einlaßkarten zu 2 sind in der Hofmusikrlien- handlung C. A. Klemm, Neumarkt 28, im Teppich haus Frank L Co., Rathausring 10, in der Ge schäftsstelle des Deutschen Patriotenbundes, Blücher- straße 11, und an der Tageskasse am Völkerschlacht- Denkmal zu haben. * Bereinigter Mannerchor Leipzig, e. B. Die dem „Zöllnerbund Leipzig" angehörcndcn Gesangvereine „Euphonia", „Luscinia", „Glocke" und „Windrose" haben in einer außerordentlichen Generalversamm lung am 10. März den Beschluß einer Verschmelzung herbeigeführt und bilden nunmehr den Ver einigten Männe rchor Leipzig, e. V. Der seitherige verdienstvolle musikalische Leiter der ge nannten Vereine, Musikdirektor Ernst Richter, wurde einstimmig zum Lhrenchormeister des neuen Vereins ernannt. Als 1. Vorsitzender wurde Paul Zill und als Chormeister der Tonkünstler Rudolf Schneider gewählt. * Gastspiel „Die Schifibrüchigen" im Hotel Stadt Nürnberg. Am Montag, den 16. d. M., abends 8 Uhr 15 Minuten findet im Albert-Theater (Hotel Stadt Nürnberg) die Erstaufführung des mit Spannung erwarteten Tendenzschauipiels „Die Schiff brüchigen" statt. — Der Autor dieses Dramas, der durch seine „Rote Robe" in Deutschland längst povu- lär ist. hat mit seinem neuesten Drama ein ethisches Kunstwerk geschaffen. Noch kein Dichter hat in derart wahrer Art die Schattenseiten des Lebens beleuchtet. Er begnügt sich aber nicht, die Gefahren der gefähr lichen Seuche anzudeuten, nein, kein Winkel bleibt unbeleuchtet, in alleTiesen desAbgrunds,welcher sich dem Erkrankten eröffnet, läßt er den Blick des Beschauers eindringcn. — Mit der falschen Geheimniskrämerei und Heuchelei wird ein Ende gemacht, und die von der Seuche verschont Gebliebenen haben kein Recht mehr, den weniger glücklichen Erkrankten als einen Aussätzigen zu betrachten. — Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen, machen wir auf das nachdrück lichste aufmerksam, daß es im Interesse der deutschen Aerzteschaft liegt, dag auch jede Frau und jedes er wachsene Mädchen den Inhalt dieses Stückes kennen lernt. — Der Vorverkauf ist bereits eröffnet. * Der 1. Jüdische Theaterverein zu Leipzig ver anstaltete am Donnerstag abend im Nosental-Kasino eine Purimseier, mit der er zum ersten Male an die Oeffentlichleit trat. Als ein lustiger Theaterabend war die Veranstaltung gedacht, die diese Bezeichnung auch wirklich verdiente. Im Mittelpunkt des Avends stand der einaktige Schwank „Das Pulverfaß" von Gustav Kadelburg, man ersieht also, daß der Verein die Aufgabe, die er sich gestellt hat, recht ernst nimmt. Das für Dilettanten immerhin schwere Stück wurde vortrefflich gespielt und zwar traten besonders Alfred Muscatdlatt als Eichstaedt, Ernest Schnerr, der auch die Regie führte, als Dr. Vollmer, sowie die Damen Hedwig Grimm, Bertha Adler und Liesbeth Warschauer her vor Dem Stück voraus ging ein bunter Teil, den Las Wiener Salon-Orchester mit einigen Musikstücken einleitete, ein von Herrn A. Muscatblatt verfaßter Prolog wurde von Herrn G. Zeidler gut pointiert zum Vortrag gebracht, Fräulein Else Kober fang mit guter Sopranüimme einige Lieder von Erik Meyer-Helmund und Max Pelers, eine humoristische Duoszene „Iochens Liebcsstudien" wurde von den Herren Adolf Holzer und Ludwig Rosdeutjcher mit viel Humor gespielt und Herr A. Länderer vom Leipziger Schauspielhaus« gab mit einigen Kabarettvorträgen glänzende Proben seines Talentes. Die Stimmung des sehr zahlreich erschienenen Publikums war sehr animiert und so blieb den Vortragenden reicher Beifall nicht versagt. Ein Ball beschloß das schön verlaufene Fest, das der junge Verein als einen vollen Erfolg buchen kann. l'. Vermißt wird der in Leipzig am 20. Februar 1901 geborene Schulknabe Kurt Walter Müller. Er hat sich am 5. d. M. aus der elterlichen Wohnung in der Bülowstraße zu L.-Sellerhaujen entfernt, um in die Schule zu gehen, hat sich aber weder dort noch zu Hause wieder sehen lassen. Wahrscheinlich treibt er sich in der hiesigen Stadt herum. Wer etwas über seinen jetzigen Aufenthalt weiß, wolle der Kriminal-Abteilung oder dem nächsten Schutzmann Mitteilung machen. 1'. Wohnungsdiebstahl. Aus einer Wohnung in der Eisenbahnslraßc in vor einigen Tagen 1 goldene Damenremontoiruyr mit dem Monogramm K 0. im Wappenschildchen des Rückdeckeckels und der Gehäuse nummer 22 064, 1 goldene lange Damenuhrkette, 1 goldenes Gliederarmband und 1 goldener Opalring mit der Gravierung Ll. 6. oder K. 0. gestohlen worden. Der Dieb hat sich vermutlich mit einem Nachschlüssel Zutritt zur Wohnung verschafft. * Feuerbericht. Donnerstag abend wurde die Ostwache vom Melder Rittergut Stötteritz aus alarmiert. In einer Wohnung der Oberdorf straße 38 war ein Stubenbrand entstanden, der in wenigen Minuten von der Wache unterdrückt wurde. Geschäftsverkehr. Die Firma Henni^er L Co., Leipzig, G. m. b. H., schwer versilberte Bestecke und Tasclgeräte, eröffnet mit dem heutigen Tage ihre neuen Geschäftsräume in dem Neubau des Zentralmeßpalastes, Grimmaische Straße 16. Sie befindet sich nunmehr wieder an derselben Stelle, wo sie im Jahre 1869 eröffnet wurde, und wo sie sich das Vertrauen ihres ausgcbreitetcn Kundenkreises zu erwerben und 15 Jahre hindurch zu erhalten wußte. Der Verkehr mit der auswär tigen Kundschaft wird durch die alljährliche Heraus gabe einer illustrierten Preisliste, welche kostenlos zur Verfügung steht, hedeutend erleichtert und unterstützt. Aum Selbstmord des Monteurs cbtto Hetzer. Wie wir bereits in der gestrigen Abendausgabe unseres Blattes meldeten, hat der aus Leipzig ge bürtige Monteur Otto Heyer, der bringend verdächtig war. den Raubübersall an zwei Char lottenburger Damen verübt zu haben, in einem Walde zwischen Klosterrode und Emseloh Selbstmord durch Erhängen verübt. Bei der Leiche wurde, wie wir ebenfalls bereits meldeten, ein Brief gefunden, in dem Heyer seine Unschuld an dem Verbrechen beteuert. Der „Lok.-Anz." erfährt hierzu noch folgende Einzelheiten, die uns drahtlich über mittelt werden: * Halle a. S., 13 März. Der Monteur Otto Heyer, dessen Leiche aufgefunden worden ist, hat gestern abend in dem zum Rittergute Klosterrods gehörenden Walde Selbstmord durch Er hängen verübt. In einem ausführlichen Schreiben, das bei der Leiche vorgesunden wurde, teilt Heyer mit, was er am Sonntag, den 8., und am darauffolgenden Tage getan hat. Er schreibt u. a.: Am Sonntag, den 8. d. M., ver ließ ich meine Frau und ging in Leipzig zum Hauptbahnhof. Dort hatte ich mit einem Herrn, ebenfalls aus Leipzig, eine Zusammenkunft verabredet, der mir einen Handelsartikel auszu händigen versprochen hatte. Stundenlang hatte ich dortumsonstgewartet. Daesnun sofurchtbar regnete und ich keinen Schirm besaß, beschloß ich, die Nacht vom Sonntag zum Montag da selbst zu verweilen, zumal ich meiner Frau versprochen hatte, daß ich Donnerstag erst würde wieder nach Hause kommen. Ich setzte mich also dort im Hauptbahnhofe hin. Mein rotes Lederschreibbuch hatte ich neben mir auf der Bank liegen und beim Auf st eh en liegengelassen. Darin lagen die von mir geschriebene Postpaketadresse und Invalidenkarte mit letzter Quittung. Ich bin am Montag früh mit dem Zuge nach 8 Uhr nach Halle gefahren und hatte die Absicht, im Laufe des Vormittags in der Strafanstalt den Direktor zu sprechen, da ich mein Geld noch nicht hatte. — Er bestreitet entschieden, den Mordanschlag auf die Frau Wolter in Charlottenburg verübt zu haben. Soweit der Inhalt des Briefes. Er vermag uns allerdings nicht von der Unschuld Heyers zu über zeugen. Ein Grund z. B., die Nacht vom Sonntag zum Montag auf dem Hauptbahnhose zu ver bringen, lag doch wohl überhaupt nicht vor. Für zehn Pfennige hätte die Straßenbahn Heyer nach Stötteritz gefahren. Wenn Heyer aber, wie wir in der gestrigen Abendausgabe unteres Blattes mitteilten, als Hauptgrund seines freiwilligen Todes Angst vor der Untersuchungshaft angibt, so ist uns diese Erklärung eher ein Eruno für die Schuld als für die Unschuld Heyers. Der Mann, der den Raubüberfall an den beiden Charlottenburger Damen verübte, ist sowohl von der Frau Wolter als auch von dem Fräulein Simsohn gesehen worden, außerdem aber auch vermutlich von mehreren Hausbewohnern, denen er auf der Flucht zurief: „Es brennt bei Wolters, ich hole die Feuerwehr. War Heyer also wirklich nicht der Täter, so hätte er eine Gegenüberstellung mit den beiden überfallenen Damen nicht zu scheuen gehabt. Er wird aber wohl gewußt haben, daß man ihn in diesem Falle un bedingt erkannt haben würde. Dazu kam sicherlich die Erkenntnis, daß ihn bei seinen vielen Vorstrafen eine exemplarische Zuchthausstrafe treffen würde. Alles dies wird ihm wohl Anlaß gegeben haben, seinem Leben ein Ende zu machen. Sächsische Nachrichten Dresden, 13. März. * Hofnachrichten. Der König nahm heute vor mittag die Vorträge der Staatsminister und des königlichen Kabinettssekretärs entgegen und gedenkt heute abend die Vorstellung im König!. Schausviel haus zu besuchen. Gegeben wird aus allerhöchsten Befehl das Lustspiel „Die Welt, in der man sich langweilt". * cv-il. Zittau, 13. März. Die Einfuhrstelle Zittau ist für die Einfuhr von Nutz- und Zuchtrindern aus Oesterreich wieder geöffnet worden. * Bischofswerda, 13. März. Als am Dienstag abend Frau Gräfe, diß Gattin des Herrn Reichs tagsabgeordneten Gräfe, an einer Tauffestlichkeit teilnahm, machte ein Schlaganfall ihrem Leben plötzlich ein Ende. * Löbau, 12. März. Beim Schmieren einer Weiche wurde heute vormittag der etwa 40jährige Weichen wärter Bähr aus Alt-Löbau von einer Rangier lokomotive überfahren. An den schweren Verletzungen ist Bähr bald darauf im städtischen Krankenhause gestorben. Nachrichten vom Tage. * Ein mysteriöser Selbstmordversuch wird aus Berlin, 13. März, gemeldet. Auf dem unbebauten Grundstück an der Ecke der Gotland- und Ibsenstraße wurde ein anscheinend den bemittelten Ständen an gehörender etwa 43 Jahre alter Mann mit einer stark blutenden Halswunde in besinnungs losem Zustande aufgesunden. Ein Schutzmann transportierte ihn mittels Kraftdroschke nach der Unfallstation in der Eaudystraße, wo der Arzt Schnittwunden konstatierte, die der Unbekannte sich mit einer bei ihm Vorgefundenen Schere bei gebracht hatte. Nach Anlegung von Verbänden brachte man ihn nach dem Virchow-Krankenhause. Persönlichkeit des Schwerverletzten und Beweggrund zur Tat sind noch unbekannt. * Säbelduell. Aus Pari», 13. März> wird ge meldet: Die beiden Dramaturgen Jacques Richepin, Sohn des Akademikers Richepin, und Pierre Frondaie haben heute vormittag ein Säbelduell ausgefochten. Der Kampf war leb haft Beim zweiten Gange erhielt Frondaie eine leichteWunde am Unterarm, die den Zweikampf beendete. Die Gegner trennten sich unversöhnt. * Reiches Vermächtnis. Aus Paris, 13. März, wird gemeldet: Der verstorbene Begründer des „Matin". Edwards, vermachte fein gesamtes Ver mögen in Höhe von nahezu 6 Millionen Franken der Schauspielerin <m der Comödie Fran.wisc, Frau Cclona Romano, der intimsten Freundin feiner im Rhein ertrunkenen Gattin Lanthclmo. Die Künst lerin wird aber verpflichtet, einige Legate zu ver teilen. * Drohender väckerftreil in Pari». Ein Tele- gramm meldet aus Paris, 13. März: Der hier im Vorjahre ausgebrochene, aber bald wieder beigelegte Bäcker streik droht sich zu wiederholen. Die Bäcker in Paris und im Seine-Departement ver langen den FortfallderNachtarbett. Ferne: wünschen sic eine Aenderung der bisherigen Wochen ruhezeit und eine Lohnerhöhung. Es haben bereits Versammlungen stattgefunden, in denen diese Forde rungen ausgestellt wurden. Sollte diese nicht be willigt werden, so sind die Bäcker entschlossen, er neut in den Streik zu treten. * Schweres Verbrechen. Telegraphisch wird aus Paris, 13. März, gemeldet: Nach einer Meldung aus Rennes drang nachts der 17 Jahre alte Pierre Mare in die Wohnung der Witwe Cariou ein und versuchte die Frau zu vergewaltigen. Da sie Widerstand leistete, zerschmetterte er ihr mir einer Flasche den Schädel. Die Frau liegt lebensgefährlich verletzt danieder. Der Bursche wurde verhaftet. * Sultan und Eroßwesir. Der soeben verschiedene Senatspräsident Kiitschük Said Pascha, der neunmal di« Würde eines Eroßwesirs bekleidet har, soll vor wenigen Jahren seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben haben, und aus diesen- hat ein italienisches Blatt unlängst eine hübsche Einzelheit mitgeteilt, die die Stellung Said Paschas zum Sultan Abdul Hamid gut kennzeichnet. Es war im Jahre 1883; Said Pascha war damals zum zweiten Male Eroßwesir. Mitten in der Nacht läßt ihn der Sultan zu sich entbieten und hält ihm ein Schriftstück vor, das eine furchtbare Anklage enthält; er wird beschuldigt, eine Palastrevolution angezettelt zu haben, durch die der Sultan abgesetzt werden sollte Said Pascha antwortet, das sei eine böswillige Ver leumdung, aber der aufgebrachte Abdul Hamid über häuft ihn mit Schmähungen und verlangt, er solle sofort das Staatssiegel zurllckgeben. Der Eroßwesir hat das Siegel natürlich nicht bez sich und erbietet sich daher, es zu holen. Abdul Hamid aber zirht einen Revolver aus der Tasche, richtet ihn auf den Eroßwesir und schreit wütend: „Wenn sich das Staats siegel nicht in deinem Portefeuille befindet, verläßt du diesen Raum nur noch als Leiche." Der Groß wesir bittet darauf, man möge dann seinen Sekretär schicken, um das Siegel zu holen, und sagt dem Sultan, er könne es doch erst suchen lassen und ihn dann noch immer töten. Damit ist Abdul Hamid ein verstanden; der Sekretär wird geschickt. Das Siegel findet sich natürlich, aber der Sultan fährt fort, seinen Großwesir zu beschimpfen, und behauptet, er habe Kurden in den Palast eingeschwärzt, die ihn »mbringen sollten. Mit vorgehaltenem Revolver zwingt er Said Pascha, ihm zu folgen, und sperrt ihn 'schließlich in ein Zimmer ein. Hier muß Said Paschr volle 18 Stunden als Gefangener sitzen, bis schließlich die tatkräftige Einmischung des englischen Bot jchafters Lord Dufferin seine Befreiung erzwingt Und nach diesem Erlebnis übernahm Said Pascha noch weitere drei Mal das schwere Amt eines Groß wesirs unter Abdul Hamid! Zirkus Cortq-Althoff. Direktor Vierre Althoff, der alleinige Eigentümer dieses altbekannten, seit über 60 Jahren in allen Großstädten bestens ein geführten Unternehmens, hat soeben sein überaus er folgreiches Gastspiel in London beendigt. In dem dortigen Riesenbau „Olympia" wurden dem genialen Dresseur und großzügigen Organisator gelegentlich der Abschiedsvorstellung lebhafte Ovationen zuteil, überhaupt bildet der Erfolg von London ein weiteres Glied in der Kette der Triumphe, die „Corty-Althofi" während seines 60jährigen Bestehens und Herr Direktor Althoff innerhalb seiner 26iährrgen Direktionstätigkeit erworben hat. Mittels zw.i Dampfern der „Batavier Lijn" wurde das gesamte Tiermaterial, Requisiten usw. nach dem Kontinent, zunächst nach Rotterdam, befördert, von wo aus dann die diesjährige Tournee durch Mitteleuropa an getreten wurde. Die Vorbereitungen zu dieser Gast spielreise des Millionenbetriebcs „Corty-Althofi" sind schon seit längerer Zeit betrieben worden, gegen wärtig bereisen die einzelnen Abteilungschefs die an der Tournee gelegenen Stätte, um die bedeutenden Abschlüsse betr. Plätze, Lieferungen, Reklamen usw zu vollziehen, nachdem die Verhandlungen mit Be Hörden betr. Genehmigungen und geeignete Ec lände zur Aufstellung der großzügigen Anlage be endet sind. Wenn man bedenkt, daß „Corty-Althofi" mehrere hundert Menschen in seinem Betriebe bc schäftigt, daß er einen ständigen Marstall von über hundert Werden sowie eine große Anzahl exotischer Tiere mit sich fiHrt, daß er 65 eigene Wagen zum Transport seines Materials benötigt und daß neun Zeltbauten Raum für die Aufführungen bieten, kann man von diesen hochinteressanten Produktionen nur das Beste, was die Zirkusmanege bieten kann, er warten. Das Neueste von der Trauringmode. So lvcnig der Trauring eigentlich mit der Mode mitgehen kann, io wechselt seine Form dennoch: bald ist er breit, bald schmal, entweder schlicht oder verziert. Fast immer aber war er aus Gold. Nun kommen Li« Amerikaner — bei denen übrigens nur die Frauen Eheringe tragen — mit einer neuen Trauringmode: keine Amerikanerin nimmt von ihrem Gatten einen Trau ring an, wenn dies nicht ein ganz zartes Reiflein au'- Plattn ist. Der Grund für dre Wahl dieses Metalle« ist ein doppelter: Platin ist bedeutend teurer, als Gold, außerdem aber auch haltbarer, und was für große Ansprüche die Amerikanerin an die Dauci Hastigkeit ihres Eheringes stellt, ist ja sattsam be kannt. * Der rebellische Papagei. Eine lustige kleine Geschichte von dem Besuch, den König Georg von England der Umgebung von Blackburn ab stattete, erzählt ein englisches Blatt. Der Portier eines Hauses, das der König besichtigen sollte, besaß zwei Papageien, von denen der eine sprech faul, der andere aber sehr sprcchlusttg war. In Er Wartung des hohen Bejucbcs lehrte der Portier seinen zweiten Papagei „Gott erhalte den König" sagen. Das Tier war gelehrig, und bald schmetterte es alltäglich unzählige Mate die gc lernten Worte. Endlich kommt der große Tag. Es klappt auch: Als der König das Haus betritt, schnarrt der Papagei: „Gott erhalte den König, Gott erhalte den König, Gott erhalte den König!" König Georg blieb lachend stehen. Aber seine Heiterkeit kannte keine Grenzen mehr, als plötzlich unvermutet und programmwidrig der zweite Papagei dazwischenfuhr: „Sei still, alter Esel." -lus Leipziger Innungen. * Tie diesige Perücken in achcr-Zwangsinnung die seit 1667 besteht, aber infolge eines Versehens der Behördc zu einer Namensänderung genötigt war und seitdem durch eine ungünstige Berwaltunasvrari« außerordentlich leidci. hat sich um Abhilfe in einer Bittschrift an den Landtag gewendet
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