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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.01.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191401254
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140125
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140125
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- ab Img 37 römische Zählung, fehlerhafte Bindung, Seiten vertauscht
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-25
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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s. veUs-r. Sonata-, LS. Januar !Sl4. Leipziger Tageblatt. Nr. Lonntsgs-Nusgatre. Seue 33. - - * Unterhaltungsbeilage - - r» Ein jcücö Bn»d, da» noch so leise. die «Heister aneinander reiht, loirkt fort in seiner stillen Weise -> für unberechenbare Zeit. L laten. Da« Tier im Winter. Plauderei von Dr. Fritz Skowronnek. (Nachdruck verboten.) Fast alle Kinderlieber, die den Winter schildern, sind auf den Ton gestimmt, den Hofsmann von Fallersleben in seiner „Sehnsucht nach dem Früh ling" anschlägt. Tie schildern den Winter als einen harten, gefühllosen Mann, der arbarmungslos alles Leben vernichtet. Viel poetischer und außerdem rich tiger ist die Anschauung, die den Schnee nicht als das Leichentuch der Natur, sondern als eine warm- haltende Decke ansieht, unter der zahllose Keime schlummern, dis sic der warme Frühlingsl-auch weckt. Dann zerrinnt die Schneedecke und wandelt sich in belebende, nährende Flüssigkeit . . . Bei dieser Art der Betrachtung können wir uns der klaren Wintertage freuen, deren frische, reine Luft unsere Lebensfreudigkeit steigert. Was uns an der kalten Jahreszeit miMllt, was uns niederdrückt, das sind die trüben Tage, an denen sich das Himmels gestirn hinter dichten Wolken verbirgt. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir ähnliche Empfindungen bei den Tieren voraussetzen. An klaren Frosttagen spaziert die Haubenlerche munter den Dachfirst ent lang und singt mit Heller Stimme ihre kurze Strophe, die Krähe fliegt hin und her, von einem Hof zum andern und zankt sich mit den Genossen um ein Kar- toffelstllckchen. Wenn es aber bis Mittag nicht recht Tag werden will, wenn es schon in der dritten Nach mittagsstunde wieder Nacht wird, dann sitzen die Krähen, die bekanntlich zu den Singvögeln gehören, aufgeplustert in den Wipfeln der kahlen Bäume und krächzen verdriesslich. An solchen Tagen tut nicht einmal der ewig fidele Zaunkönig seinen Schna bel auf. Weshalb ziehen im Herbst nicht alle Vögel nach dem Süden? Weshalb bleiben so viele Arten hier? Die Antwort darauf kann doch nur lauten: weil sie den Winter nicht fürchten und trotz Schnee und Frost ihre Nahrung finden. Wäre das nicht der Fall, dann würden sie sicherlich ihre Schwingen rühren und nach des Südens Wärme davonziehen. Tun das doch auch Vögel, deren Flugkünste sehr schwach sind, wie z. B. die Taucher, die uns erst verlassen, wenn der Frost sie durch eine Eisdecke von ihrem Nahrungs quell abschneidet. Man braucht wirklich nicht wehleidig die Tiere bedauern, die den Winter über bei uns ausharren. Ihr Federkletd oder ihr Pelz schützt sie hinreichend gegen den Frost, und wenn auch manchmal Schmal hans Küchenmeister bei ihnen ist, so sind sie doch gegen den äußersten Hunger geschützt. In der schlimmsten Not erinnern sich manche Vogelarten der Kraft ihrer Flügel und wandern so weit süd- oder westwärts, bis sie milderes Wetter antreffen. Manche verschmähen auch diesen Ausweg aus der Not. Sie bleiben und frieren und darben. Glücklick-erweise siych die harten Winter zur Seltenheit geworden. Am leichtesten von allen Tieren übersteht der Dachs den Winter. Rechtzeitig im Herbst scharrt er trockenes Laub und Moos zu kleinen Haufen zu sammen, die er mit den Vorderbranten umfaßt und vor sich her in den Bau schiebt, um sein Lager, „den Kessel", weich und warm zu polstern. Je früher er damit beginnt, desto früher ist nach der Ansicht der Jäger der Eintritt der Kälte zu erwarten. Nach einem uralten Volksglauben zehrt der Dachs den Winter über von seinem Fett. So ganz falsch ist diese Anschauung nicht, ^r saugt es aber nicht aus einer Drüse, die sich an der Kehrseite seines Körpers befindet, sondern er verbraucht die im Sommer an- aemüstete Fettschicht innerlich, so daß er im Früh jahr schlank und mager den Bau verläßt. Ja, die Dächsin wirft sogar im Februar Junge und nährt sie wochenlang, ohne Nahrung zu sich zu nehmen. Dann sind zwei Vogelarten zu nennen, die den Winter verhältnismäßig leicht überstehen, weil sic es gelernt haben, die Brosamen zu sammeln, die von des Menschen Tisch« fallen. Das sind Sperling und Krähe. Der Spatz betrachtet sich ohne Zweifel selbst als Haustier. Selbst im Sommer, wenn Nah rung aller Art im Ueberfluß vorhanden ist, mischt er sich Leck unter die Hühner und Tauben, d«enen die Magd das Futter streut, und stiehlt sich seinen An teil. Im Herbst sitzt er mit vielen seinesgleichen auf dem Querbalken des Scheunentores und achtet sorg sam auf jed-es Körnchen, das von der Tenne springt. Im Winter übersteigt seine Dreistigkeit alle Gren zen. Da hüpft er in die Krippe und stiehlt dem gut mütigen Gaul die Haferkörner vor der Nase weg. Dura> das Eulenloch schlüpft er in di« Scheune, durch die geöffnete Luke in den Speicher und raubt, was er findet. Die Krähe nähert sich erst im Winter den Woh nungen der Menschen, aber ohne ihre mißtrauische Scheu völlig abzulegen. Sie macht jedoch einen Unterschied zwischen Mann und Frau. Vor der Magd, die über den Hof geht, hüpft sic kaum ein paar Schritt zur Seite. Den Männern traut sie nicht. Die werfen manchmal mit einem Stock oder Stein nach der frechen Band« oder stecken sogar den Schießprügel durch den Türspalt, wenn sic lange, schmale Federn zum Reinigen der Pfeife brauchen. Und am meisten fürchtet sic die halbwüchsigen Jun gen, die immer etwas Böses im Schilde führen. Am wohlsten fühlt sie sich in den Fischerdörfern. Dort spielt die Kräh« vollständig die Rolle des Sperlings. Sie nistet auf Bäumen, die mitten im Dorfe stehen. Die Jungen, kaum flügge geworden, tummeln sich mit den Alten auf den Höfen oder am Strande zwischen den Booten und Netzen. Und über all finden sie reichliche Nahrung. Die toten Köder fische, die d«r Fischer von den Angeln nimmt, das kleine Getier, das mit den Netzen herausgcschleppt wird, alles verschwindet in ihrem unersättlichen Magen. In den Gegenden, wo die Jäger den Fuchs nahezu ausgerottct haben, besorgen die Krähen die Auslese unter dem Niederwild. Es ist nur natürlich, daß unter dem großen Wildbestand, der auf wohlgepfleg ten Revieren vorhanden ist, viel Kräpelzcug zur Welt kommt, das nicht leben und nicht sterben kann. Und bringt der Herbst und Winter naßkaltes Wetter oder tiefen Schnee mit starkem Frost, dann fallen auch die Schwächlinge den Krähen zur Beute. Die Großstädte uxrden von den Krähen selten be sucht. Der rege Verkehr auf den Straßen, die Rein lichkeit, die aus den Kist'en herrscht, wo all« Abfälle in verdeckte Kasten geschüttet werden, sagen ihr nicht zu. Und sieht man mal in Berlin eine Krähe, dann ist es gewiß eine junge, die bald, um einige Erfahrun gen reicher, der ungastlick)en Stadt den Rücken kehrt. Das Gegenstück zu diesen Freibeutern sind die kleinen Insektenfresser, vor allem die Meisen und die Amseln, die in allen Gärten der Großstädte stän dig« Gäste sind. Sie haben im Winter keine Zeit, müßig hcrumzulungern; sie müssen von früh bis spät unermüdlich tätig jein, um das bißchen Nahrung aufzufinden. Und der Mensch muß der Vorsehung dankbar sem. daß sie gerade diese fleißigen, flinken Gesellen zum Winter nicht fortschickt, sonst würden die Insekten in wenigen Sommern alle menschliche Arbeit in Garten und Feld unmöglich machen. So hoch man auch die Tätigkeit der Singvögel im Früh jahr und Sommer veranschlagen mag — den wich tigsten Kampf führen die wenigen Arten, die im Winter hier weil«», denn sie vertilgen diejenigen Formen L»:r Insekten, die von der Natur zur Fort pflanzung bestimmt sind. In tausend Schlupfwinkeln, in den Nissen der Borle, im Zaunspalt, unter trockenem Laub und Moos, überall liegen d.e Larven, Puppen und Eier der Insekten, vom Auge des Men schen schwer zu finden. Desto sicherer f-ndet sie der geflügelte Jäger. Es ist ein Vergnügen, den Meisen zuzuschauen, wenn sie einen Obstgarten absuchen. Da flitzen sie scheinbar ziellos umher, aber trotzdem bleibt kein Riß in der Borke, keine Astgabel un geprüft. Ebenso fleißig und sorgsam suchen die Amseln den Boden ab. Also nicht nur aus Mitleid sollten wir im Winter den wertvollen Bundesgenossen Futter «penden sondern um sic bei Kräften zu erhalten. Den Meisen gibt man geschmolzenes Talg, das inan auf oie Aeste einer kleinen Fichte — gewöhnlich Tanne genannt — träufelt, die man an den Ast eines größeren Obst baumes hängt. Auch alle Knochen, die man sonst in den Müllkasten wirft, soll man den Meisen geben, sie finden noch immer etwas daran zu knabbern. Trotz der Fütterung bleiben die kleinen Gäste nicht müßig und vor allem: sie ziehen nicht fort, sondern nstten mit Vorliebe da, wo sie Wohltaten empfangen haben. Hand in Hand mit dieser Fürsorge muß die Ver tilgung des vierbeinigen Raubzeuges gehen. Das gilt auch für die Gärten der Großstädte, in denen nach dieser Richtung fast gar nichts geschieht. Von meinem Schreibtisch sehe ich in einen großen Garten, i dem drei Katzen tagaus tagein den Amseln nächsten«». Sie haben noch keine erwischt, aber sic stören sie in ihrer segensreichen Tätigkeit. Und was sich nachts in den Hausgärten — auch in den Städten — herumtreibt, davon macht man sich meistens keine rechte Vor stellung. Da kommt Iltis und Wiesel und nicht selten auch der Steinmarder, der ja im Winter sich in Scheunen od«r Schuppen cinquartiert. Es ist vielleicht noch wichtiger, den kleinen Vogel gegen die Gefahren der Nacht zu schützen, als gegen den Hunger, der ihn am Tage plagt. „Licht", ,o schreibt der Franzose Jules Mtchclet in seiner lebhaften Art, „ist stir alle Wesen gleich bedeutend mit Sicherheit: cs ist die Bürgschaft für das Leben bei Menich uno Trer: es ist gtclu,,am oas beruhigende heitere Lächeln, die Zuträulichkeic der Natur. Las andere ist die Nacht, der Schraf. die Stunden der Finsternis und der Nachstellung, in denen dem Vogel die Kraft des Flügels fehlt, in denen er dem Feinde wehrtos überlieserr ist. . . . Für ihn sind in der Dunkelheit unenonch viel Verfolger und Nach stellungen verborgen. Seine Feinde Haden noch das Gcmeinsaine, daß sic ohne Geräusch sich anschketchen. Die Eule fliegt mit fchrveigiamcn Fingern, oas schmale Wiesel windet sich zum Nest hinan, ohne dag ein Zweig sich regt, der nach Blut dürstend» Marder geht jo schnell zu Wert, daß in einem Augenblick die ganze Vogelsamilie erwürgt ist." Diese Schilderung gilt nichr nur für den Sommer, sondern noch nreyr zur den Winter, wenn der Vogel, vor Kält« erstarrt, in finsterer Nacht auf einem Zweiglein sitzt. And wie leicht tann man sie von ihren Feinden befreien! Einige schlingen aus dünnem Draht vor den Zaunlücken ausgehängt, eine Kastcnfalle, zwischen dichtem Strauchwerk ausgestellt, genügen, um die nächtlichen Näuuer wcgzuiangen. Wie viele das sind, wird jeder zu «einem Scannen oder Schrecken erfahren, der die kleine Mühe des Fallenstellens nicht scheut. Das vierbeinige Raubgesindel, Fuchs, Edelmarder, Steil inarder, Itlis und Wiesel, leidet im Winter selten Not. Der Edelmarder erjagt im Winter das Eichhörnchen, oder er schlieft in die Baue der wilden Kaninchen, wo er sich an dem Blut seiner Opfer be- raufcht und manchmal mehrere Tage ver,chläst. Der Steinmarder schlägt in einer Scheune sein Lager auf und macht sich durch Vertilgen der Mause nützlich. Man ,olltc ihn deswegen dulden und rhm seine anderen Freveltaten uachselsc'n. Iltis uuo Wiciet suchen ebenfalls die Kanrnchenvaue heim, über ge dringen aua> in schlecht verwahrte Hühncrslälle und Tauocnschtäge ein und morden aus reiner Blutgier alle Injasten. Nicht selten berauschen sie nch an oem Blut ihrer Opfer jo sehr, daß sie in einen tiefen Schlaf verfallen, aus dem man sie durch einen wohl gezielten Hieb direkt in oie ewigen Jagdgrunde be fördern kann. Der schlaue Rotrock, Herr Reineke, streift Tag und Nack)t durch Wald uno Feld uns raubt alles, was er bezwingen kann. Am Strohschober belauert er fast immer «ooiel Mäuse, daß er oen «chlimmsten Hunger stillen kann. Dann sucht er das Feld ab nach einem Hajen, den Hunger und Kälte ermattet haben. Er jagt auch, meistens mit einem Spießgesellen das Reh und setzt es durch andauernde Verfolgung jo in Angst, daß es schliesst.ch aus einer Stelle wie sinnlos hin- und herspringt und den Räubern zur Beut« wird. Seit Jahrzehnten haben die Jäger dem ganzen Raubgesindel oen Vernichtungskrieg erklärt und mit so großem Erfolg geführt, daß Auchs, Marder und Iltis in vielen Revieren nur noch als zugereiste Gaste Vorkommen. Infolgedessen hat sich das kleine Nutzwild' Hase, Rebhuhn und Fasan allenthalb be deutend vermehrt, was nicht mir die Jäger, sondern auch alle Freunde eines schmackhaften Wildprets mit Freuden begrüßen können. Aber unter demselben Schutz har sich leider auch oas wild« Kaninchen, dessen Fruchtbarkeit ja sprichwörtlich geworden ist, so stark vermehrt, daß es an v.elen Orten zur Land plage geworden ist. Früher freuten sich die Jäger, wenn sie sich mit Doginn der Schonzeit an den Karnickeln schadlos halten konnten. Und wo keine vorhanden waren, siedelte man sic an. Das ha: lange aufgohört, denn die Kaninchen haben in manchen Gegenden jo überhand genommen, daß sie Roggenschläge vernichten und starke Buchen bestände durch Entrinden zum Abstcrben bringen. Auf dem Gut Basedow in Mecklenburg werden jetzt, acht Jahre nach ihrem ersten Eintreffen, jährlich 20 000 Kaninchen durch Frettieren und Sch eßen er legt, aber noch immer wächst ihre Zahl. Der Mensch ist eben den kleinen Nagern gegenüber, die ihre Schlupfwinkel unter der Erde l-aben, machtlos. Nur das kleine Raubzeug, das in die Bau« schlieft, kann Hilfe dringen. Deshalb werden die Räuber an vielen Orten nicht mehr verfolgt, sondern als Bundesgenossen geschätzt und gefchont. Das Nutzwild, das sich von vegetarischer Kost nährt, leidet in milden Wintern kein« Not. Auf der Roggen- und Weizensaat findet es reichlich Aesung. Selbst eine leichte Schneedecke schneidet es nicht von der Nahrung ab. Erft wenn der Schnee fußhoch liegt, beginnt oas Wild zu darben und rn seiner Not dce Triebe der Nadelbaume zu äsen oder gar die Rinde des Laubhoczes anzuschnciden. Am fchlimmsten aber wiro es, wenn nach Tauwettcr der frisch ciiljetzeno« Frost den Schnee mit einer Eiskruste überzieht. Dann schneidet das Wild die Läufe daran wunü, es kann sta) nicht mehr von der S-ellc be wegen, und zum Hunger kommen noch die Schmerzen. Elücklicherwe je haben die Jäger eine Ehrenpflicht daraus gemacht, ihre Wilobahn im Winter gegen Hunger zu schützen. Das muß aber auch rechtzeitig geschehen, ehe das Wild durch Hunger und Krankheit geschwächt ist. . . An abgelegenen ruhigen Steuen in Walde sii.d überdacht« Raufen aufge,»cllt, unter denen Hirsch und Reh Heu und Hafergaroen finden. Aach Kartoffeln, Rüben und Kastanien werden gern genon men. Den Hajen legt man Heu und Haferstroh unter die dichtstehenocn Aeste einer F chte, oen Reb hühnern uno Fasanen errichtet man am Waldrand« niedrige Hütten von Zweigen und streut ihnen darin dis sogenannte Hintcrgctrcide. Ist das ein herzerfreuender Anblick, wenn der Griinrock mit dem FuUerjchlitten durch den schweigen den Wald fährt uno von überall aus dem Dickicht d e scheuen Waldtierc treten, um ihm zur Futterstelle zu folgen! Und unter den „gerechten" Eigcnschasten des deutschen Waldwerks ist wohl keine höher ein- zusckätzen als die opferwillige Fürsorge für das Wild in Wintcrsnot! Heiratsanträge. Von Paul Ernst. Zwei Freundinnen saßen im vertraulichen und wichtigen Gespräch beieinander: eine heitere, ge sunde und schöne Frau von noch nicht dreißig Jahren und ein blasses, zartes Mädchen mit schwermütigem Eesichtsausdruck, mit seinen, geistigen Zügen, das etwa die Mitte der Zwanzig erreicht haben mochte. Sie unterbrachen das Gespräch eine Weile und traten ans Fenster: im winterlichen Schnee unten tobten die Kinder der Frau mit roten, lustigen Gesichtern, schreiend, sich mit Schnee bewerfend, sich kugelnd: die Mutter hatte ihnen lächelnd mit dem Finger qe droht: der Äeltcste hatte gutmütig-frech die Be wegung der Mutter nachgealmu, die Frcunoinnen hatien gelackt, daun hatten alle drei Kinder unten lachend den Finger erhoben, bis die beiden Frauen vom Fenster zvrückgetreten waren. „Was soll ich dir sagen", sagte die ältere nach längerem Schweigen. „Ich will dir meine eigene Geschichte erzählen. D» weißt, Curt und ich, mir waren Jugendfreund«. Unsere Eltern hatten wohl gedacht, wie das Eltern so tun, daß wir einmal ein Ehepaar werden sollten. Wir wuchsen zusammen aus. wir prügelten uns und vertrugen uns: Curt beschützte mich, und ich tröstete ihn, wenn es in der Sckulc nicht jo recht geben wollte: als er in den höheren Klagen saß, und 'ch ein Backsisch war, nannte er mich „Sic", holte mich zum Schlittschuhlaufen ab und tanzte in der Tanzstunde mit mir und war vor mir verlegen; als er aus dem ersten Studenten semester nach Hause kam, duzte er mich und ich wuroe verlegen. An meinem achtzehnten Geburts lage kain er. brachte mir ein merkwürdig teures Ge schenk, ein Armband, setzte sich dann mir gegenüber in meinem Mädchenstübchen und fing eine längere Rede an. Ich spürte, >aß er mir einen Antrag machen wollte, ich wurde rot und schämte in ich und dachte: „Wenn er dick- nun plötzlich küßt?" Er hatte einen schönen neuen Anzua an, der tam mir jo komisch vor, daß ich das Lacken verbeißen mußte: er sah an. sich nieder, der Schweiß stand ihm auf der Stirn, er zog ein Taschentuch hervor: dabei siel ihm, chne daß er es merkte, ein Briefchen aus der Tasche auf die Erde. Ich war ilnn ja gut, hätte er nicht so geschwitzt und das Taschentuch gezogen, sondern mich in den Arm genommen und abgeküßt, so wäre alles in Ord nung gewesen. Aber nun mußte ich immer an das Brieschen denken, das auf der Eroc lag, ob das wohl ein Liebesbriefchen war :on einer anderen oder von seinen Ellern: ick horte gar nicht mehr auf ibn hin. Dunkel nur fühlte ich, wie er zum Schluß seiner Rede kam, von der ich doch kein Wort verstanden batte: da sprang ich plötzlich oui, nahm das Brief chen von der Erde, lief ins Eßzimmer und las: cs war eine Aufforderung vom Schneider, zur Anprobe zu kommen. Ich fiel auf einen Stuhl und lackte, und indem ich mich nicht zurückhalten konnte, mußte ich immer stärker lachen . Er war mir ins Eßzimmer gefolgt, in dem neuen Anzug, den Hut in der Hand: wie er mich sah, den Kopf auf den Armen über dem Eßtisch liegend und immer heftiger lackend, klappte er mit den Absätzen zusammen, sagte: „Ich emvieble mich dem gnädigen Fräulein", und ging. Meine Mutter kam, fragte mit bekümmerter Miene, was gewesen sei: ich weinte, verbarg mein Gesicht an ihrer Brust: Curt war an demselben Tag zur Uni versität zurückgekehrt. Es war Winter damals: der Scknec lag wie heute, und wir hatten gute Eisbahn. Ich war am andern Tag draußen auf dem Lis: ein junger Offizier, den ich flüchtig kannte, lief viel mit mir. Ich kann wohl sagen, ich hatte ihn eigentlich noch gar nicht genau angesehen. Er führte mich auf einen unbelebten Teil unserer Eisbahn, ich spürte irgend etwas und wurde verlegen, aber das war ganz anders wie den Tag vorher. Er war sehr erregt und sprach wohl recht töricht: er begann, indem er versicherte, daß er ein anständiger Kerl sei. Dann sagte er, ich sei sehr reich: das hatte ich mir noch gar nicht jo klar ge macht, und endlich schloß er. daß er mich trotzdem liebe. Mir war da so zumute, daß ich ihm gar nicht; antworten konnte, aber ick bin gewiß sehr rot ge worden. denn ich fühlte cs beiß im Gesicht. Er sagte, wir müßten nnn wieder zu den anderen zurücklaufen: als wir wieder unter den Menschen waren, ver ab'chiedete er sich und fragte, ob er mit meinen Eltern sprechen dürfe Ich glaube, ich habe immer noch nichts gesagt. Aber wie ich nach Haus« komme und in die Wohnstube trete, da sitzt er dort bei meinen Eltern am Tisch. Er stand aus und wollte mick küssen, ich rcickte ihm aber nur die Backe hin. Wie ich ,m Bett lag. habe ick viel geweint, und dann bin ich eingcschlasen. Meine Mutter sprach mit mir am anderen Morgen, ob ich ihn denn wirk lich so gern habe: ich könne ja wählen, wie ich wolle, es solle mich Niemand zwingen, aber ihnen, den Eltern, wäre cs so lieb gewesen, wenn ich Kurt ge wählt hätte. Da wurde mir erst klar, daß ich den andern liebte, und der ist nun auch mein Mann ge worden. Er hat ja seine Fehler, und ich habe es oft nicht leickt mit ihm, aber da muß inan sich eben fügen, man hat doch auch die Kinder, und ich bin schließlich eine glückliche Frau." Die Freundin sah zu Boden und seufzte. Dann sprach sic- „Ich verstehe wag du meinst. Ich sollte mich in dieser Entscheidung dem Göttlichen anver- trauen uns hoffen, daß ich zum Guten geführt werde. Vielleicht sollte man nicht zu viel denken: ick, habe vielleicht zu viel gedacht." Indem öffnete sich die Tür. uns die Kinder kamen herein: sie hatten die Mäntel und Schuhe abgelegt: aber die Backen glühten noch, die Hände waren noch kalt und rot. Dccs Jüngste, ein Mädchen von kaum drei Jahren, kletterte der Tante auf den Schoß und schmiegte sich an sie, mit großen Augen zu ihr hoch sehend, die nieder «ah mit mütterlichem Ausdruck des Gesichtes. Die Mutter verließ mit den beiden anderen Kindern das Zimmer, um das Vesper zu besorgen: das kleine Mädchen aus dein Schoß bettelte: „Eine Geschickte vom Postwagen." Sic erzählte vom Postwagen, der brachte allerhand Pakete für alle Kinder in der Stadt mit Puppen und Puppen stuben. Die Tür öffnete sich leise, ein junger Mann trat ein und sah auf die Gruppe: das Mädchen wurde glühend rot, ließ das Kind zur Erde gleiten, das sic erstaunt anblickle. Der junge Mann ging auf sie zu, nannte sie mit ihrem Vornamen: da stand sie auf, legte ihre Hand in seine und jagte, indem sie ihn ansah: „Ja, ich will." vermischtes. Geschlitzte Hosen — die Zutunst der Herrenmode? Der geicylitzte Rock scheint Schule zu machen. Warum soll das schönere Gejchlecht allem sich dieser pikanten Mode erfreuen? Also denken die New Parker Schnei der, di« als das Alleincueste der Herrrnmcd« — ge schlitzte Hosen aufs Tapet bringen. Das ist eine Mode, die di« weitesten Perfpekrioen eröffnet. Man denke sich nur die goldene Jugend mit vam Knie ab wärts ^schlitzten Beinkleidern, denn höher heraus wird sich doch, wie zu l,offen steht, der Schlitz nicht erstrecken. Dani- werden auch ,ür die Herrenwelt die schönen Tage der „großen Slrumpsmode" anbrechen: di« Waden des stärkeren Geschlechtes werden in Flor- und Spitzenstrümpsen prangen, und was für Verände rungen weiden nicht erst mit dem Schuhwerke der Männeruelt vor sich gehen! Vorläufig l-ancelt es sich allerdings nur um einen amerikanischen, allzu ameri kanischen Einfall, und die großen Londoner Herren- ichneidcr, L'.e ja auf dem Felde der Herrcnmodc noch immer unbestritten den Ton angebcn, weisen den Ge danken der geschlitzten Hofenmode gcaüezu mit Ent rüstung als absurd zurück. Wollen wir hoffen, daß sie dann jestbleilvn: aber leider gilt gerade für das Ge biet dec Mod« mehr, als für irgendein anderes das alte Wort: .,<7reckc>. gni-i ,ib>>n Ium. Isadora Duncans Schönheitsatademie. Isadora Duncan hol beschlossen, jsth dauernd in Paris anzu siedeln, wie sie jüngst einem Mitarbeiter der „Co mödia" initgetcili i.at. Lis Andenken an.ihre Kinder, die sie dort verloren hat, ist es vornehmlich, do.s sie an die französische Hauptstadt fesselt. Nichts liegt ihr jedoch ferner, als sich tatenloser Trauer hinzugeüen: im Gegenteil, sie trägt sich mit neuen Plänen und will eine „A ! u d c nr r e der Schön-- hei t" ins Leben rufen. Sie hat schon ihre Freunde beauftragt, nach einem geeigneten Orte hierfür zu suchen und juchl selbst geeigncr« Künstler, Dichter, Tondichter und Maler, die nach ihrem Urteil sich für diese „Akademie der Schönhci t" eignen. Wo mit dies« neue Akademie sich beschäftigen wiro, er fährt inan einstweilen noch nicht: sie soll dem Kult ter Schönheit gewidmet jein, und u. a. soll auck der Tanz dort gepjlegr wcrk-en — darauf beschränken sich die vorliegenden Nockr-ckten. Die Menagerie im Salon. Daß es in den Kreisen der eleganten Londoner Frauenwelt Mode wird, durch die P'lcgc und Erziehung exotischer Tier« zoologische-, Interesse zu bekunden, zeigen die Annalen des in letz ter Zeit gewaltig aufölühcndcn „Amateur Menagerie Clubs", der es sich zum Ziele gesetzt hat, das Studium und die Pflege wilder Tier« zu fördern uno dessen enrigste Mitglieder eine Reih« führender Gefelljchaits- dainen sind. Allmonatlich erscheinen die Mitteilungen des Klubs, die auch interessante Einzelheiten über die Kursschwankungen wilder Tiere bringen; so er fährt man aus einer der letzten Nummern beispiels weise, daß man gegenwärtig für 5000 ein Nilpserd kaufen lann, während man noch vor einigen Jahren das Doppelte anlegen mußte. In R «senkänguruhs, Kontors und Schakalen dagegen besteht zurzeit zwei fellos eine Hausse: die Tiere sind doppelt so teuer wie in früheren Jahren. Am interessantesten aber sind di« Berichte der weiblichen Klubmitglieder, die zeigen, mit welchem Eifer und Ernste die vornehmen Dame, ihr: Salonmenazerie betreibe». Lady Decies enthüllt sich dabei als eine ausgezeichnete Katzen- lennerin, M ß Mortimer hat cs mit ihren anglo. nubijchen Ziegen zu Berühmtheit und Preisen gebracht, und Lady Llaud Alexander hegt eine ganze Anzahl wilder Tiere, unter denen besonders ihr Ercn.plar des Erdwolfcs hernorragt. Die Bestie frißt ausschließlich weiße Ameisen, die zu besckaffcn in England nicht allzu einfach ist, aber ihre Be mühungen um die Pfleg« des seltenen Tieres hat Lady Alexander dafür auch mit einer silbernen Me daille belohnt gesehen. Miß E. F. Lhawncr hält seit Jahren Enlcn, har bereits die Klubmedaille erobert und äußert ihr höckstes Erstaunen darüber, daß noch immer keine größere Nachfrage nach Eulen herrscht. Dabei c. zählt st« von zweien ihrer Eulen, die so gründlich an die Ernährung durch totes Fleisch ge währt sind, daß die beiden Nachtvögel, als man ihnen eines Tages eine lebend« Maus in das Bauer fetzte, „fast ebenso großes Entsetzen an den Tag legten, wie unter ähnlicken Umständen eine nervöse alte Dame". Mrs. Butler hat einen ägyptischen Luchs zum Gegenstand ihrer zoologischen Wißbegier gemacht. Miß F. Pitt hütet als Schoßtierc zwei Dachse, non denen, der eine sic bei ihren Spaziergängen begleitet. Dilo seltsamst« Haustier aber hält sich Mrs. Cogan in Form einer westafrikanifchen Hyäne, die zahm und folgsam ist wie ein Hund, und dabei „außerordentlich klug und anhänglich" sein soll.
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