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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140116013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914011601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914011601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-16
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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die Frage zu prüfen, ob unsere jetzige Eksenbahnver. waltung Mißstände «»ifweise, u»K> ob man sich eine Verwaltung ohne die jetzigen Man- gel denken könne. Die Regierung habe sich offenbar das Thema so gestellt, daß sie beweisen wolle, die jetzige Organisation sei gut und müsse in Ruhe gelassen werden. Vergleiche der Eisenbahnen mit Privatbetrieben träfen nicht zu, denn bei der Eisen« bahn lagen gang besondere Verhältnisse vor. Es handele sich vor allem um Eingliederung der Angestellten an die richtige Stelle. Von Jahr zu Jahr sei mit neuen Organisationsmahregeln zu rechnen, und es sei nicht zuzugeben, dah ein« Or ganisation von 1869 auch heute noch zweckmäßig sei. Um die Finanzdeputation X nicht zu überlasten, be antrage er, seinen Antrag diesmal der Finanzdeputa tion v zu überweisen, aber im Einvernehmen mit der Finanzdeputation ä Finanzminiister von Seydewitz: Schon in einem Deputationsbericht vom 2. Mai 1902 sei eine mög lichste Herabsetzung der persönlichen Ausgaben gefor dert worden. Nachdem dieses Ziel einigermaßen er reicht worden sei, fordere ein Antrag Dr. Niet hammer vom 6. November 1909 die Beseitigung der dritten Abteilung des Finanzministeriums und der heutige Antrag nehme einen großen Teil der da maligen Forderung wieder auf. Die Regierung sei aber überzeugt, daß die jetzige Or ganisation bei der Ausdehnung des Verkehrs netzes und bei der geographischen Lage des Landes denVedürfnissen am besten gerecht werd«. Sie berufe sich dafür auf den seit 1909 eigens ein berufenen Verkehrsansschuß, und sie müsse sich da gegen verwahren, daß dessen Urteilsfähigkeit immer herabgesetzt werde. (Zuruf: Ist gar nicht geschehen.) Es scheint sich um Angriffe auf be stimmte Personen aus unbestimmten Gründen zu handeln. sZuruf: Darum handelt es sich gar nicht. Unerhört! Denkt kein Mensch daran!) Unberechtigt sei es, der Regierung den Vorwurf des Fiskalismus zu machen, und sie verharre daher auf ihrem bisherigen Standpunkt, wie er in der Denkschrift vom 15. Januar 1912 dar gelegt worden sei. Die Stellungnahme der Handels kammern sei keine einheitliche. Die Vertreter der Handelskammern Leipz ig unbZittau hätten erklärt, daß die Betriebsdirektionen sehr prak tisch seien, und sie hätten sich gegen ihre Auf. lösung ausgesprochen. Er möchte daher befür worten, es bei der bisherigen Organisation zu be laßen. Redner geht dann die einzelnen Punkte des Antrages durch und wiederholt die schon bei früherer Gelegenheit dagegen vorgebrachten Bedenken, da diese vielleicht nicht mehr jedem Kammermitgliede gegenwärtig seien. Man müße unterscheiden zwischen der mittelbaren und der unmittelbaren Leitung. Die letztere oder die reinen Verwaltungsgeschäfte wurden von der Generaldirektion geführt. Die Aufsicht oder mittelbare Leitung habe das Finanz ministerium. Eine Aufsichtsbehörde werde übrigens sogar rechtsgesetzlich ,ür jeden Bundesstaat ge fordert. Die Schaffung eines V e r k e h r s m in i- steriums könne für Sachsen nicht in Frage kommen, da finanzielle Nachteile dadurch entstehen würden. Die Betriebsdirektion stelle ihrem Wesen nach Jnspektionsstellen dar, die nicht zu cnibehren seien und sich bewährt hätten. Eine Verlangsamung in der Abwickelung der Geschälte würde durch sie keineswegs herbei geführt. Die Ortsdienststelien lägen hauptlächlich auch im Interesse des Publikums. Gegen Punkt 2 des Antrags Schatzung eines Ausgleichsfonds könne die Regierung sich entgegenkommender verhalten. Abg. Hosmann lkons.): Dem Anträge Dr. Niet- Hammers, der bisher schon gute Erfolge gezeitigt habe, solle heute gewissermaßen der Schlußstein eingefügt werden. Es solle dies die Schaffung eines Verkehrs Ministeriums sein, das weit gehende Befugnis erhalten solle. Soweit könnten aber seine Freunde dem Antragsteller n i ch t fol gen, da sie nicht davon überzeugt seien, daß eine solche Neuorganisation etwas Besseres bringen würde. Auch die Sachverständigen, die an der Spitze des Finanzministeriums ständen, hätten sich davon nicht überzeugen können. Abg Castan lSoz.): Der Antrag Dr. Niethammer hat das eigentümliche Schicksal gehabt, daß er bei leder Beratung im Plenum Sympathie gesunden hat, während bei den Beratungen in der Deputation niemals etwas h e r a u s g e k o m m e n sei. Hinsichtlich der Verkehrs- und Tarifwünsche sei alles beim alten geblieben. Keineswegs habe der Abgeordnete Niethammer die Tätig keit des Vcrkehrsausschusses herabgesetzt, wre der Finanzminister behauptet habe. Der Ausschuß habe nicht arbeiten können, weil er unvorbereitet vor seine Ausgaben gestellt worden sei. Die Rede des Finanzministers habe den Ein druck des Gejuchten gemacht; der Minister habe sich hinter die Verfassung verschanzt, wenn aber wirklich Bedürfnis vorläge, dann dürfe man auch vor einer Verfassungsänderung nicht zurückschrecken. Erne wirkliche Lösung des Problems sei nur möglich durch Schaffung eines selbständigen Verkehrs ministerium s. Hier versage aber der Antrag. Redner bespricht dann im einzelnen die vom nationalliberalen Landesverein her ausgegebene Broschüre, die man wohl als Kommentar zu dem Antrag betrachten könne. Abg. Günther (Fortschr.i: Seine Freunde stimmten der Ueberweisung des Antrages an die beiden Finanzdeputationen zu. Abgeordneter Niethammer habe keineswegs die Urteilsfähigkeit des Ver- lehrsausschusses herabsetzen wollen. Wenn man sich der Auffassung des Finanzministers hinsichtlich der Ablieserungsbeträge anschließen wolle, so bekomme man ein falsches Bild. Es käme ganz darauf an, was von den Betriebseinnahmen in Ab zug gebracht worden sei für Anschaffungen usw. Die Einrichtung eines Verkehrs Ministe riums habe den Landtag schon seit 1894 beschäftigt; die Frage sei außerordentlich schwierig, aber wie sie auch gelöst werden möge, keineswegs dürfe eine Beamtenvermehrung stattfinden. Eine Vereinfachung könne nur herbeigeführt werden, wenn man eine selbständige Stelle für Bearbeitung des Verkehrs eingerichtet habe Das sächsische Eisenbahnwesen könne sich im Vergleich zu anderen sehr wohl sehen laßen. Redner plädiert dann fürSchafs ung neuer E isenbahnlinien und be grüßt freudig die Einrichtung neuer Kraftwagen linien; er möchte aber davor warnen, deshalb einen Stillstand im Eisenbahnbau eintreten »u laßen. Mit der Schaffung eines Ausgleichsfond» könne man an und für sich wohl einverstanden sein, die Rechte des Landtages dürften aber nicht beschränkt werden. Ueber Abfchreibungen und Ersatz bauten werde man sich in der Deputation unter halten können, auf alle Fälle werde der Antrag Niethammer eine wertvolle Anregung bleiben. Damit schließt die Deratte, da die Abgeordneten Eleisderg, Rentsch, Opitz, Anders und Dr. Hähnel aus» Wort verzichten. Nach einem Schlußwort des Abg. Dr. Niethammer lnatl), das den Gang der Debatte rekapituliert, wird der Antrag an die Finanzdeputation 8 im Ein vernehmen mit der Finanzdeputation ä überwiesen. Nächste Sitzung Freitag vormittag IN Uhr: Tages ordnung: Antrag Gleisberg berr. Ausdehnung der Frist zur Abgabe des Wehroeitrages. preußische» Mgeorönetenhaus. (Fortsetzung aus der gestrigen Abendausgabe.) Abg. v. Heydebrand (fortfahrends: Di« Sozial demokraten hatten ein Schweineglück sSehr aut! Große Heiterkeit.), daß die Situation so war. Hätte die Regierung den Reichstag aufgelöst, wäre nämlich die Hälfte von ihnen geflogen. Niemand wird mehr Lust haben, in direkte Steuern zu bewilligen, nachdem man gesehen hat, daß der Besitz den nötigen Schutz nicht mehr findet. Die Sozialdemo kratie sagt ganz offen, daß die kommenden Steuer«« nur auf den Besitz gelegt werden. Es gibt aber Situationen, wo der Besitz nicht weiter kann. Die Arbeit des Besitzes ist ein Kulturfaktor erster Ranges. Auf dieser Arbeit beruhen doch erst die Leistungen der Arbeiter. sZuruf Hoffmanns: Mancher macht's mit Kornwalzern!) Man muß heutzutage nur Arbeiter sein, um recht zu haben. Aber die Stunde kann kommen, und sie ist nicht mehr weit, wo es mit der Belastung des Besitzes nicht mehr weitergeht. Es ist möglich, daß die Stunde kommt, wo es bester wäre, die Sozialdemokraten machten mit der Revolution Ernst. sZuruf: Wir laßen uns nicht locken.) Dann läßt man die Betriebe einfach stillstehen, wodurch die ganze Kultur geschädigt würde. (Zuruf: Auf Ihre Bestellung machen wir's nicht!) So geht es nicht mehr lange fort. Wenn wir nicht in den Einzelstaatcn die Möglichkeit verlieren sollen. Kultur aufgaben zu erfüllen, dann ist man am Ende der staatlichen Selbständigkeit. Wir wißen ganz genau die großen nationalen Werte, die wir dem Deutschen Reiche verdanken, zu schätzen. In unsere Rechts sphäre in der Verfassung darf aber nicht eingegriffen werden. Die Grundlagen des preußischen Staates müßen erhalten bleiben. Wir werden die Regierung unterstützen, wenn sie Wege wandelt, die Preußen und dem Reiche dienlich sind. sLebh. Beifall rechts.) Abg. Bell (Ztr): Es herrscht Gewitterstimmung. Die Stellung des Ministerpräsidenten ist nicht b«- n eidenswert. Die Anträge auf Einführung des Reichstagswahlrechts in Preußen haben nur demon strativen Charakter. Wir erstreben eine gesunde Verbesserung des bestehenden Wahl rechts. Der Reichskanzler hätte mit der Erb schaftssteuer im Jahre 1909 nicht kommen sollen, denn dadurch ist erst der jahrelange heftige Streit ent standen. Wir erwarten, daß das Kartell der schaffenden Stände sich von jeder anti sozialen Strömung fernhält. Wenn der Reichskanzler, der doch sonst ein ausgezeich neter Debatter ist, mit der nämlichen Klar heit und Präzision, mit der er vorgestern hier und am Sonnabend im Herrenhause die Situation beherrschte, vor den Reichstag getreten wäre, so wäre es zu dem Votum nicht gekommen. Wir bedauern tief die Entgleisungen inZa ber n , aber die ganze Bevölkerung Elsaß-Lothringcns kann für die Vorgänge nicht verantwortlich gemacht werden. Insbesondere muß klarye stellt werden, unter welchen Voraussetzungen die Militärbe hörde berechtigt wär, Polizcigcwalt anzuwen- den. Das Zentrum trat immer für di« historische Vormachtstellung Preußens im Reiche ein. Die Königlichen und Kaiserlichen Befugnisse sollen un angetastet bleiben. Abg. Schiffer (Natt ): Wir verlangen vom Volke Gut und Dl»t und selbstlose Hingabe an das Vaterland. Dafür müßen wir auch für die Rechte des Volkes eintreten. In einem alten Preuhenliede beißt es, daß der Thron feftsteht auf der »Liebe des freien Mannes", ich füge hinzu „auf der freien Liebe des freien Mannes", lGroße Heiterkeit.) Wir wollen das direkte, ge he i in e W a h l r e ch t, lehnen aber das gleiche Wahl recht ab. Wir wollen das abgeftuste beibebalten. Die Gerichtsverhandlungen im Elsaß zeig ten, daß der ungeheuerliche Verdacht, der die Mili tärverwaltung Elsaß-Lothringens als Soldateska er scheinen ließ, unbegründet war. Man muß deshalb dieser Aenderung der Auffassung Rech nung tragen. Die Verhältnisse im Elsaß sind teils darauf zurückzuführen, daß in Süddeutschland unsere Eigenart nicht richtig gewürdigt wird. Gerade die ernste und harte Art Preußens muß mit seiner Konsequenz auch die süddeutschen Staaten, wo mehr eine ästhetische und leichter« Auffassung herrscht, durchdringen. Ministerpriisident Dr. v. Bethmann Hollweg: Anknüpfend an die Worte des Vorredners will auch ich über meine Anschauung über d«n Beruf Preußens in Deutschland keinen Zweifel laßen. Schon im Herrenhause habe ich ausgeführt, daß die ganze Kraft des Staats- gedankens, den Preußen verkörpert, auchim Reiche zum Ausdruck gebracht werden soll. Wenn ich im Reicl)stag sagte, man soll« doch aus den Reichs ländern nicht deutsche Preußen machen, so meinte ich damit, man sollte dort nichtallesnachpreußi- schem Muster erledigen. Im übrigen werde ich fortdauernd dafür eintreten, daß das preußische Staatswesen voll zum Ausdruck kommt. Wenn das nicht geschieht, dann wäre alles, was Preußen für die Einigung Deutschlands getan hat, vergeblich ge wesen. Zu meinem Bedauern bin ich heute vormittag durch anderweit« Geschäfte verhindert aewesen, an Ihren Beratungen teilzunohmen, deshalb bin ich auf flüchtige Berichte angewiesen, die mir in der letzten Minute zugegangen find. Ich bitte im voraus um Entschuldigung, wenn ich in der Auffassung besten, was gesagt worden ist, nicht so gründlich Hao« unter richtet werden können. Abg. v. Heydebrand hat gesagt, daß ich bestrebt gewesen sei, die Verantwor tung für die Reich» st euer« von mir abzuweisen und die konservative Partei mitverant wortlich zu machen. Die Verantwortung, die ich zu tragen häbe, ist reichlich groß. Sie aus irgend einen andern Brenschen ab zu schieben liegt mirfern. Ich bin mir der Verantwortung, die ich zu tragen habe, vollkommen bewußt. Ich wünsche, daß auch diejenigen, die an meiner Politik Kritik üben, berücksichtigen, daß die Verantwortung, die ich trage, nicht ganz leicht ist. O b e t n S ch r i t t, d« n ich tue, richtig ist, das zeigt sich nicht heute oder morgen, sondern in den meisten Fallen erst nach einem Jahrzehnt oder nach zwanzig Jahren. Sie können versichert sein, daß es mich schlaflose Nächte kostet, wenn ich vor einer wichtigen Ent scheidung stehe. Mit den Vorwürfen der Schwäche und Passivität, die gegen mich erhoben werden, bitte ich. etwas vorsichtiger zu sein. Derartige Vorwürfe find mir vom Abg. Henning (Kons.) reichlich gemacht worden. Bevor Sie solche Vorwürfe erheben, bitte ich zu denken an das Verantwortungs gefühl, das mich an dieser Stell« hält, solange ich das Vertrauen meines Königlichen Herrn habe. Ich bitte auch etwas vorsichtig zu sein bei Vorwürfen gegen Leute, die sich hier nicht verteidigen können. Die Zeit ist viel zu ernst, als daß wir uu» hier zanken sollten. Ich muß daran festhalt«n, daß die lex Baßermann- Erzberger di« verbündeten Regierungen zwang, em allgemeines Besitzsteuergesetz oorzulegen. Ich hab« schon neulich ausgeführt, daß es allgemeine An sicht war, daß im Reiche bei großen Neuforderungen der Besitz mitherangezogen werden müsse. Wenn ich nun bei der Deckung für die Wohrvorlag« den Besitz unberücksichtigt gelaßen hätte, dann hätte der Reichstag die Vorlage abgelehnt, hätte mir eine Besitz st euer präsentiert und hätte da mit der Regierung die Führung aus den Händen ge nommen. Das mußte vermieden werden, und deshalb mußten wir den Besitz mit Höranziehen. Herr v. Heydebrand hat ferner den Vorwurf aufrechterhal ten, daß die Regierung ihre Vorlage schlecht ver treten habe, und er hat daran Bemerkungen ge knüpft über das Verhalten des Reichsschatz sekretärs. Hier werden Vorwürfe erhoben gegen einen sehr verdienten Finanzmann des Reiches, gegen den Reichsschatzsekretär, der von grundsätzlicher Ueber- zeugung aus sein Amt nach dem Gesichtspunkte führt: Nur nicht eine Deroute in den Finanzen des Reiches, wie wir sie früher gehabt haben. Gegen solche Vorwürfe muß ich ihn in Schutz nehmen, wie ich auch jeden andern meiner Beamten verteidige. Wir haben die Regierungsvorlage vertreten, solange wir konnten. Mir ist neulich ein Wort unterlaufen, das nicht richtig war: die konservative Partei hätte erklärt, die Regierungsvorlage sei unannehmbar. Aber daß di« Reaierungsvorlage scheiterte, waren die Parteien die Ursache. Ick verlange nicht, daß man jeder Regierungsvorlage sofort zustimmt. MancheParteienmeinen, esmüssealles umgearbeitet werden. Ob es dadurch besser wird, ist doch mindestens zweifelhaft. Die Re gierung konnte damals gar nicht auf ihrer Vorlage beharren, da keine Partei erklärte, wir gehen hier mit der Regierung. Di« konservative Parte» hat meiner Anficht nach den richtigen Moment verpaßt. Der Abg. v. Heydebrand warf mir dann vor, warum ich den Reichstag nicht aufgelöst hätte. Die Heer- und Deckungsvorlage war ein viel zu ernster nationaler Gegenstand, als ob sie taktisch hätte be handelt werden können unter dem Gesichtspunkt, ob sich durch Auflösung des Reichstags ein mir an genehmerer Reichstag ergeben hätte. Nachdem auch die Hauptsache der Heer- und Deckungsvorlage ge sichert war, wäre die Auflösung des Reichstag» ein großer Fehler gewesen. (Lebhaftes Sehr richtig!) Ausschlag gebend war für mich der nationale Gesichtspunkt. Hätten wir aufgelöst, dann hätte die Wehrvorlage im Oktober vorigen Jahres nicht durchgeführt wer den können. Wir hätten ein halbes oder ganzes Jahr verloren. Auch die Herren von der Rechten müßen überzeugt sein, daß es nur das Gefühl der Pflicht war, das mich auf allen diesen Schritten ge leitet hat. Und dann wird gesagt, ich wäre ein schlechter Staatsmann. Wer hätte es anders machen können? (Zuruf rechts.) Ich sage nicht, daß Sie es gesagt haben. Ich will nur nicht, daß die Vorwürfe so aufgefaßt werden. Wenn wir in dem Verhalten der einzelnen Parteien zur Regierung uns immer deßen bewußt bleiben, Laß wir beider seits lediglich im Verantwortungs gefühl das Best« des Vaterlandes wollen, dann werden wir nicht in Zustände kom men, die in den gegenwärtigen ernsten Tagen und Zeiten das Vaterland gefährden. Abg. v. Weyna (Frk ): Wir sind mit der Lösung der braunschweigischen Frage einver- stanven. In der Zaberner Angelegenheit ist die Presse der eigentlich Schuldig«.' Wir müßen zukünftig eine würdigere Haltung bei solchen schlve- ren Fällen sinnehmen. Ich bitte den Finanzminister und den Handelsmcnister, dahin zu wirken, daß der Reichsbankausschuß vine andere Zusam mensetzung erhält, so daß die Vertreter von Industrie, Handel und Laichwirtschaft ihren Einfluß auf das Wirtschaftsleben, insbesondere aber auf die Diskonto politik, geltend machen können. Die Sozialdemo kraten werden von den Gerichten nicht anders be handelt als die Vertreter anderer Parteien. Abg. Pachnicke (Frs. Dpt.): Der Beschluß des Herrenhauses war ein in Watte und Seide gehülltes Mißtrauensvotum. Die heutigen Ausführungen des Abg. v. Heydebrand klangen etwa so: Theobald kehre zurück, es soll dir alles verziehen werden. (Heiterkeit.) Di« Besonnenheit, mit der Ministerpräsident v. Bethmann die äußere Politik leitet, ist ein moralisches Kapital, welches inan nicht gern vermißt. Anfang der sech ziger Jahre bildete sich der preußische Dolksverein, wie sich jetzt der Preußenbund bilden soll. Früher ging der Kampf gegen die Republik, heute gegen die unitaristische Demokratie. Kaiser Wilhelm I. sagte damals: „Ich kenne keinen Preußenverein, ich kenne nur ein preußisches Volk." Wir wollen Preußens Ansehen vermehren, indem wir es von dem Ruf der Rückständigkeit oefreien. Es ist Ochste Zeit, an die Wahlreform heranzugehen. Die Zollpolitik muß einer Revision unterzogen werden. Darauf wird die Debatte geschloffen. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. (Wohnungsgesetz.) Schluß gegen 5 Uhr. preMmmen. Die wiederholten Angriffe der Konservative« gegen d«, Reichskanzler wegen der Steuerpolitik im Reichstage veranlassen L4« „Kölnische Zei tung" M folgender Rechtfertigung der Haltung de» Kanzlers: „Wir glauben, Lotz Herr v. Bethmann Hollweg die Verantwortung, die ihm wegen seiner Zustim mung zu einer allgemeinen Besitzsteuer von den Kon servativen jetzt zugeschoben wird, sehr wohl tragen kann. Nach einem guten Wort« von Bismarck ist die Scheu vor der Verantwortung die Kran kheit der Staatsmänner unserer Zett. Herr v. Bethmann mutzte, um Schlimmeres zu verhütten, die Vermögenszuwachssteuer, die fhm der Reichstag anbot, annehm«n. Und er durfte v», weil sowohl im Reia,stage als auch in der Regierung dc« Gewähr liegt, daß man auf dieser Bahn nicht »vei ler gehen wird, als es mit den Interessen der er werbstätigen Stände des deutschen Volkes zu ver einbaren ist. Im deutsche»» Reichstage haben wir und werden wir weiterhin haben eine starke Mitte, die zwar auch in Steuersragen sozial emp findet, die sich aber einer Sozialisierung unseres Steuersystems aus allen Kräften entgegenstemmen wird. Und wir haben weiter eine Regierung, die ein ebenso großes Interesse daran hat, die Steuern gerecht zu verteilen, ein Uebermaß von Steuern auf den Verbrauch zu verhüten, als auch daran, an den bewährten Grundsätzen der bisheriger» Steuerpolitik festzuhalten. Herr v. Bethmann Hollweg hat manches Werk geleistet, von dem sich erst in spätern Jahren Herausstellen wird, ob es dem Volke zum Segen ge reicht oder nicht. Das gilt, wie z. B. von der Ein führung der elsaß-lothringischen Verfaßung, auch von der Vermögenszuwachssteuer. Troße politische Schritte sind ebenso s«hr wie große geschäftliche Aktionen mit einem gewißen Risiko verbunden, uird erst der Erfolg bringt die letzte Rechtfertigung. Di« Tatsache aber, daß die große Mehrheit des deutschen Reichstages, hinter der sich auch di« große Mehrheit des Volkes befindet, diesen Schritt, die Besitzenden zu den Lasten der Rüstung schärfer heran- zuziehen, freudig begrüßt hat, dürfte dem Reichs kanzler das Tragen der Verantwortungslast erheblich erleichtern, und die Beßerung der Stimmung, die trotz Zabern zu verzeichnen ist, ist nicht zuletzt auf die Einführung t«er B«sitzsteuern zurückzufiihren. Daß Herr v. Bethmann Hollweg den Wider st and der Konservativen Partei dabei fand, mußte er voraussehen; es konnte ihn aber nicht hindern, weil er doch inzwischen erkannt haben muß, daß die Konservativen seit Jahren schon eine Desperadopolitik treiben, die sicher einen h e r o st r a t i s ch e n Zughat, die sich aber ein Staatsmann nickt zu eigen machen darf, mag er nun Bismarck oder Caprivi, Bülow oder Bethmann heißen." Die Gegenwart ist von Konfliktstoff erfüllt. Di: „Germania" warnt aber besonders das unduld same Preußen davor, das gefährliche Spiel zu über treiben: „Konfliktstoff liegt ja nachgerade im Reiche wie in Preußen in so gehäufter Menge vor, daß niemand, der die politischen Zeitläufte nachdenklich verfolgt, über den Ernst der gegenwärtigen kritischen Zeiten nicht mehr in Zweifel sei'» kann — abgesehen von dem Fall Zabern und dem dreifachen Freispruch von Straßburg, den wir in diesem Zusammenhang lediglich er wähnen. Angesichts deßen treiben konservative Redner und konservative Blätter unserer festen Ueberzeugung nach ein sehr gefährliches Spiel, wenn sie — vielleicht ohne Erkenntnis der daraus erwachsenden Gefahren, wie wir das soeben auf militärischer Seite im Falle Zabern erlebt haben — den politischen Zündstoff noch zu ver mehren trachten, bis in irgendeinem unvorher gesehenen Augenblick ein vielleicht nicht einmal be absichtigter Funke das offene Pulverfaß zur Ex plosion bringt. Wir warnen. Wir warnen ins besondere den „Preußenta g", der am kommenden Sonntag in Berlin abgehalten werden soll. Man sollte auf dem „Preußentag" nicht vergeßen, daß das Deutsche Reich nicht etwa ein „vergrößertes Preußen" bedeutet, sondern einen föderativen Bundesstaat bildet. Will der „Preußentag" sich ausschließlich mit preußischen Angelegenheiten beschäftigen, so mag er das ruhig tun. Ein Ueber- griff in d»e Angelegenheiten des Reiches würde den schärfsten Widerspruch herausfordern. In solchen kritischen Zeiten erfordert aber die Staatskluaheit, die doch auch von konservativer Seite anerkannt werden wird, Wahrung der nationale»» Interessen, weises Maßhalten und Vertrauen auf die maßgebenden politische»» Autoritäten. In kritischen Zeitläuften muß man be sonders vorsichtig und kaltblütig sein." NaAriÄflen vom Tage. Ueberfällige Fischdampfer. Bremerhaven, 15. Januar. Der Bremerhavener Fischdampfer „Loy", der Reederei Joch. Wieting gehörend, der am 16. Dezember den Geestemünder Fischereihafen zu einer Fangreise in die Eewäßer östlich von Island verlaßen hat, gilt nunmehr als ver loren. Der Dampfer, der am 31. Dezember fischend gesichtet wurde, hätte in den ersten Januar tagen auf dem Markte sein müßen. Man muß be stimmt damit rechnen, daß 'er gesunken ist, zumal da die Kohlenoorräte für etne längere Reise nicht aus reichten. Der Dampfer hatte eine Besatzung von dreizehn Mann und machte erst die dritte Reise. Die Fischdampfer »Lach s" und „Forell e" sind gleichfalls überfällig und im Polar eis festgeraten. * Eine deutsche Hochtouristin verschollen. Aus Nizza meldet ein Telegramm: Am 2. Januar brach voi» Ventimiglia aus eine Dame, namens Hill, zu einer Tour in die Alpen an der französisch-italienischen Greine auf. Frau Hill, die eine Deutlche sei»» soll, ist von dieser Bergtour noch nicht zurückgekehrt. * Schwerer Eisenbahnzusammenftoß. In der Nähe der Station Potok an der Werchselbahn stießen, einen» Telegramm aus Warschau zufolge, zwei Eilgüterzüge zusammen, wobei beide Maschinen und 14 Wagen total zertrümmert wurden. Acht Bahn bedienstete erlitten schwere Verletzungen. E»n heranbrausender Postzug konnte nur mit großer Mühe noch rechtzeitig zum Stehen gebracht werden. * Erdstöße. Ein Telegramm aus Livorno, 15. Januar, meldet uns: In der vergangenen Nacht wurden mehrere Erdstöße wahrgenommen, die gegen Ende stärker waren. Schaden wurde nicht angerichtet. * Eisgang. Wie uns ein eigener Draht bericht au» Osnabrück meldet, ist nach einer Nachricht der „Osnabrücker Zeitung" aus Papenburg der Dortmund-Em»-Kanal infolge des Eis gang» für die Durchfahrt nunmehr gesperrt. * Kein Hochwaffer in Belgien mehr. Ein Tel« gramm aus Brüssel meldet: Infolge der seit 36 Stunden andauernden Kälte ist das Wasser zurückgegangen und jede weitere Hochwasser gefahr kann als beseitigt angesehen werden.
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