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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140107014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914010701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914010701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-07
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Seite 8. Nr. lS. Morgen-Nusysde. Leipziger Tagevlatt. romantischen Waldenbu^er Gebirge gelegenen Badeorte Salzbrunn ein Wtntersportfest mit folgen dem Programm veranstaltet: 10. Januar: Schüler- Wettrodeln und Kunst-Eiswettlaulen, Schaulaufen der Kunstläufer des Breslauer Eislausvereins. 11. Januar: Schnee>chuh-LVettläufc unter Leitung des Äiklubs Waldenburg und Wettrodeln, Rodeln mn die Meisterschaft von Salzbrunn. 12. Januar: Gemeinschaftliche Schlittenpartie. * Bobsleighrennen in Oberhof. Am kommenden Sonnabend veranstaltet der Bobklub Oberhof sein erstes Bobsleighrcnnen. * Wintersport in Oberhof. «Eigener Draht- bericht.s Schneehöhe 1,20 Meter, 2 Grad Kälte, Sportoerchältnissc günstig. * Internationale Eisschnelläufen in Pest schreibt der Budapcsti Korcolyaco Egylet für Montag, den 2. Februar, dieses Jahres aus. Es werden Schnell laufen über 500 und 1500 Meter ausgetragen. Herren- und Damcnkunstlaufen sowie eine internationale Walzertonturrenz vervollständigen das Programm. vte Krankenversicherung -er Dienstboten. Don hochstehender juristischer Seite wird uns geschrieben: .Zer neueste Streich, den die damals noch unter sozialdemokratischer Leitung stehende Ortskranken kasse gegen den ihr verhaßten Verein der Dienst herrschaften für Krankhcitskostenentschädigung der .Dienstboten gefiihrt hat, ist geradezu unerhört. Das Gesetz — nämlich der hier maßgebend« 8 418 der Reichsversichernngsordnung — schreibt vor: „Don der Versicherungspflicht wird auf Antrag des Arbeitgebers befreit, wer an diesen bei Erkran kung Rechtsanspruch auf eine Unterstützung hat, die den Leistungen der zuständigen Krankenkasse gleich wertig ist. Voraussetzung ist, daß 1. der Arbeitgeber di« volle Unterstützung aus eigenen Mitteln deckt, 2. seine Leistungsfähigkeit sicher ist, I. er den Antrag für seine sämtlichen Dienstboten stellt, sorvcit sie durch Vertrag zur regelmäßigen Ar beit für mindestens zwei Wochen verpflichtet sind." Und was macht nun die Ortskrankenkasse aus dieser an sich klaren und einfachen Vorschrift? Sie hat, wie ans der Mitteilung in Nr. 1 dieser Zeitung non 1014 hcrvorgcht. vor kurzem beschlossen, die Be freiung nur dann auszusprcchen, „wenn ein Jahres einkommen von mindestens 5000 .K nachgcwiesen und wenn in jedem Falle eine Kaution in Höhe von 120 für jeden einzelnen Dienstboten bei der Kaffe hinterlegt wird, die entsprechend verzinst wird, wenn ihre Zahlung in barem Gelde erfolgt." Worauf die Kaffe diese Forderung gründet, ist völlig unerfindlich! Gibt es nicht sehr zahlreiche Bürger in unserer Stadt, deren Leistungsfähigkeit sicher und über jeden Zweifel erhaben ist, auch wenn sie eine Kaution von 120 <g nicht hinterlegen? Das Gesetz gibt nirgends der Ortskrankenkasse ein Recht, von den ihre Befreiung nachsuchenden Arbeitgebern eine der Kasse zu lei st ende Sicherheit zu ver langen; vielmehr nruß cs zur Befreiung unter allen Umständen genügen, daß verstündigerweise nicht be zweifelt werden kann, der Dienstbote werde im Falle einer Erkrankung seinen Rechtsanspruch auf alle ihm zustehenden Leistungen durchsetzen können, ohne die Ortskrankenkasse in Anspruch zu nehmen. Diese Sicherheit ist aber schon dann gegeben, wenn eine Dienstherrschaft einem Riickversicherungsverein, wie d«em hiesigen Verein der Dienstherrschaften an gehört, der über einen Reservefonds von etwa 80 000 Mark verfügt und bei dem der Eingang der sich auf weit über 100 000 .V belaufenden jährlichen Mit gliederbeittage durch Vorauszahlungen sichergestellt ist. Wie kommt überhaupt die Ortskrankenkasse dazu, von Personen, die ihr gar nicht angehören, sondern gerade von dem Beitritt zur Kasse befreit sein wollen, eine Leistung, nämlich die Hinterlegung einer Sicherheit zu fordern? Zu welch ungeheuerlichen Konsequenzen dies führt, das zeigt sich, wenn man folgende Erwägungen anstellt: Angenommen, daß sämtliche Personen, die ihre Befreiung nachsuchen, wirklich dem Verlangen der Ortskrankenkasse nach- lämen und für jeden ihrer Dienstboten 120 .K in bar bei der Kaffe einzahltcn, dann würde diese mit den Geldern wirtschaften, die von Personen ein gezahlt sind, di« ihr gar nicht angehören. Und wie — wenn der Kassierer oder sonstige Angestellte die eingezahlten Kautionen unterschlagen — Fälle, die auch schon vorgekommen sind? An wen soll sich der befreite Arbeitgeber halten, zumal wenn die Kaffe zahlungsunfähig ist? Diese Möglichkeiten führen übrigen» dazu, daß di« der Ortskrankenkasse vor gesetzten Behörden dar geradezu ungesetzliche Ver langen der Ortskrankenkasse auf Bestellung von Kau tionen gar nicht aufrechterhalten können, ohne sich selbst schadenersatzpflichtig zu machen. Denn ein Beamter, der vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber inliegende Amts pflicht verletzt, hat den daraus dem Dritten er- wachsenden Schaden zu ersetzen, (tz 839 BGB.) Eine solche mindestens fahrlässige Verletzung der Amts pflicht aber würde vorliegen, wenn die der Orts krankenkasse vorgesetzte Behörde auf Beschwerde der Beteiligten das ungesetzliche Verlangen der Orts krankentasse billigen würde. Es ist übrigens kaum zu verstehen, wie die Orts krankenkasse zu ihrem ungesetzlichen Vorgehen gekom men ist. Vielleicht ist die mißverständliche Auffassung des in der Nummer 600 vom Jahre 1913 dieser Zei tung abgedruutcn Bescheides des Obcroersichcrungs- amtes die Veranlassung zu dem geradezu unverständ lichen Vorgehen der Ortskrankenkasse gewesen. In jenem Bescheide findet sich nämlich der Satz: „Ls muß dem Krankenkassenoorstande dabei selbstverständ lich überlasten bleiben, gegebenenfalls auch die Stellung einer Sicherheit zu verlangen." Dieser Satz läßt es aber, zumal wenn man die Entscheidung rm Zusammenhang liest, durchaus nicht zweifelhaft, daß das OLerversicherungsamt nur in einzelnen, ganz besonders gearteten Fällen — man denke z. B. an einen in Konkurs befindlichen Arbeit geber, der einen Befreiungsantrag stellt — es für zu lässig hält, den Beweis, daß „die Leistungsfähigkeit sick>cr ist", durch Stellung einer Sicherheit zu er bringen. Das Vorgehen der Ortskrankenkaffe verstößt aber auch gegen diejenige Auslegung, die das Oberver- sicheruugsamt dem Gesetze gegeben hat, weil die Orts krankenkaste generell, in allen Fällen die Stellung einer Kaution verlangt. Das Oberversiche rungsamt hat aber gerade in dem vorerwähnten Be scheide den Satz aufgestellt, daß über die Befreiung nicht generell, sondern nur v o n Fa l l zu Fa l l entschieden werden kann. Ist dies aber richtig, so muß es auch unzulässig sein, ganz allgemein zu bestimmen, daß jeder Arbeitgeber, der einen Bcfvciungsantrag stellt, zur Stellung einer Sicherheit verpflichtet ist. Die wohltätige Einrichtung, die der Verein der Dienstherrschaften darstellt, indem er es ermöglicht, die Dienstherrschaften zu erheblich billigeren Sätzen, als dies der Ortskrankenkaste möglich ist, zu versichern und insbesondere Beamte, Aerzte, Rechtsan wälte, Witwen und Nentnor davor zu sichern, daß sic für die in der Industrie und im Gewerbe tätigen krankenversicheunzspflichtigen Personen irgend welche Leistungen zu machen haben,, ist auch dadurch als be rechtigt anerkannt, daß die Königl. Kreishauptmann- schaft die neuen Satzungen des Vereins genehmigt hat. Gerade deshalb und weil die Dienstboten derjenigen Dienstherrschaften, die dem Verein angohören, von den häßlichen Wahlkämpfen zu dem Ausschuß der Ortskranken kaffe mit ihren ver hetzende» und den häuslichen Friede,! störenden Folgen ferngehalten werden, ist der .herein" der Sozialdemokratie, die ihre Hauptaufgabe in der Ver hetzung der verschiedenen Volksklasson sucht, ein Dorn im Auge. Wir sind davon überzeugt, daß die zuständigen Behörden dieses Partoimanöver durchschauen und die ungesetzliche Anordnung der Ortskrankenkasse aus heben werden, dies umsonrehr, als die Königl. Kreis- Ha uprmannschaft, indem sie die neuen Satzungen des Vereins der Dienstherrschaften genehmigte, damit zu gleich anerkannt hat, daß dieser Verein auch vom ver- ichcrungstechnischcn Standpunkt aus imstande ist, die ämtlichen seinen Mitgliedern gegeirübcr den Dienst roten obliegenden Leistungen zu erfüllen, so daß schon die Zugehörigkeit zum Verein ohne weiteres die Ge währ bietet, daß bei dessen Mitgliedern „ihre Let- stung'.fäbigkeit sicher ist", wie 8 418 RVO. dies fordert." O- Der Verein der Dienstherrschaften für Krankheits- kostenentschädiguwr der Dienstboten zu Leipzig schreibt uns: Zur Diensth'ttenversicherung sind scheinbar vom Vorstände der Ortskrankenkasse längere Ausführungen veröffentlicht worden, die sehr wohl geeignet sind, größere Verwirrung nicht nur unter unseren Mit gliedern, sondern unter dem Publikum überhaupt her- oeizuführen. Die in diesen Ausführungen ausgestell ten Befreiungsbedingungen sind noch schärfer als die für Berlin festgesetzten. Der Verein der Dienstherr schäften für Kranihcitskostenentschädiguna der Dienstboten wird bemüht sein, mit der Ortskranken kasse und gegebenenfalls mit dem Versicherungsamte über diele Bedingungen ein Einvernehmen zu er zielen. Die Mitglieder des Vereins können deshalb der Entwickelung der Angelegenheit mit Ruh« ent gegensehen. SSÄ)8iswe Nachrichten (*) Wurzen, 6. Januar. In der ersten dies jährigen Sitzung des Stadtoerardneten-Kollegiums gab Herr Bürgermeister Dr. Seetzen einen um fassenden Ueberblick der bemerkenswertesten Ereig nisse im kommunalen Leben während des Jahres 1913. Dis sich anschließenden Vorsteherwahlen endeten mit der Wiederwahl der bisherigen In haber der Vorsteherämter, nämlich der Herren Bank direktor Scharr nbeck, Fabrikant Kan iß und Schlosterobermeistcr D ä m m i ch. Die Einwohner zahl der Stadt beträgt zur,zeit etwa 19 200. Im Jahre 1913 wurden beim Einwohncr-Meldeumte :i340 Personen an- und 3620 abgemeldet. — Das Feldartillerie-Regiment Nr. 78 hält am 8. d. M. von vormittags 8 Uhr bis gegen nachmittags 3 Uhr öst lich der Stadt auf den durch die Ortschaften Roitzsch, Körlitz, Zschorna, Zsihepa und Lüptitz begrenzten Fluren ein Scharfschießen im Gelände ab. — Der Polizeibehörde gelang gestern die Festnahme eines schweren Verbrechers in der Person eines zu gereisten Arebiters, dem eine Reihe Diebstähle zur Last fallen. — Dem Bahnwärter Herrn Karl Heinrich Seidel wurde bei seinem Ueberttitt in den Ruhe stand vom König das Ehrenkreuz verliehen. ue. Zittau, 5. Januar. Ein junges Menschen leben wurde im benachbarten Kummersdorf wieder einmal durch Spiel mit der Schußwaffe ver nichtet. Bei der Frau verwitwete Gutsbesitzer Schönfelder war ein neuer Knecht angezogen. Dieser zeigte dem bereits dort bediensteten 15jährigen Knecht Irmer aus Kmnmerodorf seinen in der Lade ausbewahrten, geladenen Revolver. Irmer richtete im Glauben, daß der Revolver nicht geladen märe, den Lauf auf sich. Der Schuß ging los und traf Irmer in den Kopf. Er wurde ins Bernstadter Krankenhaus gebracht, wo er, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, verstarb. * Zwickau, 6. Januar. Die Stadt Zwickau hat bei dem Wafferamt Schwarzenberg um Genehmigung zur Errichtung einer Talsperre im Gebiete der kleinen Bockau nachgesucht. Das Staubecken soll 3 Millionen Kubikmeter Inhalt erhalten, wovon 1 Million Kubikmeter zunächst als Hochwafferschutz- raum und Reservoir für die Interessen der unter liegenden, industriellen Anlagen und 2 Millionen Kubikmeter für Trinkwasserzwecke bestimmt sind. Diese Talsperre wird natürlich nur dann ausgefuhrt werden, wenn die Zwangsgenostenschaft, die zur Bildung einer Anzahl von Talsperen im Mulden gebiete gegründet werden soll, durch Abstimmung nicht zustande kommt. Für die Interessenten Im Muldcnqebiete, für die Industrie, für die Gemeinden usw., würde die Erbauung dieser Talsperre drrrch die Stadt Zwickau vorteilhafter sein als die Erbauung durch die Oienostenschaft, da im ersteren Falle diese Interessenten zu irgendwelchen Leistungen nicht herangezogcn werden können, im Gegenteil, etwaige Entschädigungen zu beanspruchen haben, und da weiter die Vorteile in bezug auf den Hochwasserschutz den Interessenten in gleicher Werse zuteil werden wie wenn die Sperre von der Genossenschaft gebaut würde. Nash, schien vom Tage. Dc? Untergang -er „Oklahoma*. Cs bestätigt sich nunmehr, das; der Name dcO Dampfers, der in der Nähe der New Yorker Küste ein Opfer des Orkans geworden ist, „Oklahoma" ist. Der Tantdampfer gehörte, wie wir erfahren, der Gulf Nefining Com - vanu. Der Wert des Dampfers wird auf 700 000 Dollar angegeben. Im Anschluß an unsere früheren Meldungen erhalten wir folgendes Kabelgramm: New York, 6. Januar. Wie verlautet, sind von der Besatzung der „Oklahoma" 8 Mann gerettet worden, lieber das Schicksal der übrigen Mannschaft — wie man sagt 32 Mann — wurde noch nichts Bestimmtes bekannt. Kapitän Gr aal vom Dampfer „Bavari a" der Hapag meldet funken telegraphisch die Namen der Geretteten und fügt hinzu, die übrigen 32 Mann seien anscheinend mit dem Hinterteil des Schiffes gesunken. Mtttwory, 7. Januar 1914. vom Srocken, S. Januar. Seit dem 2. d. M. hüllt fortgesetzt dichter Nebel den Brocken ein, dabei hatten wir am Sonnabend und Sonntag mäßige Schneefälle; aber an dauernd schwere Nordwest- und Weststürme. Der gestrige Sonntag stand wieder einmal im Zeichen des Wintersports. — Wenngleich die Schnee lage für Stt und Rodel erst auf den Höhen von 700 Nietern aufwärts günstig war, so war der Betrieb im Brockengebret doch ziemlich lebhaft. — Das Wetter war teilweise neblig. — Die Schneelage war auf den Brockenwegen ca. 60, 70 bis 80 Zentimeter hoch. Die zahlreichen Tou risten kamen ebenfalls auf ihre Kosten. Mit Beginn der Dämmerung sah man lange Reihen den Spuren nach Torfhaus-Altenau, Scharfen stein und zum Ecker- und Schneeloch folgen. — Heute leichter Nebel 2 Grad Kälte, und zu weilen geringer Schneefall, dabei Weststurin, Windstärke 7. Nach der allgemeinen Wetterlage zu urteilen, haben wir im Brockermebiet mäßiges Frostwettcr und geringe Schneefälle zu erwarten. Das Unglück geschah Sonntag früh gegen 8 Uhr. Ein Teil der Mannschaft wurde früh gerettet. Kapitän Gunter telegraphiert vom Bord der „Bavaria", daß die „Oklahoma" als sie auf- gegeben wurde, mit dem Heck voraus ge sunken sei und daß der Bug fast senkrecht aus dem Wasser ragte. New Mark, 6. Januar. Im hiesigen Hafen trafen heute fünf Vermißte von der Mann schaft des verunglückten Dampfers ,Oklahoma" ein, die am Sonntag nachmittag von dem Damp fer „Gregory" der Boothlinie in einem Rettungs boot auf gefunden worden waren. Die Ge retteten waren sechs Stunden bei bitterster Kälte auf dem Meere herumgetrieben. In einem ande ren Rettungsboot wurden von einem Kutter drei Mann tot aufgefundcn, so daß mit den acht von der „Bavaria" Geretteten das Schicksal von 16 Mann von der 38 Mann starken Be satzung des Dampfers „Oklahoma" festgestellt ist. New York, 6. Januar. Die fünf Geretteten vom Dampfe: „Oklahoma" berichten, daß das Schiff ohne vorherige Anzeichen mitten durchgebrochen ist. Das Wetter war sehr stürmisch, ungeheure Seen schlugen über Bord, als das Schiff sich plötzlich nut dumpfem Krachen in der Mitte durchbog, anscheinend von zwei ungeheuren Wellen am Bug und am Heck in die Höhe gehoben. Die Maschinen arbeiteten mit voller Kratt unr konnten nicht zum Stehen gebracht werden. Die Mannschaft stürzte, soweit ihr dies möglich war, an Deck. Zwei Rettungsboote wurden flott gemacht; das erste schlug voll und ist wahr scheinlich dos Boot, in welchem der Zollkutter die drei Leichen fand. In dem anderen Boot mit d^n fünf Mann, die später von dem Dampfer „Gregory" ausgenommen wurden, befanden sich beim Abstößen elf Mann, von denen sechs bei wiederholtem Kentern des Bootes ertranken. Die fünf Geretteten befinde«; sich in einem bejammernswerten Zustand e. * Die Rückkehr des Defraudanten. Der von Eng land ausgelieferte frühere Stadtsekretär Riese- Eharlottenburg und dessen Frau sind einem Tele gramm zufolge in Hamburg eingettoffen. Riese war im vergangenen Jahre nach Unterschlagung von 200000 privater Gelder geflüchtet. Der Weiter transport erfolgt demnächst. * Das Ende des Muttermörders. Der 24 Jahre alte Stellenlose Schauerte, der in der Neujahrs nacht in Wiedenbrück nach erregtem Wortwechsel seine Mutter und seine siebenjährige Schwester er mordet und seinen zwanzigjährigen Bruder ver wundet hatte und hierauf geflüchtet war, ist, wie uns ein Telegramm aus Wiedenbrück meldet, in der Nähe des Rittergutes Lützen bei Leipzig tot aufgefunden worden. * Geheimnisvolles Verschwinden. Aus Ham burg meldet uns ein eigener Drahtbericht: Der großherzoglich - sächsische Generalkonsul W. Kemp ff, ein bekanntes Mitglied der Ham burger Bürgerschaft, wird, wie die „Hamburger Nachrichten" melden, seit einigen Tagen vermißt. Ueber die Gründe seines Verschwindens sind ver schiedene Gerüchte im Umlauf. * Grausige Tat. Aus Madrid wird gemeldet: In dem Marktflecken Berbegal erschoß der älteste Sohn des kürzlich verstorbenen Großgrund besitzers Palacios wegen eines Erbschaftsstreites seine Mutter und seine beiden Geschwister und entleibte sich sodann. plksrös Mehrung.' 38s Roman von Arthur Babillotte. Nachdruck verboten. Picard aber rieb sich die Hände und lief ver gnügt in den Schnee hinaus. „Wartet uur!" lachte er. „Ihr werdet schon sehen, wie s da oben rm Winter zugcht! Leben ist da oben wie net einmal »in der besten Jahres,zeit. Wartet nur, Pipinctte, Ihr werdet's schon sehen, Ihr werdet's schon sehen!" Das .Hans Grandidiers lag unter dem stahl blauen Himmel in dieser weiten weißen End losigkeit wie ein Häusclwn grämlichen Elends auf einem Meer wcißweißer Roscnblätter. Der Sturm sang seine Hymnen. Die Bäume schwank ten und ließen die iveiße Last von sich ab tropfen; gleich kam der Winter wieder und be streute sie aufs neue. Madame Pipinette machte große Augen hin ter ihren Brillengläsern, als eines Tages eine Menge tiefvermnmmtrr Gestalten in die Stnbc polterte, Männer in dicken Lodenhoscn und wol lenen ^Wadenstrümpfen, über den Leib gestrickte Hemden gespannt, die Pelzmüben tief über die Ohren herabgezoqen. Die gute alte Fran schlug die Hände über dem Kopf zusammen: sie Hane unter dieser Gesellschaft auch Frauen und Mäd chen entdeckt, die in rvciteu Pumphosen anmar- schiert kamen! „Ja," lachte Pteard, „fetzt geht's los, Pipi nette! Gestern ist die Rodelbahn in Markirch eröffnet worden, und von allen, wo dadrauf Herumrutschen, bekommen wir da oben Geld zu sehen, hahaha." Es war ein kristallklarer Wintertag, als der Wirt ,,^u »oleil levnnt" Gaston Perier nnd Gabriele bei dem Nachbar einttelen sah Die Sonne leuchtete kalt und yclausforöei iid in ihrem Unvermögen. Der Schnee knirschte unter den Tritten der Mensche«;. „Heut muß ich nach Markirch fahren," sagte Picard. Der Rechtsanwalt hatte sich augemcldet: „Will drei Tage ansspannen und mich in Eis und Schnee wälzen." Der Zug sollte um 3 Uhr nachmittags ein laufen. Picard schirrte Philine an, wickelte sich in einen dicken, pelzgefütterten Kntschermantel nnd kletterte auf den Bock des großer! Schlit tens. Das Knallen der Peitsche klang spitz und schneidend in der Starrheit der Wintcrluft. Hin ter der Gardine der Wirtschaft „Bellevue" sah Picard die goldigen Nackenlöckchcn Gabriöle Periers. Die Luft schnitt tiefe Risse in Gesicht nnd Hände. Wolken stiegen ans den Nüstern des Pferdes nnd verdampften. Der Weg war be lebt von allerlei Volk männlicher und weib licher Art; Rodelschlitten wurden bergan ge zogen, um die Bahn, die neben der Straße lftnlief, wieder abwärts zu sausen. Kinder und müßige Alte ans der Talstadt standen hier und dort nnd unterhielten sich auf Kosten der andern. Der Frost klirrte an den Resten der steifen Tannen, die über die Felswand links der Straße emporstarrtcn. Ans den Gründen des Waldes kam ein hohles Gesumme und Gesinge, manch mal war es aucv, als läuteten in einer tiefen Grotte tausend silberne Glöckchen. Das ist die Stimme Gabriöles! dachte Andre Picard unwill kürlich. Dann lachte er: Ich glaub schier, jetzt werd ich noch zum Poeten! Schneemassen hatten sich dem Zug in den Weg gelegt; er kam mit vieler Verspätung an, ganz atemlos nnd zu Tod erschöpft. Das kleine Lokomotivchcn warf zwei mächtige Rauchballen aus sich heraus, rasselte noch ein bißchen und lag dann still und ohnmächtig auf feinen Rädern. Picard schimpfte; kein Rechtsanwalt ließ sich sehen. Jetzt ist ihm natürlich wieder etwas dazwischen gekommen, was ihn abgelenkt hat, dachte er grimmig, nnd ich kann mir hier die Nase ersrieren. Er stellte Pferd und T.i,litten im Stall der Restauration „Zur Kanone" em und schlenderte faul durch die verschneiten öden Gassen des Städtchens. Er folgte der endlosen Hauptstraße und gelangte an den AuSgang der großen Rodel bahn. Aus der Höhe brauste Paar nach Paar herab, die Frauen und Mädchen hielten sich krampfhaft an den Hüften der Männer fest und jodelten dabei. Während Picard dastand und sich des munteren Treibens freute, kam ein eleganter Rodelschlitten bis dicht vor seine Füße ge fahren. Als er unwillkürlich einen Schritt zu rückwich, blickte er in die blinkernden Augen Gabriöle Periers. Sie lachte ihn an und rief ganz ausgelassen: „Jetzt hatte ich Sie beinahe über den Hausen gerannt, Herr Picard!" Das Glöckchen in ihrer Stimme läutete mit Macht. Sie kamen in ein Geplauder, dem nichts von der Schwere ihres vergangenen Zusammen seins anhaftete. Der Begleiter der jungen Frau, ein Herr, der sic oben zum Mitfahrcn eingeladen hatte, war bereits in der Schar der andern ver schwunden. „Ich kenne ihn weiter nicht," er klärte Gabriöle. „Mein Mann ist unvermutet aus Le Mont antelephoniert worden, — eine nichtige Sache. Er mußte schleunigst hinunter. Nun will er mich abends abholcn, es gefiel mir so in dem vielen Schnee . . ." Sie waren, ohne es gewahr zu werden, an den ersten Häusern der Stadt vorbeigckommcn. „Wie schön es im Winter ist!" sagte Gabriele. „Ja." Dann schritten sie schweigend nebeneinander her. Gabriöle war in ein dickes Pelzjackett ge hüllt, ein schwerer dunkler Rock floß über ihre schlanken Hüften herab. „WaS lmben Sie das letzte Mal nur von mir gedacht?" fragte sie plötzlich. Er sah sie verständnislos an. ,Hch weiß nicht . . ." sagte er. „Lieber Herr Picard," — sie blieb mitten ans der Straße stehen —- „ich denke, wir wollen gute Freunde bleiben, «nie wir cs früher waren, nicht wahr. Trotz allem, was zwischen Ihnen nnd meinem Manne liegt." Ta rat er noch einmal die Frage, aber diesmal in einem zarteren, gleichsam mit fühlenden Tone: „Lieben Sie Ihren Mann, Fran Perier?" „Bitte, sagen Sie nicht Frau Perier zu mir," gab sie zur Antwort. Und da wußte Andr6 Picard manches, was ihm tausend Worte nicht besser hätten verraten können. Er dachte an die Zeit in St. Di« zurück, an die stillen Abende, wenn er, müde von der Ar beit des Tages, in seinem Sessel gelehnt, mit Gabriöle Haricourt geplaudert hatte. Er sah Madame Pipinettc daneben sitzen, und Madame Pipinette hatte stets so ein verstohlenes, glück seliges Leuchten im Hintergrund ihrer guten Augen. Dieses Leuchten, das selbst durch die blauen Gläser zu sehen war, das sagte: Jaja, diese zwei, die passen zusammen, und was an mir liegt, soll wahrlich nicht versäumt werden, um sie zusanlmenzubringen! „Wissen Sie noch, die stillen Abende vor dem Kamin?" fragte er, stanz gefangen gehalten von den vergangenen Bildern. „Ja, die stillen Abende vor dem Kamin," sagte sie verträumt, und es schien, als glühten sie alle ruhig und verhalten in ihrer heim lichen Glut in den Worten der jungen Frau. „Wir hatten immer so viel zu plaudern," sagte Picard. Er kannte sich selber nicht mehr. Ec wußte nur, daß er in diesen letzten Monaten ein anderer geworden war. Die Heimat seiner Mutter war iu ihm wach geworden und tönte nun jede Stunde, ja jede Minute und jede Se kunde in ihm. Sie lockte. Sie streichelte ihm mit sanften Fingern und machte ihn selbst sanf ter und geduldiger. Darüber war Germaine weit »urückgeschoben worden. Ganz hinten stand sie jetzt mit verweintem Gesicht und großen an- klagenden Augen. Ja, so sah er sie oft tn un ruhigen Träumen: Still, mit tränenüberström tem Gesicht und großen, fragenden Augen . . . Er wußte kaum, was sie jetzt wohl dachte und tat. Er schrieb nur immer seine Liebesbriefe für den toten, kleinen Schreiber; es war ihm längst zu einer behaglichen Gewohnheit ge- worden. (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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