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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110803013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911080301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911080301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-03
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Bezugs Prell» <Lr Leipzig »,d S »k»rt« »»rch »l«« Troyer uirv Svebitrure :»«l tätlich in» >iou» gebracht SV PI wonatU, r.Ni ML. r.rrt-Hökll. V«l «alar» SUrala» ». U» uahr. e^reU cn cda»d»U: Ni W. „«N., LLMk. »rertellährl. »«rch die »,» . ianerhald Deuilchland» unü der v««Uch«n -tolonien vierlellührl. S.SV 'ZU., »»«tl. 1 Uv'Lik. ou»,cht Lovbevellaeld K«««r in Be!y:«a, Tonemarl, den Dorraaftaaren, ^roiie:i. Lvremdurg. Iüederlanb«. 5ior» wegen, ^kiirrrei» »Ungarn Ratzland. Schweden. Schweiz u Svainen. 2n allen i.i^rgen Siaalen nar direkt durch dt« tüe!chäi>>s!«ll« de» Blatte» erhältlich. La» Leinriger Tageblatt «rlcheint r»al iüglich. Sann« o. '««iertagr nnr morgen». Adonnements-Annahme' 2aha»»i»gall« 8. dei linieren Trägern, Liliolen.Sveüitenra» nno Lnnehuieitellen, ;owt» Ponamtern and Lrtesträgern. Är. 2l3. SLLor aen-ÄuSMbe «ozr.geu H>rriS V8NE3MY. üen 3. ÄUffttlt lSN i14S« ,«»ch-»1chNch, Lrl.-Apschl. ( 14 «« l 14894 114892 l«,chta»,«dch» Lel.-^nschl.E 14 893 j 14694 Amtsblatt des Aales und des Aokizeiamles der Ltadl Leipzig «Le Jaserat» «»» Letpjt» «»» Umgedang bt« 1t»altin< P»ttt»rti« Ps di« Xekiame- trtl« i Ml.. v»a »»»wSrro iv Pf^ Sieklam«" 1TL> In,erste »an Behörden im amt« ltchen TeU di« l^Ut««il« w «s. A«ichLn»anzt«,en -ntt Bl»tz»»rlch«ft«n ». in der Ade >dan«inad« u» vreti« «rhöht Rabatt no d rarii. l<eiii»gng«diihr Gelennt- auslage 5 Ml. v Taviend er'i. Postgebiihr Tetldrtlage höher. .Tei-erteUte 'tinktricgr l-nnen nicht »»rück. ee^»gen a>e,»«n. Zar »e» «richeine» an »»-rannten Tineen an» Pliiten wirb lei»« varrnti« übernmnmen. ?n,»iq«n«'klnaadm« I,danni«gali« 8, dei I imtltchen ^liialen n allen Annoncen» irrpedttionen de» In- »ad «»»lande*. vr»l »n» Bent», n« >tei»^«»' I»««- »tat»»» » Tnhade: PenU -ideld»». Mrdaktio» n»L she!ch-It»ft»>»r I»donni»ga,i« it Haapt-HUial». L»e»»«n: SeeftraL« ». l iT'iepb*» <M1> riWgcr TagMM Handelszeitung lV3. Jahrgang. SS Die vorliegende Ausgabe umsaßt 16 Seiten. Oss Wichtigste. * Der Kaiser verlieh der Universität Bres lau anläßlich ihres 100jährigen Jubiläums den Namen -Zchlesisch« Friedrich-Wilhelms' Universität". (L bes. Art.) * In der Harth zwischen Gaschwitz und Zwenkau entstand gestern ein großer Watdbrand. (S. des. Art.) * Bei einer Entgleisung des D-Zuges 47 nahe Jüterbog wurden Lato motivführer, Zugführer und Pack meister getötet. (S. Les. Art.) * Professor Heinrich Siber in Erlangen hat einen Ruf an die Universität Leipzig als Nachfolger Holders angenommen. * An der Universität Lissabon wurde eine dcutscheFrau zum ordentlichen Professorfür deutsch« Philologie ernannt. (S. Hoch schulen.) * Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Zweck verbandsgesetz für Groß-Berlin. * Die Streikunruhen im mexikani schen Goldgebiete nehmen einen ernst haften Charakter an. (S. Letzte Dep.j Marokko. Der Kaiser ist von seiner Nordlandfahrt zurückgekehrt und der Kanzler und sein Staatssekretär des Auswärtigen von Kiderlen- Wachter haben ihm Vortrag gehalten. Den noch sind die Dinge kaum von der Stelle ge kommen. Man „unterhält sich" nach wie vor; Herr Jules Cambon hat sogar am Dienstag in der sengenden Mittagsglut Herrn von Kider- len-Wächter zu längerem Geplauder aufgesucht. Aber in eine neue Phase sind die Verhand lungen nicht gerückt und von einem Abschluß ist man noch weiter entfernt, als die „Nord deutsche Allgemeine" von dem TommuniquL, das allzu beflügelte Federn schon für den Sonn abend erwartet hatten. Das ist natürlich ein unbehaglicher Zustand — unbehaglich auch für uns, obgleich, was man billig anerkennen must, die deutsche Presse im allgemeinen ihn niit Würde trägt —, und man kann es schon begreifen, wenn die Heißblütigeren, deren es so. schließlich auch in unseren Reihen gibt, der Regierung zurufen: sie möchte gefälligst nun doch endlich reden. Auch wohl, wenn die Adhortation ohne Wirkung bleibt und die Zeremonie der Mundöffnung ihr nicht auf dem Fuße folgt, unwirsch werden, unsere offiziöse Presse schelten und aus der üppig hergerichteten Kompottschüssel französischer Legenden sich zu bedienen anfangen. Wie gesagt: Man kann das verstehen: Das Hangen und Bangen ist ja nun einmal nicht jedermanns Sache, und wenn mit dergleichen Ungewißheit mannigfache Interessen, auch solche von schwerwiegender wirtschaftlicher Bedeutung, verknüpft sind, mag man sie getrost eine Kala mität heißen. Nur sehen wir nicht recht, wie dem Ucbel zu begegnen wäre und was ins besondere unsere Offiziösen, die in der ganzen Affäre zudem bemerkenswerter Zurückhaltung sich befleißigten, dazu beitrügen, es zu mehren. Rekapitulieren wir einmal! Man hat von halbamtlicher Stelle von Anbeginn darauf hin gewiesen: die Verhandlungen würden lange währen, böten aber zu ernsterer Beunruhigung keinen Anlaß. Das war eine aus der Erfahrung und der Kenntnis des speziellen Falles und -einer Einzelheiten geschöpfte Meinung, die durch den Verlauf der Dinge bisher nicht des avouiert worden ist. Hernach, als der junge Most, der nach Alter und Ansehen bisweilen freilich schon greiser Wein sein könnte, sich gar zu absurd gebärdete und die politisierenden Generäle z. D. das Problem Deutschmaure- kanien zur Diskussion stellten, schien es nützlich, die lodernde Begeisterung ein wenig unter Wasser zu setzen. Schließlich durfte da« Maß de« Hoffens auch nicht ins Riesenhafte schwellen; konnten nicht Vorstellungen geweckt werden, denen keine Wirklichkeit je zu genügen vermocht hätte. Da mals ist dann — ursprünglich wohl von in spirierter Stelle — der Vorschlag der sogenannten „Kompensationen" laut geworden. An sich — die Prüfung der Einzelheiten natürlich Vorbe halten — kein so übler Gedanke, an den, wollte man nicht alles auf eine Karte setzen, die Nation immerhin langsam zu gewöhnen war. Daß das im Detail nicht ohne Unglück abging, daß Herr von Kidcrlen manchen in seine grünumrauschte Tiergartenvilla hineinließ, der das schwer er rungene Porzellan von Sevres in Gefahr zu bringen drohte, war weder die Schuld des Staatssekretärs noch des Offiziösentums, das man sich nicht gerade unter dem Bilde einer wildverwegenen, zu allein entschlossenen Ver schwörerbande vorstellen darf. Immerhin wird man heute wohl sagen müssen: man ist damals auf der ganzen Linie — bei den „Dcutschmaure- taniern" jo gut, wie ihren mehr oder weniger inspirierten Gegenspielern — wohl zu optimistisch gewesen. Aber das lag — wir haben erst neulich dar auf verwiesen — in der ganzen Situation. Die Hoffnung wurde ja auch von den franzö sischen Unterhändlern geteilt, denen ein Stein vom Herzen gefallen zu sein schien, als sie be merkt zu haben glaubten: Deutschland würde nicht um jeden Preis darauf bestehen, just aus der marokkanischen Masse befriedigt zu werden und unter Umständen wohl auch noch andere Angebote akzeptieren. Seither weht nun aber von Frankreich und insbesondere von den bri tischen Inseln ein durchaus anderer Wind. Und mit ihm ist auch der Optimismus von früher gewichen. Man hat cs nicht gerade für notwendig gehalten, alle offiziösen Kanonen oder bester Sprachrohre aus Lloyd George zu richten (unter der Hand ist, wie wir glauben möchten, an Londoner amtlichen Stellen trotzdem eine Anfrage nach Sinn und Bestimmung dieser seltsamen Rede ergangen); aber man hat auch nichts zu vertuschen sich bemüht. Man hat zwar immer wieder versichert, daß zur Beunruhigung keine Ursache sei: in diesem Glauben sind sich, wie zu vermuten steht, Kaiser, Kanzler, aus wärtiger Staatssekretär und noch ein paar an dere Stellen auch heute noch einig. Dennoch hat man an dem Ernst der Situation keinen Zweifel gelassen. Viel mehr und Gewichtigeres vermöchte auch ein Eommuniquö uns nicht zu verraten. Alles ist noch in der Schwebe und strömt wirr durcheinander. Heute, nach der englischen Einmischung vielleicht noch wirrer als vor drei Wochen. Nun wäre ja zur Not an eine Art Teil dementi zu denken. Etwa an eine Wider legung jener Kompensationsgerüchte, die am meisten bei uns Unbehagen schufen und noch schaffen. Die „Norddeutsche Allgemeine" z. V. könnte erklären, daß es uns niemals beifullen würde, Togo, an dem soviel deutsche Arbeit und doch auch ehrlicher deutscher Erfolg hängt, preiszugeben. Und daß es uns fernlüge, ein größeres oder kleineres Stück des ohnehin von Konzessionen aller Art durchzogenen französi schen Kongo als vollgültigen Gegenwert zu be trachten. Aber man braucht den Vorschlag nur einmal auf alle möglichen Konsequenzen zu durchdenken, auch das Echo sich zu vergegen wärtigen, das notwendig in Frankreich geweckt werden würde, um ihn abzuwcijen. Es hilft nichts und es geht auch gar nicht anders: wir müssen durchhalten. Aus dem Nachlaß der Kaiserin ÄUiMM. (Briefwechsel zwischen dem Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Augusta.) Auf Anregung Ser Großherzogin Luise von Baden und mit Genehmigung des Kaisers erscheint zum hundertsten Geburtstage der Kaiserin Augusta (30. September d. I.) der erste, bis zum Jahre 1850 reichende Teil einer Auswahl ihrer Aufzeichnungen und Briefe, -erausgegeben von Geh. Archivrat Dr. Baillen und Archivrat Dr. Schuster lVossische Buch handlung, Berlin). Das soeben erschienene August heft der „Deutschen Rundschau" kann schon jetzt mehrere Stücke mitteilen. Wir lasten hier einige Briefe aus den Tagen vor Olmütz folgen: Pr^nz Wilhelm an Prinzessin Augusta. Berlin, den 2. November 1850. Unter den scknnerzlichsten Gefühlen und Eindrücken ergreife ich die Feder. Ja, es gibt noch Hohenzollern, aber es gibt keine ihrer würdigen Minister I! — Die Würfel, di« gefallen waren, sind wieder aus genommen und — umgekehrt gefallen. Brandenburg brachte kein« Wunder mit saus Warschau), und doch ist das Umgekehrte von dem beschloßen, was vor sechs Tagen feststand. Die Armee ward nicht mobil ge macht, man unterwirst sich fast in allem den öster reichischen Forderungen und hofft so, Len Frieden zu erkaufen. Gängelt uns nun Oesterreich hiermit noch einige Wochen hin. so steht es mit 180 000 Mann in klusive seiner Verbündeten kampfbereit, während wir nicht mobil und keine Landwehren eingezogen haben! . . . Kestern mittag 11*/» Uhr sendete mir der König eine telegraphische Depesche aus Wien, nach welcher Oesterreich bis zum 6. November 100 000 Mann in Böhmen konzentriert haben werde, und daß die Bayern in Hanau eingerückt seien. Ich eilte gleich nach Sanssouci, um weiteres zu hören: der König bat mich, nach Berlin zu fahren und Brandenburg und Stockhausen (der damalige preußische Kriegs minister) zu sagen, die Armee soll sofort mobil ge macht werden, die Befehle könnten sogleich'abgehen und des Königs Order an Len Kricgsminister später vollzogen werden. Um 2 Uhr dampfte ich her (nach Berlin) und fand die Minister oonseil. Ich ent ledigte mich rasch meines Auftrages und empfing zur Antwort, daß soeben beschlossen worden sei, um 5 Uhr nach Sanssouci zu dampfen zum Conseil, dem ich beiwohnen möchte. So geschah es. Beim An kommen sagte mir Radowitz rasch in» Ohr: „Man will sich glatt an Oesterreich unterwerfen: sprechen Sie ja ein festes Wort!" Ich traute meinen Ohren nicht! Die Debatte begann. Der König war felsen fest in seiner Ansicht: Erst Mobilmachung und dann Unterhandlung auf die Warschauer Punkte. Rado witz, Ladenberg und ich unterstützten ihn eifrigst. Die anderen verlangten keine Mobilmachung und offi zielle Erklärung der Aufgabe der Verfassung des 28. Mai. Der König wollte hierin nicht weiter gehen, als Brandenburg in Warschau hierin ge gangen war, weil in dieser Auffassung (?) das andere eigentlich stillschweigend liege, was er dem Kaiser von Oesterreich privatim auseinandersetzen wolle. Eine Einigung mar unmöglich und auf heute 10 Uhr wurde in Bellevue die Fortsetzung angesctzt. Der König war sublim in seiner Darstellung, könig lich, herzlich, patriotisch, aber felsenfest wie gestern. Dreimal fragte er: „Nun, meine Herren, wollen Sie mit mir gehen?" Keine Antwort! Er erlaubt ihnen, sich unter sich zu beraten. Ich war so erschüttert, daß der König und ich die Hellen Tränen vergossen! So trat ich noch einmal zu den Herren und beschwor sie, Las Werk, was sie geschaffen, anderthalb Jahr ver teidigt, nun im entscheidenden Moment nicht aufzu geben und sich und dem König diese Inkonsequenz zu ersparen. Ich lief in den Garten, um mich zu erholen. Nach anderthalb Stunden, um 2 Uhr, ließ der König die Herren miedec vor. Brandenburg erklärte, Laß die Majorität bei ihrer Ansicht beharre. Die Minorität, Radowitz, Laden berg und v. d. Heydt, machte ihr Expos« durch Rado witz meisterhaft ganz im Sinne des Königs. Wiederum resümierte der König wundervoll? Noch mals beschwor er die Herren, mit ihm zu gehen. Ich tat alles, was in meiner Macht stand — vergebens. Endlich sagte der König: „Ich mache vom kon stitutionellen Recht Gebrauch: da ich meine Ansicht nicht aufgebe, so ziehe ich mich zurück; das Mini sterium ist populär, ich darf es nicht entlasten, gehen Sie Ihren Weg, meine Zustimmmung haben Sie nicht!!" — Ich war vernichtet, ebenso der König selbst. Die Wahl war entsetzlich für ihn, so zu handeln, das Ministerium gehen zu lasten. Ich hätte letzteres getan. Während der Zeit kam die Nachricht, daß wir Kastel und Fulda besetzt hatten, in Nachteilmärschcn, und daß von Bamberg 8000 Mann Oesterreicher und Bayern in Anmarsch wären. Alles macht auf diese Leute keinen Eindruck mehr. Ja, Brandenburg ver langte gestern abend per Telegramm die Zurück ziehung unserer Truppen aus Hessen (?!!), was natürlich nicht geschah. Mir ist gerade zumute wie am 19. März! Unsere Schmach ist ausgesprochen, und sie wird zu nichts helfen, denn Oesterreich wird uns Loch den Krieg machen, et UOU8 ckÄuolir apre» uvus »voio avilis, letzteres ist geschehen! . . . Seit ich schreibe, waren Sydow und Mathies hier, heulend und weinend: die Aufregung beginnt in der Stadt, und Nadowitz ist mit einem Male populär! Er mit Ladcnberg und o. d. Heydt treten ab! In vierzehn Tagen liegt Brandenburg mit seinen Majoritätskollegen blamiert auf der Erd«. Ich werde das Meinige tun, damit des Königs Stellung gekannt wird! Gott schütze Preußen. Dein treuester Freund W. Prinz Wilhelm an Prinzessin Augusta. Berlin, 6. November 1850. Alles stürzt auf einmal aus uns ein! Branden burg tot! Er rettet« das Vaterland in diesen Tagen vor zwei Jahren (8. November' 1848, Bildung des Ministeriums Brandenburg, der am folgenden Tage in der Nationalversammlung Lie Order über ihre Verlegung nach Brandenburg verlas) — nun be wahrt ihn der Himmel gnädiglich, schweres Unheil zu erleben, was leider das Werk seiner letzten Lebens lage sein wird. Er hat gestern fast gar nicht die Besinnung mehr gehabt, hat zwar die sich nähernden Personen gekannt, aber fortwährend phantasiert, und zwar immer in Anklängen der letzten Beschlüße: „Es muß -um Resultat kommen! Ich seh« kein Resultat; so arbeiten Sie doch, meine Herren! ^lavostons! Wo ist mein Pallasch?" — Und in dieser Art ist es fortwährend gegangen und so überlaut, daß man es durch vier Stuben hörte. Um 3^ Uhr ist er indessen ruhig «ingeschlafen, um nicht wieder zu er wachen! Gott sei seiner Seele gnädig; ihm ist wohler als uns, Friede seiner Asch«! . . . Prinz Wilhelm an Prinzessin Augusta. Berlin, 9. November 1850. 9 Uhr M. Heute vor zwei Jahren der Ehrentag Branden burgs — heute sein Bcerdigungstaa, nachdem er den 2 November 1850 zu erleben, aber auch nicht zu überleben vermochte! Doch Friede seiner Asche! Um 11 Uhr ist die feierliche Beisetzung im Dom, «ine nie dagewejene Auszeichnung, für ihn wohl ver dient! . . Prinzessin Augusta an Prinz Wilhelm. Koblenz, Len 5. November 1850. Lieber Wilhelm! Ich danke Dir herzlich dafür, Laß Du Dich in den verhängnisvollen Tagcn bemüht hast, mir so aus führlich zu schreiben. Wenn man so erschüttert ist, wie Du es gewesen sein mußt, dann ist es wahrlich als ein Opfer hoch anzuerkennen! Meinerseits Litte ich Dich nm Vergebung, wenn ich Dir gestern durch einige konfus« Zeilen geant wortet habe. Ich war jo betäubt, Laß ich kaum die nötige Kraft hatte, übe.Haupt zu schreiben, und wie wohl ich heute leidend bin, führe ich mich doch mehr imstande, etwas auf Deinen gestrigen und heutigen Brief zu erwidern. In Betreff der Sache selbst enthalte ich mich jedes Urteils, da wir das über uns verhängte Unglück übereinstimmend auffaissn. Es würde überdies völlig müßig sein, aus ein bsit ae-oonapli zurückzukommen, welches, durch verfl nstchs und all.emeine Verhältnisse längst vorbereitet, im entscheidenden Augenblick ein getreten ist und in bezug aus welches ein banges Vor gefühl mich längst schon drückte. Daher meine viel fachen Warnungen und Klagen. Nun ist es vorbei; es ist mir zumute, als kehrte ich von einem zweiten Leichenbegängnis zurück: sas erste war am 19. März 1818, da wurde das alte Prenßen begraben; das zweite war am 3. November, da wnrd« das neue Preußen cingcsenkt. Mein-- heißen Tränen sind in das Grab geflossen: ich fühle in meinem Innern etwas gebrockten, an dem ich mich im Laufe dieser letzten Jahre krampfhaft geholten hatte: nämlich der Glaube an Preußen. Der ist nun weg. und eine Auf erstehung in der bisherigen Form unmöglich! Des halb meine ich nicht etwa, daß Preußen aufhören werde, o nein, es wird fortlrben wie so mancher andere Staat, aber es ist nicht mehr mein Preußen, das schöne Erbteil unserer großen Vorfahren und Las unbefleckte Vermächtnis für unsere Nachkommen, und so sage ich dem abgeschiedenen Freunde ein schmerzliches Lebewohl! Ich danke Dir dafür, daß Du ritterlich und patriotisch gekämpft Has:. So dachte ich Dich stets mit Preußens Schicksal verbunden; seine Ehre war die Deinige, und wäre es das geworden, was es werden konnte, so würde auch einst Dein Nam« mit jener Größe verwachsen fein als u.rzertrcnnliches Ganzes. Nun aber liegen die Lochen ganz anders; ein jeder wird in seinem Bereich seine Pflicht erfüllen, aber die ursprüngliche Bedeutung derselben hat einen anderen Charakter angenommen, der eigentliche Punkt, auf den z:,gesteuert werden mußte, ist weg, und das Lowieren läßt mich teilnanmlos. Ich habe außer Auenwald und Griesheim sder Obcrpräsidcnt der Rheinorovinz v. Auerswald und Oberst v. Griesheim, Kommandant von Koblenz und Ebrenbreitstein) niemand gesprock>«n, weil ich mich gestern außerstande fühlte, Las Gefühl der Scham vor anderen zu überwinden. — Beide Herren waren tief ergriffen. Griesheim meinte wie Du seine Hellen Tränen, war aber männlich im patriotischen Srhmerz. Auerswald bewährte sich in diesem Moment, wie ich ihn stets erkannt, ohne Charakterfestigkeit bet durch aus ansprechenden Formen: ich würde ihm nie volles Vertrauen schenken können, wiewohl ich sein Verdienst anerkenne. Griesbe-m ist Preuße durch und durch. . . . Wie eigen treffen manche Eindrücke zusammen. Am 2. November in der entscheidenden Stunde stand ich auf dem Veras der Carlbause und sah herab in den schönen Kirchhof, wo das Allerseelensest gefeiert wurde. Es war eine schwüle Luft wie im Sommer, das ganze Ta! in Nebel gehüllt: auf jedem Grabe brannten unzählige kleine Kerzen in freier Luft, und Blumen schmückten die Steine. Eine Prozession durch rag den Kirchhof psalmodierend; aus dem Gebiet des Nebels ragte nur der Ehrenbrcitstein hervor und aus dessen höchster Svitze hatte sich ein Lichtstrahl von oben gesenkt, der wie ein leuchtender Stern den Hinterarnnd l ist'cie. - Ich ? r:> da oben in ernster, feierlicher Betrachtung! Das war die Stunde des Scheidens. . . . Das Srrslrmee ArsiverMStsMUiwm Das ehrwürdige Breslauer Gotteshaus von St. Elisabeth, die Kirche der ältesten Patrizier geschlechter, deren Ni-"'entnrm ein Wahrzeichen Breslaus hoch über all-m Gebäuden cmporragt, barg gestern morgen eine bedeutende Gemeinde in seinen Mauern. Schon um 8lldr begann sich die Kirche zu füllen. Wie bei allen großen Universitätsfesten waren die wsUlichen und geistlichen Behörden fast voll zählig vertreten. Der Glanz Le: kostbaren Toiletten, die ordenbesäten Uniformen, die dunklen und vio letten Talare der Professoren und Geistlichen ver einigten sich zu einem Bild von ausfallend malerischer Wirkung. Studenten in großem Wichs, über dem Samtrock die Schärpe, ans dem Haupte das Feder barett, den Schläger an der Seite, machten an den Eingängen die Honneurs. Punkt 9 Uhr erscheint der Kronprinz in Be aleitung des Erbprinzen und der Erbprinzessin von Meiningen und des Prinzen und der Prinzessin Friedrich Wilhelm von Preußen. Der Kronprinz, der die Uniform seiner Pasewalker Kürassiere trägt, nimmt in der Mitte de: Empore Platz, wohin sich aller Blicke richten. Nun tritt der Geistliche, Pastor von Schweinitz, vor den Altar, um den 11. Psalm zu verlesen. Die eigentliche Festvredigt hielt der evangelische Universitätsprediger Dr. Ennrich. Die große Auffahrt zu dem Festakt i« der Aul« der Universität hatte ein zahlreiches Publikum an gelockt. das dem Kronprinzen in den festlich ge schmückten Straßen die herzlichsten Ovationen berei tete. Auf dem Bürgersteig der Schmiedebrücke, der Zufahrtsstraße nach der Universität, hatten die Stu denten Ausstellung genommen. Schon um 10 Uhr füllte sich die Aula Leopoldina.
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