Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.03.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191403084
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140308
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140308
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-08
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sonntags - Ausgabe Nr. 122 Sonniss, üen s. MSrr 1914 Gefängnis verurteilt. Was leibt ,o lörse ant- Ma- ester . der sein. To. and, eich- rich teten Im Reichstag begann am Sonnabend die zweite Lesung des K o l o n i a l e t a t S. (S. Art. u. Ber.) * In Kopenhagen ist ein großes Zirkus gebäude völlig niedergebrannt. (S. Nachr. v. Tage.) runa gen ück- eise« htet. imar * Das Für st en paar von Albanien ist am Sonnabend nachmittag 3 Uhr in Durazzo ein» getroffen und feierlich empfangen worden. (Liehe bes. Artikel.) Vas wichtigste. * Der Kaiser ist ain Sonnabend nach kur zem Besuch in Bremen nach Berlin zurückge- kehrt. .(S. Pol. Uebers.) k>oliMeke UeberlieM Ver Kaiser in Sremen. Der Kaiser verließ die „Deutschland" am Sonn- abend vormittag »/>12 Uhr und landete vor der Lloyd- Halle in Breme r'haven, wo die Kriegcrver- einc der Unterwcserorte (etwa 800 NiAnn > und die Jugendvereine Aufstellung genommen hatten. Der Kaiser schritt die Front ab und zeichnete verschiedene Kameraden durch Gespräche aus. Um 11,45 Uhr verließ der Hofzug den Bahnhof der Lloyk- hallc nach Bremen. Dort wurde der Kaiser vom Präsidenten des Senats, Bürgermeister Stadt länder, empfangen. Nach herzlicher Begrüßung be gab sich der Kaiser unter lebhaften Kundgebungen des Publikums nach dem Ratskeller, wo ein Frühstück stattfand. Nach etwa zweistündigem Aufent halt im Ratskeller begab sich der Kaiser mittels Automobils nach dem Hauptbahnhof, auf dem Wege dorthin vom Publikum lebhaft begrüßt, und fuhr von Bremen, nachdem er sich vom Bürgermeister Stckdr- länder in herzlicher Weise verabschiedet hatte, um 3,15 Uhr nach Berlin ab. * Wegen Beleidigung des deutschen Kronprinzen wurde dec Redakteur des „Bor- wärts" Dr. Ernst Meyer von der vierten Strafkammer des Landgerichts I Berlin zu drei M vnaten u. Ger.) ISS. Jahrgang tür Saserat« au* Leipzig ua- Umgedun- SI« . ispaUtg»Petit,»NeroPf-,ül« N»kiamr,»i<« 1 M„ von auvwort» A0 Pf., Neklamen 1.2» M., «leine ftnzet-en »tepetitzeile nur 2»pf.d.wt«-«rh»i.Nab.,dasrrote oonSehürSen im amiliOenLeN Sie Petit zeil» Pf. Veschüftvanzeigen mit plabvorfchrlft im Preis» «rdiiht. Nadatt na» Lartf. Srilogr«-S»samtauft.sM. So»Lausend auvschl poNgedühr. flnzeizen-Nnuahm«: lohaani-galsr», dei sSmt»»en fuiaien Se» keipzi-er Losedlatte» unS allen ftaavncra-rxpeSttioneo Se» Sn» un» NuslaaSe». O«s»<M»steU, für Serlln «.Sie pr.VraaSendura: dlrektionwalterZliegel, Verlln w. 1». MargarethenftroS» «. Zerasprech-MnfchluA: Lüyow »»71. kür Leipzig uns Vorort» Sur» unser« Lrü-er vkAUAVPr »If k. unS SpeStteur» LmailSglt» in» yau» gedrochtr monatli» t.rs M., vierteliSdrlt» z.7» M. Sei oer Oefttcäftsftell«, unsren Filialen unS SuogadeNellen abgekolt: monatlichtM.,ot«rteliährli»AM. Vnrch Sie poft: innervald LcutschlanS» uns Ser Seutschen «olonien monatllch l.r» M., oierleliahruch 4.S» M.. auss»lieKU» poftdefteUgetS. va» LelpzigerLagedlatt erscheint werktags Lmal,Sonn-u Zeiertag»Imal. 0n Leipzig, Sen NaGdarorten unü Sen Orten mit eigenen ZUialen wirS St« ftdeoSauogod« noch am ftdenS Se» Lrschrtnen» in» hau» geUefert. Srrttarr Ueüakttoar dn Sen Zelten 17, Zerasprech-sinlchluZi Moadtt Ur. «07. Neichspartei un- Volksschullehrer. Die „Natl. Küirr". schreibt: „Unter den in dem bekannten Antrag des national liberalen Abg. Schiffer betreffend Einleitung einer Novellengesetzgcbung für einzelne Teile unseres Rechts ausge,zählten Materien befand sich bekanntlich auch die Forderung der Zulassung der V o l k s s chu l - lehrer zum Ehrenamt der Schöffen und Ge schworenen. Dieser alten Forderung ist am 19. Fe bruar der Reichstag mit großer Mehrheit beigetreten. Das war zu erwarten, nachdem der Reichstag sich bereits vor drei Jahren dafür ausgesprochen hat. Die einzige Partei, die jetzt Schwierigkeiten machte, war die Reich spart ei. Es war Herr Mertin, der mit den alten Einwänden kam. daß die Interessen der Schule darunter leiden würden, und daß die Lehrer dei ihrem Ausschluß von diesem Amt sich in der guten Gesellschaft von Ministern, Senatsmitgliedern, Richtern usw. befänden. Diese Stellungnahme mußte um so mehr auffallen, als vor drei Jahren selbst die radikalsten Agrarkanservativötz'. gewissermaßen Harakiri vollzogest ü»lv -sich zu der Forderung bekannten, die sie noch wenige Wochen vorher so eifrig wie möglich bekämpft hatten. Die Nationalliberalen hatten bekanntlich schon im Winter 1000 im preußischen Abgeordnetenhaus«: einen Antrag Schiffer-Magdeburg zur Debatte gestellt, j.bei der be- . vorstehenden Umgestaltung des Gerichtsverfassungs gesetzes den Ausschluß der Lehrer von der Berufung zum Schöffenamt zu beseitigen oder erheblich einzu schränken". Damals war der Antrag in der Unter richtskommission mit 9 Stimmen der Rechten, des Zentrums und der Polen gegen 8 Stimmen gefallen. Der Vorgang wiederholte sich dann 1911 in der Justiz kommission des Reichstags; auch hier wurde der nationalliberale Antrag von Konservativen und Zentrum unter polnischer Führung nieder gestimmt. Welch böse Stimmung diese Haltung unter den Lehrern auslöste, erkannten recht zeitig die Abgg. Kreth und Dr. Diederich Hahn, wobei die bevorstehenden Reichstags wählen das ihrige getan haben mochten: die beiden brachten zur zweiten Lesung des Gerichtsocrfassungsgesetzes im Plenum den Antrag ein, die Bestimmung, die das Verbot der Zulassung enthielt, zu streichen. Man er innert sich noch der Heiterkeit, mit der damals Herr Hahn im Reichstag empfangen wurde, als er den Antrag begründete. Wie recht diejenigen hatten, die darauf hinwiesen, daß lediglich die bevorstehen den Reichstag swahlen die Triebfeder zum konservativen Umfall waren, das zeigt jetzt die ttzegnerschaft der Reichs Partei. Wie wenig stichhaltig gerade die Einwendungen des Herrn Merlin sind, das mag er in der damaligen Umfall rede des Herrn Diederich Hahn nachlesen. Da gestand der bekehrte Bundcsdirektor, eine etwaige Beeinträch tigung der Schule würde nur geringfügig und selten sein, und weiter zählte er eine solche Menge von Vor teilen aus, die der Rechtspflege aus der Zulassung der Volksschullehrer erwachsen würden, daß man sich eigentlich wundern muß, daß das jetzt alles wieder hinfällig sein soll. Sollte da nicht die Vermutung nahe liegen, daß die Herren sich doch von anderen als sachlichen Gesichtspunkten leiten lasten? Mag dem aber sein wie ihm will: jedenfalls wirft die jetzige Ablehnung der Forderung durch die Reichs- pärtci auf diese ein recht bezeichnendes Licht." Umschau. Leipzig, 7. März. geht uns das eigentlich an, wenn slch die badische Negierung die Gelder für eine Gesandtschaft in München vom Land tage bewilligen läßt? In der sächsischen Zwei ten Kammer ist es ja wiederholt zu ähnlichen Auseinandersetzungen gekommen, nämlich über die Gesandten in Wien und München, und wir lind belehrt worden, weshalb sie notwendig seien. Recht überzeugt haben uns die Gründe nie. Das Bemerkenswerte an dem Vorgang in Vaden war indes diesmal die Tatsache, daß die Regierung außer ihren früheren Anführungen einen neuen Grund geltend machte, und zwar einen für die „Reichsregierung", insbesondere den Reichskanzler, peinlichen Grund: die an gebliche Notwendigkeit, die Einzelstaaten gegen eure bedrohliche ReichSsteuerpoluik zu schützen! Nun hat aber die badische Regierung der letzten Steuergesetzgebung im Bundesrat zugestimmt und die bayrische Regierung hat sogar nach der Erledigung der Dectungsvorlagen dem Reichstag durch ihr Amtsblatt, die „Bayr. StaatSztg.", den Dank für seine „nationale Tat" ausdrücklich bescheinigt. Nur Sachsen mit den Fürstentümern Neuß hatten dagegen gestimmt. Und nun hören wir: der badische Ge,andtc ist in München auch deshalb notwendig, weil die Einzelstaaten sich durch diese Steuergesetz gebung bedroht fühlen. Um alles in der Welt: wir bringen da keinen rechten Sinn hinein! Sinn hätte das doch nur, wenn die bayrische Regierung heute das verurteilte, was sic vo riges Jahr in schwungvollen Worten lobte. Aber noch unverständlicher war es, daß als weitere Zutat zu dieser Schüssel der — preußische Parti- kularismus herangczogen wurde. „Welch eine Fülle der Gesichte!" Wir waren der naiven Meinung: wenn sich der preußische Par- tikularismus lästig mache, und das tat er ja allerdings nach Kräften, jo sei es für national gesinnte Politiker selbstverständlich, daß sie, ein gedenk der ganzen Geschichte des Reiches, nur einen Hort aufzurufen Hütten: den Reichs gedanken? Den und nichts anderes mußte man von hoher Warte hinausleuchten lassen, um die grauen Gespenster des Partikularismus zu ver scheuchen. Statt dessen, ihr wackeren Badenser, ruft ihr den eigenen Partikularismus zur Gegen wehr auf. Als wenn der schöner wäre! Eine Schnurre. Ein Mann, der an einer roten Nase litt, wendet sich auf eine Zeitungsanzeige hin an einen Fabrikanten, der ein unfehlbares Ge genmittel anpreist, und er erhält die Antwort: Trink, bis sie blau ist. . . Doch der Spaß vergeht einem, wenn selbst liberale Blätter allen Ernstes auf das gleiche Rezept verfallen und den süddeutschen Partikularismus gegen den preußischen ausgespielt wissen wollen. Als wenn es vom „Preußenbund" nicht ausdrücklich gesagt worden wäre, daß er dem „gesunden Partikularismus" allenthalben ein fröh liches Auferstehen wünsche! Als wenn noch zu verkennen wäre, daß hinter dem verkündeten „Zusammenschluß der süddeutschen Staaten" doch mehr steckt, als ein freundnachbarlichcs Gefühl. Man will, das ist ja mit aller Deutlichkeit gesagt worden, Politik machen, eigene Politik, und eigene Politik, zunächst als einzclstaatlichc Notwehrpolitik gegen das begehrliche Reich ge dacht, wird ganz von selbst zur S on d er Politik. Die „Kreuzztg." und die „Deutsche Tagcszta " haben einige unserer Anmerkungen zu dieser Befürchtung wiedergegeben, aber mit einem Fragezeichen versehen. Wir verstehen das Frage- zeichen. Der Hinweis aus die Gefahr, die ra diesem Getriebe liegt, patzt nicht tn ihren /lnrtsblcckt des Rates rurd despolizercrrnLes der Stadt Leipzig »«üaktloa und Seschüst»ft«ll«: Johanoisgoff« Nr.». » Zrrnspr«ch.NaschluS Nr. 1»»«, 1»b»r und Der VueUunfug wird in der neuen Woche im Reichstage auf Grund' einer Zentrumsinterpcllation wieder einmal zur Sprache gebracht werden. Während in der „Tgk. Rdsch." Herr von Sitzmann die Zweckmäßigkeit dieser Erörterung bestreitet und behauptet, das Duell laste sich überhaupt nicht ausrottcn, schreibt ein konser vativer westfälischer Edelmann der „ öln. Volksztg.", daß er erwartet, daß nun endlich a..ch sein« engeren Parteifreunde sich zu eurem ener gischen Entschluß gegen das Duellunwesen aufraffen: „'Wenn der Metzer Fall die Wirkung Haven sollte, den zahlreichen Konservativen, welche prin zipiell Duell-Anhänger sind, die Lugen zu öffnen, so daß sie endlich einmal die Konsequenz und Logik fänden, zum mindesten den Zwang zum Duell, wie er tatsächlich im Offizierkorps geübt wird, rückhaltlos zu bekämpfen, so hätte der traurig« uiid beschämende Fall doch noch eine gute Folge. Ob die Herren aber soviel Konsequenz aufdringen werden? Wenn nicht, so dürfen sie sich auch nicht beklagen, wenn in weitesten Kreisen ihre „christlichen Anschauungen" etwa« lkeptls ch beurteilt werden. Wenigstens ist ihnen Ver Kolonialetat. (St'i m m u n gs bi ld aus dem Reichstage.) . O Berlin, 7. März. Im Reichstag begann heute die Beratung des K o l v n i a l e t a t s. Mit dem steht cs nicht anders als mit dem Marineetat, von dem wir über den Un terschied zwischen «inst und jetzt neulich hier schrieben: Auch die Erörterung des Kvlonialetats gehört« in früheren Zeitläuften zu den stürmischsten Tagen ganz erster Ordnung; es wurde bei dieser Gelegenheit mit Enthüllungen gearbeitet und mit allerlei Küsten- tlatsch, und in breiten, zischenden Strömen ergoß sich die Entrüstung in den Reichstagssaal. Wer jene, ja nicht gerade erfreulichen Jahre noch in der Erinnerung hat, den berührt, was sich heute begab, doch nur wie ein mildes Säuseln. Der sozialdemokratische Herr Dittmann, der den Reigen eröffnet«, zog ja freilich noch recht starke Register; unter anderem hatte er di« Freundlichkeit, unsere ganze kolonialpolitische Tätigkeit nach der Art dieser angeblich „Historisch-Ockonomischen" ein „Stück aus dem Tollhaus" zu nennen. Aber was ist das alles gegen den Titanentrotz, den ehedem Herr Bobel bei diesen Anlässen spazieren führte. Sie sind alle vom Schauplatz abgetreten, die in den Anfängen unserer Kolonialpolitik sich ingrimmig befehdeten und ihr so oder so Steine in den Weg warfen. Bebel ist tot und Karl Peters liegt schwer, und wie man wohl sagen muß, unheilbar krank in Partenkirchsn danieder. Der Abg. Arendt, der in sich selber ja ein gut Stück dieser Entwicklung ver körpert, hatte ganz recht, wenn er in einer im übrigen recht verständigen Rede solchen Unterschied der Zeiten heraufbeschwor. Ihm und namentlich dem nationalliberalon Sprecher gebührte das Ver dienst, gegenüber den sozialdemokratischen Narreteien und den Uebertreibungcn, in denen sich Loch auch Herr Erz beiger gefiel, festzuhalten, was durch unsere Kolonialpolitik für unsere deutsche Volkswirtschaft bereits erzielt ward. Ganz wunschlos war im übrigen auch Herr Kei nath nicht. Er meldete vielmehr eine ganze Reihe von Forderungen an, die, wie der Ausbau der Rc- gierunqsschul«n, die Sicherung der Rechtsverhältnisse und eine planmäßige Eisenoahnpolitik, in der Tat zum Gedeihen in unserem überseeischen Deutschland unerläßlich sind. Auch die kleinlichen Händel in der Beamtenschaft und die Eifersüchteleien zwischen ihr und den Pilanzern und Missionaren, die immer wieder durch die Vermittlung gewißer Blätter an das Ohr des Mutterlandes schlagen und bei allen Unbefangenen, gelinde gesagt, höchst verstimmend wirken, finden in dem nationalliberalen Redner einen unnachsichtigen Kritiker. Aber er übersah dabei doch auch nicht, wie gesagt, den Wert der bisherigen Leistung und neben den Flecken nicht die vielen Lichtseiten. Dies erkannt« ja freilich auch Herr Erzberger an, aber der Zentrumsgewaltige war doch heute auf einen recht verärgerten und herrsch süchtigen Ton gestimmt; entrüstete sich hauptsächlich über die HaussÄaverei und gab dem Staatssekretär der Kolonien gebieterisch auf, binnen kurzer Frist für Abstellung dieser Beschwerden zu sorgen. Sonst — ja, was das Zentrum sonst zu tun gedenkt, verriet Herr Erzbevger nicht, aber man hatte das allerdings nicht ohne weiteres durchbohrende Gefühl, daß Herr Erzberger «in« fürchterliche Drohung auszustoßen wünschte. Der Staatssekretär selber griff heute noch nicht in die Erörterung ein: Vermutlich ersehnte sich Herr Dr. Sols denn doch ein etwas zahlreiä^eres Publikum, als heute das arg dezimierte Haus cs dar stellte. Streifen. Sie wollen es nicht Wort haben, daß leider Gottes aus dem Spielen mit den parti- kutaristischen Neigungen ein Reichsschadcn zu werden droht. Was wir jetzt vor Augen sehen, ist die Folge einer schwachen Führung dec Reichs politik. Wir haben vor kurzem erlebt, daß sich der vielgeseierre Miuisterpcä,ident v. Hertling un bayrischen Parlament etwa so aus,prach, als fühle er sich bereits stark genug, um die Rolle des Nebenkanzlers zu spielen. Wie angenehm für ihn, wenn ihm nun sogar von liberaler Leite die Führerschaft der süddeutschen Staatengemein- schüft zugescyrieben und München mecdeucig als der neue „Brennpunkt politischer und wirtschaft licher Fragen" bezeichnet wird. Mag man das altes so harmlos deuten, wie man will: diese Entwicklung stimmt nicht überein mit dem, ivas uns seither ms Reicyspraxis selbstverständlich war, ist jedenfalls keine Elllwicclung des füde- raclven Eyaracters des Reiches, die der unbe dingt notwendigen E in h e i t t i cy t e i t der inne ren und äußeren Reicyspolitit zugute lommen wird. Der Aufbau der Reichs0lganisation ge stattete den Einzelstaaten voctaus oce fördern.cg aller Ausgaben der Landcspolinl, uno das; sicy dies dura) die Reichsvermöglnszuwachssteuer ge ändert habe, wird zwar behauptet, aver incyL bewiesen. Wenn jetzt die Einzelstaaten dazu über gehen sollten, außerhalb des Äundesrales Zu sammenschlüsse zu reichspolitischen Zwecken zu suchen, ,o kann selbst bet den besten Aoscchten eine schädliche Verwirrung nicht ausbleiben. Das kann unS nicht gleichgültig sein. Es tut nach wie vor not, jeder Rückbildung der Reichsgrund lagen zu widerstehen, denn nationale Gebilde werden am bepen erhalten, durch die Kräfte, die sie geschaffen haben. Wir wissen doch auch, wie au,merksam unsere Gegner unsere innere Entwicklung verfolgen und wie gern sie jede Erscheinung, die ms Schwächeanwandlungen und innere Lockerung des Reichsgefüges gedeutet wer den kann, als eine Bestätigung ihrer Berechnun gen buchen... ' Berechnungen mit starken Fehlerquellen na türlich. Dafür gab es ja diese Woche ein lehr- ' reiches und zugleich tröstliches Beispiel. Alte Scherzfrage: Wce denken Sie über Rußland? Zurzeit nicht even gut. Bismarck hat einmal gesagt, die „Kölnische Zeitun g" habe ihm IVM die Dienste eines ArmeclvrpS geleistet. Vs wäre überschwänglich, dem Blatte auch ein ähn liches Verdienst zuzuschrciben wegen seines Hin weises auf die russischen K r c e g S r ü st u n - gen an der Westgrenze. Die „Köln. Ztg." hat diese Rüstungen nicht zu entdecken brauchen; sie waren bekannt. Auch ist es doch wohl ausge schlossen, daß unser auswärtiges Amt etwa ebenso überrascht worden wäre wie von der Gründung des BalcanbundeS. Immerhin — man hat so seine Gedanken. Geschadet hat der Vorstoß oer „Köln. Ztg." nichts oder nur insofern, als die russischen Werte an der Pariser und Petersburger Börse herunterrutschten wie die Purzelmünncyen, mso daß dem russischen Finanzmiluster ein Wehruf entfuhr. Mit seiner Berichtigung, wonach die Kölner Neuigkeiten „jeder Begründung ent behren", wird er den Schaden nicht ohne wei teres gutmachen. Wenn ihm daran liegt, seine Finanzpolitik vor unliebsamen ^Störungen zu schützen, so wird er mit dem Kriegsminister ein vertrauliches Wort sprechen müssen, und das wird er ja auch vermutlich bereits getan haben. Die österreichische „Militärische Rundschau", ein Blatt, das der Regierung verantwortlich ist, be hauptet, daß das russische Kriegsministerium für das Frühjahr eine große P r o b e m o b i l i s i e - rung plane, für die L66 Millionen Kronen auf gewandt werden sollen. Ist das richtig, so hat man wieder einen Beweis für die Unergründ- lichkeit der russischen Politik. Eine solche Summe steht außer Verhältnis zu einem friedlichen mili tärischen Zweck, und überdies wissen wir ja auch aus den Probemobilisierungen der zwei letzten Jahre, daß sic politischen Absichten dienten. Möglicherweise liegen auch gewisse Verpflichtun gen vor, die man bei dem tctztcn großen Pump von Milliarden Franken in Paris wohl oder übel eingchcn mußte. Der französische General stab soll nämlich, wie die Pariser Presse aus plauderte, herausgesunden haben, daß Rußland außerstande sei, im Falle eines Krieges mit Deutschland den Aufmarsch eher zu vollziehen, als an der französischen Grenze Entscheidungen fallen können. Das heißt: der französische Gc- neralstab sicht nicht ein, weshalb Frankreich im ganzen zwanzig Milliarden dem großen Ver bündeten in die allezeit offenen Hände geworfen hat, wenn cs damit rechnen muß, vielleicht einen Monat oder gar länger in derselben Lage zu sein wie 1870. Ein Monat ist bei einem Kriege eine lange Zeit. Um diese Sorge zu heben, soll also Rußland durch Probemobrlisicrungen den nötigen Ausgleich schaffen. Eine glaubliche Les art. Aber cs ist klar, daß diese sreundwillige Gefälligkeit nicht ins Grenzenlose fortgesetzt wer den kann. Das ist der böse Punkt. Es kommt ein Entweder-Oder. In Oesterreich, das noch unter dem Ein druck der früheren Kriegsvorbcreitnngen an sei nen Grenzen steht und die Kosten der Gegenmaß regel noch nicht verwunden hat, fürchtet man eine Wiederholung dieses üblen Zustandes. Da für liegen aber keine bestimmten Anzeichen vor. Ist Sofia »vie in Belgrad und Athen überbietet man sich irr Versicherungen des Ruhebedürsnisses, und halten die Balkanstaaten Ruhe, so zehlt der Grund für eine Einmischung der russischen Politik. Der Ausstand in Epirus wird in Athen wie eine nebensächliche Störung be handelt, an der man keine Schuld trage. Man bemitleidet die griechischen Brüder, die sich in die von den Mächten angeordnete Abgrenzung nicht fügen wollen, nnd scheut cs, ihnen durch eine unzweideutige Zurechtweisung wehe zu tun. So will es denn der Gang der Tinge, daß Fürst Wilhelm zu Wied heute nachmittag sein Land betritt, zwar unter großem festlichen Gepränge und unter begeisterten Frcudenkund- gebungen der aus allen Teilen des Landes herbei geeilten Albanesen, aber doch unter den» Druck der ersten großen Sorge, was dort in» Süden des Landes die nächsten Tage werden soll. ES ist ein „romantisches Stück", das dort heute nach einem langen Vorspiel einsetzt. Dem deut schen Fürsten, der mit der Ehre und dem An sehen seines Hauses auf den Plan tritt, sind viele guten Wünsche auf den Weg gegeben wor den, und wenn seine Fahrt vorläufig der Lieb- lingsgegensland unserer Witzblätter ist — cs läuft da viel dummes und cinfäiliges Zeug unter — so wird er, hoffen wir, deutscher Art nnd Tüchtig keit so viel Ehre machen, daß er dieses zum Teil recht widerlichen Gehcchels spotten kann. Das weiß er, in welchem Zustande er das verwahrloste Land antrifft, und was seiner wartet. Eine Krone zu tragen — das ist kaum das lockende Glück. Wie sagt der humoristische alte Hebel so hübsch: „Die goldene Kronen drücken schwer, 'S isch nit als ob's e Strohhut wär." Aber eil» gutes Stück Arbeit leisten im kultur fähigen Lande, das Leben cinsetzen, dem Schicksal die Gunst abringen und dann einer Krone wert sein — das ist ein Wille, den wir zu achten haben.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite