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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140131015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914013101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914013101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
- S. 9-10 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-31
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 55. Morgen-Nusgsve. Leipziger Tageblatt. Sonnadenü, 3l. Januar ldl4. ten sich die Erinnerung an jene glorreichen Tage militärischer Tüchtigkeit dadurch nicht verkümmern lassen, in denen die Einigkeit der deutschen Waffen ein mächtiges und einiges Deutsches Reich schufen, in den, die einzelnen Stämme sich ihre Eigenart be- lvahrten. — Damit schlich die Aussprache über diese Angelegenheit. Weiter liegt über diese Sitzung noch folgende Drahtnachricht vor: München, 30. Januar. Ministerpräsident Graf Hertliug sprach heute in der Reichsratskammer über das Wa l ch c n s e e p r o j e k 1 und sicherte eine Beschleunigung dieser Angelegenheit zu. In aller kürzester Zeit werd« dem Landtag di« angekündiate Deutghrist zugel)«n. Graf Crailsheim beglicht« diese Erklärung und versicherte, wenn die Frage der Elektrizitätsversorgung einer baldigen Lösung ent- gegengesührt werde, könne der Ministerpräsident des Dankes des ganzen Landes versichert sein. Im weite ren Verlaufe der Sitzung erklärte Justczmintster von Thelemann, das; infolge des übergroßen Andranges zum Iustizdienft di« Frage immer mehr zur Reife kommt, ob nicht zu einer Kontingen tierung geschritten werden müsse. Er würde diese Maßnahme bedauern, aber die Verhältnisse könnten möglicherweise schon lmld dazu zwingen. Aum To-e Paul Vtroule-es. Wie wir bereits im Depesck-enteil der gestrigen Abeirditummer mitteilten, ist in Riga Paul DörouGde gestorben. Seit längerer Zeit war der Mann, der als glühendster Dcuylyenhasser dereinst di« Patrioten liga gegründet, aber an dieser seiner Schöpfung wenig Freude erlebt hatte, schwer Herzleiden-, so dag der Too des bbjährigen nicht überraschend kommt. 1846 geboren, kämpfte er 1876/71 bei den Zuaven mit gegen die Deutschen. In der Schlacht bei Sedan lvurde er gcfangengcnommen. Als polnischer Jude verkleidet entfloh er indes aus Breslau, wohin er ge bracht worden war, und trat wieder unter Ehaucy und Bourbaki mit in die Reihen der französischen Truppen. Leidenschaftlich aufreizende „Soldaten lieder" wurden der beredte Ausdruck seines Schmer zes über die Niederlage seines Vaterlandes. Und als der Lyriker durch den Schwung seiner V«rse die leicht zu entflammenden Franzosen gehörig mit neuem Haß erfüllt hatte, gründete er die Patriotenliga. Deren Aufgabe sollte es sein, den Rachekrieg herbeiführen zu helfen. Zu der Zeit, da Boulanger Kriegsminister war, hätte er beinahe sein Ziel erreicht, wenn dte französische Regierung nicht doch noch Besonnenheit genug gezeigt hätte, die Abenteurerpolitik Dörouledes abzulehnen. In jener Zeit mutzte er sogar den Vorsitz der Patriotenliga nioderlegen. Aber lange blieb er nicht untätig. Mitte der 90er Jahre rief er seine An hänger zu neuer lebhafter Tätigkeit auf, er brachte es sogar zu einem Deputiertenmandat, aber der von ihm geplante Staatsstreich wurde glücklich vereitelt. Der so arg „verkannte" Patriot wurde 1900 von seinem „undankbaren" Vaterland auf zehn Jahr« in die Ver- tnrnnung geschickt. Zwar konnte D^roul.-de infolge des Amnestiegcs«tzes bereits 1905, also nach fünf Jahren, nach feinem geliebten Parts zurückkehren, aber seelisch war er doch ein gebrochener Mann. Die Welt hatte Ruhe vor ihm, und so ist denn sein Nam« in der breit«n Öffentlichkeit die letzten Jahre nur selten noch genannt worden. Deutsches Reich. * Wieder ein Spionageprozctz. An» 19. Februar haben sich vor dem vereinigten 2. und 3. Strafsenate des Reichsgerichtes der Kaufmann Bernh. Schnitz ler und der Kaufmann Heinrich Kotz ter, beide aus Köln, zu verantworten. Der erstere tst des Verbrechens gegen 8 1 des Spionaaegesetzes, der letztere des Vergehens gegen 8 9 desselben Gesetzes angeklagt. Der 8 9 bedroht denjenigen mit Ge fängnis, der von dem Vorbaben eines Verbrechens gegen 8 1 und 3 der Behörde nicht rechtzeitig An zeige macht. * Der Nationnlliberaie Verein zu Geringswalde hielt im Holet zum „Goldenen Reiter" in Gerings walde eine Versammlung ab, die von Schuldirektor Pöhl itz geleitet wurde. Redner des Abends war Landtagsabgeordncter Dr. S e y f e r t - Zschopau der einen Vortrag über da» Thema „Volt, Volks schule und Bolksschulgesetz" hielt. 2n 1'/,stündiger glänzender Rede zeichnete der Vor tragende dte Bedeutung der Volksschule, dte gemein same Pflege derselben durch Staat, Gemeinde und Kirche und zog im wetteren die vielerörterten Zwickauer Thesen in den Kreis seiner Ausführungen. Mit einer warmherzigen Verteidigung der Volks schule vor unberechtigten Angriffen und der Hervor hebung ihrer idealen Aufgaben schloß der Redner unter stürmischem Beifall seine Darlegungen. In der Debatte gab Landtagsabgeordneter Dr. Niet hammer- Kriebstein der Hoffnung Ausdruck, daß das Riesenmatz von Arbeit, das dem Landtag die Schulreformvorlage brachte, doch nicht ganz vergeblich gewesen sei. 2m weiteren gedachte der Redner des Geburtstags des Kaisers und schloß mit einem Hoch auf das Reichsoberhaupt. * * Der Kaiser hat am Freitag vormittag dem Reichskanzler einen Bcsnch gemacht. * Die Nachprüfung der Dienstvorschrift über den Waffengebrauch des Militärs im Frieden. Die „Norüd. AUg. Ztg." schreibt: Für die an vieler Stelle angekllndigte und vom Reichskanzler in seiner letzten Reichstagsrede erwähnte Nachprüfung der Dienst vorschrift von 1899 über den Waffengedrauch des Militärs im Frieden find zunächst beim Kriegs ministerium die nötigen Vorarbeiten erledigt worden. Gegenwärtig finden unter Zuziehung der preußischen und der Reichsressorts der Justiz und des Innern kommissarische Beratungen statt, auch hat sich der Kriegsminister mit den zuständigen Stellen für di« nichtpreutzijchen Kontingente in Verbindung gesetzt, um möglichst Uebereinstimmung in der Fassung der Vorschriften Herdeizuführen. * Der „Generalpardon" für bisherige Steuer hinterziehungen hat bereits sehr erfreuliche Folge erscheinungen gezeitigt. Von verschiedenen Seiten wird mitgeteilt, daß mit einmal bisher ungeahnte Reichtümer den Steuerbehörden bekannt werden. So erzählt u. a. die „Saale-Zeitung" in Halle: Der Generalpardon hat auch in Halle eine solche Fülle von — brauchen wir ausnahms weise mal ein Fremdwort — „latenten" Ver mögen ans Tageslicht gebracht, daß da durch unser städtischer Etat dauernd in recht er freulicher Weise beeinflußt wird. Es sind Mil lionen mehr deklariert worden als bisher. Viele Leute in Halle sind viel reicher, als bisher die Steuerbehörde gemutzt hat. Zusam mengerechnet geben die bisher an amtlicher Stelle nichr bekanntgewesenen Beträge eine riesige Summe, die natürlich den Einkommcnsteuerertrag gewaltig steigert. Die Stadt dürste sich — so wird uns versichert — nach Schätzungen, di« eini germaßen Anspruch auf Richtigfeit haben, aus jenen Summen ein Steuermehr von über :si)0 000 Mark h e r a u s r e ch n e n. Und noch seien längst nicht all« Steuererklärungen ei »gegan gen, da die Frist noch läuft." * Die nationalliberale Fraktion de» Reichstages hat zur zweiten Lesung des Etats des Reichsamts des Innern den Antrag gestellt, den Kanzler zu er suchen, die von ihm in seiner Rede bei der ersten Etatsberatung in Aussicht gestellte Denkschrift über das Koalitionsrecht baldigst vor zulegen und in dieser folgende Fragen zu behandeln: 1. Welche Auswüchse des Koalitionsrechts sind in Deutschland zutage getreten? 2. Haben sich die bestehenden gesetzlichen Be stimmungen als ausreichend erwiesen, um diese Auswüchse, einerlei ob solche bei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zutage getreten, zu bekämpfen? 3. War di« Handhabung der gesetzlichen Be stimmungen in den deutschen Bundesstaaten «ine einheitliche und wenn dies nicht der Fall war, welche Maßregeln empfehlen sich, um einer einheit- lick>en Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Koalitionsfreiheit und zur Abwehr des Koalitionszwangs herbeizuführen. 4. Empfiehlt es sich, eine zivilrechtliche Haftung der Koalitionen für Schäden, den diese im Widerspruch mit den Gesetzen und mit den Sitten für Beauftragte berbciführen, einzuführea. 5. Welche Erfahrungen liegen bezüglich des w i r t- schaftlichen und politischen Boykotts vor? 6. Wie ist die Lage der ausländischen Gesetz gebung und welche Erfahrungen sind im Auslande bezüglich der unter Ziffer 1 bis 5 aufgeführten Ma terien gemacht worden? * Und abrrmal« Herr o. Pechmann und der Preutzenbund. Die Zusendung des Korrespondenz blattes „Der Preutzenbund" hat Frhr. v. Pechmann mit einem Schreiben beantwortet, in welchem er er klärt, daß der Vorsitzende des Bundes das Seinige getan habe, um ihn vor der bayrischen Öffentlichkeit politisch und moralisch unmöglich zu machen. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Bis zum heutigen Tage hat er (der Vorsitzende Dr. Rockes kein Wort gefunden, das wenigstens den guten Willen erkennen li«tze, nach Kräften wieder gut zu machen, was er an gerichtet hat; und ebensowenig finde ich in der nun vor mir liegenden „Antwort" des Preußenbundes selbst auch nur ein World«» Bedauerns, oder sonst eine Spur davon, daß die Herren sich irg«ndwelche Gedanken darüber machen, wie mir meine Bemühungen in ihrem Intresse und die warmen Worte, die ich über Preußen geschrieben habe, vergolten worden sind." Ausland. Gesterreich-Ungarn. * Venizelos in Wien. Aus Wien. 30. Januar, wird uns gemeldet: Der griechische Ministerpräsident Venizelos machte heute vormittag Besuche beim diplomatischen Korps, darunter beim deutschen Bot schafter von Tschirschky und auf der tür kischen Botschaft, wo er längere Zeit verweilte. Mittags war er zum Frühstück beim Grafen Berch- told geladen. Schweiz. * Der Nationalrat und die jüngsten Bankzusam- menbrüche im Kanton Tessin. Aus Bern, 30. Ja nuar, wird uns drahtlich gemeldet: Bei Behandlung des Antrages des Sozialisten Affolter betreffend eine Revision des Aktienrechts kam es in der heutigen Sitzung des Nationalrats zu einer leb haften Auseinandersetzung über das Bankwesen der Schweiz überhaupt. Die jüngsten Bankzusammen brüche im Kanton Tessin gaben verschiedenen Red nern Anlaß zu der Forderung, daß das vom Bundes rat in Aussicht gestellte eidgenössische Bank gesetz rasch zur Ausführung komme, um die kleinen Sparer vor Schaden zu bewahren. Bundesrat Schult- Heß erklärte, daß di« Negierung gründlich und ob jektiv die Frage prüfen werde, wie eine wirksame Kontroll« der Banken geschaffen werden könne, um solche Vorkommnisse in Zukunft zu verhüten. England. * London ohne Licht. Alle Londoner Gewerk schaftler, die in den Elektrizitätsbetrieben von London angestellt sind, haben einem Londoner Telegramm zufolge von der Gewerkschaftszentrale die Aufforderung erhalten, nötigenfalls zur Unter stützung der ausgesperrten Bauarbeiter tn London in den Ausstand zu treten. Wird diese Drohung wahr gemacht, so wird nicht allein dre elektrische Beleuchtung in der englischen Metropole eingestellt, sondern auch der ganze Dienst des elektrisches:/H t r aß e n b a h n-n etze s und der Hoch- und Untergrundbahn in Frage gestellt. — , Meine Neife zum Süüpol.* Vortrag von Roald Amundsen. Eine nur mittelgroße, aber stämmige, breitschultrige Gestalt, mit überaus bestimmten, energischen, doch sympathischen Gesichtszügen — io trat gestern abend der kühne Südpolentdecker Roald Amundsen in der Alberthalle vor ein sehr zahlreiches Publikum, um zunächst ein wenig stockend, nachher aber fließend und oft lebhaft in deutscher Sprache über seine berühmte Südpolexpedition zu berichten. All die früheren Ereignisse der Polarforjchung, die Roßexpedition von 1841 bis Shakletons Entdeckun gen von 1908 über die Gestaltung dieses Südpol gebiets benutzte Amundsen als die wissenschaftlichen Grundlagen für sein großes Unternehmen. Mit Nansen« erprobter Fram trat er am 9. August 1910 seine Fahrt an, dte ihn zur — 30 000 Kilometer ent fernten — Rotzbarrtere Mitte Januar 1911 bracht«. 100 Kilometer von der völlig vereisten, 30—10 Meter hohen Küste wurde, in einem geschützten Taleinschnitt, die Station aufgeschlagen, von wo au» die kleinen Expeditionen zur Vorbereitung der großen und zur Anlegung von Prooiantstätten unternommen wur den, und wo man die Polarnacht verbrachte. Ti«f eingeschnett, bet einer Kälte von 40, 50 ja 59 Grad, ließ man es sich in der Hütte und in selbst gehauenen Eishöhlen, die als Werkstätten und Bad dienten, wohl sein; „man fühlte sich," sagte Amundsen, „wie in einem Sanatorium". Ende August brach die Sonne durch, man machte sich am 8. September auf — aber die wieder plötzlich eingetretene Kälte von 55 Grad nahm die Eskimo hunde zu sehr mit, und man kehrte bald um. Am 20. Oktbr. setzten sich von neuem zwei Expeditionen in Bewegung: drei Mann nach Osten, fünf Mann mit Schlitten, 52 Hunden und Proviant für 120 Tage zogen gen Süden, wo sie nach kaum einmonatiger Reise auf dem 85 Gr. 7 Min. neues Land erreichen. Nach 5 Tagen beschwerlichster Ueberschreitung einer von steilen Gletschern durchzogenen Hochebene, so daß oft 20 Hunde einen Schlitten ziehen mutzten, wurde die von Shakleton beschriebene Gegend erreicht — 3000 Meter hoch, mit dem Teufelsgletscher und dem Teufels-Tanzboden, einer unheimlichen, hohl klingen den Ebene, die über Shakletons südlichsten Punkt (88 Grad 23. Min.s hinausführte. Am 11. Dezember trennte die kühnen Forscher noch ein Grad vom Ziel, und am 14. Dezember, 3 Uhr machmittags, wurde am Südpol die norwegische Flagge gehißt — lebhafter Beifall wurde Amundsen bei der Darstellung dieses großen Augeblicks zuteil . . . Der Rückweg brachte in großen Tagesmärschen die Expedition bereits am 25. Januar 1912 nach der Station zurück. — Die Schiffsexpedition, die am 15. Februar zu dem süd lichsten bisher erreichten Punkte, den j« ein Schiff erreicht, gelangt war und z. T. auf schweren Kreuz fahrten ozeanographische Forschungen angestellt hatte, hatte inzwischen das ihrige getan, diese Amundschen Südpolfahrt zu einem wissenschaftlichen Ereignis ersten Ranges werden zu lassen. Mit minutenlangem Beifall ausgezeichnet, konnte Amundsen die Tribüne verlassen. Seine frischen, fes selnden Ausführungen wurden durch eine Reihe meist farbiger Lichtbilder und kinematographischer Vor führungen lebensvoll ergänzt. Vie Son-erausftellung „Der Stu-ent" auf -er Sugra. Der Weitere Ausschuß Leipzig der Sond-eraus- stellung „Der Student" hatte am gestrigen Abend die Vertreter der Leipziger Studentenschaft, den Aka demischen Senat der Universität, ferner den Ee- schäftsführenden Ausschuß der Sonderausstellung „Der Student" und Las Direktorium der Weltaus stellung für Buchgewerbe und Graphit zu einem akademischen Bierabend in dem großen Saale des Buchhändlerhauses eingeladen. In großer Zahl waren namentlich die Studenten der Einladung gefolgt. Als Vorsitzender des Weiteren Ausschusses begrüßte zunächst Professor Dr. Witkowski die Erjchienenen und erläuterte in feinsinniger Weise ,Len Begriff und die Aufgaben der geplanten Son derauestellung „Der Student". Nicht nur die For- men/sondern auch die Inhalte der geistigen Geschichte der Menschheit sollten auf der Ausstellung dargevoten werden. Am ausgeprägtesten erscheine die geistige Bewegung durch die Universitäten und auf diesen wieder durch die Studenten. Deshalb müsse die Son derausstellung di« ernsten wie die heiteren Aeuße- rungen des Studentenlebens umfassen. Redner li«h schließlich seine programmatischen klaren Darlegungen mit einem donnernden Salamander auf den Rector mrrguikieontissimus König Friedrich August aus-« klingen. Nach ihm begrüßte der 1. Präsident der Bugra, Dr. Volk mann, die Studenten im Namen des Direktoriums der Ausstellung und erinnerte an die innigen Wechselbeziehungen zwischen Buchhandel Buchgewerbe und akademischem Leben. Aus eine glänzende Vollendung des „akademischen Viertels" der Bugra trank er einen Ganzen. Professor Dr. Der Mann aus Kabul. Von Rabindra Nath lagore. (Berechtigte Uebersetzung nach dem indischen Original mit Hilfe d«s Esperanto von W. Neurath.) II. (Schluß.) Eines Morgens, einige Tage bevor de: Abzug des Kabulen festgesetzt war, saß ich in meinem Arbeit»- zimincr mit der Korrektur meiner Probcadzüge be- ichüstigt. Das Wetter war kalt. Durch das Fenster streiften die Sonnenstrahlen meinen Körper, und das bißchen Wärme war mir willkommen. Es war fast 8 Uhr, und die Spaziergänger des frühen Morgens » tamcn wieder nach Hause. Plötzlich vernahm ich einen großen Lärm auf der Straße. Als ich hinaus- s sah. erblickte ich Rahmud, den Kabulen, wie er von zwei Polizisten geführt wurde, während ihnen eine große Schar neugieriger Buben folgte. An den Kleidern des Kabulen waren Blutflecke sichtbar, und einer der Polizisten trug ein Messer. Ich eilte hin aus, hielt sie an und fragte, was das zu bedeuten habe. Teils vom einen, teils vom andern erfuhr ich, daß irgendein Nachbar dem Kabulen für einen Rampur*j-Schal eine Kleinigkeit schulde, jedoch leugnete dieser liignerischerweise ab, je von ihm etwas gekauft zu haben, und in diesem Streite hatte Rahmud ihn geschlagen. In wütendem Zornesaus- bruch beschimpfte der Arrestant den Gegner mit allen möglillren Schimpfworten, als Minute plötzlich von der Veranda aus dem Hause herzuetlte mit ihrem gewohnten Ausruf: „O Kabuls, o Kabule!" Rahmuds Gesicht erhellte sich vor Freude, als er sich zu ihr wandte. Heute hatte er keinen großen Sack unter dem Arme; sie konnte folglich mit ihm nichts vom Elefanten beginnen. So begann sie sogleich mit der zweiten Frage: „Willst du zum Schwiegervater gehen?" Rahmud lachte und entgegnete: „Ja Frau- leinchen, ich gehe dahin!" Als er aber bemerkte, daß Re Antwort dem kleinen Mädchen keinen Spaß mache, hob er die geknebelten Hände mit den Worten: ..O ich möchte den Schwiegervater verhauen, aber meine Hände sind gefesselt." Wegen des blutigen Ueberfall» wurde Rahmud zu mehrjährigem Gefängnis verurteilt. Die Zeit verging, und an Rahmud hatte man sich nicht weiter erinnert. Ich war fortgesetzt mit der gewohnten Arbeit in Anspruch genommen an ge wohnter Stätte und dachte niemals an den freien Bergbewohner, der seine Jahve im Gefängnis zu. brachte. Selbst Minnie vergaß, ich muß es mit Be schämung gestehen, ihren alten Freund. Neue *) Stadt, berShort dosch Ihm Schal», Freundschaften füllten ihr Leben aus. Denn da sie heranwuchs, verbrachte sie ihre Zeit mehr mit ihres gleichen. Sie verbrachte so viel Zeit damit, daß sie nicht mehr ins Zimmerchen ihres Vaters kam, wie sie es sonst gewohnt war. Fast nie mehr plauderte ich mit ihr. Jahre gingen dahin. Wieder war cs einmal zur Herbstzeit, und wir trafen Zurüstungen zur Hochzeit unserer Minnie. Die Feier war für das Pudscha*)- Fest in Aussicht genommen. Zu der nämlichen Zeit, wo Durga zum Kailascha**) heimwärts zieht, sollte auch das Licht meines Hauses zum Heim eines Gatten fortgehen, das Vaterhaus im Schatten zurllcklassend. Der Morgen war glänzend. Nach der Regenzeit***) war ein Gefühl der Reine in der Luft, und die Sonnenstrahlen erglänzten wie eitel Gold. So gol dig erstrahlten sic, daß sie selbst den dürftigen Ziegel steinen der Gassen von Kalkutta einen herrlichen Glanz verliehen. Dom frühen Tagesanbruch an er tönten hochzeitliche Klänge, und mit jedem Takte schlug auch mein Herz im Takte mit, mit jeder Note den Schmerz meines Herzens erhöhend. Meine Minnie stand im Begriff, am Abend ihrem Zukünf tigen anvertraut zu werden. Vom frühen Morgen an erfüllte Lärm und Unrast das Haus. Im Hofe mußte der Baldachin mit seinen Bambusstangen errichtet werden. Dte klirrenden Kandelaber mußten in jedem Zimmer sowie auf der Veranda angebracht werden. Die Erregung und Be geisterung schienen ohne Ende. Ich saß in meinem Arbeitszimmer mit der Durchsicht meiner Rechnungen beschäftigt, als jemand hereintrat und mit respekt vollem Gruße sich neben mich hinstellte. Es war Rahmud, der Kabule. Auf den ersten Blick vermochte ich ihn nicht zu erkennen. Er trug keinen großen Sack, auch nicht sein langes Haar, überdies war er nicht so kräftig wie ehedem; doch an seinem Lächeln erkannte ich ihn sofort. „Wann seid Ihr angekommen?" fragte ich ihn. „Am letzten Abend", entgegnete er, „wurde ich aus dem Gefängnis entlassen." Die Worte klangen mir unangenehm ins Ohr. Niemals habe ich eine Aeußerung getan, einem Mit menschen wehe zu tun, und mein Herz krampfte sich zusammen, al» ich mir dieses vevgegenwärtigte. Ich *)-Ei« sehr bedeutendes religiöse» Fest in Ben- galen während des Herbstes. **) Dnrga ist die Göttin, der das Pudscho Fest gilt. Kailascha ist der bedeutende Perg des nordöst lichen Himalaja-Gebirge«, wo sie sich aufhält, und wohin st« nach dem Feste zurückkehrt. —) Bei im» beginnt der He^ft nach der Regenzeit» fühlte, daß es für den Tag eine bessere Vorbedeutung gewesen, wenn der Mann nicht gekommen wäre. „Wir haben bei uns eine Festlichkeit", sagte ich, „würdet Ihr vielleicht an einem andern Tage wieder kommen? Er wandte sich zum Fortgehen, doch als er an der Tür war, zögerte er, indem er sagte: „Könnte ich nicht mit dem Fräuleinchen sprechen, mein Herr, nur eine Minute?" Er war der Meinung, daß Minnie noch die nämliche wie ehedem sei. Er bildete sich ein, sie würde noch in ihrer gewohnten Weise auf ihn zulaufen mit dem Ausrufe: „Oh Kabule! Oh Kabule!" Er wähnte, daß sie noch ebenso lachen und zusammen plaudern würden wie in früheren Zeiten. Tatsächlich hatte er als Andenken an jene Tage einige sorgfältig in Papier eingepackte Mandeln und Rosinen mitgebracht, die er sich irgendwie von irgendeinem Landsmann verschafft haben mochte, denn der eigene Vorrat war längst abhanden gekommen. Nochmals erklärte ich ihm: „Bei uns findet eine Feierlichkeit statt." Sein Gesicht verzog sich schmerzhaft. Er sah mich einen Augenblick an, sagte: „Guten Morgen" und wandte sich zum Gehen. Ich fühlte ein gewisses Mitleid mit seinem Schmerz und wollte ihn .zurückrufen, Loch bemerkte ich, daß er selbst zurückkam. Er kam heran und. mir ein Geschenk behändigend, sagte er: „Dieses habe ich dem kleinen Fräuleinchen mitgebracht, mein Herr; würden Sie es ihr, bitte, übergeben?" Ich nahm es an und wollte ihm etwas dafür zahlen, doch ergriff er meine Hand mit den Worten: „Sie sind ein sehr gutherziger Herr. Behalten Sie mich in Ihrem Andenken, doch bieten Sic mir kein Geld an. Ich habe ein Töchterchen, auch ich besitze eins wie das Ihrige in meiner eigenen Heimat, tn Kabul. Ich denke ihrer, und au» diesem Grunde bringe ich Ihrem Töchterchen Früchte mit, doch nicht, um dadurch Geld zu verdienen." Indem er so sprach, griff er mit der Hand in seinen weiten Mantel, ein schmale», schmutziges Stückchen Papier heroorziehend. Mit großer Sorg falt wickelte er es aus und glättete es mit den Händen auf meinem Tische. E» zeigte das Bild eine» Händchen». Es war weder eine Photograohie noch eine Zeichnung, vielmehr nur der Abdruck einer mit Tinte befeuchteten kleinen Hand, die flach auf das Papier gedrückt war. Diese» Ergebnis der Be rührung seiner eigenen kleinen Tochter war immer an seinem Herzen verblieben, solange er Jahr für Jahr durch die Straßen Kalkutta» schweifte und seine YParen verkaufte. Tränen traten mir in die Augen. E» war mir ganz entfallen, daß es sich bet ihm nur um einen armseligen Fruchthändler au» Kabul handle, während ich — doch nein, wer war ich denn eigent lich? War ich etwa etwas Gewichtigeres als er? Auch er war ein Vater. Dieser Abdruck des Händchens seiner Parbati*) in ihrer entlegenen Berghütte erinnerte mich wieder an meine eigene Minnie. Ich rief sie sogleich aus den Frauengemächern herbei. Man wollte sie nicht sortlassen, doch hörte ich nicht auf Lie gemachten Einwände. Angetan mit dem roten Seidentuch des Hochzeitstages, mit dem Sandalenzeichen **i an der Stirn und :m Schmuck ihrer bevorstehenden Trauung, trat meine Minnie herein. Voll Verwunderung betrachtete sie der Kabule. Nicht mehr vermochte er sich des Genusses der alten Freundschaft htnzugeben. Endlich sagte er lächelnd: „Fräuleinchen, wollt Ihr zu Eurem Schwiegervater ?" Jetzt aber hatte Minnie das Verständnis für diese Worte, und aus diesem Grunde blieb sie ihm die Antwort schuldig, wie es andernfalls .richt der Fall gewesen sein würde. Sie errötete aus die Frage und stand neben ihm, den Blick seitwärts wenden. Ich erinnerte mich an den Tag, da der Kabule und Minnie sich zum ersten Male trafen, und ein trauriges Gefühl ergriff mich. Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, entrang sich Rahmud ein Seufzer, und er setzte sich auf den Bolen. Es kam ihm plötzlich der Gedanke, daß auch seine Tochter während der langen Jahre berangewachsen jein müsse und daß er auch mit ihr aufs neue werde Freundschaft zu schließen haben. Jedenfalls werde er nicht die nämliche finden, als welche er sie ge kannt habe. Und was konnte während all jener Jahre mit ihr vorgegangen sein. Hochzeitsmusik erklang, und die milde Herbst sonne leuchtete. Aber Rahmud saß in rem Gäßchen Kalkuttas, indem er in seiner Phantasie Traum bilder der kahlen Gebirge Afghanistans vor sich sah. Ich nahm eine Banknote, sie ihm mit den Worten überreichend: „Rahmud, kehrt heim zu Eurem Töchterchen. Geht wieder nach Eurem Heimatlande, mein Freund, und das Glück Eurer Wieder vereinigung mit Eurem Töchterchen sei eine Glücks vorbedeutung für das meine!" Infolge dieses Vorgehens mußte ich zwar die Einzelheiten des Festes in etwas beschränken, wes wegen die weiblichen Familienmitglieder nicht gerade erbaut waren; für mich jedoch verlief da» Fest nur um so glänzender bet dem Godankew daß in einem entlegenen Lande der lange verschollene Vater mit seinem einzigen Töchterchen wieder vereint sei« würde. — *) Wörtlich „Tochter der Berge". **) Da» Zeichen der Verheiratung. Die Frauen trage« e» stet», solange der Gatte lebt.
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