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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140120010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914012001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914012001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-20
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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2. veUaye. Vlenslsy, 20. Zanusr 1914. LeipAigLr Eagrdiatt. Nr. 34. Moryen-Nusgave. Sette 9. veutscver Reichstag. Stimmungsbttü. T Berlin, 19. Januar. Heute ist geschehen, was wir am Sonntag hier oorausgesagt hatten, aus einen Antrag Les Abg Basser mann, dem mit stärkerer oder gelinderer Verwahrung die Vertreter aller anderen Parteien, deitraten, hat man aus die reinliche Scheidung nach Materien verzichtet und wiro ichon in der General aussprache das ganze weitichichnge Gebiet der vor dem inneren Reichsamt ressorierenben Fragen gemeinsam behandeln. Selbst auf die Gefahr hm, das man dabei, wie Herr Scheidemann sich »hitzig ausdrückte, „aus den, Umwege über die Maul- und Klauenseuche -um Polizeipräsidenten von Berlin" kommt. Die Gefahr ist übrigens nicht jo groß. Der Umfang des Stoffes — denn was in Preußen sich aut -1 bis 5 Minmerien verteilt, liegt hier in den Händen eines Ressonchess zusammen — zwingt die Redner der einzelnen Parteien jchon ohnehin Platz zu halten und sich einigermaßen einzuschränken. Vieles und also jedem e.was zu bringen, hat, scheint's, niemand auch den Ehrgeiz. Der Abg. Meier-Kaufbeuren, oer für das Zentrum das Wort führt, sprach vornehmlich von den wirtschaitlichcn Dingen, »chi leerte, da» unter der Herrschaft des gegen wärtigen Zollpolitik trotz einer im allgemeinen niederziehenden Konjunllür sich die deutsche Wirt schaftslage gebessert hätte; eriucht die Regierung, das Ge»chäilsgebahren dec Kartelle und Syudikale im Auge zu behalten und schließt mit der Aufforde rung, die freilich wohl nicht allein das Reichamt des Innern angeht, dafür zu fvrgen, daß bei dem Zu sammenbruch in Mexiko die deutschen Gläubiger nicht geschädigt werden. Dann reoer sür die Rationalliberalen der Abg. Keinath. Er zieht indes seine Kreise schon er heblich weiter. Herr Keinath, der Lurch seinen ernsten Fleitz, seine gründlichen Kenntnisse und die liebenswürdige, sympathische Persönlichkeit bei jungen Zähren in Fraktion und Haus sich schnell eine an- jehunche Stellung zu erwerben gewagt Hal, durch leuchtet zwar gleichfalls Len ganzen Bereich wirt schaftspolitischer Fragen; ruft nach einer Besei tigung des Scheckstempels, der den bargeldlosen Verkehr hemmt und einschränkt und nach einer Novelle zum Kaligeietz; fordert Schutz maßnahmen für den Weinbau und För derung des Gemüsebaues aus Len Ueberschüssen des Kanpropagandasonds und unterstreicht zum Schlug nachdrücklich Las Verlangen nach langjährigen Handelsverträgen. Aber inzwischen hat der national liberale Redner auch mit LvrirLe und Wärme der So ralpolitik gedacht, hat das törichte Gerede des Ludwig Bernhard-Konzerns, Latz die Sozialpolitik zur Entnervung der Nation führe, abgewiesen und bei aller Schonug der berechtigten Interessen des Unternehmertums ein Festhalten an der bisherigen großen Linie und damic einen Ausbau der Wöchne- rinnenfürjorge, Jugendpflege, Schutz des Theater personals gefordert. Ausjchlietzlich der Sozialpolitik widmet sich dann der Abg. von Gräfe, der aus einem Berliner Gelehrtenhau,e entsprossene mecklenburgische Junker. Allerdings in den Formen, die wir nun schon seit zwei Jahrzehnten bei den Konservativen gewöhnt sind, die Sozialpolitik muß umtehre», und sie Lars nimmermehr Vie Landarveiterfchast zu erlassen ver suchen. Hernach geht man nach einer unbeträcht lichen Po-enrede auseinander. Morgen wird dann voraussichtlich der Staatssekretär Les Innern zu den ihm vorgeschlagenen Wünschen und Beschwerden sich äußern. Aehntrch^ Fragen wurden — das sei in diesem Zusammenhänge nur angeführt — heute auch im preußischen Abgeorone tenhause erörtert, Wenigstens zum Teil ähnliche Fragen, Dort unter hielt man sich heute über den Etat der Landwirt- jchasisoerwaltung, dessen Bereich sür gewöhn lich recht schläfrig und gemächlich ohne sonderliche Emotionen hinzugehen pflegt. Heute brachte sie doch immerhin gleich zu Anfang ein Moment von beträchtlicher Bedeutung. Der Herr Landwirt- jchaftsmiuisier gab Erklärungen über die preußische Wanoerarbciterfrage ao und über das sür Oesterreich projektierte Auswanderungsgesetz. Herr von Schorle m er sieht diese Dinge sehr opti mistisch an und sür den Augenblick mag er ja auch recht haben. Es wäre aber bedauerlich, wenn aus lolchem Optimismus heraus die unseren Agrariern so unbequeme innere Kolonisation auch weiterhin nur im Tempo der Echternacher Sprinzprozession behandelt weroen sollte. Sitzungsbericht. Am Bundesratstisch: Dr. Delbrück, Richter und Dr. Caspar. Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 18 Min. Die zweite Lesung des Etats Les Reichsamts ües Innern wird fortgesetzt. (Zweiter Tag.) Es liegen hierzu bis jetzt vier Resolutionen vor. Zur Geschäftsordnung beantragt Abg. Ballermann (Natl.), die Beschlußfassung vom Sonnabend wieder aufzuheben, wonach die Debatte nach sozialpolitischer und wirtschaftlicher Materie ge trennt werden soll. Es wäre nötig gewesen, daß zu nächst der Scniorenkonvent sich mit dieser Frage be- chäfligt hätte. Abg Gröber (Ztr.): Der Grundgedanke des An trages Eothein war zweifellos richtig, anderseits aber kam er etwas unvorbereitet und zeitigte bei den Red nern erhebliche Schwierigkeiten. Für diesmal bitte ich deshalb, von diesem Beschluß abzusehen und für das nächste Jahr von vornherein eine derartige Scheidung der Materie vorzunehmen. Abg. Scheidemann (Soz.): Der Vorschlag des Abg. Eothein war zweifellos gut gemeint. Der beste Be weis war seine einstimmige Annahme. Differenzen stellten sich erst später heraus. Deshalb stimme ich dem Anträge Bassermann zu. bitte aber, für die Folge einen derartigen Beschluß zu fassen, damit nicht der eine über Reblaus, der andere über Sozialpolitik spricht und der dritte auf dem Umwege über die Maul- und Klauenseuche §um Polizeipräsidenten von Berlin kommt. (Heiterkeit.) Abg. Müller-Meiningen (Fortschr. Vpt.): Auch wir sind mit dem Vorschlag Bassermann einverstanden. Ohne besondere Abstimmung wird hierauf gemäß dem heutigen Vorschlag die Debatte fortge'etzt. Abg. Dr. Mayer-Kaufbeuren (Ztr.): Der Rück gang der Konjunktur zeigt sich am deutlichsten an dem erschreckenden Rückgang des Exports und dem Rückgang des Imports an ungemünztem Golde, der im vorigen Jahre einen Höhenrekord darstellte. Die Depression ist eine internationale Erscheinung und dürfte mit den Balkankriegen in Verbindung stehen. Neben diesem Tiefstand der Konjunktur sehen wir auch noch einen Tiefstand des Geldmarktes, und zwar nicht nur bei uns, sondern auch in England und Frankreich. Die Ausgabe der neuen preußi schen Anleihe ist dabei erfreulich insofern, als sie eine Versicherung gegen Kursoerlust in sich trägt, da sie zu 97 Proz. ausgegeben und in zehn Jahren zu pari eingelöst werden soll. Eine wahre Sintflut von K o m m u n a l a n l c i h e n ist an Len Kapitalmarkt gekommen, und eine weitere Steigerung auf eine Milliarde ist noch zu erwarten. Der Deutsche Städtelag hätte sich mit der Frage be schäftigen sollen, wie man ohne Obligationen aus kommen kann. Der jetzige Zustand ist durchaus un gesund und verlangt die größte Aufmerisamkeit der Regierung, welche für die nötige Liquidität des deut schen Geldmarktes sorgen muß. Die Einfuhr an Rohstoffen und Lebensmitteln ist in letzter Zeit nicht nur nicht gestiegen, sondern sogar noch etwas zurück gegangen; an Fertigfabrikaten aber haben wir mehr äusgesührt. Unsere Wirtschaftslage hat sich bedeutend gefestigt. Zum ersten Male war im vorigen Jahre unsere Handelsbilanz im Jn- laistre dem Ausland gegenüber aktiv. Die Haupt ursachen hierfür lagen in der guten Ernte und der er höhten Viehzucht. Die Theorie des Kollegen Hoff über den Rückgang unseres Viehbestandes infolge unserer Zollpolitik war schon zwölf Tage vorher wider legt, ehe er sie aussprach. Wenn in den Großstädten die Fleischpreise hoch sind, so hat das ganz andere Ur sachen und hat mit unserer Zollpolitik n.chts zu tun; ebensowenig steht es mit den Getreidepreisen. Be dauerlich ist, daß das Rheinisch-West fälische Kohleniy ndikat und der Stahl- werksverband unsere einheimische In dustrie gegenüber de in Auslande schwer beeinträchtigt haben, indem sie den inländi schen Abnehmern höhere Preise abforderten als den ausländischen. Da wäre es denn die Pflicht des Staates, ein gewisses Aufsichtsrecht über die Kartelle auszuüben. Viele erwarten von dem neuen amerikanischen Zolltarif eine Erleichterung für unseren Export. Der Staatssekretär hat Anlaß, dafür zu sorgen, daß die Zollschikanen dort wie auch in Frankreich und Rußland verschwinden. Eine durch greifende Aktion der Regierung gegenüber den Vor gängen in Mexiko, die zahlreichen deutschen Geld gebern Verluste zu bringen drohen, ist notwendig. Hoffentlich wird es der Regierung gelingen, allent halben die deutschen Interessen mit Erfolg zu wahren. (Beifall.) Abg. Keinath (Natl.): Der Rückgang der Konjunktur im vorigen Jahre ist keineswegs katastrophal eingetreten; er war schon lange Zeit vorauszusehen. Zu begrüßen ist es, daß Las Publikum sich immer mehr an das Papiergeld gewöhnt. Dadurch wird unsere Volkswirtschaft elastischer, und die zwei Milliarden in den Taschen des Publikums werden der Allgemeinheit dadurch nutz bringender verwertet. Ein Hemmnis ist immer noch der Scheckstempol. Die Novelle zum Kaligesetz erwarten wir begierig. Das Kaligesetz soll einer Ver schleuderung der deutschen Bodenschätze im Auslande vorbeugen, anderseits aber bedingt es eine gewaltige Ueberproduktion. Auch wir bedauern die Auswüchse der Kartelle, halten diese größeren Organisationen aber in unserer heutigen Zeit für eine Notwendigkeit, da durch sie unserer ganzen Volkswirtschaft eine größere Beständigkeit, die für alle Volkskreise, auch die Arbeiter, von größter Bedeutung ist, verliehen wird. Die Behauptung, daß unsere Sozialpolitik zu einer gewissen Ent nerv u n g und Verweichlichung geführt habe, kann ich als richtig nicht anerkennen. Unsere Sozialpolitik ist vorbildlich geworden für andere Länder, und deshalb kann sie so schlecht nicht sein. Sie har auch große Vorteile für unser gesamtes Wirt schaftsleben gebracht. Es muß allerdings Rücksicht genommen werden auf die Leistungsfähigkeit des Gewerbes und der Industrie, wenn man die Sozialpolitik noch weiter ausdehnen will. Wünsche bestehen immer noch, di« auch erfüllt werden können und müssen: so bessere Fürsorge sür Wöchne rinnen, Herabsetzung der Altersgrenze bei der Reichs versicherung. bessere Fürsorge sür das Theater personal. Die Jugendpflege muß energischer gehand habt werden, und das Reichsamt des Innern sollte sich diese Frage seh: angelegen sein lassen. Lebhaft bedauern wir deshalb, daß die Kommission den im Etat geforderten Beitrag für di« Olympischen Spiele abgelehnt hat. (Zustimmung.) Dl« Wanderfürsorge erfordert gleichfalls erhöhte Aufmerk samkeit. Man sollt« im ganzen Reich Wanderarbeits stätten errichten. Eine einheitlich« Bekämpfung der Tuberkulose von Reichs wegen muß eintreten, wie wir hoffen, daß das Reichswohnungsgesetz baldigst zu stande kommt. Zunächst wird es nötig sein, die Kreditnot des städtischen Grundbesitzes zu beseitigen. Die neuerdings gestärkten Handwerkerorga nisationen begrüßen wir. Ohne starkes Solida- ritütsgefühl mußten die staatlichen Hilfsmaßnahmen ohne Nutzen bleiben. Das Submissionswesen kann nur durch diese Organisationen gebessert werden. Die Landwirtschaft ist erfreulicherweise in eine etwas bessere Lage gekommen. Der Viehbestand zeigt einen nicht unerheblichen Aufschwung, dagegen befindet sich der Weinbau in einem trostlosen Zustand. Der Kali propagandafonds sollte auch der Förderung des Ge müsebaues nutzbar gemacht werden. An den Richtlinien unserer jetzigen Wirt schaftspolitik halten wir fest. (Bravo!) Dabei müssen wir auf eine möglichste Stärkung des Jnlandmarktes sehen. Die Industrie hat das größte Interesse an langjährigen Handelsverträgen. Auch hat die Industrie ein Interesse daran, rechtzeitig zu Verhandlungen hinzugezogen zu werden, die ihre vitalsten Interessen berühren; so bei der Vor bereitung von Ausstellungen, wie wir es bei der Frage der Weltausstellung in San Francisco gesehen haben. Der vielfache Mord des Lehrers Wagner legt uns die Frage nahe, ob nicht ein Verbot des Waffe «trage ns erwünscht wäre. Bei seinen Maßnahmen zum Nutzen von Handel und Wandel wird das Reichsamt des Innern stets unsere treueste Unterstützung finden. (Beifall.) Abg. von Graefe - Güstrow (Kons ): Die Auf fassung ist irrig, als ob wir den Schluß der Sozial Politik wünschten. Wir verstehen unter Sozialpolitik aber nicht nur den Schutz der arbeitenden Kreise, sondern einen gerechten Ausgleich in den wirtschaftlichen Kämpfen. Ein über triebenes Tempo halten wir allerdings nicht für angebracht. Auch bei der Landwirtschaft sind die sozialen Lasten außerordentlich hoch, ohne daß ein Ausgleich bei der Preissteigerung sür die Waren möglich wäre, wie es bei der Industrie der Fall ist. Ungerecht oder wenigstens einseitig ist es, wenn die Sozialdemokratie von einer allgemeinen Woh nungsnot der ländlichen Arbeiter spricht. Die übereilte sozialpolitische Gesetzgebung muß zu Mißständen führen, wie mir es jetzt bei der Dienst botenoersicherung gesehen haben. Auch mir stehen auf dem Standpunkt, Laß die Jugendfürsorge durch gesetzliche Maßnahmen gefördert werden mutz. Auch wir bedauern die Ablehnung des Reichs zuschusses für die Olympischen spiele und hoffen, daß das Plenum diesen Beschluß korrigiert. Wir verlangen einen größeren Schutz der Ar beitswilligen. Unsere Forderung bedeutet keine Einschränkung des Koalitionsrechts, sondern eine Erweiterung. Jeder Arbeiter soll sich der Koalition anschließen können, die ihm zusagt. Die Landarbeiter sind den Industriearbeitern gegenüber wesentlich im Vorteil, Venn sie genießen dieSicherheitdurchdaspatriarchalische Verhältnis. (Große Unruhe links.) Von einer Notlage der Landarbeiter kann keine Rede sein. Bei uns ist noch niemand verhungert. Ich freue mich, daß die Landarbeiter die Erfolge der Lohnkampfe ihrer Arbeitsgenoss n in der Jvdustrie mitaenießcn. Pei allen diesen Tatsachen ist unsere Forderung ^litzso berechtigter, daß ein wirksamer gesetzlicher s-aj u tz gegen den zunehmenden Mißbrauch des Koalitionsrechts geschaffen und dem immer schärfer ausgeübten Terrorismus gegenüber arbeits willigen Arbeitern entschieden entgsgengetreten wird. Ich freue mich, daß der Abg. Roechling unter Zu stimmung seiner Freunde im Abgeordnetenhaus« sich gleichfalls für den erhöhten Schutz der Arbeitswilligen ausgesprochen hat. (Lachen links.) Die Stellung nahme der christlichen Cewerk'chaften in der Frage des Streikpostenst.'hens bedauere ich. Ich hoffe, daß es den Führern gelingen wird, hierin wieder den rechten Weg zu finden. Besonders der Mittelstand leidet unter den gegenwärtigen Verhältnissen. Die Wanderlatzersrage unterliegt der Erwägung bei der Regierung. Hoffent lich bringt diese Erwägung das wünschenswerte Resultat. Dem heimlichen Wärenhandel der Beamten wollen auch wir entgegentreten. Von Parteien darf der Mittelstand nicht abhängen. (Stürmische Zurufe links.) Die Sozialdemokraten beweisen dem Mittel stand gegenüber nicht einmal die platonische Liebe, die die Freisinnigen manchmal zeigen. Der Ausspruch des Abg. Pöus, daß der kleine Mittelstand ver schwinden muß. muß immer wieder laut in die Welt gerufen werden. Die Regierung muß es sich auch zur dringenden Ausgabe machen, das Konsumvereins wesen einzuschränken. Darin liegt eine wesentliche Sicherstellung des Mittelstandes, für den ebenfalls das Wort gilt: Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert. (Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Pospiech (Pole): Die Behandlung polnisch sprechender Arbeiter, namentlich in Oberschlesien, spottet jeder Beschreibung. Auch das Koalitionsrecht sucht man den Arbeitern einzu schränken oder wenigstens durch Schikanen zu ver bittern. Der Reichskanzler müßte seinen Grundsatz: „Xungurun retrorsum!", den er hinsichtlich der Polen politik sich gestellt hat, auch einmal auf die Arbeiter fürsorge erstrecken. Hierauf wird die Weiterberatung auf Dienstag 1 Mr vünktlich vertagt. Vorher kurze Anfragen. Schluß nach 6 Uhr. Sächsischer LanMag. Zweite Kammer. LtimmunFSblld. Dresden, 19. Januar, cg. Am Montag beriet die Zweite Kammer über zwei kleinere Dekrete. Dem Justizministerium wurde die nicht ganz einfache Ausgabe zuteil, die Not- wendigkeit der Novelle betreffend die Zwangs vollstreckung gegen den Fiskus gegenüber den einleuchtenden Bedenken der nationalliberalen Redner Dr. Kaiser und Dr. Zöphel darzutun. Man kann nicht sagen, daß ihm dies einwandfrei geglückt ist, im Gegenteil, das von ihm angeführte Beispiel, daß. wenn das Gesetz abaelehnt würde, eines schönen Tages die Kasse eines Amtsgerichts in der Provinz völlig leer sein könne, dürfte die wenigsten überzeugt Haden. Da aber die Annahme des Entwurfes befürwortet wurde, beschloß die Kammer demgemäß. > Bei der Vorberatung des Dekrets 22. Befrei»' ung der Lehrerschaft von der Kranken» Versicherung, kam es zu einem interessanten Antrag des sozialdemokratischen Abgeordneten und Krankenkassenvorsitzenden Frätzdort. Herr Fräß- Lors scheint sich in s.'inem Amt als Vorsitzender der Dresdner Krankenkasse sehr sicher zu suhlen; vor dem Schicksal meines Kollegen Pollender in Leipzig hält er sich offenbar gefeit, denn er verkündete mit ziem licher Selbstsicherheit, daß er, wenn der Entwurf Gesetz werden sollte, die Stadt Dresden verklagen und den Prozeß zweifellos gewinnen würde. Litzilngsbcricht. 27. öffentliche Sitzung. (Von unserer Dresdner Redaktion.) Dresden, 19. Januar. Präsident Dr. Bogel eröffnet die Sitzung des stark besetzten Hauses um .9,9.'» Uhr. Der Tribunenbesuch ist sehr stark. Am Regierungstijche: Justizminister Dr. Nagel, Kultusminister Dr. Beck und Kommissare. Auf der Tagesordnung steht 1. Schlußbcratung über den Entwurf eines Gesetzes betr. Zwangsvollstreckung gegen den Fiskus. Danach soll mit Zwangsvollstreckung gegen den Fiskus wegen Geld orderungen erst oorgeganaen werden, nachdem sie dem Fiskus zwei Monate vorher angekündigt ist. Ter Fiskus soll damit den poli tischen Gemeinden, den Kirchen- und Schulgemein den. und der Kirche rechtlich gleichgestellt werden. Abg. Dr. Mangler (Kons.) berichtet für die Eesetz- gebungsdeputation über den Entwurf, dem die Erste Kammer bereits zugestimmt habe. Er beantragt Annahme des Entwurfes in allen Teilen nach der Vorlage. Abg. Dr. Kaiser-Dresden (Natl.) ist im Prin zip gegen das Gesetz, weil er keine Notwendigkeit dafür sieht. Seine Bedenken, die er in längeren juristischen Ausführungen begründete, seien aber nicht so stark, daß er gegen das Gesetz stimmen werde. Abg. Dr. Zöphel-Leipzig (Natl.) unter streicht die Bedenken des Vorredners kräftig. Wenn in dreizehn Jahren fünf bis sechs Fälle über raschender Pfändung oorgekommen seien, so recht fertigten diese wenigen Fälle noch kein besonderes Gesetz. Es handele sich meist um kleine Beträge, und die Gläubiger seien kleine Leute, denen daran liege, rasch zu Gelds zu kommen. Da möge man also Ltivaz joziales Empfinden walten lassen, das inan bisher inanches Mal vermisse. Mit der vielen Cesetzemacherei erwerbe man sich nicht das Wohl wollen des Landes. Es liege kein Anlaß vor, ohne Not die Reichs-Zivilprozeßordnung im partikularisti- jchen Sinne zu durchbrechen. Er bittet um Ad le h n u n g. Justizminister Dr. Nagel verteidigt den Entwurf. Eine neue Komplizierung des Zwangsvollstreckungs gesetzes sei nicht zu befürchten. Dafür würde schon durch die Austührungsbestimmungen gesorgt werden. Eher werde eine wesentliche Vereinfachung eintretcn. Derartige Ausnahmen, wie sie für den Fiskus gemacht werden sollten, seien schon bei Schaf fung der Reichszivilprozeßordnung ins Auge gefaßt worden und beständen in anderen Bundesstaaten schon länger, in Bayern seien sogar diese Privilegien noch um die Wende des Jahrhunderts neu ein- aesührt worden. Ueberdies solle hier kein neuer Gesichtspunkt ausgestellt werden, sondern der Fiskus solle nur nicht ungünstiger gestellt werden, als di« Gemeinden und die Kirche. Er bitte daher uni Annahme des Entwurfs. Abg. Dr. Kaiser (Natl.) ist durch die Aus führungen des Ministers nicht überzeugt worden, ebensowenig Abg. Dr. Zöphel. Der Entwurf wird hierauf gegen die Stimme des Abg. Dr. Zöphel angenommen. Es folgt die allgemeine Vorberatung über den Gesetzentwurf betreffend Befreiung der Lehrer und Lehrerinne» an öffent lichen Schulen von der ttrankenversicherunaspslicht. Danach sollen den gegen Entgelt beschäftigten Lehrkräften nir den Fall der Krankheit auf deren Dauer, jedoch nicht länger als 26 Wochen, die dienst lichen Bezüge foctgewährt werden, so daß die Lehr kräfte damit nach tz 169 der Reichsversicherungs ordnung von der Krrnke.lrersichcrungspflicht befreit werden. Kultusminister Dr. Beck begründet kurz den Ent wurf. in dem er sich auf die gedruckt vorliegende Begründung des Dekrets bezieht. Er bittet nur für den Fall, daß das Dekret an eine Deputation ver- teils unten llen ffekstellungswei't gestellte Speise. Leppioke, Oaräinen, ^üdel8toüe, H8eti-n.Divanäeeken, k'elle, Vorlagen, klaiä8. Dokeiinkilciern, Dekorationen, ^nl^totte, Madras, Ovtonne8. s. 8 Sekröüter, Asvumarkt 3133
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