Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.08.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110815022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911081502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911081502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-15
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BkzugS Preis Ar LrrpjA an» er»»»«» durch «nler« Troaer and Evevtteur« Lmal täalich in» Hau» gebracht tv PI. monatl^ L7ö Mk. vi«n«Oi>hrt «»' »nsern sitttalen o. An. naHmrstelle» adaehoU 75 Vs. monatl., LLMk. oteneljohrl. ck»rch »», Vast: lanertzatd D«»Nchlanv, und »er druttchrn Kolonien otrrteljährl. Z.SU Mk„ inonatl. >L»Mk. au»>chl PoftdeliellaeZd Kerner m Belgien Dänemark, den Donausiaaten. Italren. riuremdurg. RtedecZano«. Nor wegen Oeslerrerch - Ungarn Rußland. Schweden, Schwel» a Spanten In allen übriger, siaalen nur »»rett durch du Leschasrsftell» de» Blatte» erbältltch. Da» Ue»o,lg«, Lagedlan erlchelni iimal tägllch. Sonn, a Krrertag» nur morgen». Abonnements-Ännahine 2»haaai»»»II» 8, d»t unseren Tragern. KtUalen-Evedtteuren und Annahmeltellen, lowt« Pojrämtern und Briefträgern. Abend-Ausgabe. WpMerTagMaü Tel.-Änschi. 14 892 la»»«»»»«!,», 14 693 14 694 Handelszeitung. Tel.-Änschi. 14892 (Vachtanschlus!) 14 893 14 694 Ämlsötatt -es Nates und -es Volizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis flr Inlerat« au» Lrtpjtg usd Umgebung die lspaltig, Petit,eile L Pf., dir Reklame» »eil« l Mk. von aurwart» 3» Pt^ Reklamen U2I Mk.' Inserat« von Behörden im aigl- li-ben Teil die Petit,eil« 50 Pf. Selchastsanzetgen mit Plakvorschniten u. in der Ädendausgabe >m Preis« rrhühi Rabatt nach Taris. B«ilag«geduhc (Sriaml. aujlag« ä Mk. p Tausend erkl. Posigrduhr. Teilbeilage Hoyer. K«skert«iltr Äuslräae kennen nickt »uruck. gelogen werden. Kür das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plagen wird kein« Earanti« übernommen. Anzeigen - Annahme: Iohannisgasse 8, bei sämtlichen Jilialen u. al-«n Annoncen. Lkpeditionen des In- und Auslandes. Druck und Verl», »»» gijche/ L Xürsten Inhaber: Paul Nitriten. Redaktion und Keschästssielle: Iohannisgais« 8. Haupt - Kilial, Dresden: Eeestrasj« 4, l (Telephon EI'. los. Jahrgang Nr. 225 vtensmy, üen 15. August ISN. Die vorliegende Angabe «msaßt 6 Seiten. Dec Diebstahl unü Sie Strakgeletz-Nekarm. Not und Diebstahl sind zwei gute Bekannte. Sie sind nicht aufeinander angewiesen. Es bedingt auch nicht der eine den anderen. Sie haben die Möglich keit, unabhängig voneinander zu existieren und tun dies euch vielfach. Doch gesellt sich oft zur Not noch eine Begleiterin, die sie vergeblich abzuschütteln sich bemüht, und die sich an sie hängt und ihr nachfolgt wie der Schatten dem Menschen und sie nicht eher ver lädt. als bis der Mensch und mit ihm selbst sein« Not in zeue andere Welt Hinaboestiegen ist. Diese Beglei terin ist die Versuchung. Wer sah nicht schon die arme Frau, die um Unter- . stützung für ihren kranken Mann sich bemüht, die arbeitslose jung? Mutter. die nm das Brot und not dürftigste Kleidung isir ihre Kinder sich sorgt, selbst manchen klüftigen Mann, dem es tröst allen ttmhcr- ftao.-ns und Suchens nicht gelang, Arbeit zu finden, die ihm Lohn und damit den Unterhalt gewährte!? Gewiß wir sind im Deutschen Reiche glücklicher weise aegeni'bcr ondc''en Böllern wett varangeschrit ten, und es ist viel, viel getan worden, um der Not nach Möglichkeit zu steuern und sic zu verhindern. Es must anerkannt werden, dass auch der Erfolg nicht avsgebl'eben ist Beseitigt ist sie aber trotzdem leider nicht: ganz wird sic sich auch wobl kaum be- 'eitigen lassen und wo sie bleibt, da bleibt auch die Bersuchnna. Auch um die Tatsache kommen wir nicht herum, dasz die Psyche des Menschen, solange sie mit dem Körner in Verbindung sich befindet, in einem ge wissen Abböi-oiakeitsverhältnis zu ihm steht. Neli- aion wie Philosophie haben sich zwar bemüht, dies Verhältnis ins Gcacntcil zu verwandeln: durch Stäh lung der Geistesencrgie die Secl- des Menschen zur Beherrscherin des Körpers und seiner Leiden wie Lei denschaften zu machen Doch in prozentual wie vielen Fasten ist dies auch gelungen? Wir müssen den tatsächlichen Verhältnissen Rech nung tragen, und ganz besonders must dies der Ge setzgeber tun. Bezüglich der Strasvorschriften wegen versuchten oder begangenen Diebstahls war dies bisher nicht der Fall. Für Diebstahl haben wir nach unserem heutigen Srrafrecht nur die Frei- heitsstrafe. und zwar selbst sür die mit grösster Milde -u beurteilenden Fälle, soweit es sich nicht um Min- Lcrjährftzc handelt, die Geiänani-strafe. Eine Ab änderung dieser Vor'chrnr ist schon längst Bedürfnis, und zwar um io mehr, als schon andere Vergehen, die moralisch heutzutage mindestens ebenso schwer ge wertet werden, in erster Linie mit Geldstrafe bedroht sind. Hier sei nur die auf U n t e r s ch l a q u ng nach unserem heutigen Recht gesetzte Straw beispielsweise erwähnt Fin letztere schreibt 8 216 des S'raigcsrtz- buches vor: Mer eine fremde, bewegliche Sache, die er in Besitz oder in Gewahrsam hat, sich rechtswidrig zueignet. wird wegen Unterschlagung mit Gefängnis bis zu drei Kohren nno, wenn die Sache ihm auvsr- lront ist, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, io kann auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. Wegen Diebstahls aber wird nach 8 212 mit Ge fängnis bestraft jeder, der eine fremde, bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sie sich rechtswidrig zuzueignen. Nur für die Entwendung von Nahrungs oder Genuszmitteln von unbedeutendem Werte oder in geringer Menge zum alsbaldigen Verbrauche ist zurzeit eine Geldstrafe zugelassen. Selbst der „Vcrtrauensbruch" beim Eigentums delikt der Unterschlagung kann also heute milder be straft werden, als die Entwendung eines wärmenden, wenn auch noch so geringwertigen Kleidungsstückes zur Bedeckung der frierenden Blöh« im harten Winter. Ersreulichertveis« hat der Vorentwurf zu einem neuen Strafgesetzbuche auch Rücksicht auf den bestehen den Mißstand genommen. Er sieht zwar auch im 8 269 für Diebstahl in erster Linie Gefängnis, in besonders schweren Fällen Zuchthaus vor, doch trifft er in 8 272 die Bestimmung: „Ist der Diebstahl an Gegenständen des wirt schaftlichen Gebrauchs oder Verbrauchs be gangen. und bat der Täter aus Not oder zur Befrie digung eines Gelüstes gehandelt, so ist er, wenn die Sachen von nur geringem Werte waren, wegen Ent wendung mit Keldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu sechs Mo naten zu bestrafen, in besonders leichten Fäl len kann von Strafe abgesehen werden. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Der An trag kann zuiückgenommen werden." Diese geplante Neuerung ist nur warm zu be glichen. und wenn sie Gesetz würde, so würde sie gewiß manchem Richter, der heute noch durch die starre Vor schrift des § 212 gebunden ist, den Erlast eines Urteils erleichtern, in dem er gerne nur eine Geldstrafe aus gesprochen. wenn nicht freigesprochen hätte. Zwar wird auch heut« schon ein Gnadengesuch in ent sprechend gelagerten Fällen vielfach nicht abschlägig beschieden. Der Gnadenerlaß heutzutage erläßt aber nur die Vollstreckung der Straf«, das Urt« il als solches hebt er nicht auf. Cs ist aber dringend zu wünschen, daß die Vorlage zum Grsctz erhoben werde und daß alles geschehen möge, daß diese notwendige Aenderung nicht lange hinausaeschobcn werde. Oec Streik in Gnylsnü. Die Genugtuung, die König Georg über die Be endigung des Ausstandes in London ausgedrückt hat, war anscheinend etwas verfrüht, denn wenn auch in London selbst die größte Kalamität bezüglich der Lcbcnsmittelznfuhr beseitigt ist, so hegt man dock, die Befürchtung, dast dies nur vorübergehend der Fall ist und dast im Anschluß an die Vorgänge in Liver pool. Glasgow usw. auch in der Riesenmetropole an der Themse von neuem ein sozialer Kampf entbrennen wird, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt und sicherlich schwerwiegende Folgen hat. Seit Monaten leidet England unter diesen Ausständen, und der Schaden, de: hierdurch entstanden ist, kann gar nicht hoch genug eingcjchätzt werden. Handel und Industrie verloren Unsummen, aber auch die All gemeinheit ist ungeheuer geschädigt worden und sie wird das in noch weit höherem Grade, wenn der Generalstreik der englischen Eisenbahner und even tuell auch der Angestellten aller übrigen Beförde rungsanstalten in Kraft tritt. Noch ist in dieser Be ziehung nicht das letzte Wort gesprochen, aber die Der milde Keuchlin. 2s Eine Geschichte aus Livland. Von Henriette von Meerheimb (Margarete Gräfin o. Lünau). Bei Modestes Eintreten verstummte der Streit sofort. „Nun, was war denn das?" Modeste nickte Uexküll mit einem Aujstrahlen ihrer großen dunklen Augen zu. „Mein Liebster sieht aus wie drei Tage Negenwetter, uns mein Varerle ist ganz krebsrot! Ihr habt euch doch nicht etwa gar gezankt' Ach was — so was Dummes gibt's hier nicht. Gleich wird zreundlich ausgesehen." Sie legte einen Arm um den Hals des Vaters, die andere Hand streckte sie Uexküll hin. Jeder der Herren bemühte sich bei Modestes Worten einen freundlichen Ausdruck zu erzwingen. Es glückte aber Uexküll schlecht — und dem alten Reuchlin gar nicht. Beide sahen nach wie vor total verändert aus. „Dir setz' ich nachher schon den Kopf zurecht!" meinte Modeste zu ihrem Bräutigam gewandt. „Wart nur, beim Tennis fliegt dir zeder Ball ins Gesicht, bis Lu lachst. — Vati — und um dich aus andere Gedanken zu bringen —" sie hielt Reuchlin ihre beiden offenen Hände hin — „tu da mal ein bissel Geld hinein. Es ist schon wieder alles futsch. Drst Lu arg böse?" Reuchlin zog die Tochter dichter zu sich heran. „Das mußt du später deinen Mann fragen, wenn du mit dem Wirtschaftsgeld nicht auskommst", spottete er. „Bei mir gibt's keine Moralpredigten. Komm, wir wollen teilen, was noch da ist. Ein andermal, wenn du kein Geld mehr hast, laß den Kram anschreiben. Was ist's denn? Wieder eine neue Toilette bei dem berühmten Schneider in Riga?" Modeste nickte: „Zum fünfzehnten mußt' ich doch was Hübsches haben — recht apart. Und der Schnei der ist seit einiger Zeit ganz rappelig mit seinen Rechnungen und Mahnbriefen." „Laß doch bei einem anderen arbeiten." „Keiner hat so viel Geschmack." In Uexkülls Gegenwart war Reuchlin dies ?Heina zwar augenblicklich sehr fatal, aber nm zu zeigen, wie wenig er sich aus dessen Urteil mache, ging er sogleich an seinen Schreibtisch, kramte in den Fächern herum und warf dann alles, was er von Scheinen und Goldstücken fand, Modeste in den Schoß. Src jauchzte laut auf, zählte ihren Schatz aber gar nicht nach, sondern schob alles kraus durcheinander in die Tasche. Ihre zarte schlanke Gestalt dehnte sich behaglich in der lockeren weißen Hemdbluse mit dem breiten gelben Ledergürtel. Sie saß ihrer Gewohn heit nach auf der Lehne eines Sessels mit überern- andergeschlagencn Füßen, den Oberkörper zurück- gebogen, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Bei ihr blieb diese sehr ungenierte Stellung wie alles, was pe tat, anmutig, von einer gewissen wilden Grazie. Das Gesicht, obgleich ganz unregelmäßig, war sehr reizend, die Nase sür den Schön- hcitskritiker vielleicht zu kurz, der Mund zu groß, aber die Lippen leuchteten so rot, die Zähne, prachtvoll ebenmäßig gewachsen, schimmer ten wie eine Perlenreihe. In dem braunschwarzen Haar blitzten im Sonnenlicht rötliche Lichter, und unter den feingezcichneten Brauen strahlten die schwarzen Sammetaugen bald sanft zärtlich, bald übermütig. Reuchlin war an seinem Schreibtisch stehen ge blieben und blätterte in seinen Papieren. Uexküll trat zu seiner Braut. „Wir wollen Leinen Vater nicht länger stören, Modeste. Komm mit in den Garten." Sie sprang vom Stuhl herunter und schob ihre Hand unter seinen Arm. „Willst du nicht erst dein Geld aufheben?" „I wo! In der Tascbe — wenn sie nicht zu fällig ein Loch hat — ist's ganz sicher aufgehoben, und springt wirklich beim Tennisspielen ein Gold stückel heraus, so freuen sich die Tennisbuben." Reuchlin drehte sich herum. „Ich garantiere dir «in« ellenlange Strafpredigt von deinem Herrn Bräutigam über Unordnung in Geldangelegenheiten im allgemeinen und besonderen, nebst einigen strengey Ermahnungen wegen leichtsinnigen Reitens. Uex küll ist empört über di« Wette und —" „Willst du es mir nicht überlassen, in welcher Weise ich mit Modeste über die Angelegenheit ver handle''" fragte Uexküll scharf dazwischen. „Na, ihr seid aber wirklich heut wie ein paar gereizte Kater" Modeste strich über den Arm ihres Verlobten, wie wenn sie ein unruhiges Pferd be ruhigen müsse. Lage ist sehr ernst, und man kann nach der herrschen den Stimmung eher aus den Ausbruch des Streiks als auf eine Beilegung ter Differenzen rechnen. Höherer Lohn und kürzere Arbeitszeit sind auch diesmal in England die Forderungen, die von den Arbeitnehmern gestellt werden. Die Lohnerhöhung, wenn sie nicht gar zu übertrieben ist, würde vielleicht eher Billigung finden als die Verkürzung der Arbeits zeit. denn diese läßt sich nicht immer mit der Aufrecht erhaltung eines geordneten Betriebes vereinigen, weil eine solche Verkürzung die Heranziehung vermehrter Arbeitskräfte bedingt, und solche kaum so ohne wei teres beschafft werden können. Denn es handelt sich im Verkehrsbetriebe nicht um ungelernt« Arbeiter, sondern um Angestellte, die mehr oder minder lange Zeit ausgebildet sein müssen, ehe sie ihre Obliegen heiten, auf deren sorgfältiger Durchführung die Sicherheit des Publikums beruht, wahrzunehmen vermögen. Um so schwerer wird die Allgemeinheit gerade von einem Derkehrsstreik getroffen, und die Folgen waren schon bei weniger umfangreichen Streiks, wie sie Oesterreich-Ungarn, Italien, Holland und Frankreich gesehen hat, weittragend. Wieviel mehr wird dies bei dem gewaltigen Verkehr in Lon don und dem übrigen England der Fall sein, wenn aller Verkehr unterbunden sein wird. Auch das Aus land wird dadurch erheblich in Mitleidenschaft ge zogen, wenn die Güter und Personen keine Beförde rung erfahren, wenn in England alle Räder still stehen. Es ist deshalb erklärlich, wenn man auch bei uns angesichts des starken Güteraustausches mit Eng land und des erheblicken Personenverkehrs dorthin den Verlauf des sozialen Kampfes mit Bedenken ver folgt, zumal zu besorgen steht, dast das Streikfieber, von dem England befallen zu sein scheint, wie ein böses Beispiel wirken und sich auch auf Len Kontinent ausdchnen kann. * Die neuesten Meldungen zeigen, dast die Be wegung immer bedrohlichere Formen annimmt. Die Einzelheiten, die man über die Ausschreitungen der Ausständigen erfährt und über die Frivolität, mit der Streiks, wie schon im Morgenblatt mitgeteilt, in den verschiedenen Städten ohne jeden sachlichen Grund vom Zaune gebrochen werden, sind ebenso bedauerlich und verabscheuungswürdig, wie lehrreich. Die Be wegung nimmt immer mehr -inen revolutionären Charakter an. Neber die Lag« in den gestrigen Nachmittags stunden berichtet der „Berl. Lok.-Anz." folgendes: Die Anzeichen mehren sich, daß ganz England sich in den Händen einer' r'e n o l ut io n ä'r en s t re i k - bewegung befindet. In den Galerien des Unter hauses sieht man die Lage als äußerst e r n st an. Zwischen Asquith.- Lloyd George, Churchill und Burton fanden dringende Konferenzen über die zu er greifenden Maßregln-statt. In den Londoner Docks sind kaum ein Drittel der Streiker zur Arbeit zurück gekehrt. Falls die Sonderforderungen des Restes nicht befriedigt werden, wird alsbald wahrscheinlich wieder alle Arbeit rm Hafen stillstehen. Dazu dürfte Ende der Woche der allgemeine Eisenbahn-, Straßen bahn- und Omnibusstreik kommen. Abgesehen da von streiken 11600 Männer und Frauen in verschiede nen Gewcrbszweigen Londons. Stündlich legen neue Scharen die Arbeit nieder. Auf den Straßen und in den Bahnen hört man laute Streikdrohungen. Die Schaffner sagen zum Publikum: „Von Donnerstag an könnt ihr zu Fuß gehen." In Liverpool erklärte die Reederföderation, nachdem ihre Warnung nichts gefruchtet hatte, die Arbeitssperrc gegen 28 000 Docka r b c i t e r. Man erwartet, dast Dienstag dort 100 000 Arbeiter feiern werden. Die Stadt macht den Eindruck einer belogenen Festung: Truppen pa trouillieren durch die Straßen und eskortieren Pro viantkarawanen: die Sankt Georgs Hall ist in ein Lazarett verwandelt worden. Die Straßen, aus denen die Kämpfe stattfanden, sind noch mit Blut bespritzt und die Fenster demoliert. In Birken head kam es wieder zu ernsten Kämpfen, wobei mehrere Polizisten schwer verwundet wurden. In Glasgow sanden erbitterte Krawalle in der Paislcn Noad statt: die Konstabler wurden von den Streikenden überwältigt, und berittene Polizei mußte hinzugezogen werden. Sie zerstreute schließlich den Mob durch Attacken, wobei zahlreiche Ver wundungen vorkamen. Abends laufen Streik Meldungen aus fast allen Häfen und In dustriestädten Englands ein. Die Zahlen der Streiter lassen sich gar nicht mehr kontrollieren. Die Führer verhöhnen die Idee, daß Truppen etwas ausrichten könnten, da diese sofort Lurch den Streik der Bahnbeamten lahmgelegt würden. Der Vor sitzende einer Massenversammlung von Bahnbeamten in London. Laurenson. erklärte, wenn die Forde rungen der Leute nicht bewilligt würden, solle am nächsten Sonnabend ein allgemeiner Eisenbahnstreik in ganz England erklärt werden. Heute liegen nachstehende Drahtmeldungen vor: Minister Churchill über die Lage. London, 1ö. August. Minister Les Innern Churchill erklärte im Unterhaus, daß die Lage in Liverpool sich bis heute noch nicht gebessert habe. In vielen Fällen seien die Strcikunruhcn von Angriffen a u s W a re n h ä u s e r. Geschäfts lokale und Privat Häuser begleitet gewesen. Unter solchen Umständen sei die Negierung der An sicht, daß es für die P o l i z e i von Bedeutung sei, starke militärische Unterstützung zu haben. Deswegen seien bereits Befehle zur Ver stärkung der Truppe^ in Liverpool gegeben wor den. Auf eine Anfrage wegen des Streiks der Dockarbeiter in London äußerte Churchill, die Lage sei noch nicht klar, und wenn sich die Not wendigkeit ergeben sollte, würden alle der Regierung zur Verfügung stehenden Truppen dazu verwandt werden, die Ruhe aufrechtzuerhalten und die Achtung vor dem Gesetz und die unbehinderte Zufuhr von Lebcnsmitelu sicherzustellen. London, 15. August. sEig. Drahtmeld.) Nach gestern abend aus verschiedenen Teilen des Landes eingehenden Meldungen hält die Bewegung unter den Eisen bah narbeitern an. In Warrington sind 100 Mann ausständig, aber der Bahndienst wird dadurch nicht ernstlich in Mit leidenschaft gezogen. Der Ausstand der Schienen leger im Bezirk Glasgow gewann nachmittags schnell an Ausdehnung: es streiken abends 100 Mann. Die ausständigen Straßenbahner Glasgows boten an. den Streit dem Handelsamt zur schiedsgerichtlichen Ent scheidung zu unterbreiten. In Bristol sind sechs hundert Eisenbahner ausständig. London, 15. August. (Eig. Drahtmeld.j Die Be bürden von Birkenhead baten um die Entsen dung von Truppe n. In London hat eine Zu sammenkunft der Leiter der großen Eiscnbahngesell schäften stattgcfunden. Es herrschte einmütig die Stimmung, allen Forderungen der Cisenbahnarbeiter, die darauf abzielen, den Vertrag, unter dem die Leute jetzt arbeiten, aufzuhebea, Widerstand zu leisten. Die Gesellsckmftcn waren diesen Vertrag auf Ersuchen des Handclsamts eingegangen. Es herrscht die Mei. nung, daß das Amt nötigenfalls strenge Maßnahmen Uexküll drückte die Glastür auf. Modeste ging voran. „Laß dir nachher den „Mentor" satteln. Ich komme auch in die Bahn. Ein paarmal mußt du bei elektrischem Licht reiten, damit die Geschichte am fünfzehnten klappt," rief Reuchlin ihr nach. „WirL gemacht, Papascha!" Modeste pfiff ihrem Collie, dem das Warten zu lange gedauert hatte, und der sich daher die Zeit damit vertrieb, mit Pfoten und Schnauze ein Astern beet umzugraben, dast Erde und Rasenstücke nach allen Seiten flogen. Der Park von Dondangen wurde als Sehens würdigkeit häufig von Fremden besucht: der Be sitzer gestattete das zweimal im Monat. Ein genialer Gurtenkünstler musste ihn angelegt haben. Wunder voll tönte sich das Lichlgrün der Birken mit dem dunkleren Eichenlaub, dem Rostbraun der Blutbuchen ab. Die weiten Rascnstrecken unterbrachen nur ver einzelte Beete, auf denen die leuchtend roten lsieranien und feurigen Dahlien farbenfrohe, male rische Kontrast« boten. Um Len Teich schwankte jetzt schon herbstlich goldgelbes Schilf. Schwarze Schwäne mit gelbroten Schnäbeln glitten über die stille Fläche. Ein Schwarm wilder Enten strich mit rauschendem Flügelschlagc durch das zitternd« Rohr. Wie ein feiner grauer Silberstreifen schimmerte aus der Fern« der Spiegel des Rigaer Meerbusens her über. Auf dem Tennisplatz, der dicht am Teich, bc schattet von großen Edeltannen, dalag, schlugen sich ein paar Dorfduben in dlaugestreisten Leinenkittcln gegenseitig die Netze mit den Bällen um die Ohren. „Schick die Jungen nach Hause," bat Uexküll. „Ich habe gar keine Lust zu spielen." Modeste sah ihren Bräutigam ein wenig scheu von der Seite an. In solcher Stimmung kannte sie ihn noch nicht. Er ging neben ihr her mit einer ärgerlichen Falte auf seinem fein und vornehm ge schnittenen Gesicht. Ufte sie ihn liebte! Sie legt« ihren Kopf gegen den Aermel seiner Iagdjopve und rieb ihre Backe ganz rot an dem rauhen Stoff. Er ivandte sich schnell zu ihr und zog sie noch näher zu sich heran. Die Tcnnisbuben verschwanden grinstnd aus Modestes ihnen zugcruscnen Befehl. Das junge Paar setzt« sich auf ein« Bank dicht am Teich. Modeste, die immer Brot bei sich tru^, griff schnell in ihre Tasche, um die Schwäne zu füttern. Aus Versehen kam ihr dabei ein Goldstück in die Hand, das aufklatschcnd ins Wasser schlug und die gierig danach langenden schwäne ent täuschte. Modeste wollte sich totlachen. Uexküll konnte ein mißbilligendes Kopfjchütteln nicht unterdrücken. Das reizte ihren Uebermut. „Soll ich noch mehr Geld hineinwerfen?" Ihre schwarzen Augen fun kelten. „Nein." „Nur noch eines!" bat sie. „Ich möchte wissen, ob ich treffen kann — und wie hübsch würde solch blankes Goldstück auf dem schwarzen Gefieder aus- sehen." Ehe er es hindern konnte, griff sic schon wieder in ihre Tasche, zielte — und wirklich, das Goldstück lag, in der Sonne blitzend, «ine Sekunde auf den schwarzen Flügeln des Schwanes, bis er es unmutig von sich abschüttelte und es mit leisem Klatschen ins Wasser sank. „Siehst du. wie gut ich treffen kann! Nun noch einmal, um zu probieren, ob's auch kein Zufall war " Uerküll hielt ihr die Hände fest. „Nein, du sollst nicht mehr werfen! Es ist eine zu sinnlose Ver schwendung! Geh einmal durch das Dors Don dangen. sieh dir die Leute, die verfallenen Häuser an. dann wirst du wissen, wie Lu das Geld anwenden solltest." „Ach, Unsinn — das kriegt ja nur der eklige Schneider! Da schick ich ibm halt ein bissel weniger. Laß mich los — oder ich beiße!" „Modeste!" „Ich beiße!" wiederholt« sic halb lachend, hakv ärgerlich. Als er noch immer ihre Arme festhielt, beugte sic ihren Kopf plötzlich tief über seine Hand und biß mit ihren weißen Zähnen scharf hinein. Die Eindrücke ihrer Zähne blieben deutlich sichtbar. „Hat's weh getan?" fragte sie. „Natürlich hat's weh getan, du kleine Wil»- katze." ^Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite