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politische Umschau. Natter /ranz Iolet vollendet am heutigen Freitag sein 81. Lebensjahr. Wenn er auch in letzterem von ernsteren Krankheiten verschont geblieben ist, so gab sein Befinden doch ver schiedentlich zu einiger Besorgnis Anlab, die jedoch jetzt gänzlich behoben zu sein scheint. Die herzlichen Beziehungen Franz Josefs zum deutschen Kaiserhose wurden in diesem Jahre dokumentiert durch den Be such, welchen Kaiser Wilhelm im vorigen Herbst ge legentlich seines Jagdaufenthalts in Betty« dem greisen Kaiser in Wien machte, sowie Lurch die An wesenheit der deutschen K'aiserfamilie in der Hos- burg auf ihrer Fahrt nach Korfu. Auch das deutsche Kronprinzenpaar begrübt« im April d. I. auf der Rückkehr vom Süden den Kaiser Franz Josef. Es ist nicht unbemerkt geblieben, datz während des letzten Jahres Ler Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand mehr als bisher im öffentlichen Leben der Doppelmonarchie hervorgetreten ist, auch auf den künftigen Thronfolger, den jungen Erzherzog Karl Franz Joses, von dem man bisher fast gcr nichts gehört hatte, richteten sich die Blicke, insbesondere nachdem dessen Verlobung, die dem alten Kaiser sicherlich FreuL« und Genugtuung bereitet hat, be kannt geworden war. Sonst hat Kaiser Franz Josef nicht viel Freude erlebt, wenigstens nicht an den politischen Zuständen in seinem Reich«. Diesseits der Leitha schietzt der Nationalitätenhader noch immer üppig ins Kraut, und er war die Veranlas sung, daß der Reichsrat aufgelöst werden mutzte und ein Kabinettswechsel stattfand; jenseits der Leitha aber treibt im Parlamente die Obstruktion ihr Spiel und lähmt jede Arbeit. Franz Josef wird wohl darauf verzichten müssen, noch einmal in seinem Leben seine Volker in Frieden und Eintracht mitein ander zu sehen, so sehr ihm diese Genugtuung für das mehr als sechzigjährige Ausharren auf exponier tem Posten wohl zu gönnen wäre. Der herzlichen Sympathien im Deutschen Reiche darf der greise Herrscher beim Beginne eines neuen Lebensjahres sicher sein! Die ttustrittsvemegung im Zentral- oertrsnüe Deutscher InüustrleUer. In der auch von uns wiedergegebenen Kund gebung des Zentralverbandes Deutscher Industrieller werden Meldungen über Aus tritte bestritten, die aus dem Verbände wegen seiner Stellung zum Hansabunde erfolgt sein sollten. Richtig dürfte fein, Latz der Wollwarenfabrikanten verein in Görlitz seine Mitgliedschaft bereits unter dem 6. April gekündigt hat, also zu «iner Zeit, wo der Gegensatz zwischen Hansabund und Zentralverein sich noch nicht zugespitzt hatte. Die Tatsache des Aus- rritts findet aber ihre Bestätigung. Wie anderseits der Austritt des Gutz- und Armäturwcrks Kaisers lautern bestritten werden *ann, ist unerfindlich. Dieses Werk gehörte dem Verein deutscher Elsen, uno Stahlindustrieller an, der wiederum Mitglied Les Zentralverbandes fft. Wir können bestätigen, Latz das Kaiserslauterner Werk am 3. August dem ge nannten Verein schriftlich seinen Austritt mitgeleüt und ferner dem Hansabunde die Nachricht hat u kommen lassen, es sei zu diesem Schritte durch die Haltung des Zentralverbandes gegenüber dem Hansa bunde veranlatzt worden. Ebenso bleibt es richtig. Latz die Jndustriebörse Mannheim das Voraele ' Zentralverbandes gegen den Hansabund aus das ent- 'chledcnste verurteilt hat. Fest steht ferner, das; ein« Reihe anderer Korporationen aus dem Zentralver band« mit der ausdrücklichen Begründung ausgetreten sind, sie seien mit der Haltung des Verbandes ge;;.' Len Hansabund nicht einverstanden. Dc^in der Bergisch« Fabrikantenverein, der Arbeitgeber verband der rheinischen Seid«nindustrie und die Handelskammer zu Lennep. Als Beweis der Unzu friedenheit weiter Kreise d«r Industrie mit dem Zen- tralverbande ist auch die Haltung des Verbandes Sächsischer Industrieller, des Verbandes Thüringischer Industrieller, des Verbandes Württembergischer In dustrieller, der Fabrikanten im Breisgau und die Gründung des Verbandes mitteldeutscher In dustrieller anzusehen. Das Reichsgericht Lider öas ZüchtigunbsrLchr üer DlUkslchuttehrer. Wie der „Inf." mitgeteilt wird, hat das Reichs gericht vor kurzer Zeit eine Entscheidung gefällt, durch die di« Frage des Züchtigungsrechtes der Volksschullehrer eine endgültig« Beantwortung erhält. Auf Grund eines Mi nisterialerlasses vom 19. Januar 1900 war «in Leh rer einer Volksschule weg«n Vergehens im Amte ver urteilt worden, w«il er ein Kind mit dem Stock auf den Kopf geschlagen hatte. Das Gericht ging dabei von der Annahme aus, Latz gesetzliche Bestimmungen über Las Ziichtigungsrecht der Volksschullehrer nicht bestehen, und datz darum der Ministerialerlatz vom Jahre 1900, demzufolge Schläge auf den Kopf ver mieden werden sollen, allein von Bedeutung sei. Das Reichsgericht entschied demgegenüber, datz diese Vor stellung falsch sei. In bezug auf das Züchtigungsrecht der Volksschul lehrer in Preußen kommen die Vorschriftendes allgemeinen Landrechtes für die älteren Provinzen in Betracht; für die anderen Provinzen wurde am 14. Mat 1825 eine Kabinetts order erlassen, durch die die Frage des Züchtigungs rechtes geregelt wird. Dies« beiden Bestimmungen sind allein für das Züchtigungsrecht der Volksschul lehrer matzgebend. Wohl sind späterhin von den zu ständigen Behörden andere Bestimmungen erlassen worden, diese wurden aber durch mehrere Ministe - rialerlasse vom Jahre 1880 und 1900 auf gehoben. Nach den gültigen Bestimmungen des all gemeinen Landrechtes und der Kabinettsorder vom 14. Mai 1825 darf ein Lehrer die Schulzucht unter keinen Umständen derart handhaben, datz die Ge sundheit der Kinder dadurch auch nur im geringsten geschädigt werden könnte. Ein leichter Schlag auf den Kopf, der durch den Ministe rialerlatz vom 18. Januar 1900 verboten wurde, kann also von vornherein nicht eine Ueberschreitung des Züchtigungsrechtes genannt werden, wenn nicht da mit irgendein« Schädigung der Gesundheit verbunden ist, di« von den Bestimmungen des allgemeinen Land rechtes und von der Kabinettsorder des Jahres 1825 gefordert wird. Zusammenfassend ist also vom Reichsgericht endgültig bestimmt worden, datz die Bolksschullehrer an sich ein leichtes Züchtigungsrecht haben, datz aber durch diese Züchtigung dem Kinde niemals auch nur der allergeringste gesundheitliche Schoden zugefügt werden darf, da sich in diesem Falle der Volksschullehrer strafbar macht. Deutlches Keich. Leipzig, 18. August. * Zur Ueberlastung der Anhalter Bahn wird uns aus Bahnkreifen geschrieben: Dem Verfasser des Artikels unter gleicher Ueberschrifr in der vor gestrigen zweiten Beilage ist ein grotzer Irrtum unter laufen, nämlich die Behauptung, die Strecke Leipzig- Eilenburg sei sächsisch. Die sächsische Staatsbahn würde Liese Bereicherung gern annehmen, aber wie sie jetzt schon dazu kommt, ist unverständlich. Ebenso unrichtig ist dann natürlich auch die Folgerung, datz die preussische Staatsbahnoerwaltung der sächsischen einen Teil der Einnahmen überweisen mützte. Die angeregte Verbindung Leipzig—Jüterbog verhält sich vielmehr folgendermatzen: Es besteht jetzt schon eine völlig preutzischs Strecke Leipzig—Eilenburg— Düben—Pretzsch, nur das Stück Pretzsch—Jüterbog, ungefähr 32 Kilometer lang, wäre neu herzu stellen. lind das würde doch wohl billiger kommen, als die ganze 162 Kilometer lange Strecke Berlin-Halle viergleisig auszubanen! Die Angelegenheit einer Verbindung von Leipzig nach Berlin über Eilenburg—Jüterbog liegt also für die preussische Bahn und für Leipzig sehr g ü n st i g. Wenn hier nichts geschieht, so kann der Grund nur in der zu Leipzig und Sachsen sich ab lehnend verhaltenden preutzischen Eisenbahnpolitik liegen. Von einem gleichen Standpunkte aus scheint der Artikel aus der Korre spondenz Woth diktiert zu sein. * Uebe-' den Zusammenstotz der zwei Depeschen boote der Hochseeflotte im Großen Belt wird amt lich gemeldet: Der Flottentender i 21 wurde in der Nacht vom 15. und 16. Aunnst durch einen Zu sammenstotz mit dem Torpedoboot '1' 14 beschädigt, dann bis Tranekjaer geschleppt und auf acht Meter Wasser verankert. Das Vorschiff liegt bis zum Maschinenoberlicht unter Wasser. 1' 11 wurde nicht beschädigt. Der Kommandant (ein Torpedo- Obcrsteucrmannhein Unteroffizier und zwei Matrosen sind bei der Unsallstelle geblieben; die übrige Be satzung wurde zur ersten Torpedodivision ge bracht. Die Kaiserliche Werft in Kiel veranlatzt das Erforderliche. — Ueber die Ursache des Zu sammenstotzes sagt die Meldung leider nichts. — Die Marineverwaltung hat das Angebot einer dänischen Bergungsgesellschaft, das bei Tranek jaer gesunkene Torpedoboot „!'. 21" zu bergen, ab gelehnt. Sie glaubt die Bergung ohne fremde Hilfe in kurzer Zeit ausführen zu können. Die Kieler Werft entsandte drei Werft- und Taucher dampfer nach der Unsallstelle. Seit gestern nach mittag sind Taucher an der Arbeit, um das Leck des auf 8 Meter Wassertieie liegenden Torpedobootes zu dichten. Sobald cs dicht ist, soll cs leer gepumpt werden, damit es von selbst ausschwimmt. * Die Hochseeflotte ist non ihrer Sommerübungs- reise Donnerstag vormittag nach Kiel zurückgekehrt. * Der Verband der junglibcralen Vereine Grotz- Berlins bittet durch baldige Berufung dem Zen- tralvorftand der nationalliberalen Partei Ge legenheit zu einer Kundgebung für die energische Wahrung der deutschen Ehre und der deut schen Interessen in Marokko zu geben. * Deutsch-britische Verträge. Gestern sind vom Staatssekretär und dem britischen Botschafter in Berlin zwei Verträge unterzeichnet worden, von denen einer die Ausliefcrung zwischen Deutschland und den britischen Protektoraten, der andere die Bekämpfung der Schlafkrankheit in Togo und den benachbarten britischen Gebieten betrifft. * Hüttenbesitzer o. Vopslius-Sulzbach, Mitglied des preutzischen Herrenhauses, ist gestern in St. Blasien gestorben. — Richard v. Vopelius wurde am 19. Oktober 18-13 in Sulzbach geboren, studierte in Karlsruhe, Heidelberg und Bonn, war von 1867 .an Teilhaber der Glashütte Eduard Vopelius und gründete 1889 den Verein Rheinischer Taselglashürten. Von 1876 dis 19ll3 war ec Mitglied des preutzischen Abgeordnetenhauses, 1903 wurde er ins preussische Herrenhaus berufen. 2m August 1908 wurde er in den erblichen Adelsstand erhoben. * Kein Rücktritt v. d. Leyens. Wie der „Inf." mitgetcilt wird, ist die Korrespondenzmeldung, datz der Wirk!. Geh. Oberregierungsrat v. d. Leyen am 1. Oktober zurückzutreten beabsichtige, unzutreffend. Herr o. d. Leyen war der deutsche Vertreter auf der Internationalen Eisenbahnkonferenz ln Bern vom 16. bis 30. Mai d. I. Ueber den Zeitpunkt, wann Geheimrat v. d. Leyen sein Amt niederlegen will, ver lautet noch nichts. Desgleichen sind die Mitteilungen über seinen Nachfolger lediglich Kombinationen. * Eine widerrechtliche Oefsnung deutscher Marine postbeutel im Ausland ist nach der „Nordd. Allg." in zwei Füllen vorgekommen. Das Blatt teilt offiziös mit: Die Mitteilung einer hiesigen Zeitung, datz eine Post von S. M. Schiff „Berlin" an das Marinepostbureau in Berlin in Frankreich wider rechtlich ge öffnet woroen sei, ist unzutreffend. Eine solche Post ist vor einiger Zeit auf spanischem Gebiet geöffnet worden, jedenfalls infolge eines De- triebsverschens; die Untersuchung hierüber schwebt noch. Anscheinend liegt eine Verwechslung vor mit einem vor einiger Zeit vorgekommenen Fall, bei dem ein vom Marinepostbureau für den Ablösungs transport eines anderen Schiffes gefertigter Brief- beutel in einer französischen Bahnpost versehentlich geöffnet und nach Wahr nehmung des Irrtums sofort wieder geschlossen worden war. * Richtigstellung. Die im gestrigen Abendblatt aus Dresden gemeldete Kundgebung in der Marokkos ngclegenhcit ging nicht, wie Lurch ein Versehen des Wolffs chen Telegra phenbureaus gemeldet, vom Nationalen Deut schen Reichsverein, sondern vom Nationallibe ralen Deutschen Reich svcrein aus. Ausland. Oetterreich-Uugarn. * Die Krisis im Kriegsministerium. Kriegsmini ster Frhr. o. Schönaich befindet sich auf einem Urlaub. Als die Meldungen über die Erschütte rung seiner Stellung eingetroffen waren, nahm er Gelegenheit anzufragen, ob es matzgebenden Ortes erwünscht wäre, datz er seinen Urlaub unter breche und beim Monarchen in Audienz erscheine. Da ein solcher zwingender Anlatz nicht bestand, wurde nunmehr endgültig festgestellt. datz Baron Schönaich erst am 16. September von seinem Urlaube nach Wien zurückkehrt, um tags darauf beim Kaiser in Audienz zu erscheinen. Da der Endtermin des Urlaubs des Kriegsministers auf einen Zeitpunkt fällt, zu dem die unter Leitung des Thronfolgers Erzherzogs Franz Ferdinand in Oberungarn stattfinden den Manöver bereits beendigt sein werden, so geht daraus hervor, datz der Krieasminister an die sen nicht teilnehmen wird. Die Formalitäten, unter denen sich der Wechsel im Krieqsministerium vollziehen dürfte, dürften laut „Voss. Ztg." am 17. und 18. September vor sich gehen, zumal da sich dann der Monarch wieder in Wien befinden wird, um die Ernennung des neuen Kriegsministers sowie dessen Vereidigung unter gleichzeitiger Enthebung des Frei herrn von Schönaich vom Amte zu vollziehen. Der erste Sektionschef im gemeinsamen Kriegsministerium Feldmarschalleutnant v. Krobatin, der derzeit den Kriegsminister vertritt, wird an den Manövern in Oberungarn teilnehmen, und da die Ernennung des Kriegsministery erst nach Beendigung der Mono ver stattfindet, wird er bei den Manövern als Schieds richter wirken. Was den W-chsel in der Leitung des Gcncralstabcs betrifft, so dürft: sich Liefer formell im Rahmen des Novemberavancements vollziehe». Frankreich. * Entlassene Eisenbahner gegen die Sabotage. Datz entlassene Eisenbahner gegen die An schläge auf die Strecken heilig protestieren, mutz als beruhigende Tatsache bezeichnet werden. Die infolge des Ausstandes vom Oktober 1910 ab berufenen Eisenbahner von Hirson nahmen nämlich laut „Vosi. Ztg." einstimmig eine Tagesordnung an, in der sie die Machenschaften oer Revolutionäre verwerfen, die Leute, die verbrecherische An schläge auf den Eisendahnstrcckcn untcrneyincn. der öffentlichen Verachtung preisgeben und strenge Matz regeln zur Wahrung der Ehre der Eisen bahner verlangen. Die Tagesordnung schliesst mit den Worten: Vor allein find wir Franzosen! * Die Einwirkungen der englischen Ausstände auf den frauzösischen Handel. Iniolge der Ausstände in England hat die Ausfuhr von Obst und Ge müse schwere Schädigungen erlitten. Mehrere Schiffe sind mit einem großen Teil ihrer Ladung zurückgekehrt. Italien. * Besserung im Befinden des Papstes. Die Acrzte haben bei ihrer gestrigen Untersuchung Les Papstes eine bedeutende Besserung im Be finden des Patienten seststellen können. Der Heilige Vater mutz noch einige Tage das Bett hüten, doch Hüffen die Acrzte, datz er in etwa 10 Tagen wieder vollständig yergcstellt jein wird. * Zum Konflikt mit Argentinien. Wie die „Tügl. Ndschau " aus Genua berichket, meldet die Zeitung „Das 19. Jahrhundert" aus Buenos Aires einen Uebergriff der argentinischen Behörden. Als der Dampfer „König Viktor Emanuel" am 20. Juli vor Buenos Aires eintraf, begaben sich vom Kanonenboot „Rosario" 24 Soldaten an Bord, um darüber zu wachen, datz alle Passagiere sich den Quarantänebestimmungcn genau unter warfen. Trotz des Einspruches des italienischen Kapitäns verlietzen die Soldaten das Schiff erst, als alle Einwanderer untersucht worden waren. Das Voraehen der argentinischen Behörde hat in den Kreisen der italienischen Kolonie von Buenos Aires grotze Erbitterung heroorgerufen. Der italienische Gesandte ist wegen des Vorfalls bei der Regierung vorstellig geworden. Spanien. * Ermordung des Kommandanten der Zioilgarde in Valencia. Der Kommandant der Zivilgarde von Valencia Frederico Wahles ist im Badezimmer seiner Wohnung von seinem Burschen durch einen Revolverschutz ermordet worden. Ter Mörder ist geflohen und konnte bisher nicht festgcnommen werden. Man vermutet, datz der Bursche auf Anstiften der radikalen Gegner des Kom mandanten gehandelt hat. pvrlnga!. * Neber die unhaltbaren Zustände im Lande unterrichtet eine Drahtung des Lissaboner Bericht erstatters des „Matin", datz die Zensurbehordo ihm untersagt habe, folgende Meldung an icin Blatt zu schicken: Der portugiesische Konsul in Orense hat der Regierung der Republik mitgeteilt, datz in der dortigen Gegend zahlreiche portugiesische Mon archisten militärijche Hebungen auf freiem Felde vornehmen. Alle sind gut bewaffnet und vollständig ausgerüstet. Die spanische Regierung hat den Befehl gegeben, datz 200 Monarchisten aus dem Bezirk auszuweisen seien. 500 Leute vom 7. Kavallerie-Negimeut in Almeida haben unter Führung eines Sergeanten die portugiesische Grenze bei Aldea überschritten, um zu den royalistischen Flüchtlingen zu stützen. Die Regierung hält weiter hin starke Garnisonen an der Grenze aufrecht. Diese Nachrichten, sagt der Berichterstatter, enthielten durch aus nichts Geheimzuhalteiides, da sie in der ge samten Lissaboner Presse veröffentlicht worden seien. Niemals, selbst in den ärgsten Zeiten monarchischer Willkürherrschaft nicht, sei die Zensur derartig drakonisch und ängstlich gehandhabt worden wie jetzt. Die neue portugiesische Ne gierung gehe unmittelbar daraus ans. das Aus land über die mißlichen Zustände in Portugal zu täuschen. * Portugiesischer Ministerpräsidentschafts-Kandidat. Die Fraktion Camarchos stellte Braaincemp mit 47 Stimmen Mehrheit als Kandidaten für die Präsidentschaft der Republik auf. Kuhland. * Rücktritt und Nachfolger des Ministers Ssa- sonow. Wie wir erfahren, hält man es in unter richteten russischen Kreisen nicht für unwahrscheinlich, Latz der Minister Ssasonow von seinem Posten zürücktreten wird. Der Minister, der vor kurzem in Davos eine Operation glücklich überstanden hat, dürfte vermutlich das Petersburger Klima nicht vertragen, so datz man vermutet, er wird den Botschafter posten in Rom erhalten, wo die klimatischen Ver hältnisse günstiger sind. Als sein Nachfolger wird, wie schon gemeldet, der jetzige russische Botschafter in Konstantinopel, Tscha rikvw, genannt, der bekannt lich Iswolskis Gehilfe war. — Ueber den neu ernannten ersten Sekretär der Berliner russischen Botschaft von Botkin wird uns mitgeteilt, datz dieser vorher zweiter Sekretär der russischen Gesandtschaft in Bern und dann zweiter Sekretär der russischen Botschaft in Wien war. Von dort wurde er nach Konstantinopel versetzt» um dann seine Stellung an der Berliner russischen Botschaft anzutreten. Herr Botkin, der ausgezeichnet deutsch spricht, stammt aus einer sehr kunstsinnigen Moskauer Familie; er ist ein Vetter des russischen Gesandten in Tanger, der seinerzeit als Kandidat für den Posten des Ministers der auswärtigen Angelegen- tenhei genannt wurde. Türkei. * Der türkische Ministerrat hat beschlossen, die Botschafter bei den Krctamächten zu beauftragen, neuerliche Schritte wegen der Kretafrage, insbesondere auch wegen der letzten Morde an Mo hammedanern zu unternehmen. Weiter wurde beschlossen, wegen der Ausdehnung des Aufstandes in Atbanien und wegen der Bewegung in der Gegend von Argyrocaftro und Premedi weitere Truppen in das Bilajet Janina zu senden. — Die Gerüchte von einer Mobilisierung von 28 Redifbataillonen im Vilajet Monastir zur Konzentrierung an der griechi schen Grenze werden vom Kriegsminister als unrichtig bezeichnet. Griechenland. * Der griechische Kronprinz und die französisch« Militiirmosion. Eine augenscheinlich offiziöse Mel dung aus Athen erklärt die Nachricht, datz zwischen dem griechischen Kronprinzen und der französischen Militärmrssion Zwistigkeiten zu befürchten seren, für durchaus unbegründet; die Beziehungen zwischen dem Kronprinzen und der Militärmission seien durchaus herzlich. Haiti. * Die Eidesleistung des neuen Präsidenten ohne Vertreter der sremden Mächte. Der „New Pork Herald" meldet aus Port au Prince: Der Eides leistung des neuen Präsidenten Lemonte wohnten die fremden Gesandten nicht bei. Sie hatten von ihren Regierungen die Aufforderung erhalten, die neue Verwaltung erst anzuerkennen, wenn alle rückstän digen Summen der haitianischen Schulden bezahlt sind. Ekuador. * Demission des Präsidenten Alfaro von Ekuador. Der Gesandte von Ekuador veröffentlicht ein Tele gramm aus Quito, datz Präsident Alfaro seine De mission auf den Wnnfch des Volkes von Ekuador gegeben Hai. Der Senatsprüsident Freile hat in feiner Eigenichaft als Vizepräsident der Republik previsorisch die Exekutivgewalt übernommen. 2m Lande berrscbt vollkommene Ruhe. Indien. * Proqrrmmeinschrän'ung bei den indischen Kröiiungsscierlichkeite». Das Programm für den Besuch des englischen Königspaares in Indien hat eine beträchtliche Einschränkung erfahren, da ange sichts der drohenden Hungersnot im Lande über mässige Ausgaben vermieden werden und den be dürftigen Eingeborenen zugute kommen sollen. Auch der Ausbruch der Eholera in Deyli hat eine Pro- grammeinschränknng geboten erscheinen lassen. Das Gerücht, datz das Königspaar seine Jndienreije auf gegeben habe, entspricht nicht den Tatsachen. preWimmen. lieber Las Streilsieber, das augensche nlich wei teste Kreise in England ergriffen hat, schreibt die „Deutsche Vclkswirtschaftl. Korr.": „Der ausgcdörrte Körper (London) verlangt dringend nach Früchten, Gemüsen, Eiern, Milch, Mi neralwasser und anderen Dingen, die man sollst wohl teilweise als Luxus betrachten kann, jetzt aber unbe dingt als Ledürsnisgegenstände bezeichnen mutz. In den großen Städten werden sic nicht erzeugt, sic müssen lhnen von außer her zugcfübrt werden. Nach London gelangen sie durch ein woylorganisiertes Netz von Land- und Wasserstraßen, mit Eisenbahn und und Schiff, aus allen Testen Les Landes und fast aus der ganzen Welt. Ein Heer von Arbeitern ist bei der Verteilung Lieser Waren in die Verkaufsstellen tätig. Selbstverständlich steht der größte Teil dieser Arbeiter unter Sem Einflüsse der foztaloemokra- tischen Trade Unions. Datz diese die industrielle Ent wicklung Englands unterounöen, und datz Deutsch- lands Industrie ihnen einen Teil des Vorsprungs, den cs England auf dein Weltmarkt abgewonnen hat, zu danken hat, ist eine Tatsache, die nur noch von kindisch gewordenenKatheLersozicuisten, die nichts ver gessen und nichts hinzugelernt haben, geleugnet wird. Man hätte aber deck) nicht annehmen dürfen, oatz diese uns >o oft als Vorbild hmgestellten eng- tischen Gewerkschaften die Hand zu einer Behandlung ihrer Landeshauptstadt bieten könnten, die inan sonst einer belagerten Festung im Krieg, nicht aber üer Stätte widerfahren läßt, an der man lebt und viel leicht auch geboren ist, die jedenfalls Gelegenheit zu lohnender Arbeit und zum Unterhalte der Familie bietet." Tas „Posener Tgbl." meint zu dem gleichen Thema: „Der Schaden, Len das Wirtschaftsleben Englands durch die jetzigen standaiösen Vorgänge erleidet, ist unberechenbar. Das sind die sozialpolitischen Fol gen einer Wirtschaftspolitik, die den Wurzelboden üer Heimat preisgegeben hat und sich in ihren letzten Quellen auf das Ausland stützt. Die britische Wirt schaftspolitik hatte sich als oberstes Ziel gefetzt, die Löhne üer Arbeiterschaft zu steigern und hatte zu dem Zwecke alle anderen Fabrikationsbedingungen rück sichtslos zu verbilligen gesucht, und dementsprechend nicht nur die Erzeugung der Rohstoffe im eigenen Lande preisgegeben, sondern auch die eigene Land- wirrschast geopfert. Die Folge ist, datz (nach den in letzter Zeit vielbesprochenen Veröffentlichungen des „Board of Agrikultur") neun Elftel desge- samten Gelreiüeocüarfes von England ausdem Auslande bezogen werden müssen, und daß auch die englische Viehzucht nur noch in üer Lieferung von Hochzucht-Material sich einigermaßen bezahlt. Als naturnotwcndige Folge dessen ist das Land verödet. Die Nachkommen der einst freien Bauern aber sind in die Städte getrieben worden und Haden das Heer der Unzufriedenen vermehrt, um derentwillen doch gerade diese ganze Wirtschafts politik eingeleitet worden ist! Unter den jetzigen Zu- fländen leidet am meisten gerade der Zwerg des bri tischen Wirtschaftslebens, der die verhängnisvoll« Wandlung heraufgeführt hat: der Handel." Unter der Ueberschrift „Oh, diese Hitze!" schreibt die „Kölnische Volkszeitung": en müsse, um itztum zu ver- „Die Kriegsüberlegenhcit Frankreichs soll nun durch Massenbau von Flugmcstchinen begründet und gesichert werden. Der Flieger Vödrines ist vom Pariser Blatt „Le Journal" als Postbote angestelll worden und hat seine Sache ausgezeichnet gemacht. Er trug die ihm übergebenen Brieffchaften in andert halb Stunden von Paris in das Meerbad Deauville, während der Erpreßzug mehr als drei Stunden dazu braucht. Vödrlnes kam so früh am Ziele an, datz nie mand vorhanden war, um ihn zu begrüßen, denn man hatte ihn erst «ine halbe Stunde später erwartet. Der „Matin", für den jeder Erfolg des Journals" ein Aergernis ist, hat ihm diesmal nur einen geharnisch. ten Aufsatz entgegenzustellen, worin erklärt wird, Frankreich dürfe keinen Sou mehr für die lenkbaren Luftschiffe ausgeben, sondern solle diese wertlose Spielerei den Deutschen überlassen. Dafür müsse man in aller Geschwindigkeit eine Luftflotte von Flug. Maschinen in der Zahl von 4—5000 Herstellen. Der „Matin" setzt seine Hoffnung auf den Kriegsminister Messimy und gelangt dann zu folgendem hochpatrio- tischen Schlüsse: „Seit dem Anfänge dieses Jahrhunderts hat Frankreich schon dreimal widerwärtige Drohungen aui sich lasten fühlen. Schon dreimal hat es sich zesragt, ob es nicht das Schroert ziehen müsse, um ein« Ehre, seine Ruhe oder sein Besitztum zu ver eidigen. Zur gleichen Stunde aber, wo Frankreichs Leben bedroht ist, wird ihm eine neue Waffe ge- bo en. Sie ist sicherer als alle anderen, gefähr licher als alle anderen und französischer als all« anderen. Sie gestattet uns endlich, der bestialen Umarmung zu entgehen, von der ein ehemaliger Sieger träumt. Sie gestattet uns, sehr hoch und sehr rasch zu marschieren, so datz die Barbaren von morgen an den gallischen Hahn nicht mehr rühren können." Oh, diese Hitze! Was sie nicht alle« verschuldet!"