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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.03.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140306028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914030602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914030602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-06
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Seite 2. Nr. 119. Nvenü-Llusgavr. Leipziger Tageblatt. /reuag, 6. ütärz 1914. mit dem Etat zv verabschieden, es wird sich also bereits in den nächsten Wochen bis Anfang April übersehen lassen, welche Gestaltung die ReichS- besoldungSnovelle annehincn wird. Das preu- ßischc Abgeordnetenhaus will vorläufig eine ab wartende Stellung einnehmen und die Beratun gen im Reichstage über die Besoldungsfragen erst zum Abschluß kommen lassen, ehe das Ab geordnetenhaus selbst zu diesen fragen Stellung nimmt. Im Abgeordnetenhausc wird die Be- soldnngsnovclle also erst nach Ostern beraten werden. Eine Irreführung -er Arbeiter -urch Sen ,vorwärts*. Der „Vorwärts" beschäftigt sich in seiner letzten Hfiunmer wieder mit der Frage der Lohnzahlung in Reichskassen schei nen, die er für gesetzlich unzulässig erklärt ans Grund einer Bestimmung der Gewerbeordnung. Er fordert die Arbeiter, die Lohn in Reichs kassenscheinen empfangen haben, auf, eine noch malige Zahlung zu fordern und im Falle der Verweigerung vor dem Gcwcrbcacricht Klage zu erheben. Es wäre im Interesse der Arbeiter nur zu wünschen, wenn sic diese Irreführung, die auf einer gänzlichen Verkennung der gesetz lichen Vorschriften beruht, unbeachtet liehen. Wenn 8 115 der Gewerbeordnung vorschrcibt, dass die Löhne in bar zu berechnen und aus zuzahlen sind, so soll damit lediglich, wie aus den Verhandlungen bei der Schaffung der Ge werbeordnung unzweideutig hervorgcht, das so- genannte Trucksystem, d. y. die Ablöhnung durch Waren, Gutscheine usw. verhindert werden. Unter Barzahlung im Sinne dieser Bestimmung ist nur zu verstehen eine Zahlung in gesetzlich zugelassencn Zahlungsmitteln. Das Bürgerliche Gesetzbuch, das Handelsgesetzbuch und die Zivilprozeßordnung fassen den Begriff der Barzahlung genau in demselben Sinne auf. Als Zahlungsmittel sind gesetzlich zugelasscn die Reichsmünzen, die Reichskassenscheine, die Reichs banknoten und die Roten der deutschen Privat notenbanken; sie alle dürfen mithin gemäß 8 l 15 zu Lühnungszwecken verwendet werden. Allerdings sind nur die Reichsgoldmnnzcn und die Rcichsbanknoten mit Annahmczwang aus gestattet, dagegen besteht für die Neichskasscn- scheine und für die Privatbanknotcn keine Vcr- pslichtuug zur Annahme im Privatverkehr. Ein Arbeiter ist daher berechtigt, die Annahme von Reichskassenschcinen bei der Lohnzahlung zu verweigern. Hat er jedoch einen Rcichskasscn- schein in Zahlung genommen, so steht ihm selbst verständlich kein Recht zu, eine nochmalige Lohn- Zahlung in Bargeld zu verlangen. Würde er, der Aufforderung des „Vorwärts" folgend, aus nochmalige Lohnzahlung klagen, so wäre die Abweisung der Klage eine selbstverständliche Folge, llebrigens beweist die andauernd zuneh- mcnde Verwendung von Reichsbanknoten und Reichskasscnscheinen bei Lohnzahlungen, das; unter den Arbeitern nicht die geringste Abnei gung gegen dieses Zahlungsmittel besteht. Deutsches Reich. * Kegen eine Ausdehnung der öffentlich-rechtlichen LebencVersicherung. Die Handelskammer in Dresden sprach »ich in ihrer gestrigen KesaMischung gegen die Ausdehnung der öffentlich-rechtlichen Le bensversicherung aus das Königreich Sachsen aus, da die gleichen Ziele durch die privaten Lebensversiche rung^ (Gesellschaften besser und mit gröberer Sicher heit für die Versicherten erreicht werden können. * Der Kaiser beim Minister von Breitenbach. Der Kaiser wird am 12. März vormittags im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten eintreffen und bei dem Minister der öffentlichen Arbeiten v. Breitenbach ein Frühstück einnehmcn. Vorher sind Vorträge in Aussicht genommen. Die Themata sollen den Opcrnhausneubau in Berlin und eine aktuelle Frage aus dem Eisenbahn wesen behandeln. * Die Kaiserin reist heute mittag nach Braun schweig ab, wo sie um 4 Uhr 3 Min. eintreffen wird. Die Kaiserin wird einige Zeit in Braun schweig verweilen. Es sind bereits Anordnungen Der /tufstaa- in Epirus. Europas alter Wetter winkel, der Balkan, will nicht zur Ruhe kommen. Während die alten Geg ner der Türkei jetzt Ruhe halten, und während es dem gemeinsamen Vor gehen der Grossmächte ge lungen ist, den neu geschaffenen albanischen Staat in lebensfähiger Weise zu begrenzen, ist als neuer Brennpunkt die epirotische Frage auf getaucht. Der südliche Teil Albaniens wird durch die durch die Geschichte be kannte Landschaft Epirus gebildet, deren südlicher Teil wiederum jetzt zu Griechenland gehört. Die Bewohner des Epirus, fast durchweg Griechen, sträuben sich, nicht ohne durch eine jahrelange ziel bewusste philhelleniiche Agitation dazu aufge stachelt zu sein, mit allen Kräften gegen einen An schluss an Albanien. Sie verlangen, Griechenland einverleibt zu werden. Da diesem Vorhaben je doch die einige Meinung Europas entgegensteht, haben sie jetzt den (alba nischen) Rordepirus für unabhängig erklärt und Agyrotastro zum Sitz der provisorischen Regierung gemacht. Der griechische Ministerpräsident Veni- zelos hat trotz seiner un leugbaren staatsmänni schen Fähigkeiten nicht mehr dre Macht, der Be- wegung im Epirus Herr zu werden. Der ganze Süden Albaniens brs an das Meer ist in Hellem Aufruhr. Die Bevölkerung, soweit sie waffenfähig ist, ist in den „heiligen Bataillonen" organisiert. Die Bewegung ist durch die Griechen in den Vereinigten Staaten reichlich mit Geldmitteln versehen Die Bucht von Chimara ist durch unterseeische Minen gegen die Einfahrt von Kriegsschiffen geschützt, die in das Innere des Landes führenden Pässe sind durch starke Batterien moderner Geschütze gedeckt. Einzelne Positionen der Epiroten sind durch Feldtelegraphen und -telephone miteinander verbunden. Wie weiter das Athener Blatt „Kairoi" meldet, sind 10000 Kreter bereit, nach dem Epirus abzugehen, um an der In surrektion teilzunehmen. In unserer heutigen Karte zeigen wir das Auf standsgebiet im Epirus; die für die Aufstands bewegung wichtigsten Orte sind unterstrichen. getroffen, um den öffentlichen Verkehr vom Hofe des Nesidenzschlosses fernzuhalten. 2m Schlosse sind be sondere Räumlichkeiten für Besuche des Kaiserpaares eingerichtet worden. * Eine Einladung des Königs von Bayern an den Reichskanzler. Wie uns gemeldet wird, hat der König von Bayern den deutschen Reichskanzler auch für dieses Jahr zum Iagdaufenthalt in dem tönig- lichen bayrischen Hofjagdrevier eingeladen. Der Reichskanzler wird der Gasteinladung des Königs wieder im Spätsommer Folge leisten. * Beantwortete Anfrage. Auf die Anfrage der Abgg. Dr. Müller (Meiningen), v. Peyer und Dr. Wiemer über die Ursachen der letzten Un fälle auf dem Flugplatz Johannisthal ist ein« schriftliche Antwort des Reichsamts des Innern im Reichstage eingegangen. In dieser Ant wort wird festgestellt, daß die Unglücksfälle der letzten Zeit nicht auf ungenügende Start- und Landungs verhältnisse, sondern auf andere Ursachen zurück- zuführen sind. Bereits im Vorjahre sind Erwägungen darüber angestellt worden, in welcher Weise der artigen Unglücksfällcn durch geeignete Maßnahmen vorgebeugt werden kann. Das Ergebnis dieser Er wägungen war eine neue Flug- und Platz ordnung, die den besonderen Verhältnissen beim Schulbetriebe Rechnung trug. Bei dem Unfall Leon- bardy-Degener am 10. Februar d. I. trifft die Schuld den Oberlcutnan: Leonhardy, der gegen die Bestimmung, bestimmte Abstände zwischen den Flugzeugen innczuhalten, verstoßen hat. Nach den geltenden Vorschriften ist es möglich, einer Ueber- lastung des Platzes durch zu viel Flugzeuge vorzu beugen. Ein« derartige Belastung hat am 10. Fe bruar auch nicht bestanden. Es sind jetzt als Flug- leiter zwei Persönlichkeiten angestellt worden, deren Eigenschaften die Gewähr dafür bieten, daß die Flugordnung streng befolgt wird. Sie sind in der Lage, einer Ueberfüllun" des Platzes durch Verweigerung weiterer Starterlaubnis vorzubeugen. Um ihren Anordnungen die erforderliche Geltung zu verschaffen, sind sie mit ausreichenden Machtbefug nissen ausgestattet worden. Es wird in Zukunft kein Mittel unversucht gelaßen werden, eine Wiederholung derartiger Unfälle auszuschließen. * Anfrage. Die Abgg. Dr. Q u a r ck - Frankfurt und Schumann-Forst haben im Reichstage fol gende Anfrage gestellt: Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß eine den mehrfach ausgesprochenen Wünschen des Reichs tags widersprechende und einseitige Regelung der Arbeltsoerhältnisse der Straßenbahner, bei der außerdem lediglich die Unternehmer, nicht aber die Angestellten zur Vorberatung zugezogen wurden, vor kurzem mit Gültigkeit vom 1. April 1914 ab für Preußen allein vorgenommen worden ist? Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, um eine der ein- i'ieitlichen Entwicklung der Straßenbahnen im Reich entsprechende Regelung der Dienstvorschriften für Straßenbahner herbeizuführen und die Zuziehung der Angestellten und ihrer Verbände neben der jenigen der Unternehmer für die Vorberatung sol cher Vorschriften zu sichern? * Der Entwurf über die Besserstellung der Alt- Pensionäre und da» Totalisatorgesetz werden dem Bundesräte in der nächsten Woche zugehen. Beide Vorlagen sind im Reichsschatzamt kürzlich abgeschlossen worden und haben auch die Zustimmung des preu ßischen Staatsministeriums gefunden. Di« Alt pensionär-Vorlage bewegt sich auf der mitt leren Linie. Es hat sich trotz aller Bemühungen der zuständigen Instanzen nicht ermöglichen laßen, alle Wünsche der Altpensionäre zu erfüllen. Die Gleich stellung der Altpcnsionäre mit den Pensionären nach 1908 konnte nicht durchgesetzt werden, einmal, weil die Mittel fehlen, dann, wen die Einzelstaaten diesem Wege folgen müßten und dadurch finanziell bedeutend belastet würden. Ts ist aber Vorsorge im Gesetz ge troffen, daß in den meisten Fällen, hauptsächlich bei starken Abweichungen in den Pensionsverhältnißen zwischen Alt- und Neupensionären, die Differenzen vermindert werden; auch werden in besonderen Not fällen fortlaufende Unterstützungen gewährt werden. Die gesetzliche Festlegung der El«ichstellung aller Pensionäre ist nicht ermöglicht worden. Die aus geworfenen Mittel von etwa Millionen Mark werden aber ausreichen, um den meisten Forderun gen der Altpensionäre nachkommen zu können. Die Deckung für diese Summen soll das Totalisator gesetz aufbringen, das allein den konzessionierten Buchmachern das Recht gibt, Rennwetten abzu schließen und das diesen Wettverträgen Rechtsfähigkeit verleiht. Für Wettverträge haben die Buchmacher eine Reichssteuer zu erheben, deren Ertrag auf 15 Millionen Mark pro Jahr geschätzt wird. * Die Ersatzwahl im Reichstagswahlkreise Brauns- berg-Heild. rg (Königsberg tfi findet am 27. April statt. Der Wahlkreis, den bisher der verstorbene Zentrums abzeordnete Dr. Preuß vertrat, ist seit 1874 sicherer Zentrumsbesitz. * In dem in der heutigen Morgennummer ver öffentlichten Aufsatz über: „Ein neuer Flugzeugtyp des Prinzen Friedrich Siegismund" muß es auf Zeile 28 „mögli ch" statt „unmöglich" heißen. Ausland. Frankreich. * Irrtümliche Mobilisierung. Wie eine Rote des französischen Kriegsministeriums erklärt, ist die irrtümliche Mobilisierung der Reservisten von Montböliard dadurch ent standen, daß der Umschlag, der die Mobilisierungs befehle enthielt, zerriß; dadurch seien dann die Be fehle unter die anderen Briefschaften geraten und irrtümlich zugestellt worden. * Frankreich in Kleinasien. Aus Paris wird telegrafiert; Bei einem Bankett des Vereins für Französisch-Asien hielt Präsiden: Poincare eine Rede, in der er u. a. sagte, der Verein beschränke seine Tätigkeit nicht nur aus die Frankreich geihörigen asiatischen Gebiet«, er habe auch gemeinsam mit der französischen Diplomatie dafür ge wirkt, daß im Orient endlich eine Aera des Frie dens und der Arbeit beginne, und daß Frank reich in Kleinasien an der Seite der anderen großen europäischen Nationen denjenigen Anteil an den wirtschaftlichen Vorteilen erhalte, auf den es kraft seiner materiellen und moralischen Interessen ein Recht habe. * Die großen französischen Flottenmanöver, wer den, wie offiziös gemeldet wirv, voraussichtlich am 11. Mai beginnen und etwa drei Wochen dauern. * Die Rentenbesteuerung in Frankreich. Aus Paris wird berichtet: Dle Haltung Laillaux' in der Frage der Rentenbesteuerung gibt den oppositionellen Blättern Anlaß zu neuen heftigen Angriffen. Die gemäßigte „Republtque Franyaise" schreibt: Der Finanzminister ist nicht mehr Herr seines Willens und seiner Ent scheidungen. Er ist mit seinen Kabinettskollegen nur ein Spielball in den Händen der Sozialisten, die die Mehrheit beherrschen. — Der „Figaro" meint be züglich der neuen Vorlage, die Taillaux dem Senats ausschuß unterbreitet hat, daß es sich nur um eine neue Komödie handle, denn der Senat werde zweifel los die Bestimmungen, durch die di« Rente besteuert wird, aus dem Einkommensteuerentwurf ausscheiden oder ablehnen. Die Kammer wieder werde diese Bestimmung in das Gesetz aufnehmen und von neuem dem Senat überreichen. Damit werde jedoch die Sache erledigt sein, denn inzwischen werde die gegen wärtige Kammer ihr Dasein beendet haben. — Jaures tadelt in der „HumanitL" den Finanzminister und schreibt: Die Regierung irrt sich, wenn sie glaubt, daß sie durch ihr Vorgehen selbst für die kurze Frist bis zu den Kammerwahlen ihren Bestand sichern könne; indem sie zwischen dem Palais Bourbon und dem Luxembourg manövriert, wird sie das Ver trauen der Kammer verlieren, ohne den Senat zu entwaffnen. England. * Der Kaiserlich Deutsche Botschafter Fürst Lich- nowski in London gab am Donnerstag abend in der Botschaft ein Diner. Unter den Gasten befanden Sokudvarsudsus §pe? : Del 11189 Xsro» ver gute Name. 11s Roman von Georg Engel. 1913 «>v Ore'KIri» L «... m. t>. II Der Kapitän zog den Freund ganz nahe an die Reiter heran, und der Doktor bemerkte, daß er unter seiner gebräunten Gesichtsfarbe incrtlicb erblaßte. „Teufel," flüsterte er, „wollen mir die ehe maligen Kameraden einen Fackelzng bringen?" Aber die reisige Schar lmtte nicht zn ihrer Erfrischung den nächtlichen Ausflug unlcrnom- men; ein reitender Bote des Herrn von Parchim l^atte sic plötzlich alarmiert und mit ihrem dem Landrat befreundeten Oberst an der Spitze waren sie in tollem Jagen zn Hilfe geeilt. Jetzt verhandelten die Offiziere mit dem Wirt und hörten von ihm, daß alles wieder in schönster Ordnung sei. Auch die glückliche Dazwischenkunft des fremden Kapitäns und seiner Mannschaft wußte der Krugwirt seinen aufmerksamen Zu hörern gar anschaulich zu schildern, uno die Sol dateska schickte sich bereits mit kriegerischem Ge rassel an, weiter zu ziehen, da beugte Möller fei nen plumpen Kopf vor und verkündete mit ent zücktem Lächeln: „Ich glaube, da steht der fremde Herr Ka pitän." Die Offiziere wandten >hrc Rosse, und der Oberst, eine stattliche Münnergestalt, griff an den Helm und grüßte mit militärischem An stand : „Ah," sagte er, sich leicht verbeugend, „ich mache dem mutigen Manne mein Kompliment. Erlauben Sie, daß ich Ihnen auch den Namen Ihres Bewunderers nenne — Graf Burahaus." Der Kapitän schritt in das Licht der gackeln, so daß sein gebräuntes Antlitz hell von ihnen bestrahlt wurde, und hob hastig die Mütze: „Ich heiße Holstein," stellte er sich lzeiser vor und wiederholte dann noch einmal laut und durchdringend: ^Heinrich, Baron von Holstein." T«- Roß d«S stattliche« Reiter- prallte schnaubend zurück. Die Köpfe der Offiziere fuh ren zusammen, ein paar kurze Fragen flogen hin und her: mit seltsamem Lächeln blickte der Ka pitän zu den betroffenen Wcißröcken auf. Da ivarf der Oberst seinen Rappen noch einmal herum und grüßte flüchtig: „Verzeihung, Herr, wir haben hier noch eine Pflicht zn erfüllen." Ein kurzer Kommandvruf, und die Schar stob flirrend von dannen. Schrill lachte der .Kapitän hinter den ver schwindenden Gestalten her, und so unheimlich gellte dieses Lachen in der einsamen Dorfstraße wider, das; dem .Krugwirt sogleich die finstere Ahnung an'fitieg, es könne mit diesem Herrn nicht ganz richtig.sein. Mit ängstlicher Hast ver schloß er sein Haus und schob stöhnend den Onccbalken vor. Verlassen standen die Freunde auf dem dunk len, kotübcrzogenen Weg, aber sic bemerkten es nicht. Voll tiefen Mitgefühls hatte der Doktor die Hand des schweigenden Kapitäns ergriffen und sagte herzlich: „Holstein, wir haben ans diesem Erdenwmkcl kein Glück. Was meinst du, wenn wir gleich wieder absegeltcn?" Ter andere blickte ihn befremdet an. „Die Nachtlnft bekommt dir nicht," entgeg nete er herb und schritt dem Doktor kraftvoll voran. „Tu glaubst doch nicht etwa, daß mir das Benehmen dieser Herren irgendwie auf fällig erschien? Nein, nein, mein Sohn, das «st selbstverständlich; diese Männer würden mit der schönsten Haltung in einer platzenden Gra nate in die Luft fliegen, aber mit einem alber nen Vorurteil zu brechen, davor zittern sie zurück. Ter Sohn des Betrügers ist für diese Herren keine Gesellschaft. Und doch, ich wette, in sechs Wochen beugt sich ihr Götze vor mir und flüstert hochachtungsvoll, sobald ich vorbeigehe: „Holstein und van der Brügge" — alle Achtung - eine seine Firma — hunderttausend Pfund schwer!" Ter Dottor blickte voll Zärtlichkeit auf den Sprechenden und äußerte endlich mit bangem Zweifel: „Möchtest du pich nicht täuschen." „Nein, Ally," rief der Kapitän mit Nachdruck und breitete beide Arme aus, als wolle er alle Sehnen anspannen, „nichts von Täuschung! Mein Gluck ist in den letzten Jahren sprichwörtlich geworden. Ich muß siegen, ich kenne nichts als Sieg. Ein Zurückweichen vor der Dumm heit würde Untergang bedeuten, und glaube mir, ich bin nicht für den Untergang geschaffen." Laut und voll tönten die Worte durch das tiefe Schweigen rings umher. Jetzt hatten beide das langgestreckte Fischerhaus erreicht. Die .Haustür war nur halb angelehnt, aber der Ka pitän zögerte noch einen Augenblick auf der Schwelle und spähte aufmerksam in den Nacht himmel hinauf. Der Doktor beobachtete ihn be fremdet. Endlich wandte sich Holstein ab und folgte dem Freunde in das dunkle Haus. „Was hattest du?" fragte der junge Arzt, als sic gemeinsam die enge Treppe hinauftappten. „Ich konnte meinen Stern nicht mehr ent decken," antwortete der Gefragte. „Deinen Stern?" „Es ist Seemannsaberglaube, mein Kind." 4. Um die Göttin Fama ist es von alters her gar sonderbar bestellt. Tie alte Dame ergriff noch in derselben Nacht, da in Föhren die Revolution so gemüt lich verlaufen, .Hals über Kopf rhren Reisesact und schlüpfte zitternd vor Klatschlust durch die Tore des nahen Weltin. Hier hatte sie ganz besonders geweihte Stätten, sogenannte .Haupt filialen, wo neben Petroleum und Spiritus sichere Nachrichten flössen. Das waren die gro ßen und kleinen Matcrialwarengeschäftc und vor allen Dingen die berühmte Firma „Pilz und Schimmel" an der Knvpfstraßcneckc, unerreichbar ,n Javakaffee, das Pfund zn 1,60, und hoch- geschätzt als geheimnisvolles Auskunftsbureau. Nie hat ein Groß-Jnquisitor der Tvgenstadt Venedig die Kunst des Ausforschens in so ein zigem Maße besessen, al- sie dem -weiten Teil der Firma, Herrn Schimmel, zu eigen war, und wenn auch .Herr Pilz, der stets in einsamer Disponentengröße in seinein Privattontor thronte, diese Eigenschaften seines Sozius in höchstem Grade lächerlich fand, so ließ es sich doch nicht leugnen, daß der bewegliche Sozius den Kunden menschlich unendlich viel näher stand, als der wägende, höchst energische Herr Pilz in seiner weltfernen Göttlichkeit. Heute war der Gegensatz zwischen den beiden Teilnehmern jedoch besonders auffallend. Denn gerade heut ging es in ihrem Laden besonders lebhaft zu. Man wußte, daß in einen« Grund stück des Herrn Pilz die verarmten Eltern des fremden Kapitäns wohnten, und zwar gemein schaftlich mit dem kranken Diploinaten Herrn von Lossau, von dein man behauptete, daß er den ganzen Haushalt bestritt; dazu kam noch, daß Herr Pilz der leibhaftige Vetter des alten Hessel war, in dessen Häuschen wiederum ver jünge Baron abgestiegcn sein sollte — kurz und gut, Herr Pilz kannte alles, wußte alles — aber gerade deshalb hüllte er sich in seine ge wöhnliche unnahbare Majestät und sah von sei nen! erhöhten Privatkontor- mit souveränem Lächeln ans das im Laden wimmelnde Volk herab. Blieb noch der sonst so mitteilsame Herr Schimmel! Und dieser dürre Herr mit dem spärlichen, lichtblonden Haupthaar und dem sehr verworrenen Zicgenbart war heilt groß in seiner windschnellen, flatterhaften Tätigkeit. Er nahm gleichzeitig das Geld, wog höchst eigenhändig ein Pfund Zucker ab, kniff einem hübschen Dienstmädchen in die Wange, schalt den Lehr ling, unterhielt sich mit einer Waschfrau über die Nachteile des Chlors beim Reinigen, pries dabei seine Universal-Amerikan.-Patentscifc und erübrigte bei alledem noch ein Nestchen von Zeit, in welctjem er seinen Zulzürern höchst be deutsame Aufschlüsse über das allen gleich inter essante Ereignis erteilte. (Fortsetzung i» der Morgenausgabe.)
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