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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140102011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914010201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914010201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-02
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Selle 2. Nr. 2. Morgen-Zusgave. Leipziger «Lagedtan Fretias, 2. Jamrar 1S14. erlassen und trafen hier nach 9 Ilhr ein, vom Publikum herzlich begrüßt. Gleichzeitig endete das Wecken auf dem Schloßhof mit dem Choral „Dies ist der Tag, den Gott gemacht". Da die Hoftrauer für heute aufgehoben war, fo bot die Anfahrt der Prinzen, Prinzessinnen. Fürst lichkeiten, Staatswürdenträger, hohen Militärs und Hofchargcn das bekannte abwechslungsreiche Bild, das durch den Anmarsch der Galawache der Garde- oukorps, der Leibgarde der Kaiserin (2. Zug der Leibgeiidarincrie) und der Schlotzgarde-Kompanie noch farbenreicher wurde. Auch die Abordnung der Halloren wurde viel bemerkt. Die Majestäten nahmen in der Schwarzen Adler- Kammer die Glückwünsche des Königlichen Hauses entgegen, im Kapitelsaal um 9?^ Uhr diejenigen der Hofstaaten. Um lOs.j, Uhr begann in der Schlos-tapelle der feierliche Gottesdienst. Hier harten sich ein gefunden der Hohe Adel, der Reichskanzler, die stimm- iührewde.r Bevollmächtigten zvm Bundesrat, die Gcne- ralseldmarschälle und Generalobersten, darunter die (^neralfeli)marschülle v. Bock und Pol ach und von der Goltz, Großadmiral v. Tirpitz, dle Generalität und Adniiraiitlit, die Ritter des Schwar- zeir Adlerordens, die Kommandeure der LeibregiMeil- ler, die aktiven und inaUiven Staats-Minister, die Staatssekretäre, die Präsidien des Neiästages urü> der beiden Häuser des Landtages, die Wirklichen Ge Heimen Räte und die Nate 1. Klosse, ferner die Ober bürgermeister unlo Stadtserordnetenvorckeber der Haupt uno Aesideuzsladt Berlin und der Resiüenz- städte PstcLanr und Charlvtiendurg. Am 'Altar stand dis HosMüIichkeit. Bei des Hofes fang der Domchor « «.-»pMIn unter LefturiA des Professors Nudel Psalm 98: „Singet dem Herrn ein neues Lied." Die Pagen b-lteren am .Kupeüeneingang Spalier, die Herren des großen Vortritts nahten paarweise. Voran schritten die drei Marschälle: der neucrnannte Oberhof- und Hausmarschall und Obcr- Zercnionicnmeister Frhr. v. Neijchach, General ä la ouilo v. Gontard, beauftragt mit den Ge schäften als Hausmarschall, und Ho'marschall Graf o. P l a t e ri - Ha l l e rnr n n d. Der .Kaiser führte die Kaiserin, hinter den Maje stäten schritt der engere Dienst. Go folgten der Kronprinz mit der Prinzessin Eitel Friedrich und Prinz Heinrich mit der Kronprinzessin. Es schlossen sich an die Prinzen Eitel Friedrich. Adalbert, August Wilhelm, Oskar und Joachim und die drei Löhne des Pritt en Friedrich Leopold. 'Nach Gemrindegesang und Liturgie, wobei der Bläserbund iiiitwirlte, pre digte Ooerhcfprcdiger l). Dr y a ndcr über das vom Käfter ausgcwählte Biberwort aus dein Propheten Sacharja (Hapltel 8. Vers l<!): „Das ist cs aber, das ihr tun sollt, redet einer mit dem onderen Wabrbe'.' richtet recht und schauet Frieden in euren Toren " Den Gottesdienst beschloß das Niederländische Dank gebet, von Gemeinde und Chor gmungen, von Posau »en und Kesselpauken begleitet. In feierlichem Zuge be-sab der Hof sich dann nach dem Weissen Saal, während die Vläser den „Wil- helmus von Ztassauen" ertönen ließen. Im Weißen Saal präsentierte die Schlofzgardc- Kompanie unter Flügeladjutant Oberstleutnant v. Äcutius mit altertümlichem Griff. Kaiser und Kaiserin traten vor die Stufen des Thrones, neben dessen zwei Sesseln die vier Leibpagen standen. Die Prinzen stellten sich rechts. Die Prinzessinnen links neben den Thronhimmel. Dis Gratulations- Defilicrcour der in der Kapelle versammelt ge wesenen Herren begann, unter der Leitung des Oberst-Kämmerers Fürsten Solms-Baruih und des Ober-Hofmarschalls Frechen» o. Reischach nach den Klängen non Märschen, Liedern und Polonäsen, während im Lustgarten die Leibbatterie des 1. Garde-Fcldartillerie-Negiments einen Salut von 101 Schuß abgab. Der Kaiser schüttelte bei der Cour den, Reichskanzler kräftig die Hand. Die Präsidenten der Parlamente sprachen dem Kaiser die Glückwünsche der Häuser aus. Um 11!7 Uhr empfing der Kaiser im Marinesaal die Botschafter, die vorher in ihren Gala karossen angeiahrcn lvarcn, hierauf in der Noten Samtkammer das Staatsministerium und dann im Rittcrsaale die Kommandierenden Generale und Admirale, endlich im Kapitelsaale den neuernanntcn türkischen Militärattache Oberstleutnant Djemil Bei und den bisherigen Vertreter des türkischen Militär attaches Infanterie-Oberleutnant Fuad Izzet Bei Baban. Die Kaiserin empfing die Botschafter im Königinnenzimmer und hierauf die Fürstinnen im Pseilcrsaale. Um 12N Uhr begab sich der Kaiser, der über dem Mantel das Band va» Schwarzen Adlerordens an gelegt hatte und den Feldmarschallstab in der Rechten trug, zu Fuß nach dem Zeughaus hin, über, gefolgt von seinen sechs Söhnen und den Herren de» Hauptquartiers. Var dem Zeughaus stand eine Ehrenkompanie vom 2. Garde-Regiment z. F. mit Fahne uich Musik, an ihrem rechten Flügel dir di rekten Vorgesetzten nnt General Frhrn. v. Pletten berg an der Spitze. Der Kaiser schritt die Front ab und begab sich dann in das Zeughaus. Hier begann sogleich in der Ruhmesl)olle die Nagelung von 26 neuen Truppen-Feldze ichen neuerrich teter Truppenteile: nämlich des Füstlterbataillons des 5. Garde-Regiments z. F-, des «züsilicrbataillons des Tarde-Grenadierrrgimeuts Nr. des Eisenbahn bataillons Nr. 4, der Iägerrrgftnenter zu Pferde Nr. 9, 19, 11, 12, 7, S, Ich der dritten Bataillone der Infanterierrgtmcnter Nr. 153, 154, 156, 157, 158, 159, 162, 161, 167, Ui9, 179 und 152, der Pionierbataillone Nr. 28, '49 und 30 und des Telegraphenbataillons Nr. 6. Anwesend waren dabei u. a. die Prinzen, die Umgebungen und Gesolge, die General-Fekdmar- sck älle, der Knegsminister. der Chef des Gcnrvalstabs, die Kommandierenden Generale der beteiligten Ar meekorps. Im Lichthof wurde darauf die Weihe der Feldzeichen durch >n «vanoelischen Feldpropst in Gegenwart des katholischen Fcldpropstes vorge- uommen. Die Mufft intonierte La» Tedsum, wah rend die Salutdatterie abermals feuerte. Es folgte die Ausgabe der Parole, die wie immer lautete „Königsberg—Berlin", worauf der Kaiser die Rapporte der Leibrcgimenter und mili tärische Meldungen entgegennahm. Den Schluß der Feier machte ein Vorbeimarsch der Ehrenkompanie mit den cingetretenen neuen Feldzeichen und der Salutbatteric. Um 1'7 Uhr lehrte der Kaiser in das Königliche Schloß zurück. Bald darauf war F r ü hstückstafel. Nach der Frühstückstafel empfing der Kaiser die Direktoren der Königlichen Porzellan-Manufaktur, Geh. Reg.-Rat Dr. Hcinecke, Professor Schmuz-Baudiß und Bergrat Ziäurich im Stcrniaal und fuhr nach mittags bei den Botschaftern vor. Um 7 Uhr abends fand in, Etisabethsaal eine Tafel für die kommandicrenivn Generale statt, an welche sich für die letzteren eine Besprechung des Kaisermanöver 1913 beim Kaiser anschloß. Die Kaiserin machte vor der Frühstückstafel einen Besuch im Kronprinzlichen Palais. ?oMeke UeberlM Kerzte un- Krankenkassen. Zwischen den Krankenkassen und den ürzt- tftycn Vertragsgenossenschastci» der Kassenärzte ,:nd durch Verinittl u n g des Direktors des O b c r v e r s r ch er n n g s c» m tes Ba ritzen in den Städten Bautzen, Kamenz, Puls nr tz, sowie im Bezirke der Amtshauptmannschaft Kamenz Verträge abgeschlossen worden. InsAocit es infolge der Kürze der Zeit nicht I möglich war, in den übrigen 'Teilen des Be- i zirkS des Ober'oersichernngsamtes Bautzen wegen des Abschlusses detz Verträge »nit den Beteilig ten zu verhandeln, ist es gelungen, von den Acrzlen ein Provisorium bis Ende Januar 191-1 dahin zu erlangen, daß sie die Behandlung der Versicherten zu den bisherigen Sätzen unter der Bedingung weiter übernehmen, daß die inzwi schen zu vereinbarenden Ärzthonorare rückwir kende Kraft vom 1. Januar 1914 ab erhalten sollen. Die ärztliche Versorgung in den ge nannten Bezirken ist also sichergestellt. Erne vorläufige Einigung zwischen Aerzten und Krankenkassen wurde in einer am Sonntag ab gehaltenen Versammlung auch in Löbau er zielt. Die Acrzte erklärten sich zu einem Pro visorium bis Ende Januar bereit und überneh men bis dahin die Krankcnbehandlung in der bisherigen Üveise. Bedingung ist, soweit die Stadt Löbau in Frage kommt, daß der Aerzte- Rabatt von 10 Prozent an die Allgemeine Orts krankenkasse Löbau wegsällt und außerdem eine lOprozentige Erhöhung des Aerztehonorars ein tritt. lieber die Forderung des Leipziger Acrzte- Verbandes, daß die Kassen pro Jahr und Mt- glied 5 Pfennig aufbringen sollen, um mit der dadurch aufznbringenden Summe eine Abfin dung der bisher eingestellten, nicht dem Leip ziger Verband angehörenden Acrzte zu ermög lichen, kam es dagegen noch zu keiner Einigung. Der unter Mitwirkung des hessischen Mini steriums des Inneren am 10. Dezember zwischen den Aerzten und Krankenkassenvertretern ver einbarte Man telvertrag für das Groß- - Herzogtum Hessen ist nach nochmaligen Verhandlungen im Ministerium von den Acrz- ten angenommen, dagegen von den Kra n- ke »lassen trotz verschiedener Zugeständnisse dec Aerzte abgelehnt worden. Deutsches Reich. * AuvMchnung. Der Kaiser hat dein braun- fchweigischsn Staalsminister Hartwieg den Roten Adlerorden erster Klasse verliehen. * Sicherung der Bauforderungcn. Zn den Ver handlungen wegen eventueller Einführung des zweiten Teiles des Gesetzes zur Sick-erung der Bau forderungen wird von amtlicher Seite bemerkt, es lei bei Beginn der Verhandlungen nicht nur auf deren streng vertraulichen Charakter, sondern auch darauf aufmerksam gemacht worden, Laß cs sich dabei keineswegs um die Herbeiführung von Mehrheitsbeschlüßen irgendwelcher Art, sondern nur um eine Aussprache unter Sachverständigen zu Jnsormationsz wecken handle. Ausland. England. * Lloyd Georges Friedensschalmei. „Daily Chro- nicle" veröffenllicht, wie uns ein eigener Draht bericht aus London meldet, eine Amcchl Er klärungen Lloyd Georges, die er in Unter redungen mit Freunden getan hat. So hat er unter anderem erklärt, daß seit 20 Jahren kein so günstiger Augenblick zur Herabsetzung derNüstungs- aufgaden gekommen sei wie jetzt, da zwischen Deutschland und England viel freundschaftlichere Be ziehungen Herrichten. Beide Nationen hätten ein gesehen, daß ste in einem Kriege miteinander nichts m gewinnen, aber alles zu verlieren hätten. Türke!. * Greys Vorschlag zur Lösung der Jnseksragr. Wie das Reuterbureau meldet, ist die Antwort des Dreibundes auf die Note Greys in einer Kopie durch den deutschen und italienischen Botschafter und den österreichisch-ungarischen Ge schäftsträger am Donnerstag in London überreicht worden. Japan. * Die Verschwörungen aus der Insel Formosa. „Daily Mait" meldet: Die japanischen Gerichte haben wiederum 18 Personen zum Tode verurteilt, die unter der Anklage wegen Verschwörung gegen die japanische Herrschaft auf Formosa standen. Die Untersuchung ergab, daß chinesische Revolu tionäre die Hand im Spiele hatten, um bei den ausbrechendcn Wirren rauben und plündern zu können. n« Qiprlg «na Umgebung Leipzig, i. Januar. Neujahr beim Reichsgericht. Seit der Errichtung des Reichsgerichts ist es für dessen Mitglieder zu einer traditionellen Gepflogenheit geworden, die Wiederkehr des Jahrestages seiner Errichtung als einen bedeu tungsvollen GedächtniStag an jedem 1. Oktober auszuzeichnen und sie zu einem festlichen Ab schluß in der JahreSgeschichte des Reichsgerichts zu stempeln. Ebenso ist eS für die Mitglieder des Reuw.-perichtS, der Neichsanwaltlchaft und der Rechtsanwaltschaft der beim Reichsgericht zu gelassenen Rechtsanwälte zu einer regelmäßig geübten Sitte geworden, bei dieser Ver anstaltung das Plenum des höchsten Gerichts hofes außerhalb seiner Berufssphäre zusammen zuführen und sich am NeujahrStage zur Beglückwünschung versammeln zu lassen. Diese gegenseitige Begrüßung trug, wie immer, den Charakter einer herzlichen kollegialen Zu sammenkunft. Es ist ein dankbarer Brauch, den der oberste oeursche Gerichtshof von der ersten Generation des Reichsgerichts übernommen hat, daß alle seine Mitglieder bei jedem Jahreswechsel zusamw" ttommer», um einander Glück zu wün schen. Besondere feierliche Reden werden nicht gehalten: man begnügt sich mit freundlicher Be- grüßnng und stillem Händedruck. Seit ihrem Be irehen bat die Zusammenkunft der Reichsgerichts kollegien immer als ein Mittelpunkt zum Aus tausch und zur Erneuerung gegenseitiger freund licher Beziehungen gegolten, in welchem Sinne auch die zwanglose gesellige Form der Begegnung ihre V'cn-sn'dung findet. Sie sah auch am Neu jahrstage wieder Senatspräsidenten, Nate, NeichSanwälte, Rechtsanwälte und Beamte des Reichsgericht? an der traditionellen Stelle, den Kleinen Festsälen des Leipziger Zen traltheaters. Mit dem Präsidenten des Reichsgerichts, Kaiser!. Wirkl. Geh. Rat Dr. Frhrn. v. Seckendorfs, Exzellenz, nahmen von den Präsidenten der Straf- und Zivilsenate die Herren Dr. Planck, Dr. Reichardt, Dr. Jeß von Hasses, v. Kolb, Hoffmann, v. Pelargus und Dr. Sievers an dem Begrüßungsakte teil. Zu ihnen kamen znaleich Neichsanwälte mit Oberreichsanwalt Dr. Zwei gert und eine größere Anzahl von Rechts anwälten der Anwaltskammer des Reichsgerichts, wie auch von den in den Ruhestand getretenen Mitgliedern n. a. die ehemaligen Senatsprnsi- denten die Exzellenzen Wirkl. Geheimräte Dr. Freies leben und Dr. Färtsch und die Reichsgcrichtsräte Bartsch, Galli, Schütt und Hofmann zugegen waren. Nach einer allgemeinen Begrüßung und Be glückwünschung, die im zum Emvfangsranm um gewandelten, mit einem Flor von Rosen und weißen römischen Hyazinthen geschmückten Kon- zertsaalc stattfand, wurde dann gegen 1 Uhr von den Erschienenen, wohl 1<X) an der Zahl, im Speisestml das Frühstück eingenommen. Gruppenweise, zum Teil nach S naten geord net, nahm hier der illnstre Kreis hoher Juristen an den einzelnen Tafeln Platz. Die Wirtschafts direktion des Zentraltheatcrs hatte hierzu ein reichbesehtes kaltes Büfett arrangiert. * Neue Fernsprechstelle. In Droßkau bei Groitzsch ist am 31. Dezember eine Telegraphenanstalt mit öffentlicher Fernsprechstelle eröffnet worden. Die neue Anstalt hält beschränkten Tagesdienst ab. * Jubiläum. Kaufmann Robert Friedel feiert am 2. Januar sein 23jährigcs Dienstjubiläum im Hause Johann Christian Freygang. Oo von ckeutseber lst'rma im sranMüi^eben Oaixvaeckistrikt. »»34s: 30j Roman von Arthur Babillottr. Madame Pipinette aber nahm sie in der Hitze der Debatte bitterernst. Sie beckenztc sich entsetzt und wich einen Schritt zurück, gleich sam, als fürchtete sie, dieser Manu, der sich iu einem Anfall von Blindheit dem Teufel ver schrieben zu haben schien, könne seine Hände nach ihr ausstrecken, nin sie mit sich in seine Sündhaftigkeit zu reißen. „Großer Gott! Großer Gott!" jammerte sie. „Ihr versündiget Euch ja, M'sicur Andre! Leset Ihr denn net jeden Tag im Journal von dem elenden Tod, wo die. Flieger, diese Gottlosen, finden? Seid Ihr denn schon so verblendet, daß Ihr net ein- sehet, daß der lieb Gott sie straft, weil sie den Himmel erobern »vollen . . .? Der Mensch soll net fliegen, M'sienr Andre! Und es wnd auch nie so »veit kommen, daß sie da oben in der Luft sicher und ohne Gefahr hernmfliegen können . . . Denket an mich, wenn Jhr's ein mal einsehet!" „Aber Madame Pipinette!" sagcc hieraus der Wirt. „Ich hab Loch nur Spas; gemacht." Heimlich hatte es ihm einen barten Schlag versetzt. Bei den finsteren Worten ber alten Frau, die aus einer vergangenen Zeil wie eine Drohung in sein Leben hereinragren, war der Ausspruch jenes Keinen schwarzen Abbss auf dein Flugplatz zu Straßburg vor ihm ausge- tancyt; die wie mir Meißeln in seine Seele ge grabene Scheu vor den» allmächtigen Gott im Himmel, der alle, die sich gegen ihn erhoben, schrecklich zu strafen wußte, diese dumpfe, jeden Aufschwung unbarnmerzig niedcrtatzende Scher» klopfte »nit mahnendem Finger bei ihm an und drwhtc ihm. Unruhig, nnzusriedei» »nit sich und allem trat er auf die Straße, nm sich den leichten Wind, der sich erhoben hatte, nm das heiße Gesicht wehen zu lassen. La hörte er drüben Grandidier eincn wüsten Fluch ausstoßen. Dann kam der Dicke vor die Tür gestürzt und brüllte, als er Picards an sichtig wurde, über die Straße: „Ah! so ein heimtückischer Mensch seid Ihr, M'sienr Picard! ^o einer, wo hinten hermmkommt und brave, ehrliche Leute ruiniert . . .!" Seine Fäuste brachten die Lust in lebhafte Schwingung. Die Wut verzerrte sein anfgeschwemmtcS "Gesicht zu einer häßlichen Fratze. Andrü Picard, in dem sich zu dieser Zeit die tollsten Gegensätze miteinander balaten, fing Feuer. „Was!" schrie er, ein-paar Schritte vor tretend »nie cin Kampier, der dem Gegner cnt- gegenlänsl, „was »voller Ihr?! Ich ruiniere Euch, saget Ihr, Grandidier? He! Feget nur erst einmal vor Eurer eigene»» Tür, da liegt grad Dreck rzenng, zell lasset Euch gesagt sein, Ihr! Eure Tochter stabet Ihr ins singtück ge jagt, Eurer halbes Vermögen versaust Jstr, "— gelt, Ihr meinet, das weiß man net, eh? Und mit den Schningglern haltet Jhc's . . ." Grnndidier wurde erdfahl im Gesicht, seine Arme begänne»» zu zittern . . . Aber selbst in dieser furchtbaren Aufregung vergaß er nicht, Canaille, dein struppigen Hund, der sich unvor sichtigerweise »n seine Nähe gewagt hatte, eincn seiner schonungslose»» Tritte zu versetzen. „Jetzt ist mir alle? egal!" schrie er darauf, ebenfalls auf den Gegner zulaufend. „Ihr bringet mich ja doch sowieso ins Elend, Ihr .valsabschncider! Wäret Jstr doch geblieben, wo der Psesser wächst! Ah! 's ist zum Verrecken, wenn man's bedenkt. Der Mensch ist bis dahin ein simpler Fuhr mann gewesen, bat teine Ahnung von einer Wirtschaft gehabt . . . und jetzt reißt er alles an sich . . . Alles, alles, alles!" Wieder kam die größte Sorge seines gegen wärtigen Zustandes über ihn. Er sah das "Ge spenst, daS aus allen Fenstern der Aubergc .Zu Lvloil lovunr grinste, sah sich bereits arm, ver lasse»», von» Unglück, »nit dem Bettelstab in der Hand, durch das Land gehetzt, angewiesen aus mitleidige Seelen, die ihm uin Gottes Barmherzigkeit Wille»» einen Son in die aus- gestreckte Mütze »varfen ... Er war lodtraurig, und diese Traurigkeit sprudelte in Worte»» der Wut und des Hasses aus ihm heraus. Sic balgten sich aus der Straße wie zwei einfältige Schulknaben. Sie schmähten sich wie gewöhnliche Waschweiber, sie schienen alle Scham und alles Selbstbewußtsein verloren zu haben. Die Knechte und Mägde kamen gelaufen und statten ihr Schauspiel. Madame Pipinette stand im Hintergrund der Stube und schluchzte ganz leise in sich hinein. Das; ihr Mit kils, ihr ge scheiter Mit kils sich so vergessen konnte . . . DaS war ja eine Schande, eine nie zu löschende Schande »var das doch! Aber sic hatte es ihn» ja eben noch gesagt, cs ist nicht gut, wenn der Mensch unter die Gottlosen geht . . . Die liebe Mutter Gottes mochte wissen, was dem Manne so auf einmal den Kops verdreht hatte . . . Automobile, Luftballons und solche»» ztzrempel hat er jetzt in seinen Gedanken . . . Das nimmt kein mltes Ende, weinte die gute alte Ma dame Pipinette vor sich hin. Den Weg herauf, von der deutschen Seite, kamen einige Landauer gefahren: eine fröhliche Llnsslügiergesellschast lärmte auf den Sitzen. Sie stöbe»» mitten in den lauten Zank hinein. Sie lachten und scherzten über die beiden Kampf- ltzchne; aber es »var schwer, die auseinander;»»- briiigen. Sie hatten sich ineinander festgebisjen, als wollten sie so stehen, Leib an Leib, die Finger ineinandergelrallt, bis an das Ende aller Dinge. Keuchend riß sich endlich Grandidier los und warf sich in seine alte Rolle, in diese schöne Rolle der Bonhomic, die er Zeit seines Lebens mit Meisterschaft gespielt hatte. „Exküsicret, ihr Herrschaften," sagte er mit öliger Höflichkeit zu den AuSflüglern, „wir haben eine Neine Differenz miteinander gehabt, inein Nachbar und ich. Jetzt ist'ö vorbei, und ich bitt die Herr schaften, wegen dem net verstimmt zu sein , . , Wollen die Herrschaften net absteigen und in die Stube kommen?" Sie stiegen ab und kainen in die Stube. Alle Tische wurden besetzt, der Wirt mußte auf fahren, was er Gutes und Schönes im Hause hatte. Sie lachten, vertrieben sich die Zeit mit allerlei Spielen, tranken tüchtig und zerrissen mit ihrem Sonnenschein die schwarzen Wolken, die sich vor Grandidcers geschwollene Seele ge legt hatten. Picard aber »var in den Wald gelaufen; eine tiefe Beschämung hatte ihn hart angefaßt, als der Sturm der Erregung vcrbraust war. Er lief mit gesenktem Kovf, immer geradeaus, unter den schweigenden Bäumen des Waldes hin. Er achtete nrcht des Weges; nur fort, nur fort wollte er. Irgendwohin, wo keine Menschen waren, wo er sich in tiefer Schweigsamkeit »nit sich selber auSeinandersctzen konnte. Er kam, immer auf dein Kumm hineilend, zu einer Ruine, deren Reste wehmütig zerstreut über einer üppi gen Wiese lagen, überwuchert von allerlei Busch werk, Efeu und wilden Rosen. Da ließ er sich schwer auf eine kleine Mauer nieder, die dicht am steilen Abfall des Berges stand. Kein Vogel war in dieser Einsairileit zu hören; düster brütete ei»; ungeheures Schweigen über dieser zerfalle nen Kraft und Freiheit. Und wahrend Andrä Picard in seinem tiefsten Grübeln saß, stand mit einein Male zum Greifen ei»» schlichtes Erlebnis ans jeiner Kinderzeit vor seinen Augen: ES war ein gol diger Frühlingstag. Die Amseln flöteten in allen Hecken, die Lerche»» jubilierten, an allen Rainen, auf allen Gartenmauern lärmten die Spatzen. Die alte rostige Glocke der idyllisch in eincn» großen Garten halb vergrabenen Dorf schule schwang »nit in der brausenden Freude; eine durcheinanderlollerndc und spektakelnde Jungenschar stürzte ans der schiefen Tür hin an?, über die staubige Straße, daß Wolken auf flogen, hinein in den freien, seligen Nachmittag. (Fortsetzung in der Abendausgabe.) Laxlsknsp's SillvnquvUs »UkstkKVI ^08 Qossn VoiÄopfunx, ßvslütts Vonkuuns, ^sttislblg- kvtt. SIursncli'LNL, «w. / kk«s/y/<7- ooL -
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