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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.07.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110729022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911072902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911072902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-29
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Die vorliegende Angabe »msaßt 6 Seiten Die GenersliMmuskrsge bereitet der französischen Regierung nicht geringe Schwierigkeiten. Mit grobem Nachdruck hatte man versichert, die gesamte Generalität verlange, das; mit dem Oberkommando General Pau betraut werde — und General Pau hat die Annahme des verantwortlichen Postens abgelehnt! Der Invalide des Krieges von 1870, der statt mit der amputierten rechten Hand mit einem eisernen Haken die Zügel seines Pferdes halten must, schien eine so heroische Persönlichkeit zu sein, dass man sein Kommen mit besonderen Fanfaren ankündigen zu müssen glaubte. Der von politischen Einflüssen auf den höchsten aktiven Posten cmporgehobene General Michel, der allein im Kriegsrat das Defensivsystem verteidigte, würde einen martialischen Nachfolger erhalten, der auch den Preußen imponieren müsste. Und General Pau verzichtete nach verschie denen Konferenzen mit dem Kriegsminister Nkessimy! Er gab vor, daß die zwei Jahre, die ihm vor der Altersgrenze übrigblieben, nicht ausreichten, um die Reform des Oberkommandos ganz durchzuführcn. „Suchen Sie keine anderen Gründe," bat Herr Messimy die Reporter. Trotzdem wird allerlei ge flüstert, das; General Pau unter den gegenwärtigen Umständen die Uebernahme eines Postens, für den er nicht vorbereitet sei, als über seiner Kraft erklärt habe. Die Enttäuschung in den hohen Offiziers kreisen über dieie unerwartete Weigerung ist groß lnd verursacht Bedenken. 2n aller Eile wurde ein anderer Mann für das zutünftige Doppelamt eines Generalissimus und Generalstabschefs gesucht. General Joffre, Mitglied des Obern Kriegs rats und Inspektor der Militärschulen, wird im heutigen Ministerrat ernannt werden. Er ist erst .'>9 Jahre alt und könnte also wahrend sechs Jahren vor der Altersgrenze Generalissimus bleiben. 1852 in Nivesaltes geboren, nahm Joffre nach dem Besuch der Ecole polytechnique als Unterleutnant an den Kämpfen vor Paris teil, wurde nach Friedensschluß dein 2. Pionierregiment zugeteilt, war schon 1876 Capitainc, schiffte sich 1885 nach dem äußersten Orient ein und erhielt im Lager von Formosa das Kreuz der Ehrenlegion. Von Tongking wurde er nach dem Sudan geschickt und führte die Hilfskolonne, die 1894 zur Rettung der Ueberbleibsel der nahe Tumbuktu niedergemetzelten Kolonne Bonnier abgesandt wurde. Als erster zog er in diese Stadt ein und organisierte das französische Protekto rat. Zum Lohn rasch befördert, kam er 1897 als Oberst nach Madagaskar, wo er die Befestigung von Diego-Suarez durchführte. 1902 wurde er als Brigadcgeneral zum Chef des Pionierweiens im Kriegsministerium ernannt, 1905 zum Divisions general mit dem Kommando über die 6. Division in Paris. Zuletzt kommandierte er das 2. Armeekorps in Amiens. Er wird zu den befähigtsten Offizieren ge.ahlt und wird im Kommando der Ostarmee gewiß Gutes leisten. General Dubail, der bisherige „Ches d'ötat majeur general", wird Joffre beigegeben, aber nur noch den Titel „Chef d'Stat majeur" be halten. Im Kriegsfall würde Dubail rn Paris bleiben, um als „Station" zwischen dem an der Ostgrenzc weilenden Generalissimus und „Chef d'etat majeur general und der Regierung -u dienen. Das neue Reglement wird heute offiziell bekannt werden. Beträchtliches Aufsehen erregt auch das Rund schreiben des Kriegs Ministers, der die Korps kommandanten aufs strengste auffordert, ihm alle nicht mehr völlig validen Offiziere zu nennen, die zur Verjüngung des Offisterlorps zum Abschied gezwungen werden sollen. Alle Offiziere, die die Manöver nicht mitmachen können, müssen dem Minister genannt werden. Desgleichen wird verordnet, das; alle Reservisten und vor allem alle Soldaten, auch die in den Bureaus, streng zu den Herbstübungen herangezogen werden. Das „Journal" teilt noch folgende „klugen und diskreten Maßregeln" mit: „Obschon die auswärtige Lage keinen Anlaß zu sofortiger Unruhe bietet, verfehlte die Re gierung nicht, gewisse Maßregeln zu treffen, zu denen man jedesmal seine Zuflucht nimmt, wenn das internationale Barometer eine fortdauernde Tendenz zum Sinken hat. So erhielten die Kavallerie- Regimenter, die zur Deckung lcouverturej be stimmt sind, oen Befehl, beim er st en Signal bereit für den Auszug ins Feld zu sein. Die Forts im Osten er hielten Verproviantierungen vermittelst eines dis kret organisierten Dienstes von Nachtzügen. Die noch in der Champagne verweilenden Truppen aus den Grenzkorps wurven eiligst in ihre Garnisonen zurück gebracht. Dies alles sind, wiederholen wir es, nur Maßregeln ohne jeden ausnahmsweisen Charakter, wie wir sie während aller schwierigen Perioden der letzten Jahre treffen sahen. Man ergreift Vorsichts maßregeln. Ist das nicht das beste Mittel, um sich ihrer nicht bedienen zu müssen?" Oer 15. Deutsche Turntsg nahm in seiner Freitag-Sitzung nach der Mittags pause zunächst Wahlen vor und erkor hierbei aufs neue den altbewährten Führer der Deutschen Turnerjchaft Geh. Sanitätsrat Dr. Goetz-Leipzig zum Vorsitzenden. Geh. Sani tätsrat Dr. Goetz nahm die Wahl mit den Worten an: „Wenn ich ein vernünftiger Mensch wäre und wenn Ihr auch vernünftige Menschen wäret, so müßtet Ihr Euch sagen, daß ich zu alt bin. Da Ihr aber den Wunsch habt, sollt Ihr mich noch einmal haben." Diese Gesinnung löste ungeheuren Jubel aus. Zum Geschäftsführer der Deutschen Turnerschaft wurde Prof Dr. Rüh: - Stettin einstimmig wieder gewählt. Dasselbe geschah mit den ausscheidcnden Augschußmitgliedern Pros Dr. P a r t s ch - Breslau, Rechnungsrat Atzrott - Berlin - Steglitz und Prof. K e fs l e r - Stuttgart.- Die Gewählten nahmen die Wahl an. Ein Antrag auf Anstellung einer ge eigneten Persönlichkeit, die turnerische Nachrichten von allgemeiner Bedeutung sammelt und sie durch Vermittlung von Vertrauenspersonen in den deutschen Orten der Tagespresse zugänglich macht, wurde abgelehnt. Weiter lag ein Antrag vor, der einen Unterausschuß erstrebte, der für die künstlerische Gestaltung turnerischer Urkunden, Post karten, Plastiken und dergleichen sorgt, sowie durch Auswahl und Empfehlung turnerischer Vortragsstoffe und Bühnen oorstellungen turnerische Festlichkeiten schöner und edler gestalten hilft. In der Begründung des Antrages und auch vom Vorstandstische wurde zugegeben, Laß das Material, das der Handel künstlerisch den Turnern anbietet, ziemlich wertlos ist, so daß es nottut, auf dem frag lichen Gebiete bessernd zu wirken. In der Debatte empfahl man es als dringend notwendig, daß den Ver inen, die hinsichtlich der turngeistigen Aus bild g ihrer Mitglieder hilflos dastehen, Beistand gelc . wird. Es sei manchmal ganz unglaublich, was in engeren Turnerkreisen geboten, welche "jeder gesungen werden und wie man schöne deutsche Lieder elend verhunzt. Don anderer Seite wurde angeregt, gelegentlich des Deutschen Turnfestes in Leipzig 19l"> eine Ausstellung turnerischer Kunst jachen zu veranstalten. Der Antrag wurde mit einer knappen Majorität angenommen. Auf Beschluß des Gauturntagcs des Niederrheinischen Gaues wurde dem Turntag folgender Antrag unterbreitet: u) Der Deutsche Turntag richtet an alle Vereine der Deutschen Turnerjchaft das dringende Ersuchen, den bestehenden Jugendabteilungen unausgesetzt die größte Aufmerksamkeit zu widmen und dort, wo solche noch nicht bestehen, die Gründung unverzüglich vorzu- nehmen. l>) Bei allen Bezirks- und Gaufestcn sind die inner- halb der betreffenden Verbände bestehenden Jugend abteilungen zur Beteiligung an den turnerischen Ver anstaltungen heranzuzichen. Die Fest- und Wetturn- ordnungen sind dementsprechend zu ergänzen. Die Beteiligung der Jugsndabtcilungen bei Kreis- und Deutschen Turnfesten rst zuzulassen für die Fejtorte, für entfernte Orte nur dann, wenn die Abteilungen am gleichen Tage ihren Heimatsort wieder erreichen können. e) Der Ausschuß der Deutschen Turnerschast wolle schleunigst mit dem Verlage der „Deutschen Turn zeitung" ein Organ schaffen, das die geistige Verbin dung der Jugendabteilungcn mit der Deutschen Tur nerjchaft herstellt. Der Ausschuß beantragte, diesem Antrag des niederrheinischcn Gaues grundsätzlich zu zustimmen, ihn aber im übrigen dem in der Leitung der Deutschen Turnerjchaft gebildeten Unterausschuß für bas Turnen der schulentlassenen Jugend zu über weisen. Die Versammlung beschloß einmütig dem entsprechend. Nachdem werter Herr Linke-Leipzig über das Deutsche Turnfest 1913 in Leipzig berichtet hatte, fand ein Antrag auf Erstrebung zur Verbilli gung der Eisenbahnfahrten zu turnerischen Veranstal tungen Annahme. Schließlich lag noch ein Antrag aus Weimar vor, wonach der Kreisturntag des 13. Kreises in der Gründung von Jugendwehren, die die Militär- und Kricgervereine gebildet haben und in stärkerem Maße zu bilden beabsichtigen, eine Gefahr für die weitere gedeihliche Entwicklung der Deutschen Turnersckprft erblickt. Er richtet an den Aus schuß der Deutschen Turnerjchaft das Ersuchen, sich möglichst bald mrt dem Vorstand des Deuychen Krie ger-Bundes ins Einvernehmen zu setzen, in Rücksicht darauf, 1) daß unsere Vereinigung seit einem halben Jahrhundert dieselben vaterländischen Ziele verfolgt wie die bezeichneten Wehren, und 2) Laß sie durch die Gründung solcher geschädigt werden mun, die Ein richtung jeloständigcr Jugendwehren unterbleibe, nicht nur in unserem, sondern im allgemeinen vaterlän dischen Interesse. Cs wurde beschlossen, den Antrag zur Beabeitung an den Unterausschuß für das Turnen der schulentlassenen Jugend zu verweisen. Damit war die Tagesordnung erledigt. Geh. Sanitätsrat Dr. G o e tz - Leipzig schloß den Turntag mit einem donnernden Gut Heil auf da deutsche Vaterland und di: deutsche Turnsache, woraus das Lied der Deutschen gesungen wurde. Am heutigen Sonnabend erfolgen Turnfahrten nach der Sächsischen Schweiz und am Sonntag wird ein Ausflug nach Prag zum Besuche der dortigen deutschen Turner unter« nommen. Oie grotze Sitze. * Dresden, 29. Juli. Die furchtbare Hitze in Dresden und Umgebung hat zu einer Reihe von schweren Unglücksfällen geführt. Auf einem Neubau erlag der Arbeiter Wilke einem Hitz- schlag. Zwei Opfer, ebenfalls Arbeiter, forderte die Hitze in Wölfnitz und in der Kolonie Hellerau. In Döhlen stürzte ein Dachdecker bei Rcparaturc»beitcn vom Dach der Döhlener Steinholzfabrik infolge eines Hitzschlages ab und brach das Genick. In Groß- Schachwitz bei Dresden wurde eine Magd vom Hitz- schlagc getroffen. Auch aus der Provinz werden zahlreiche tödliche Hitzs ch läge gemeldet. In Ottendorf bei Dohna wurde die 19jährige Dienst magd Lange, in Zittau der Kohlenhändler Erikst Körber und in Elstra der Großgrundbesitzer Wendt durch Hitzschlag getötet. b. Zwenkau, 29. Juli. Die in den 60er Jabren stehende Maurersehesrau Härtel wurde auf dem Felde bei Erntearbeitcn vorn Hitzschlag getroffen und starb wenige Stunden darauf, ohne die Besinnung wieder erlangt zu haben. —o— Pirna, 29. Juli. In Kleincotta bei Pirna ist die 21jährige Tochter des Gutsbesitzers Martin vom Hitzschlag getroffen worden. Sie starb bei der Uebersührung nach ihrer Behausung. * Chemnitz, 29. Juli. Infolge der Hitze sind in den letzten Tagen mehrere Personen vom Hitzschlage betroffen worden. Die Frau des Impresario Metzner sowie der Arbeiter Bruno Hase aus Klaffenbach sind an den Folgen des Hitzschlages verschieden. Am Freitag nachmittag wurde wiederum ein unbekannter Arbeiter auf der Straße vom Hitzschlage betroffen und mußte in das Städtische Krankenhaus überge führt werden, wo er bis abends die Besinnung noch nicht wiedererlangt hatte. * Plauen, 29. Juli. Vom Hitzschlag getroffen wurde ein auf einem hiesigen Bau beschäftigter 53 Jahre alter Handarbeiter aus Böhmen. Er war sofort tot. i. Kuhjchnappel, 29. Juli. Bei Erntearbeiten vom Hitzschlag betroffen wurde gestern die 20 Jahre alte Martha Börnig. Vergangene Nacht ist sie gestorben. * Frauenstein, 29. Juli. Durch einen Blitzschlag wurde in vergangener Nacht das Anwesen des Guts besitzers Böhms in Brand gesetzt und vollständig zrr- stört. Ein nu ersten Stockwerke wohnhafter Kopist, namens Köhler wurde mit erschlagen. * Radeberg, 29. Juli. Ein Schadenfeuer ä'cherte Las Gut der Frau Filze vollständig ein. Das Feuer war Lurch enieu Blitzschlag entstanden. * Radeberg, 29. Juli. Ein Gewitter hat in hiesi ger Gegend sehr großen Schaden angerichtet. In Wallroda brannte ein Bauerngut zum größten Teil« ab, in Großokrilla wurde das Wohnhaus Wirth «in Raub der Flammen, in Oberlichtenau schlug der Blitz in die Kirche und in Großnaundorf zündete ein Blitz Unü es entgeht ihr keiner. II j Roman von Joachim von Dürow. (Nachdruck verboten.) An den Ziergarten lehnte sich der des Kantors. Uno durch Las Gitter sah Agnete ein junges Mädchen von sechzehn Jahren, die — ihr Kleidchen aufgesteckt — Beeren pflückte; Kantors Lieschen. Agnete bekam plötzlich ein Sehnen, wie es ihr hier schon ab und zu angeslogen war, das Sehnen nach etwas Jungem, Gleichalrerigcm. Fred war gerade fünfzehn Jahre älter als sie. Das war doch schon «ine ganze Masse. Sich weit hinausbicgend, rief sie mit verdeckter Stimme nach Lieschen. Diese ordnete sofort ihr Kleid, strich die Haars hinter die Schläfen, wischte schnell die Hände ab und guckte durch den Zaun. „Kommen Sie Loch herüber!" lockte Agnete, und das Mädchen war hüben, sehr schnell. Kantors neigten zur Neugier. Die Familie, in die der junge Herr Baron hinemheiratete, tonnte gar nicht genug beäugt werden. Lieschen schwärmte aus der Ferne für die Brant. Und nun sollte sie ihr so nahe sein? Jawohl! Immer näher, denn kaum, daß die Mäd chen ein Weilchen unter dem Fenster geplaudert, so streckte Agnete die Hände herunter, Lieschen erfaßte sie, und mit einem kühnen Schwünge war sie lm Zimmer. Zuerst ging es ein wenig steif unter den Zweien zu, insofern Lieschen der jungen Weltdame gegen über sich nicht heraucwagte. Agnete aber setzte ihren Sport darein, die Kleine zutraulich zu machen. Sie hatte ein Paar hellblicksnüe Schmalbcnäuglein, auf deren Grunde etwas Heischendes, Fragendes lag. Es sollte ihr ein Spaß sein, darauf zu antworten. „Sind Sie glücklich hier auf dem Lande, Lieschen?" „O, ich denke doch, Fräulein!" „Bitte, sagen Sie nicht „Fräulein", es klingt spießig. Sagen Sie „gnädiges Fräulein", oder „Fräu lein von Rutenbach"/' Daß Agnete einfach „Lieschen" sagte, ging unbe mängelt an der Kleinen vorüber. yHnete war drei Jahre älter als sie, und wieviel älter war sie an Er fahrungen! Lieschen zitterte förmlich dem entgegen, was sie hören würde. „Rehmen Sie eine Ziaarette?" fragte Agnete. „O nein, o nein! Was würde Vater sagen, — und — und —" Lieschen wurde plötzlich sehr rot. „Es scheint da noch jemand im Rohre zu lauern, den die Zigarette oerschnupfen würde", meinte Agnete lachend. „Es ist aber schade darum. Sie glauben gar nicht, wie einem eine gute Zigarette über aller lei Schmerzendes hinwegbiltt." „Schmerzen? Sie? — Haben Sie denn Schmerzen?" „Ader, ich bitte Sie! Meinen Sie wirklich, daß es auf Erden einen Menschen gibt, dem nichts weh tut? Körperlich hat man seinen Druck im Magen, oder irgendwo im Innern, und allzeit meldet sich der Nerv im Zahn. Geistig drückt es auch so oder so. Der Weg, den man sich so ungefähr vorgezeichnet, und der, den man geht, die stimmen doch niemals recht. Da sind immer Löcher und Steine, auf die man nicht gerechnet hat, kleine Dinge, die einen ver- drießen und die einem langweilig werden, ach — jo langweilig, und die man darum eben durch äußere Eindrücke vergessen lassen muß. Dazu gehören Theater, Ballett und so was!" „Ich glaub«, das Ballett ist etwas sehr Frivoles." „Liebes Kind, davon verstehen Sie nichts; es kommt ganz darauf an, wie es gehandhabt wird. Mein Lieblmgstanz ist, ohne daß meine Seele Scha den dabei hat — der Cancan! Wissen Sie was vom Cancan?" „Nein; — o — nein!" Die flammende Röte, die bei dem Protest in Lieschens Gesicht stieg, ließ die Vermutung auskom men, daß man der sache nicht so ganz fern stand. Agnete achtete nicht darauf; sie war mit einem Male Feuer und Flamme — es zuckte ihr förmlich in den Füßen. „Können Sie pfeifen?" fragte sie rasch. ,Ha!" klang es erregt. „Nun, dann pfeifen Sie! Irgendeinen Tanz, nur getragen anfangs — ich passe mich dann schon an. Ich habe nämlich den Cancan gelernt bei der jungen Pariserin, die uns Tanzstunden gab. Keine von den anderen Mädchen hatte dies bei ibren Eltern durch gesetzt; Pa und Ma wollten es auch nicht, aber da ich es wollte, so habe ich es eben gelernt. Und nun passen Sie mal auf! — Los!" Agnete trug einen Rock von blauem leichten Stoff mit einer entsprechenden Bluse. Sie raffte mit bei den Händen diesen Rock, so daß aus dem Spitzen- aeriesel der Unterkleider heraus die feinen blau- oestrumpften Beinchen bis zum Knie sichtbar wurden. Der «ine Pantoffel flog in die rechte Ecke, der zweite in die linke. Unter glänzenden Augen und geteilten Lippen fing sie an zu tanzen — langsam erst — vor- wärtsschreitend, and wieder bis in den Hintergrund des Zimmers. „Schneller! schneller pfeifen!" rief sie Lieschen zu, und dann, während deren Augen sehr rund wurden, ein Durcheinanderfahren, ein Wirbeln der schlanken Beinchen, daß Lieschens Kontenance sich grausam bc- droht fühlte. Agnete hätte ihr den Schlußeffekt, den Schwung des Fußes ois zur Hauvteshöhe, erspart. Es geschah aber, daß die Türe sich leise öffnete, daß das kleine graue Gesicht der Schulzchen, deren sanftes Klopfen überhört worden war, in das Zimmer blickte, die Lippen im Beklagen der Krankheit fest geschlossen — die Augen voll milder Absicht. In Agnete prickelte es, sie tanzte wie ein Wirbel wind hart an die Schulzchen heran — und hoch flog der Fuß in die Luft, dicht an dem spitzen Näschen vorbei. Auf den Lippen der Schulzchen erstarb den Schrei; mit ralchem Schwung die Schürze vors Gesicht schla gend, trabte sie den Korridor entlang, bei allem Entsetzen doch ein Gefühl der Genugtuung im Busen tragend: So was hatte ihr Seliger nie gesehen! — Gott sei Dank! Neuntes Kapitel. Der nächste Tag war jener große, an dem Frau von Ostheim Verwandte und getreue Nachbarn um sich versammelt hatte: Kommt und sehet! Das immer etwas düstere Haus präsentierte sich. Die Tafel wies reiche Schätze auf an schwerem Silber, vieux Luxe, altem Kristall. Der Blick, den die Hausfrau darüber hingehen ließ, spiegelte die stille Genugtuung wider, über der man manches vergessen hatte, was die letzten Tage unerquicklich gemacht. Man hielt auf Pünktlichkeit in der Gegend, und in nur kurzen Abständen fuhren sie vor — die Nast- wehl«r, die Quanditter, die Moritzberger. Die Kalesche, mehr oder minder elegant, der Trott der Kutschpferde großen Schlages etwas schwerfällig. Die Damen in knisternder Seide — silbergrau, mauve und taubenblau; — die Herren im Frack mit Ordens- band. Auch etliche Söhne auf Urlaub waren unter den Gästen; junge Aristokraten, die auf leicht federn dem Sitze des Selbstfahrers ein wenig blasiert aus sahen; die Zügel in der mit Juchten bekleidccen Hand. Man kannte sich — meist „von immer"! Tie Mehrzahl der Herren war auf ihren Gütern Kind ge wesen, mit Ponys, vielen Dachshunden und toll.: Streichen. Nur war man der Landwirtschaft selbst in der neuen Zeitströmung satt geworden, man ent» schlug sich des unvermeidliche c Verdrusses, verpachtele den Acker und reservierte sich Haus und Park. Ts war dies der Grund, daß die Gespräche nicht mehr so ganz ausschließlich zwischen den Weizenpreisen und dem Bestände des Jungviehs einherpendeltcn oder sich bei irgendeiner Affäre, in die man sich mit dem Erenznachbar verfangen hatte, aufhielten. Man war gereist, steckte die Interessen weiter, hielt sich nicht mehr in den Bahnen der Vorfahren, die vor den Büchermenschen sich drückten, und über die Bücher- macher achselzuckend binmegginqen. Man schlug auch nicht mehr so energisch Breschen in Las Diner wie ehedem; vollen Schüsseln mit schwerem Inhalte wurde heutzutage abgewinkt, allzu scl weren Weinen ebenfalls. Man heiratete auch nicht mehr so aus schließlich in die Nachbarschaft hinein. In einem aber war man «ich gleich geblieben, heute genau wie dazumal. Es gibt ein reizendes Bild, das das Alter der Familie Montmorency illustriert. Einer der Mont morencys lehnt lässia an einem Tische und schaut durch das Fenster auf eine weite Wasserwüste In der Türe erscheint ein Diener den Rücken krumm, den Hut in der Hand: „Herr Noah läßt bitten, einzu steigen." Zu dem Bilde schaut man auf: leb' in seiner wohlmontierten Häusern in verständiger Sparsamkeit und kühlem Abwägen, und reicht einander die Hände zum Schluß des feudalen Kreises. — Immerhin freute man sich jedes ..Neuen", das in den einzelnen Familien sich etwa ereignete En war ein Plump in das stagnierende Wasser des Allt"is. lebens. Man war kolossal gespannt in der ganzen Um gegend und darüber hinaus aus das frische Element — die Schwiegertochter bei Ostbeims! Aussehen. Toilette, Vater. Mutter. Der Oberst mit dem Nesi von Schneid in seiner etwas steifen Grandezza, dem eisgrauen, dichten, kurzgeschorenen Haar, dem auf- wärtsstrebenden Barte, gefiel auf den ersten Blick Die „Schwieger" mit der ernsten Miene nahm man hin. — (Fortsetzung in der Morgenausgabe.',
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