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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140120010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914012001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914012001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-20
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Morgen »Ausgabe Se,ag«pre!s«: monatti» 1.25 M.. vlerteUührNch 5.75 M. Sei See »eghüftesteUe, unser» ZMaleu uns Nu»gad«N«U»a adgekoll: m»natUchlM..»I«rt«liahrU<I>SM. vor» SlepoN: Innerhalb deutschlanS» unü Ser deutschen llolaoleu monatlich I.5S M., olerteljShrll» S.LS M., auoschlleftlich postdesteUgelS. Da» L rip^lger Taoeb lat» erscheint Werktag» »mal, Sonn. u. Zelertaga »mal. In Leipzig, »en Nachbarorten unS Sen Orten mlt »iaenen Malen «lr» Sie sidrnüauogab» noch am sibeuü Seo «rscheluen» in, Hau» geUefer«. Vrrliner KeSaktion: 5n Sen Zellen 17. Zernsprech.ftaschluS: Moabit Nr. »»7. Nr. 34. /lrntsblE des Rostes und despoUreuuuLes der Stockst Leipzig »«Saktlon und SeschSstesieUe: )ohau»i»,aff» Nr.«. » Zern sprech» No sch tu 8 Nr. »St«, ISS« uu» I»»»«. Oienslsg, üen 20. 3snusr. 10S. Jahrgang N>r Inserat« au» Leipzig u»S Umgebung Sl« /INAciNeNpreife. Ifpattig« Petit,«N,UP,..»>,N««ain«,«ii,»M., von au.wüct» 5» Vf.. NeNamen 1.2S M., Zamilien» u. klelu« Nnzeigeu Sie petttzeil» nur»»Pf.,Inserat« oon SehSeSea im amtlichen geil Sl« petitzetl« 5» Pf. SrschSstaanzelgen mit plahoorschrift <m Preis« «rbokt. Nodott nach Tarif. Srilagegrdühr: S«samtaufl.5M Sa»TausenS au«schl posigrdübr. fiozeigru-Nnnakme. lobannlagass«», d«i sämtlichen filialen Se» Leipziger Tageblatt»» unS olle» Mnuourea.SepeSitionrn Se» In» unS siu»lsnSe«. S«schSft»st«ll» für 0«rlin u.Si» pr.0ran»«ndurg: virrktionWalterZli«,«l. Srrlln w. 1». Margarethenstrak« «. Zerusprech-Noschlugr Lüp»w »»7i. IS14. Das Wichtigste. * Die Zweite Kammer nahm am Montag den Gesetzentwurf über die Zwangsvollstreckung gegen den Fiskus an und beschäftigte sich mit dem Gesetzentwurf über die Befreiung der Lehrer und Lehrerinnen von der Krankenver sicherung. (Liehe Ber.) * Der Reichstag setzte am Montag die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern fort. (Liehe Art. u. Ber.^ * Zn der B e r u f u n g s v e r h a n d l u n g des ersten Krupp-Prozesses wurde am Montag u. a. Burcauvorstehcr Brandt als Zeuge ver nommen. (S. Bericht.) « * Enver Pascha hat den Großkordon des Medschidije-Ordens erhalten. * Das Zugpersonal in Pretoria hat am Mon- tagmorgen den neuen Arbeitsoertrag unterzeichnet. Die Angestellten haben bereits die Arbeit wieder ausgenommen. dl- ecsteLMungöespreußenbunöes O Berlin, 19. Januar. Im Sommer werden es, wenn wir nicht irren, zwei Jahre, daß von Hannover aus in einer schwülstig verstiegenen Sprache zur Grün dung eines neuen Preußenbundes aus gerufen wurde. Bald hernach erfuhr mau auch, daß inzwischen die Gründung vollzogen sei, aber wer hinter der überflüssigen Organisation steckte — überflüssig, weil das reichliche Erst geburtsrecht Preußens bisher nie ernstlich im Reich gekürzt ward —, wer sie führte und was sie im einzelnen erstrebte, erfuhr man nicht. Nur von Zeit zu Zeit las man hier und da in agrarischen und konservativen Organen von den stolzen, hehren, zeitgemäßen Ausgaben des Preußenbuudes. Wer näher zusah, fand frei lich bloß ein Bündel Phrasen, das unter der Hand in Atome zerstob, sobald man in ihm nach festen Begriffen suchte. Einiges davon berührte den Kenner von Land und Leuten sogar schlecht hin lächerlich. So, wenn immer von neuem ver sichert wurde, der Preußenbund sei geschaffen worden, um dieser entgötterten Welt den deut schen Idealismus wieder zu schenken. Anderes kam der Wahrheit näher; war dafür allerdings von verblüffender Nüchternheit: so die Ankündi gung, daß man einander die Hand zum Bunde reiche, um das „alte Preußen", soll heißen, das geltende Wahlrecht, zu erhalten. Immer hin blieb ein Rest von Spannung übrig für den Moment, wo der Bund die letzten Schleier von sich werfen und in seiner nackten Männerschvn- heit sich der Öffentlichkeit zeigen würde. Dieser stolze Moment ist gestern gewesen — am Preußentag, wo vor 213 Jahren Friedrich I., den man nicht gerade zu den hervorragendsten Herr- schcrgeskalten des Hohenzollernhauses rechnen dürfen wird, den brandenburgischen Kurhut mit der Königskrone „in" Preußen vertauschte — und wir müssen schon sagen: wir sind entsetzt ge wesen über das Maß von politischen! Unverstand und historischer Einsichtslosigkeit, von Mangel an Takt und jeglichem deutschen Gemeinsam- keitsempfinden, das sich da -13 Jahre nach der Schaffung des Reiches, das den besten Deutschen die Erfüllung jahrzehntelanger schmerzlicher Sehnsüchte bedeutete, ohne zu erröten, dreist und unverfroren ans Licht gewagt hat. Nun wissen wir's: der Bund der Landwirte hat einen eben bürtigen Gegenspieler bekommen. Auch der Preußenbund wird Vcrsammlung.n veranstalten, in denen an die neudentsche Oberflächlichkeit, an diese wahrhaft peinliche Gedankenlosigkeit in staatlichen Dingen appelliert wird, wo inan sich kraftmeierisch überhebt und Taten getan zu haben glaubt, wenn man für platte Zügellosigkeiten sich den Beifall der ewig Unmündigen errang. Immerhin.sind derlei Redeübungen beim Bund der Landwirte noch verhältnismäßig harmlos. Wennschon Herr Dr. Oertel uns auch mitunter über die sogenannte „Weltanschauung" des Bun des sagt und singt: es handelt sich im Grunde doch immer nur um den uorvuq reruw, um wirt schaftliche Borzugsrationeu, um ein Mehr oder Minder an Zöllen oder steuerlichen Gerechtsamen! Was gestern, zum Teil von Leuten im G^ucralsrock und von Pastoren, sonder Scl>cu verübt wurde, bedeutet mehr. Das geht auf das Zentrum des deutschen Ledens und ist der kecke Versuch, weil sie selber keine Freude an seiner Existenz haben, uns anderen die Freude am Reick) und die Hingabe an es zu vergällen. Es ist charak teristisch (und es zeugt immerhin von einiger Selbsterkenntnis), daß ein Referat über die Welfe »frage, das die Reihe der gestrigen Borträge abschließen sollte, im letzten Moment von der Tagesordnung abgeseyt wurde. Mit welchem Recht hätten diese Herrschaften auch über die Welfen zu Gericht sitzen wollen, die Vie Serufuagsverhaaülung im ersten Krupp-Prozeß. Berlin, IS. 2gnuar. 2n der heutigen Verhandlung wird zunächst ei, aus Mentone eingegangenes Telegramm de» Herrn oon Metzen verlesen, in dem dieser mit teilt, daß er in Mentone zur Kur weile und deshalb in ihrem schnurrigen Rechtsfanatismus das Be^ stehen des Reichs selber doch niemals auzutasten gewagt hatten! Leider war dieser Anflug von Bescheidenheit und Selbsterkenntnis so ziemlich das einzig Erfreuliche, was von der gestrigen Veranstaltung zu verzeichnen bleibt. Zwar die Eingangsrede des hannoverschen Handelskain- mersyndikuS Rocke mochte noch hingehcn. Sie war erheblich phrasenhaft und fuchtelte mehr, als die Akustik dieser Versammlung vertrug, mit dem Begriff des Idealen; aber sie war bei all dem noch verhältnismäßig zahm und manier lich. Das macht vielleicht, daß Herr Dr. Rocke, der ehedem — freilich vergeblich — als National liberaler um ein Reichstagsmandat zu werben liebte, unter diesen preußisch-konservativen Män nern noch ein Neuling ist. Auch Herr Dr. von Hcydebrand und der Lase vermied eS mit Be dacht, sich irgendwie zu kompromittieren. Dann aber begann der Aschenregen. Und nicht das war das Schlimmste, daß eine leibhaftige Ex zellenz den Kehricht aus der Gosse aufhob, um damit diesen Reichstag der grüßten Militär vorlage zu bewerfen. Auch nicht, daß im toben den Tumult der Vorschlag, den Kanzler anzu telegraphieren, erstarb. Das war vielmehr, daß hier immer wieder von erwachsenen Leuten, von Männern mit grauem Haar, übcrerheblich teils und teils verächtlich, von den anderen deut schen Staaten, insonderheit vom deutschen Süden geredet wurde, dec in seiner Schlapp heit noch dereinst das starke Preußen um Rettung anbetteln würde; daß ein Mann, der sich als Generalmajor Vörstetten ließ, sich erkühnen durfte, den bayerischen Truppen — jetzt nach 43 Jahren — den Vorwurf der Feighei tv 0 r dem Feind zu machen. Es hat keinen Sinn, diesen Herrschaften, denen offenbar jede historisch-politische Bildung fehlt, auseinandersetzen zu wollen, wie das Reich keineswegs allein durch Preußens schnei diges Schwert erwuchs; wie die Kräfte, die hinterher zur Einheit führten, ebensogut auch im deutschen Süden ausgebildet wurden, wie überhaupt in der Beziehung — etwa zwischen 1830 und 1870 — eist stetiges Geben nnd Nehmen zwischen dest verschiedenen deutschen Stämmen stattgefunden hat. Nur an die, wir hoffen: mit einigem Verantwortungsgefühl be schwerten, Männer, die die konservative Par tei führen, möchten wir die Frage richten, ob es ihnen nicht am Ende an der Zeit scheint, die Bewegung, die sie schließlich selber schufen oder schaffen halfen, zurückzupfeifen. Der Weg, den, wie ihre gestrige Premiere erwies, die Preu- ßenbündler zu gehen willens sind, führt ins deutsche Elend. Denn darüber sind die Denken den unter den konservativen Führern sich doch wohl klar: ein auf jfch allein gestelltes Preu ßen, dem der Hintergrund des Reiches fehlte, xoäre in der heutigen Etzoche der Weltreiche und der Zusammenballung ganzer Erdteile zur Ohnmacht verdammt. * * * Wir haben schon in der gestrigen Abend nummer die scharfe Abweisung, die die „Baye rische Staatsztg.", das Organ der bay rischen Regierung, den Auslassungen des preu ßischen Generalleutnants v. Kracht über daS Verhalten der Bayern bei Orleans zuteil wer den ließ, mitgeteilt. Aus München wird uns weiter drahtlich berichtet: Alle bisher vorliegenden bayerischen Mon tagszeitungen verurteilen in schärfster Form die Kundgebung des Preußentages. Die „Bayrische Zeitung" und die „Münchner Zeitung" bezeichnen die dort gehaltenen Reden als unerhörte Herausforderung Süddeutschlands und seiner Heeresteile. - An dieser ganz erklärlichen Wirkung wird auch der von der „Kreuzzt g." unternommene Glättungsversuch wenig ändern. Sie meint, Ge neralleutnant v. Kracht habe nur an die Tat sache erinnert, daß tue Bayern bei Orleans vor der französischen Uebermacht zurückgehen mußten und dann für die preußische Hilfe dank bar waren. Bezüglich der Entgegnung der „Bayrischen Staatszeitung" sagt die „Kreuzzeitung": „Es lag Generalleutnant von Kracht durchaus fern, das Verhalten der preu ßischen gegen das der bayrischen Truppen aus zuspielen. Man wird zweifellos ebenso gern wie alle unterrichteten preußischen Offiziere anerkennen, daß die bayrischen Truppen nicht bloß bei Orleans sich heldenmütig geschlagen haben, und daß sie den preußischen an Opfer freudigkeit und TodeSbercitschaft nicht nach gestanden haben." — Wir meinen: Man hätte sich auf dem Preußentag in Berlin überlegen sollen, was man sprach. Das fehlt jetzt gerade noch, daß solche Streitigkeiten angerührt werden. als Zeuge nicht erscheinen könne. Der Gerichtshof behält sich die Beschlußfassung vor. Sodann erscheint als Zeuge der Bureauoorsteher Brandt. Der Zeuge, der sich augenblicklich in einem Sana torium befindet, macht den Eindruck eines kranken Mannes. Er bekundet, er sei infolge seiner Ver haftung ungemein niedergeschlagen gewesen und habe bedeutend mehr zu Protokoll gegeben, als den Tat sachen entsprach. Uebrigens habe auch sein Ge dächtnis gelitten infolge eines Unfalles. Er könne nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ihm der An- getlagte Pfeiffer Mitteilungen gemacht habe. Er, Brandt, könne dieselben auch aus dem Kriegs ministerium oder anderswoher erhalten haben. Er habe den Angeklagten mit Ausnahme Hoges kleine Eeldzuwendungen gemacht. Der Verteidiger Justiz', at Barnau weist darauf hin, daß Pfeiffer Brandttehr leicht hätte den Eratdes Kriegs ministeriums oder einen Äus.ug vorweg liefern können, und damit doch nicht erst zu warten brauchte, bis der Etat dem Reichstage zuging. Zeuge Brandt gibt dies zu und bemerkt weiter, er erinnere sich überhaupt nicht, von Pfeiffer irgendwelche Mitteilungen erhalten zu Haden. Er sei mit ihm eng befreundet gewesen und habe ihm auch nur zu Weihnachten Geschenke gemacht oder einmal die Zeche oder ein billiges Theaterdillett bezahlt. Brandt erklärt ferner, daß er Pieiffer, wenn dieier es gewünscht hätte, gern Darlehen dis zu 1000 «gegeben hätte, da Pfeiffer oftmals Darlehen von Kaffen aufnehmen musste. Weiter erklärt der Zeuge, er habe gegen seine Verurteilung keine Revision eingelegt, weil Direk- torEccius und auch die Firma Krupp es nicht wünschten und die Strafe bereits ver büßt war. Auf eine weitere Frage bemerkt Zeuge, er könne nicht angeben, welche anderen Beamten des Kriegsministeriums ihm Mitteilungen gemacht hätten. 2m weiteren Verlaufe bekundet Landrichter Dr. Wetzel, er habe bei der Vernehmung Brandts als Untersuchungsrichter nicht den Eindruck gehabt, daß Brandt geistes- oder gedächtnis schwach war, inr Gegenteil, daß er die reine Wahr heit sage. Weiter bekundet als Zeugin die Friseurin Wiczoreck, die mit dem An^eklagt- n Schleuder längere Zeit ein intimes Verhältnis unterhielt, sie habe von Schleuder erfahren, daß er älteren Herren oft aus seinem Bureau Mitteilungen mache, wofür er sehr gut entschädigt' würde. Sie habe Schleuder auf die Ge fährlichkeit dieses Unternehmens aufmerkiam ge macht. Aus einem Briefe der Zeugin an Schleuder geht hervor, daß die Zeugin später Schleuder Vor würfe machte, sie könnte so manches gegen Schleuder ausiagen, dann würde er hoch bestraft werden und es gäbe einen Weltstandal. Die Zeugin gibt zu, sich bei einem Rechtsbureau Rat geholt zu haben. Der Vertreter der Anklage erklärt, auf das Zeugnis des Herrn von Metzen verzichten zu wollen, während der Verteidiger darauf nicht verzichten will. Sodann tritt eine kleine Pause ein. In der Nachmittatzssitzung wurde eine Anzahl Zeugen vernommen, die über die Kornwalzer und den Verkehr der Beamten im Kriegsminrsterium Auskunft geben sollen. Wiederholt wird vorüber gehend die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. In öffentlicher Sitzung bekundet Major Wurtzbacher vom Kriegsministerium, daß Brandt ein ganz vorzüglicher und sehr intelli genter Beamter war, dem er etwas Unehrenhaftes niemals zutraute. Der Etat des Kriegsministeriums, der an Brandt gegangen «ein soll, war 13 Seiten lang. Der Etat lag in seinem Bureau. Da er bei längerem Weggehen dieses stets verschloß, meinte er, daß Brandt gar nicht in der Lage gewesen sei, aus dem Aktenstück Notizen zu machen. Des werteren bekundet Dr. Metzner, er habe als Vertreter des Untersuchungsrichters Brandt mehrmals vernommen. Auch auf »hn habe Brandt nicht den Eindruck eines geistes- oder ge dächtnisschwachen Mannes gemacht. Hierauf wird die Weiterverhandlung auf Diens tag vormittag 10 Uhr vertagt. politische Ueberlicht Aabrrner Nachklänge. I Zn führenden Reichstagskreiseu nimmt man an, daß die Interpellationen über Zu bern im Reichstage erst nachdem Geburts tage des Kaisers, also frühestens am kommen den Mittwoch, werden verhandelt werden. Das ist eine durchaus gebotene Vorsicht, aber sie beleuchtet doch scheinwerferartig die derzeitige mit Elektrizität überladene Lage. In -rr reichslävätjcheir Ersten Kammer begründete Dr. Turtius folgende Interpellation: „Was gedenkt der Statthalter zu tun, um dem- Lande die Sicherheit zu verschaffen, daß die Inhaber der militärischen Kom mandogewalt in Elsaß-Lothringen sich in Zu kunft Innerhalb der gesetzlichen Schranken und Befugnisse halten?" Der Interpellant Dr. Turtius führte aus, der preußische Staatsgedanke sei nicht identisch mit Säbelherrichaft. Er betrachte die gange Kette der Er eignisse als Einheit, aus der sich das Bestreben der Militärverwaltung schließen lasse, der Politik in Elsaß-Lothringen eine andere Wendung zu geben. Im Interesse der Ruh« und Ordnung habe man es für selbstverständlich gehalten, daß der Leutnant von Forstner aus Zabern entfernt wurde. Das Hebel- wollen, und Mißtrauen gegen die Bevölkerung in weiten Kreisen des Reiches komme daher, daß man die Bevölkerung und die Politik der Regierung nicht ver stehe. Nirgends im Lande sei eine feindselige Ge sinnung gegen die Armee vorhanden. Der französische Einschlag in der Kultur Elsaß-Lothringens lasse sich nicht wie ein Strich auf der Schiefertafel verwischen. Das demokratische Elsaß-Lothringen werde niemals den Beifall des preußischen Herrenhauses finden. Während viele Leute ihre Mission darin erblickten, zwischen beiden Völkern zu vermitteln, führe ein Teil der Offiziere bei jeder Gelegenheit das Wort von einem nahen Kriege mit Frankreich im Munde. Die Landespolitik werde durch die nationale Aufgabe und den Charakter der Bevölkerung bestimmt. Hierauf gab Staatssekretär Frhr. Zorn oon Bulach folgende Erklärung ab: „Die Regierung hat in der Zweiten K a m- mer ihren Standpunkt klar gekennzeichnet. Inzwischen sind die Kriegsgerichtsurteile rechts- kräfrig geworden. Inzwischen hat auch die Reichs regierung zur Frage Zabern Stellung genommen, und zwar in ter „Norddeutschen Allgemeinen Zei tung" ron 15. Januar." Der Minister verliest diese Kundgebung und erklärt: „Die Regierung ist der Ansicht, daß durch eine Nachprüfung der Dienstvorschrift von 1899, worin Teile der Kabinetteorder betr. den Waffengebrnnch des Militärs, verwertet sind, eine vollständige und klare Rechtslage geschaffen wird." Aus der Mitte des Hau,«s wurde folgende Re solution eingebracht: „Die Erste Kammer beklagt aufs tief st e die Vorkommnisse in Zabern, die ge eignet sind, ein völlig falsches Bild der elsaß-lothringische »Bevölkerung und ganz besonders des Verhältnisses zwischen Militär und Landesbeoölkerung hervorzurufen. Ohne irgendwie die in Zabern von Zivilpersonen be gangenen Ausschreitungen und das die Aufregung der Bevölkerung nährende Verhalten einzelner Preßorgan zu entschuldigen, ist sie der Ansicht, daß die bedauerlichen Vorgänge vermieden worden wären, wenn das unwürdige, die Bevölkerung verletzende uno herausfordernde Benehmen eines jungen Offiziers seitens der Vor gesetzten sofort entsprechende Remedur erhalten hätte und letztere bekannt gegeben worden wäre. Sie ist ferner der Ansicht, daß der militärisch« Befehlshaber, auch wenn er sich zum selbstän digen Eingreifen befugt erachtete, jedenfalls bei der in einer maßlosen, das rechtliche Empfinden verletzenden Weise erfolgten Ausführung sich schwere Ueborschreitungen seiner Be fugnisse hat zuschulden kommen las sen. Sie ist endlich der Ansicht, daß gegen die Wiederholung solcher Vorgänge eine sichere Ga rantie gegeben werden muß^ insbesondere auch da für, daß die in Elsaß-Lothringen zu Recht be stehende Gesetzgebung von den in Elsaß- Lothringen garnisonierenden Militärbehörden g e - nau beachtet wird. Die Kammer ersucht die Regierung, an maßgebender Stelle Entscheidung in diesem Sinne herbeizuführen." Die Resolution trägt die Unterschriften von 18 Ab, geordneten, darunter die Namen Dr. Back, Dr. Cur- tius, Dr. Lchwander, Dr. Vonderscheer, Frhr. Dr. Zorn von Bulach. Abg. Bian stimmt der Resolution zu. Prozessor Laband machte längere juristische Ausführungen, um nachzuweisen, daß dre Kabinettsorder oon 1820 durchaus nicht gegen das Gesetz verstoße und völlig klar sei. Eine andere Frage wäre, ob Oberst oon Reuter die Kabinettsorder richt.z und mit Umsicht angewendet habe. Redner fügte hinzu: sie mög«n bestimmen, was Sie wollen, es läßt sich nicht vermeiden, daß Instruktionen und Gesetze falsch und schlecht ange wendet werden. Dies legt in der menschlichen Schwäche; es ist aber nicht die Ausgabe des Parla ments, Lies zu untersuchen. General von Moßner nahm das Militär in Schutz und sagte, daß die Verfehlung eines 22jährigen Leutnants «inen Volksstamm nicht beleidigen könnte. Die Angriffe gegen die Militärrichter müßten ent schieden zurückgewiesen werden. Bürgermeister Dr. Lchwander führte aus, es müßten Bedenken erhoben wtckden gegen die Aus führungen des Professors Laband. Es wär« gewiß das Recht des Parlaments, in klarer Aussprache die geheimen Verdächtigungen, wie man sie in all deutschen Blättern finden könnte, zurückzuweiscn. Nicht nur in der alldeutschen, sondern auch in der alt deutschen Presse wären ganz falsche Anschauungen über das Verhalten des Militärs in Elsaß-Lothringen verbreitet worden. Leutnant von Forstner habe das elsaß-lothringische Volk be leidigt. Ein Offizier müsse sich des Königs Rock würdig erweisen und solle sich danach benehmen. Wie das Wort „Wackes in der Kaserne gebraucht worden wäre, das sei eine bewußte und gewollte Beleidigung der Elsaß-Lothringer gewesen. Daß das Volk sich da- gegen aufgebäumt habe, habe einen tieferen Grund. Denn, was in Zabern geschehen sei, könne auch anderswo passieren. Was er bedauern müsste ici, da.z die oberen Kommandobehörden es nicht für not wendig gehalten hätten, der elsaß-lothringischen Be völkerung Genugtuung zu geben. Wäre dies recht zeitig geschehen, so hätte der Fall Zabern nicht diese Folgen gehabt. Am 28. November wäre gar kein Anlaß gegeben gewesen zum Einschreiten des Mi litärs. Oberst oon Reuter hätte Mit der Zioiloer- waltung mehr Kontakt halten sollen. Es sei un- glaublich, daß ein Offzier allein maßgebend sein soll, ob di« bewaffnete Macht einzuschreiten habe. General oon Arnim wandte sich gegen di« Re solutton. Abg. Ungemach trat dafür ein, ebenso Gras Andlaw und Abg Blumenthal. Zum Schluß ergriff nochmals der Staats-
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