Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140105019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914010501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914010501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-05
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seile 2. Nr. 7. ttlvrgen-Nusysve. Tagrdlatt. Teile, wie Tragflächen, Triebschrauben, noch die widersprechendsten Ansichten bestehen und die aus geschästlicke Ausnutzung dringenden Fabriken iiir wissenscl>aftliche und technische Versuch weder Zeil noch Geld haben. Es fehlt noch immer ein unter allen Umständen brauchbares Hochjceflujpeug. Bon der allerhöchsten Bedeutung für das Marineslug wesen bleibt die dauernde Beobachtung der Atmo sphäre über den Operationsgebieten der Nord- und Ostsee und die schnelle AachrichtenüberMittelung über die Veränderung des Wetters daseltst an die Luft schisse und Fliegerstativnen. Das jehige System der meteorologischen Forschung einschließlich der Wetter vorhersage genügt für diesen Zweck nicht. Die Wetterberichte müssen in kürzeren Zeit abschnitten scstgestellt und schneller übermittelt werden. Die Wetter;ustünde, welche -,um Verlust des „I I" in einer schweren Bä am 9 September vorigen Jahres führten, waren siir die Nordsee keineswegs außergewöhnliche, nur die übliche Heber» Mittelung der Wetternachrichten war den Umstanden nicht gewachsen. Es ist ohne weiteres zuzugeben, da das.stereinbrechen einer sctnvcren Bö siir eine be stimmte Stelle und Zeit wohl kaum wird voraus gesagt werden können; der Führer eines Luftschiffes wird immer in einer ähnlichen Lage bleiben, wie der Führer eines Segeljckstffes. der bei unsicherer Wetterlage durch fortgesetzte Beob achtung der Molken und des Horizontes das Heran nachen und den Charakter einer Bö zu erkennen hatte, um rechtzeitig Borlehrungen gegen die drohende Geiahr zu treffen. Die seemännische Praxis hatte gewisse Kennzeichen und Negeln hierfür ge lehrt: diese Erfahrung steht den aus Dampfern ohne Takelage groggewordenen Marineoffizieren nicht mehr in dem Maße wie früher zu Gebote. da die Dampfer durch Böen in ihren, Borwärrsgang und in ihrer Sici>erhcit kaum beeinträchtigt werden. Die Luftfahrer werden die für sie in Betracht kommenden .stcnnzcili-en noch zu lernen haben; cs bleibt nnr zu wünschen, daß ihnen dies ohne große Verluste an Material und Menschenleben möglich sein möchte. Eine prompte Nachricht über die veränderte Wetter lage wird ihnen dabei von großem Nuhen sein. Am 1. Juni v. I. sind die M a r i n e j n f t s ch i s f abtcilung und die Marineflieger- Abteilung formiert worden, die, was die Aus bildung, Versuche und technische Angelegenheiten be treffen, dem Neiä»smarineamt unterstellt sind, im übrigen gehören sie zur Marinesration der Nordsee. Ihre Organisation und Mannschaftsslärke ist nur für die nächsten Fahre sestgelcot, soweit sich die Ent wicklung des Luftfahrwesens einigermaßen übersehen läßt. Außer den nötigen Seeoffizieren stn diesem Fahre waren 56 Offiziere kommandier^ werden an 1452 Dcckofsiziere, Unteroffiziere und Mannschaften für diesen Dienstzweig bestimmt. Bis 1915» sollen zehn Marineluftschiffe, vier drehbare und eine feste Halle, 56 Marineflugzeuge sowie eine Anzahl Flicgerstationen sertiggcstellt sein. '.15 Millionen Mark sind bis 1915 für diesen Zweck veranschlagt worden. Die Unterbringung der Abteilungen in diesem Fahre war ein Provisorium, da alles noch im Werden begriffen ivar. Nichtsdestoweniger wurde die Ausbildung des Personals siir die im Bau be findlichen Luftschiffe eifrig gefördert, zumeist in Fohannisthal; die Flieger übten in Putzig, Kiel und Wilhelmshaven. Mit großer Zuversicht ging man in die Hcrbstmanöver, um über die Verwendung der Luftschiffe und Flugzeuge im Flottenverbande auf hoher See und bei der Kiistcnverteidigunk weitere Erfahrungen zu sammeln und das Ausmaß der militärischen Anforderungen fcstzustellen. Die hcreinbrock>cnben Katastrophen konnten zwar nicht alle Erfahrungen vernichten, unser ganzes Flugwesen gewissermaßen auswischen; der Verlust so zahlreichen erfahrenen Personals aller Krade mußte aber sehr hart empfunden werden. Erfreulicherweise blieb kein Tag unbenutzt. um die entstandenen Verluste auszugleichen. Tatkräftig wurde sofort die Aus bildung des Personals für die im Friihfahr 1914 abyuliesernden Luitschifse „I. III" und „tt IV" be gonnen, und zwar wurden die Privatlustschtsfe ^.Viktoria Luise" in Frankfurt a. M. und „Sachsen" in Dresden für diesen Zweck gemietet. Die Marine- luftschifsabteilung. die bisher in Dresden stationiert war, siedelte in diesen Tagen nach Fuhlsbüttel bei Hamburg über; eben dahin ist auch das Lustscknff ,'Sachsen" bestimmt worden. Statt, wie gehofft, mit einer ans vier Schilfen bestehenden Luftschiffstasscl üben und Erfahrungen über ihre Venvendnng in der taktischen strategischen Aufklärung gewinnen zu tonnen, sieht sich die Marinelnstschifsabteilung leider auf zwei Schiffe beschränkt und in der Entwicklung der siir die Aufklärung der Flotte ungemein wichtigen Hilfswasse aufgehalten. Von den beiden neuen Luftschinen. die in feder Weise das Vollkommenste darstcllen sollen, wird das eine von der Firma Schütte-Lanz, das andere von der Zepv.iingeselljchait geliefert werden. Die Marineflieger sind glücklicher gewesen, wenn ihnen leider Verluste auch nicht erspart worden sind. Die Entwicklung des Marineluftzenges ans dein Landflngzeug ist weiter fortgeschritten, wenn auch viele Schwierigkeiten, die den Ausstieg und das Nic»erlassen bei bewegter See mir nch. bringen, noch sichrer ülnrrwunden werden müssen. Diesen Um ständen dürfte am besten das Marineslugboot mit kurzen Tragflächen und starken Maschinen gerecht werden. Zu unserer Freude und zur Beruhigung unserer Freunde — wo immer wir solche haben sollten — sei schließlich festgestcllt, daß trag der geradezu be täubenden Verluste, die unsere Manne erlitten und die an den Untergang mit Mann und Maus der Kriegsschiffe „Amazone" und „Frauenlob" der jungen preußischen Marine erinnern, keinen Augenblick das Vertrauen in die Richtigkeit des betretenen W-eges weder bei der verantwortlichen Leitung noch bei dem Personal erschüttert worden ist, dem dieser wichtige Dienstzweig nnvertraut war. Mit Tatkraft und patriotischer Hingabe, überzeugt von der Notwendig keit, den Rückschlag so schnell als möglich wieder gutzumachen, hatten die Uebcrlcbenden die Reihen geschloffen und sich neue Gehilfen gefunden. Das Neichsmarineamt, dem unbegründeterweise ort der Vorwurf gemacht worden, daß es sich zu lange von der Ausnutzung der neuen Hilfsmittel zurückgehalten, hat die Augen offen gehabt und in der Stille er wogen, ehe es zu seinem festen Entschluß kam, den es nach bewährter dcustcher Methode aus führen wird. poMilelie Ueberlietit Vie nationailkbera!e /raktion un- -er MißbMkgungsantrag. Unser Berliner O - Mitarbeiter schreibt uns: Der Abgeordnete Nassermann hat in dem von uns hier veröffentlichten Artikel zur „Jahreswende" mitgcteilt, daß die Fraktion ohne sedc Meinungsverschiedenheit sich einmütig ent schlossen hätte, dem Mißtrauensvotum gegen den Kanzler zuzusrimmen. Die ,.Deut sche Tagesztg." hält diese Mitteilung nicht für „ganz vollständig", dieweil der Abgeordnete H esterina n n, der ja noch immer Hospitant der Fraktion sei, diesem Mißtrauensvotum nicht bei gestimmt habe. Die Sache hat sich doch ober em wenig anders zugetragen. In der Fro.uious- sitzuug hatte Herr Hestermanu nicht wider sprochen, als der Vorsitzende als Ergebnis der Erörterungen zusammengefaßt hatte: die Frak tion sei also einmütig für das Mißtrauensvotum und niemand schließe sich ans. Nnr darum mar- ja auch in der Fraktion damals di. -rst- Miß stimmung gegen Herrn Heftcrmann enistanden, von der wir hier berichtet hntten nnd die man fälschlich so ansgelegt batte, als ob sie durch die Abstimmung des Abgeordneten hervorgerufen worden ei. Das war natürlich völlig unzu treffend und von nns auch so uicht gemeint worden. Ein Fraktionszwang ward bei jenem Mißtrauensvotum uicht geübt; jeder konnte sich entscheiden, wie er wollte. Aber Herrn Hester- manns Pflicht Ware es gewesen, gleich in der Frakttonssitznng zu erklären, daß er sich an dem Mißtrauensvotum nicht zu beteiligen gedenke. In diesen» Zusammenhang mag davon Vermerk genommen seirc, daß Herr Hestermann, der be kanntlich als Kandidat des Bauernbundes in den Reichstag gewählt morden mar, ans diesem ansgcschieden ist. Vie polnisthen Sozial-emokrate« un- -ie Gewerkschaften. Während der Weihnachtsseicrtage ist in OS- miencim (Galizien) der 15. Berbandstag der polnischen Sozialdemokraten Deutschlands abgc- sialtcn worden, an dem jedoch auch Vertreter der polnischen sozialdemokratischen Organisa- tionen des Weichselgebietes nnd Galiziens teil genommen haben. Der Beschluß des sozialdemo kratischen Parteitages in Jena, daß die beson deren polnischen Organisationen in Zukunft nicht mehr materiell uuterstüvt merdcu sollen, murde ans oas schärfste verurteilt als Versuch einer Vergewaltigung des polnischen Proletariats. Die volnischc soziaid. inolratische Partei Mill in den „polnischen Laudesteilen" nach Möglichkeit nnd Kräfte» von seht ab eigene Kandidaten zu den Wahlen aufsceilen. Ferner hat der Verbands- lag gegen die Boykottierung nnd Schikanierung der Inden durch die Allpolen Einspruch er hoben. Besonders bemertensmert ist der Be schluß, daß ein sozialdemokratischer Zentralver- baud polnischer Arbeiter gegründet merden soll. Die Satzungen des neuen Verbandes mären von einer besonderen Kommission bearbeitet morden. Nach fünfstündiger Verhandlung wurden sie an genommen. Vorher hatten sich die polnischen Sozialdemokraten mit der polnischen Berufs vereinigung in Verbindung gesetzt. Sic er klärten, daß sie deren Reihen verstärken wollten, wenn die Leitung der Becufsver.iniguug bereit sei, für den Klassentampf einzutreten, in reli giöser und politischer Beziehung aber vollstän dig neutral zu bleiben. Diese Zumutung — sie zeugt vou großer Naivität der polnischen Sozialdemokraten — lehnte die polnische Be- russvercinignng selbstverständlich ab. Die deutsche Soziatdcmotratie soll darüber große Freude empfinden. Die polnische Sozialdemo kratie glaubt jedoch, daß nach der Gründung ihres eigenen Zcntralvcrbanoes die nicht un beträchtliche Zahl der polnischen Mitglieder, die jetzt den „freien" Gemerlschasten angeyören, dort ihren Austritt erklären merden, nm dem pol nischen sozialdemokratischen Verbände beizu treten. Bald genug wird sich ja zeigen, ob diese Erwartung fick) erfüllt. DerEiftnb<chnbau in unfern Kolonien 1913. In unfern Kolonien wurden im Kalender jahre 191c» insgesamt 309,6 Kilometer Eisenb a h n e n n e u i n Betrieb g e uom - men (gegen 410 Kilometer im Vorjahr), d. r. auf 9867 Kilometer Betriebslänge am Ende des Jahres 1912 ein Zuwachs von 8 v. H. (i. V. 11,8 v. H.). Die 309,6 Kilometer verteilen sich auf die Mittellandbahu iu Ostasrita mit 236, die Mittellandbahn iu Kam er rin mit 69 und die Hinterlaudbahu in Togo mit 4,6 Kilometer. Im einzelnen macht das „Deutsche .Kolonialblatt" folgende Angaben: In Ostafrika haben die Arbeiten zur Fortführung der Mittellandbahu über Tabora hinaus zum Tanganjikasee auch im Kalenderjahr 1913 einen befriedigenden Fort gang genommen. Die Gleisspitze erreichte den Malagarassiflnß bei Station Ugaga , 234 Kilo meter hinter Tabora, am 29. Januar d. I. und mußte nunmehr wegen des Brückenbaues daselbst einen etivas längeren Halt — bis zum 16. Juni — machen. Inzwischen ivar es gelungen, die Bahn jenseits des Malagarnssi in einer etwas südlicheren, wesentlich günstigeren Linie zu füh ren, als ursprünglich angenommen war, und dabei insbesondere die vorgesehenen drei Tunnel bauten entbehrlich zu machen Die Gesamtlänge der Strecke hat sich hierbei von 4l2 Kilometer auf etwa 403 Kilometer einschranken lassen. Die Gleisvorstreckarbeiten wurden am 16. Juni wie der ausgenommen, und die Gleisspitze gelangte am 31. Oktober bis Kilometer 371, d. h. etwa 34 Kilometer vor Kigoma. Wegen der etwas umfangreiclxrcn Erd- nnd Felsnrbeiten wurde auch hier «ne vorubergelfende Unterbrechung im Glcisfortschritt unvermeidlich. Es ist anzuneh- mcn, daß die Glvisspitze im Januar 1914 den Tanganjikasee erreichen loird. Die Teilstrecke Tabora — Malaaarassi — 236 Kilometer — wurde am 30. Juli d. I. ab genommen nnd dem öffentlichen Verkehr über geben. Die im vorigen Jahre begonnenen Ar beiten zum Umbau und zur Verbesserung der Stammstrecken der Usambarabah n und der Tanganjikabahn wurden sortgeführt. In Togo wurde die 4,6 Kilometer lange Reststrecke Agbonu — Atakpame der Hinter- landbahn Lome—Atakpamc iu der Zeit von November 1912 bis Ende April 1913 voll- Rlontsy, S. Isnusr 1914. endet und mit der Endstation Atakpame am 2. Mai 1913 dein Betriebe übergeben. Die Ge samtlänge der Hinterlandbahn stellt sich auf 167,13 Kilometer; da sie bei Kilometer 2,7 der Strecke Lome—Palime vou dieser abzwei^t, be trägt die Baulänge dec selbständigen Strecke Lome—Atakpamc 164,3 Kilometer. In K a m e r n n wurden die Bauarbeiten aus der Neubaustrecke Duala — Bidjoka — nicht ohne dauernde Schmierigkeiten bei der Gewin nung und Erl-altung der erforderlichen Arbeits kräfte — sortgeführt. Zunächst konnte im Ja nuar 1913 der vorläufige Betrieb für den öffent lichen Verkehr vis Edea, Kilometer 84, aus genommen werden. Am 15. Oktober wurde die Strecke bis Kilonieter 130 und Anfang Dezember dieses Jahres die gesamte 'Neubaustreckc bis Bidjoka — Kilometer 150 — für betriebs fähig erklärt und am 2. Dezember dem öffent lichen Verkehr übergeben. Die Arbeiten hinter Bidjoka sind bis Njok — Kilometer 179 — in Angriff genommen. Nach Vollendung der in der Ausführung be griffenen Bahnbauten wird sich die gesamte B e t r i e b s l ä n g e der Bahnen auf 4476 K ilomctcr belaufen. Es fehlen jetzt noch bei der Mittellaudbahn in Ostafrika 167 Kilo meter, bei der in Kamerun 1I3 Kilometer, zu sammen 300 Kilometer. Deutsche Leistungen in Livlan-. Von dem trastvollen und opferwilligen deutschen Leben, das in dem alten Livland» pulsiert, geben fol gende Vorgänge verebtes Zeugnis, die wir den Mit teilungen des Vereins für das Deutschtum im Aus land entnehmen. Der Landtag der livländischen deut schen Ritterschaft, die das Landesgymnafium in Birkenruh bei Wenden unterhält, bestätigte den Rechenschaftsbericht dieser Schule über das Jahr 1912/1?,, aus dem heroorgeht, daß diese aus der Ritterschaftskassc Livlands im Berichtsjahr einen Zuschuß von 29 6112 Rubel oder mehr als 51060 -tt erhielt. — Die Rigasche Große Gilde, die Vereini gung der deutschen Kaufleute Rigas, beschloß die Fortführung des Rigaer deutschen Theaters aus weitere drei Jahre siir Rechnung der Großen Gilde, obwohl die geforderte Garantiesumme noch nicht voll aufgebracht ist. Das Rigasche deutsche Theater bildet einen der wertvollsten Stützpunkte deutscher Kultur im Lande. Seine Bedeutung in der deutschen Theater- geschicktte erhellt schon aus den Tatsachen, daß an ihm Karl von Holtei, Richard Wagner und Martersteig, Künstlerinnen von der Bedeutung einer Hedwig Nie mann gewirkt haben. Die Konkurrenz der russischen und lettischen Theater, die amtlichen Erschwerungen wie die erzwungene Scbliesnmg an allen russischen (!) Feiertagen, machen seine Fortführung nur noch mit großen Opfern der deutschen Kreise Livlands möglich. Der Livländische Verein zur Förderung der Frauen arbeit hat das in der Nähe der Kreisstadt Wenden gelegene Gut Kallenhof für 45 006 Rubel erworben, um dort eine wirtschaftliche Haushalt«- und Land pflegerinnenschule einzuttchte«. Damit wird wieder ein wichtiges Glied in die Kette der deuischen Ver einigungen eingefügt, die zur Förderung der wirt schaftlichen, kulturellen und sozialen Pflichten be stimmt sind, di« da« baltische Deutschtum als die soziale Oberschicht des Landes freniHg und freiwiMg auf seine Schultern nimmt, und in deren Betätigung besonders die baltische Frau, durch di« schweren Er lebnisse des Revolutionsjcchres ans einem überwie gend von licrarischen und ästhetischen Bedürfnissen ausgefiiltten Leben ausgerüttelt, ziekbewußt voran strebt. beäeoteoöetar ILIZLIä- LOLOKT an ll. i>Kvrieiedi«k<»L.ckriu Icleale siaZs inmitten prLebtiuer Vegetation. Killle« Xlima. U^rrlie.be Parkanlagen n. Lparicr- »rvge. Kcmer SetnLsve«-- lcedr. Ivonsvrte/I'beaior, Nenuions, spotte nsir. Prospekte gratis cl. <1. Vvisednroau oclei kurkommission HdbaKa, l'arkstr. 1l. » Xii» pttsrös Mehrung." ."5>I Roman von Arthur BabiNotte. Nachdruck verboten. Da sah Germaine ihre Mutter; wie der kam sie aus dem Schatten,' den die Aubcrge. äu poleil levant über die halbe Straße Ivars, wieder winkte sie mit der Hand nach dem Hause des Nachbars zurück, und ans diesen Wink öffnete sich ein Fenster im oberen Stockiverk, ein Heller Lichtsmein erfüllte seinen Rahmen, und mitten in dem Lichtschein stand Andrü Pi card, sein fröhlichstes Lachen ans dem OKsicht, in dkil Augen alle Lichter einer tapferen Arbeit und Lebensfreude . . . Germaine lag mit geschlossenen Augen und kostete dieses Gesicht mit dankbarer Seele als eine Erlösung von dein Schrecklichen, was sie vorher erblickt hatte. Aber plötzlich ivar es ihr, als käme eine riesengroße Hand auf sie znge- fchlingert; sie mischte das freundliche Bild grau sam beiseite und bewegte sich näher, wie sich etwa eine Hand bewegt, die von greisenbaftem Zittern befallen ist. Und hinter der großen Hand Muchs ciu kleinwinziger Mensch her; dec hatte volles, etivas borstiges Haar, das sich lnhn über der Stirn emporhob. Der Mensch war sehr jung und blickte aus guten, treuen Augen ein wenig verträumt in die Welt; er erweckte im ganzen den Anschein, als sei ec dem harten Leben nicht gewachsen. „Weißt du, warum ich diese große Hand habe?" fragte er, mährend ein schaden frohes Lachen seine gutmütigen Züge entstellte. „Nun, um dir damit einen gewaltigen Schlag zu versetzen, lind dieser Schlag heißt, iu Worten ausgedrückl: Noch in dieser Nacht sterbe ich!" Germaine stieß einen gellendem Schrei aus und fuhr aus den zftsscn. Verwirrt blickte sie um sich und umklammerte angstvoll den Nacken dec Schwester, die besorgt herbeigekommeu ivar. „Was ist Ihnen denn, liebes Kind?" fragte sie mit ihrer halblauten Stimme. „Ich habe ein schreckliches Gesicht gehabt," stammelte das Mädchen Knd plötzlicii lam ihr alles zum Bewußtsein: Von einem überwach I tigen Schmer- utedcrgemachtet, sank sie in die I Krjsen zurück uud jammerte: „Er stirbt! Mein Emile stirbt! Der arme gute Junge!" Emile Calor hatte einen leichten Tod. „Morgen stehe ich wieder aus, Monsieur Picard," sagte er fast vergnügt, als sich der Wirt vom Tisch erhob, wo er eben einen langen Brief für den Kranken geschrieben t^atte. „Mor gen stehe ich wieder an, und kann schon kleine Spaziergänge unternehmen, etwa bis zu der kstuine, Sie werden sehen. Wenn nur das mit dem Arm wieder iu Ordnung wäre. ?lher es wird auch wieder werden, nicht wahr, es wird alles gut werden, Monsieur Picard." In der dritten Morgenstunde erwachte er nnd fühlte den unwiderstehlichen Drang, sich zu erheben, in die Kleider zu schlüpfen und unter den Bäumen des Waldes vou vergan genen Liebesnächten zu träumen. Er saß eine Weile aufrecht — ah! ime kräftig er ivar! — und starrte in die Helle Mondnacht, die über Frankreich zitterte. Gerade solch eine Nacht war cs, dachte er beseligt, als sie zum ersten Male zu mir kam . . . „Germaine! betete er, un endlich glücklich in dem Gedanken an die Ge liebte. Dann faul er zur Seite nnd war tot. AndrL- Picard saß lange Zeit vor der Leiche. Die gutmütigen Züge des jungen Menschen wa ren vom Tod verschönt worden. Er schien nur zu schlafe«. Neben ihm lag ciu sorgfältig ru- sammengebeftetes Bündel cngbeschriebencr Pa vierbogen, in denen er am Abend noch geblättert haben mochte. Picard suchte den Titel. „Vcr- cingetorir, eine Tragödie, in fünf Akten" stand da, mit den kleinen, reinlichen Buchstaben des kleinen Schreibers hingcsctzt. ' Ja, davon hatte man gesprvcheu, damals, als die Versteigerung da oben vorbeigcwesen ivar; man hatte den jungen Menschen mit dem nachdenklichen Wefen und der sommersprossigen Stirn ausgelacht, weil mau sich nicht in seine Welt siineindenkeu konnte. Man war laut ge wesen, hatte stärken Rotwein getrunken nnd viel Spektaiel vollführt . . . Erst fünf Monate war das her. Mau hatte seine Scherze getrieben, und Germaine war nicht darunter weggckommnr Germaine... Da stand sic und ließ sich nicht fortschieben. Der Mann vor dem Totenbett empfand zum ersten Male seine Einsamkeit in der ganzen Schwere und Schrecklichkeit. Er, dem das'Leben rot nnd heftig durch die Adern rollte, in dessen Augen die Jener großer Unternehmungen brann ten, er lebte in einem eisigen Echweigenmüsscn. Alles, was er tat, und was er tun mußte, hatte er mit sich allein, init sich ganz allein abzu- uiachen. . . . Madame Pipinette, — bah! was verstand Madame Pipinette von Männersacheu .... Aber Gabriele Havicourt verstand wohl viel davon . . . Esel, der er gewesen, daß er damals nicht duf den Rat und das Drängen der alten Frau gehört hatte! Jetzt wäre Ga- briöle Haricourt Madame Picard, statt die Frau seines Feindes. Und ihm wäre aus seiner Ein samkeit geholfen. Und Germaine, — ja, auch sie verstand wohl manches vou Mäunersachen. Sic hatte bei aller Scheu nno Zartheit einen starken Zug zu Mut und Entschlossenheit. Sie brachte es über Herz nnd Gewissen, den alten Vater hilflos in seinen allen Tagen sitzen zu lassen, weil er sie mißhandelt und beschimpft hatte. Gemnaine ... Er erhob sich ungestüm nnd trat zum Fenster, wie er stets zu tun pflegte, wenn ihn etwas stark beschäftigte. Der da >oar nnn tot. Germaine frei . . . Es bedurfte nur eines Wort S, eines ziving u- dcn Wortes, daun ivar Germaine sein ... Es wühlte und bohrte in ihm. Einile Ealer ivar tot, — ah! aber wie würde das Mädchen diese Nachricht aufnehmcn? Hatte nicht die Spital- sclpoestcr geschrieben, ihr Zustand sei gefährlich, müsse vor jeder Aufregung sorgsam behütet wer den? dlom 6« Visu! . . . Kumen solche Feinheiten an ihn heran, dann wurde er hilfloser als ein kleines Kind, das seine ersten Schritte tun sollte.... Und als nun gar den andern Tag eiu Eil brief kam, der voll Entsetzen ivar: Ivie cs Emile gehe, sie habe eiu schreckliches Gesicht gel-abt, cs sei ihr verkündet worden, Emile sterbe, wie cs denn nun mit ihm stehe . . — als er diesen Brief las, wurde seine Hilflosigkeit nicht im geringsten kleiner. Er setzte sich seufzend an den Tisch, vor dem er in der letzten Zeit manchen LU-end gesessen, um Emile CalerS Liebesbriefe zu schreiben, und begann, fast mechanisch, Wori neben Wort zu fügen; sein Herz stand neben ihm nnd diktierte. Der Tote lag mit friedlich gefalteten Händen, um die Madame Pipinctte einen schwarzen Rosenkranz geschlungen hatte, vor ihm uud schien wundervolle Dinge zu träumen. Und als Andrv Picard mit seinem Brief zu Ende ivar, hatte er so geschrieben, als hätte ihm Emile Ealer vorgesprochen, und eS stand iu dem Briefe zu lesen, daß es dem jungen Men schen gut gehe und daß ihn der Eilbrief erst in Schrecken gesetzt, dann aber tief gerührt habe, weil er aus ihm wieder die große Liebe und Besvrguis der Geliebten gelesen habe . . . Unter diese Zeilen setzte er den Namen Emile Calcrs ... So sollte es weitergehalten werden, bis Germaine wieder völlig gesund war, um den schweren Schlag zu ertragen. Andre Picard atmete auf, als er diese Lösung gesunden hatte. Und so setzte sich denn der vielbeschäftigte Mann, der Mann, von dem sic behaupteten, er sei stolz und hart, der setzte sich jeden zweiten oder dritten Abend in das stille Zimmer und plauderte im Namen Emile Calcrs mit Ger maine'. Und je öfter er dies tat, um so ruhiger wurde er. Und endlich hatte er sich in den wohltuenden Wahn hineingeschrieben, er selbst verfaßte diese Liebesbriefe in seinem eigenen Namen; er begann aus sich herauszugehen, schrieb alles, was er dein Mädchen gegenüber empfand, in unbeholfenen Sätzen nieder. Das Begräbnis des jungen Menschen war erschütternd in seiner feierttchen Armseligkeit. Emile Ealer hatte unter Gleichaltrigen keine Bekannte oder gar gar Freunde gehabt, er war immer seine stille Straße allein gegangen. So kam denn nur Babette, die Wäscherin, in einem Wagen, den ihr Picard zur Verfügung gestellt hatte, aus den Greuzkamm gefahren, um ihren toten Sohn abzuholen. (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)