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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140107014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914010701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914010701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-07
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 10. Morgen-Ausgabe. Leipziger Tageblatt. Widersprüche nicht geben zu können. Der Ange klagte Reuter sagte aus. der Gegensatz in den Zeugen aussagen sei verständlich, alles sei sehr schnell ge- gangen. Die heutige Sitzung, zu der der Andrang aus allen Teilen von Elsaß und Lothringen beinahe noch irärker ist als gestern, beginnt um 9 Uhr mit der Fortsetzung -es Aeugenverhörs. Zeuge Leutnant Bethke macht zunächst Angaben über die Gründe, aus denen er Berhaitungen vorgcnommen hat. Ich habe einen Mann sestgenommen, der mir absichtlich den Weg vertrat. — Berhandlungss.: Schimpfte er'? —Zeuge: Nein. Aber er trat mir immer in den Weg. Ich befahl deshalb meinen Leuten, von der Waffe Ge brauch zu machen, nämlich den Kolben zu nehmen Lin Mann wollte Reißaus nehmen, ein Musketier nahm ihn fest, und am andern Tag zeigte er mir noch die kratzwunden, die der Verhaf tete ihm beigevracht hatte. — Vcrhandlungss.: Warum wurde dieser Mann sestgenommen? — Zeuge: Aus einer Gruppe der Ansammlungen wurde uns zugerusen: „D i e I e Bestie n!" Ich Uetz die Leute sestnehmen, von denen ich annahm, datz sie gerufen halten Ein andermal habe ich einen jun gen Mann sestgenommen, der einer Gruppe ange hörte, die uns verhöhnte und auslachte. — Vcrhand lungss.: Wie viel Mann haben Sie im ganzen verhaftet? — Zeuge: Etwa i i eben. — Verhandlung»».: Was wurde geichnnpst? Zeuge: „Treue!)»-Mark-Offi- ziere!" Aus der Strafe waren sehr viel Menschen, aber «ehr wenig oder gar keine SitlierheUsbeamtcn. — Vcrhandlungss.: früher haben Sie gesagt: S:e hatten den ersten Mann seilgenommen, weil er Ihnen den Weg veriprrrte und sich über Sie lustig machte. — Zeuge: Jawohl, er drehte sich immer um und lachte uns aus. Die nächste Zeugin, Fron 15vero, wohnt neben dem H otel „Z u m k a r p f e n" und bekundet, datz an einem Abend, als die Offiziere im Hotel waren, die Menge draussen schrie: „Dreizehn- Mork.Offiziere, Drectschwob, Saupreuft, ^Blutsauger, die Hunde sollen erüskomincn, wo ein Schwob hin- sch wächst kein Gras mehr." !lnd auch der O b e r st sei beschimpft worden wie sonst, mit „seidenes Kaninchen", „Schlotzgeist" ujw. — Ver- handlungsf.: Diese Schimpfereien waren also in Zabern an der Tagesordnung? — Zeugin: Jawohl, es war einfach furchtbar. Es wuroe auch gerufen „Vive la France". — Lerhandlnngss.: Waren das Zaberner, die das riefen? — Zeugin: Die waren auch darunter. Die Offiziere wurden regelrecht ver- höhnt. Ich habe gehört, datz sogar eine Prämie von tl) ./< ausgesetzt worden ist, für denjenigen, der den meisten Radau macht. Dann wurde mir erzählt, datz AM Genossen an» Mülhausen kommen sollten, um einen Krawall zu provozieren. Es wurde auch gesagt, cs müsste südländisches Blut in die Sache hineinkonimen, dann erst würde sie richtig tDie Zeugen, die das gehört und cs dieser Zeugin mitgeteilt haben, werden telegraphisch ge laden.) Es war eine Schande, datz so eine Hetze i il Zabern getrieben wnrde. Ich habe das schon früher gesagt, cs aber auf Verlangen des Bürgermeisters zurüktgenommen. Ich habe das getan nicht aus Ueberzcugung, sondern weil ich als allein stehende Frau nicht in die Zeitung kommen wollte, womit mir der Bürgeistcr drohte. Er sagte, es sei gar nicht so schlimm, die Zaberner wollten nur einmal kreischen, totgeschlagen hätte mau de» Leutnant v. Forstner niemals. Ich habe insolge meiner früheren Aussagen be reits schwere geschäftliche Schaden gehabt. Der Oberst v. Neuler ist ein herzensguter Mann Ein Milchmann in Zabern, der früher in Köln bei ihm gedient hatte, stellte sich ihm auf der Strafte einmal vor und der Oberst hat ^eine Freude darüber aus gesprochen, ihn auf der Strafte ein Stück begleitet und als dem Milchmann ein Kind starb, hat der Herr Oberst einen sehr schönen Kranz geschickt und einen rührenden Bries. fettste Vcutuont Brnnswirk: Der Wirt des Hotels „Zum Karpfen" erzählte mir, datz neun Arbeiter sich verabredet hätten, die Gaslaternen herunterzureitzen und sich in der Dunkelheit auf die Ojfiziere zu stürzen. wl-ersprüche in -en Auslagen. Um 10 Uhr zieht sich der Gerichtshof zurück, um gegen die Berichterstattung der „Frankfurter Zeitung" Stellung zu nehmen. Die schlechten akustischen Verhältnisse rn dem grossen Saal er schweren lehr die Berichterstattung. Der Vertreter der „Frankfurter Zeitung" wird zur Rede gestellt, weil er den Ausdruck „Der Hund höhnt uns!" angeblich alsAeutzcrung Reuters wiedergegeben hat. Der Vertreter, der dieses Missverständnis mit der schlechten Verständigung erklärt, lagt eine Berichtigung zu. DerVerhandlungsfrihrer erbittet möglichst objektive Berichterstattung. Auf Grund des Vorkommnisses werden der Preise bessere Plätze eingeräumt. .Zeuge ttreiodirektor Meine Angaben wegen des 2 u b or d r n a t i o n s' v e r h ü l t n i s s e s z u Ob e r st von Reuter be dürfen einer Berichtigung, da meine Aussagen falsch nusgelcgt morden sind. Ich habe am ll. November auf dem Bahnhof dem Statthal.rr vorgetragen, datz O b e r st von Reuter mir soeben in sehr lautem Tone Vorwürfe ge macht habe, datz ich aus seine Aufforderung nicht zu ih m geko m m e n sei. Nach Anführung sämtlicher Gründe und Darlegungen der gesamten Situation bat der Statthalter erklärt, datz gegen meine Antwort, datz ich nicht zu dem Obersten hinging, nichts einzuwenden sei. Er har nicht gesagt: Ich solle nicht zum Obersten gehen, der Statthalter war vielmehr der Auffassung, datz ich als Jüngerer zum Obersten hätte hingehen müssen, wenn er mich in einer Form darum ersucht hätte, die mir das ohne Bedenken für meine Amts stellung und mich möglich gemacht hätte. Rach der Art, wie es aber geschehen, konnte ich nicht hingehen. Tas haben der Statthalter und der kommandierende General gebilligt. Verhandlungsf.: Sic haben aber gesagt, der Herr Statthalter hätte ihnen verboten, zu dem Herrn Oberst zu gehen. — Zeuge Kreisdirektor Mahlt Der Herr Statthalter wünscht festgestellt zu sehen, datz dies nicht ein allgemeines und unbedingtes Verbot war und er wünscht das schon mit Rücksicht auf das Verhältnis zwischen Zivil und Militär. — Anklagevertreter Kricgsgerichtsrat Ofsiander: Aber nach der Bekundung dieses Zeugen von gestern hat der Herr Statthalter ihm aus drücklich verboten, zu dem Herrn Oberst Zu gehen. Dies bleibt von dieser Berichtigung unberührt. Es folgt -ie Vernehmung -er Musketiere, die seinerzeit den Leutnant v. Forstner als Patrouille durch die Stratzen begleitet baben. Sie bekunden, datz sie einen Mann fest genommen haben, der gerufen hatte: „Lump" und „Dreckjack". — Vcrhandlungss.: Haben sie auch den richtigen Beleidiger arretiert? — Die Zeugen: Ja wohl. Verhandlungsf.: Waren viel Leute auf der Strafte? — Die Zeugen: Zuerst war keiner da, dann aber kamen viele Leute und die haben geschrien und gejohlt. Zeuge Unteroffizier Nolde, der auf Kasernen wache war, kann wenig bezeugen. Zeuge Musketier Beck berichtet, datz am 28. No vember 10 bis 18 junge Burschen riefen: „Ihr Dreckschwobe, geht nach Haus". Als die Turnstunde beende: war, rief ein Bursche: „Da geht der Lump, der Drecksack!", worauf Beck den Mann verhaftete. Hierbei hätten sich an hundert Mann angesammelt. Später nahm der Zeuge noch eine Verhaftung vor. Zeuge Musketier Iaqnet äutzert sich über die Vorgänge vor der Turnhalle. Einer der Schreier, namens Kiefer, wurde, als er „Lump und „Drecksack" rief, verhaftet. Als nächster Zeuge wird darauf der 18jährige Ackermann Kiefer ausgerusen. Verhandlungsf.: Sie sind von einer Wache des Leutnants Freiherrn v. Forstner fest genommen worden? — Zeuge: Jawohl, aber ich habe nichts gemacht. — Verhandlungsf.: Haben Sie nicht gerufen „Dreckschwob" und „Drecksack"? — Zeuge: Nein. — Verhandlungsf.: Die Musketiere haben das aber ganz bestimmt gesagt. — Zeuge: Ich habe nichts gerujen und auch nichts gehört — Die beiden Musketiere erklären: Das ist der Mann, wir erkennen ihn wieder,-er trug eine grüne Schürze. Zeuge Kiefer: Ich trug aber eine blaue Schürze! (Heiterkeit!) Andere Jungen trugen eine grüne Schürze. — Leutnant v. Forstner: Ich erkenne den Ni ann ganz v e st i m in t wieder. — Zeuge Kiefer: Ich habe aber nicht gerufen, ich bin verhaftet und dabehalten worden. — Verhandlungsf.: Am andern Morgen gab es aber Kaffee und Brot? — Zeuge Kiefer: Jawohl, aber nicht sehr viel. ^Heiter keit) Aufterdem durfte ich Bon 2 Uhr nachts bis morgens l) Uhr nicht austreten. Zeuge Leutnant Schadt: Ich hatte selbst die Wache und einer nach dem andern ist von den Leuten ausgetreten. Wir hatten das Empfinden, datz das eigentlich gar nicht nötig war und datz sich die Verhafteten dadurch nur eine Abwechslung verschaffen wollten. Zenfie Lchlossrr .Habermann-Zobern ist e b e n falls festgenommen worden. — Ver- handlungsf.: Weshalb? — Zeuge: Das weift ich nicht, ich habe nichts gemacht, ich wollte in die Fortbildungsschule. — Zeuge Leutnant Fontram: Der Zeuge hat in frecher Weise gejohlt und gelacht. — Zeuge Leutnant Schamda: Er hat. als wir ihn fcstnahmen, gesagt: „Euch wollen wir das schon zeigen." — Zwei Musketiere bekunden weiter, datz ein Arbeiter Aron von ihnen festgenommen worden ist, weil er gerufen habe „Dreckschwein, dreckiger Kerl". Aufter dem habe er sich bei der Verhaftung widersetzt, uni sich geschlagen und gekratzt. — Dieser Arbeiter Aron wird hierauf als Zeuge ausgerufen. — Verhand lungsf.: Sie sollen „Dreckschwein" gerufen haben? — Zeuge Aron: Das ist nicht wahr. Ich kann Zeugen dafür stellen, datz das nicht wahr ist. — Verhand lungsf.: Sie sollen sich auch widersetzt und losgerissen haben? — Zeuge: Nein — Verhandlungsf.: Hat vielleicht ein anderer „Dreckschwein" ge rufen?— Zeuge: Nein, es war überhaupt niemand da. — Verteidiger Rechtsanwalt Krossart: Ta war es wohl ganz mäuschenstil l? — Zeuge Aron: 2a — Zcir^e Lchlosserlehrling Nolb ist ebenfalls verhaftet worden und behauptet gleichfalls, er habe nichts gemacht, er sei zur Wache gebracht worden und habe sich mit dem Gesicht gegen die Wand stellen müssen. Plötzlich sei Oberst von Reuter gekommen und habe gesagt: „Runter in den Keller!" Um 1 Uhr nachts wurde der Zeuge erst vernommen. — Verhandlungsf.: Was haben Sie nun eigentlich gemacht? — Zeuge: Gar nichts. — Verhandlungsf. Und was tat dieM en schen menge?— Zeuge: Die brüllte! — Verhandlungsf.: Wer war denn drin in der Menge? — Zeuge: Ich kannte niemanden. — Verhandlungsf.: Sagen Sie es doch nur. Sie haben es doch früher auch gesagt. — Zeuge: Der Redak teur Wiebicke war auch dabei. Zeuge Musketier Braun bekundet, datz er in das Haus einer Frau Heyl eingedrungen sei, um dort den Schreiner Lewi festzunehmen, der geschimpft hatte. Er sei von der alten Frau Heyl, die angeblich zu Tode er schrocken gewesen sei, so kräftig am Arm festgehalten worden, datz er am Weitergehen verhindert wurde. Titurels vorzüglich geeignet. Die Rollen der Grals ritter und Knappen und die der sechs gruppenführcn- dcn Blumenmädchen waren gleichfalls mit gediegenen Kräften besetzt. Die Chöre der Ritter, Jünglinge und Knaben aufs sorgsamste dynamisch ausgefeilt, waren über jedes Lob erhaben, und das neckische Locken der losenden Blumenmädchen war eitel Wohl laut und Stimmenglanz. Der wohlbewährte Chor meister der Bayreuther Festspiele Professor Rüdel- Berlin, hat es meisterhaft zuwege gebracht, datz die Chöre in Berlin denen in Bayreuth durchaus eben bürtig waren. Und nun noch ein kurzes Wort über das herrliche Orchester und seine prachtvollen, einzigartig schönen Vorträge. Die Tempi entsprachen durchweg denen des Bayreuther Vorbilds: der erste Akt dauerte 1 Stunde öl) Minuten, der zweite 1 Stunde 5 Minuten und der dritte 1 Stunde 20 Ml acuten. Was von den wackeren Künstlern in dem vertieften Raume unter der gewissenhaften Leitung des Generalmusikdirektors Leo B l e ch geleistet wurde, ist eine künstlerische Grosstat von höchster Voll- kommcnhcit. Die wahrhaftig nicht geringen Schwie rigkeiten der „Parsifal" Partitur wurden von den Vertretern aller Instrumente mit feuriger Hingebung glänzend gemeistert. Und da merklich alle Fähigkeiten bis zum Aeutzerslen angespannt waren, gelang ein hehres Kunstwerk von weihevoller Grötze und tiefster Beseelung. * Die Erschütterung der Zuhörerschaft war nach allen drei Alten nutzerordentlich stark. Im Zeichen tiefster Ergriffenheit von dem Erlebten unterlieft man Bcifallsäuftcrungcn. und als sich bei einzelnen am Schlüsse doch die ungeheure Spannung in einer stür mischen Dankeskundgebung auslösen wollte, ward schnell Schweigen geboten. Welche Wandlung der Gesinnung, welche Ver tiefung der künstlerischen Anschauung im Verlause eines reichlickvn Menschenalters? Mitte der 70er Jahre mutzte sich der alte Kaiser Wilhelm noch per sönlich mit allem Nachdruck für das grimmig ange- feindete Werk Wagners einsetzen, und doch konnte er bei der ersten „Tristan" Ausführung in der Berliner Hofopcr einen Tbeatcrskandal nicht verhindern. Gestern huldigten an der Spitze einer andächtiaen Wagner-Gemeinde Enkel und Urenkel des ersten deutschen Kaisers den Manen jenes Gefürsteten unter den deutschen Tonschöpsern. Damals vermochte niemand die Zeickren des Missfallens zu bändigen, heute gelingt es nur mit Mühe, das aus vollem Herzen quellend« Dankes»''ühl gegen die Helfer am Werke des Bayreuther M-isters vorm lauten Ueber- kckfiiumen zu bewahren. Und nach solchem Wandel sollten wir nicht fähig sei», auch autzerhalb Bay reuths dem „Parfisal" eine würdige Aufnahme zu bereiten? Nein, der gHtrige lag bat » deutlich ae- HHtz- da« deutsch, Volt hat von Wagner innerlich Besitz ergriffen, und darum durfte ihm in seiner breiten Allgemeinheit auch Wagners Schwanen gesang nicht länger oorenthalten bleiben. vr. ^rno 6üntbsr. Kunst und Wissenschaft. Julius Zreun- Julius Freund, der langjährige Hausdichter des Metropoltheaters, ist in Partenkirchen am Dienstag früh einem Darmleidcn erlegen. Nach Giampietro nun auch der Dichter. Inner halb weniger Tagen hat das Berliner Metropol- rheater zwei seiner festesten Stützen verloren. .'»1 Jahre ist er nur alt geworden der Lehrerssohn aus Breslau, der einst die Hand nach dem Lorbeer des Mimen ausslreckte und den Lorbeer des Dichters empfing. Den Namen Freund — Tausende nannten ihn, wenn di« Berliner Saison anbrach und die Autos und Equipagen der eleganten Welt vor dem lichlstrahlenden Gebäude in der Behrenstratze hielten. Er hat zusammen mit Joseph Schultz und Viktor Holländer der nimmcrermüdendcn Grotzstadt die Stätte ge'chassen, die Berlin fehlte: die Stätte mondänen Lel'ens. Iul'us Freund kannte das Leben der Grotzstadt, er empfand mit ihm und spürte ihm nach. Und was er erspäht batte, das tauchte wieder aus in feinen Liedern. Gedichten und Couplets. So kam es, datz die Besucher der Revuen nickst erst lange sich cinzristelle l brauchlen zu den jeweils neuesicn Schövfungen der Frcundschen Muse. Einige, wenige Worte von der Bühne und der Kontakt war hergcfiellt. Julius Freund hatte den sarkastischen Witz des modernen Berliners, der aus Sarkasmus, Humor und Schnoddrigkeit besteht. Er kannte die Stelle, wo er das Berliner Herz tressen mutzte, um es unter Lachen weinen zu mäck>en. Und der Beifall, der in jedem Jahre sich wiederholende Erfolg seiner Werke, in denen er die Ereignisse eines Jahres Revue passieren lieft, bewiesen ihm stets aufs neue, daß er seinem Publikum wieder einmal gegeben batte, was es verlangte. Man hat sich oft erzählt, Freund habe literarischen Ehrgeiz. Er wolle mehr geben, als nur „geflügelte Worte". Er lmt die Absicht nicht mehr verwirklichen können Aber auch so wird man seiner nicht vergessen können. Wer jemals die Geschichte des modernen Groß-Berlins schreiben wird, kann an dem Autor der Metrvpol- tbeaterrevnen nicht stillschweigend vvrübergehen. V,k. Leipzig, 7. Januar. Reue» Theater, l.,Tannhäuser.") Ein Heinrich von Ofterdingen gastierte, der vorläufig gewttz nicht faszinierte, aber doch interessierte durch die recht ein dringliche Beweisführung sicher noch kommender Ent wicklungsfähigkeit. Gutes Material, zwar noch bil dungsbedürftig, in der hohen Lage auch nicht immer geschickt genug verwendet und in den Lagenübergän- gen vorerst nicht durchweg genügend ausgeglichen. Josef Vogl-Mainz ist noch zu wenig darstellerisch ge übt. In den ersten beiden Akten gab er wohl alles ver ständig, aber dock) recht theatralisch, die Bewegungen sehr konventionell und oft an Klimmzüge erinnernd. Eine nicht geringe Ueberraschung brachte mit einem Male die WallfahrtserMlung. Die Stimme ent faltete sich freier, der Vortrag gewann an beredterer Charakteristik, die Akzente nähmen bestimmtere Fär bung an und wurden energischer, und ein bisher fehlendes Temperament gab neue Töne an. So ge langte die Leistung schlietzlich zu einem gar nicht voräuszusehcnden, sehr beachtenswerten künstlerischen Höhepunkt. üngon Keguitr. Konzert von Bronislaw Huberman und Ella Rafelson. Gleich Havemann, der tags zuvor Brahms' Violinkonzert mit hervorragend künstlerischem Ge lingen vermittelte, spielte auch Hubermau dies technisch und musikalisch sehr anspruchsvolle Werk in einer Weise^ die dem jungen Künstler zu hoher Ehre gereichte, stürmischer Applaus ward ihm dasür als wohlverdienter Lohn. Huberman ist eine schwär merisch veranlagte, mit starkem poetischen Gefühl aus- gesiattete Natur. Doch bewahrt ihn ein sein musi- tnlischer Geichmack vor einer sentimentalen Auffassung und süßlich femininen Wiedergabe aller lyrischen Stellen, die seinem Gefühlsleben weit mehr ent sprechen als leidcnschaitsersüllte Partien. In jenen trat sein überaus klaugichöncs Spiel mit all den mannigiachen dynamischen Nuancen ganz besonders in wirkungsvolle Erscheinung, erfreute sein mit clasti- icher Bogensührung erzeugter, weniger durch Grötze denn durch vollendete Schönheit und Weichheit aus gezeichneter Ton die Herzen der Zuhörer. Aber auch seine absolut zuverlässige Technik wie nicht minder die Reinheit seines Spiels bei allen aufs feinste und sauberste dargebotcnen Passagen und dem reichen Figurenwerk, namentlich in Mendelssohns E Moll- Konzert, ritz die den Kaufhaussaal dicht füllende Zu hörerschaft zur Bewunderung hin, um >o mehr, da der gefeierte Künstler auch in rhythmischer Hinsicht den höchsten Anforderungen gerecht ward, wie dies die Wieoergabe der Finalsatz- beider Werke deutlich be wies. Zu hoch eingejchätzt ward das Spiel Fräulein Ella Rajelsons. Leistungen und Beifall stgnden noch nicht im rechten Verhältnis. Gewitz verfügt die Pianistin über eine gut geförderte Technik, wie da» nach dieser Seite hin recht anerkennenswert vor getragene G Moll-Konzert von Saint-Saöns zeigte. Doch war die rem physische Kraft noch nicht für alle Stellen ausreichend, blieb gröftcre Wärme i:n Aus druck und tieferes Erfassen des musikalischen Teiles mehr oder weniger -u vermissen. Ei« besonder^ LHb Mittwoch, 7. Ianusr 1914. Zwei Zivilzeusen Litt und Fritsch bestreiten, datz sie Veranlassung ,u ihrer Verhaftung gegeben haben. Der Zeuae Fritsch führt Beschwerde darüber, datz er, obwohl er an heftigem Durchfall gelitten habe, in der Nacht in den Keller einaesperrt worden sei und zum Austreten nicht herausgelassen wurde. Er wolle deshalb den Oberst v. Reuter verklagen. — Verhandlungsf.: Das können Sie aber hier nicht machen. lHtkt.) Ein ISjähriger Bursche, namens Klemens, bekundet, datz er verhaftet worden sei, obwohl er nichts gemacht habe. Einer der Offiziere gibt dazu an, der Junge habe gelacht, als preußischer Offizier habe er sich aber auf der Strafte mit dem Jungen nicht herumschlaaen wollen, deshalb sei die Festnahme erfolgt. — Zeuge Arbeiter Kaufmann ist schwerhörig, hat aber trotzdem das Johlen und Pfeifen der Menge gehört. Er will selbst nicht gerufen haben und ist verhaftet worden. Zeuge Sergeant Bronowski: Leutnant Schadt lieft scharf laden und forderte die Menge auf dem Schlotzplatz dreimal auf, aus- einanderzugehen. Wir sollten vor allem niemand durchlasscn Da kam ein Mann mit einem Korb. Ich sagte ihm, ich dürfte ihn nicht durchlassen: er sagte, er käme aus der Fabrik und wollte nach Hause. Ich glaubte ihm das nicht und gab erneu) den Befehl, er solle zurückgehen, oder ich würde ihn absühren lasten. Ich habe ihm den Befehl zwei- oder dreimal gegeben. Als er nicht gehorchte, gab ich zwei Soldaten den Be fehl, den Mann zur Wache zu bringen. Verhand lungsf.: Haben Sie gehört, datz der Mann ge- schrmpft hat? Zeuge Bronowski: Nein, aber es wurde allgemein gejohlt und gepfiffen, die Menge wollte uns verspotten. Zeuge Arbeiter Meier ist der Mann mit dem Korb. Er bekundet, datz er ohne jeden Grund festgenommen worden sei. Man habe ihm am Genick gepackt und Soldaten hätten ihm, als er nicht schnell genug ging, gesagt: „Lumpenkerl, wollen Sie weitergehen! Auf der Wache sei er in die Ecke gestellt worden. Er habe nach Hause gehen wollen, weil er Hunger hatte. Da habe man gesagt: „Ihr Lumpenkerle sollt ruhig sein!" Im Keller sei es vollkommen finster gewesen. Wenn man sehen wollte, hätte man erst Streichhölzer anzünden müssen. Erst am andern Morgen um 10 Uhr sei er verhört worden. Verhandlungsf.: Weswegen Sie verhaftet wurden, wissen Sie nicht? — Zeuge: Nein, ich habe nichis gemacht. Ich habe mich nirgends aufgehalten. Um < Uhr war ich aus der Fabrik gekommen und uni 8 Uhr war ich schon im Keller (Heiterkeit). — Zeuge Musketier Schlau hat einen Zivilisten, der ver ulkende Zuruse gemacht hatte, in ein Haus hinein verfolgt, rn das sich dieser geflüchtet hatte. Zeugin Frl. Heil bewohnt mit ihrer Mutter das Haus, in das der Musketier eingedrungen ist. Sie bekundet, datz dort nach dein Schreiner Levy gesucht wurde. Die Zeugin hat auch gesehen, datz der Mann mit den: Korb verhaftet worden ist. Der Mann wollte nur durchgehen, aber man hat ihn nicht durchgelasten. — Verhandlungsf.: Die Mutter der Zeugin hat Strafantrag gegen Leutnant Schadt wegen schweren Hansfriedensbrncbs gestellt. — Bert. R.-A. krossart: Warum war denn der Levy überhaupt auf die Strafte gegangen? — Zeugin: Er hatte den Lärm gehört. — Bert.: Also war es auf der Strafte doch nicht ruhig. — Zengin Er hörte nur die vielen Leute hin- und hergehen. — Verhandlungsf.: Ein unparteiischer und objektiver Zeuge hat bekundet, datz aus Ihrem Hause heraus geschimpft wurde. — Zeugin: Davon habe ich nichts gehört. Vizefeldwebel Stoll bekundet als Zeuge: Leutnant v. F o r st n e r ging auf den Schlotzplatz. Ein lOjähriger Mann gebührt dem Windertzeinorchester für die wohl- gelungene Begleitung der beiden Violinkonzerte. Outt bl'N !nunn. * Hans - Sitt - Jubiläum. In diesen Tagen voll enden sich 25 Jahre, datz Professor Hans Sitt zum musikalischen Leiter des Leipziger Lehrer- Gesang-Vereins erwählt wurde. Seit dem 8. Januar 1889 hat er nun neben seinem außer ordentlich vielseitigen ersprießlichen Wirken am hiesigen Konservatorium seine reichen, künstlerischen Kräfte mit immer sich verjüngender Frische und seltener Selbstlosigkeit in den Dienst dieses Vereins gestellt, der unter seiner Leitung allmählich zu einem der stärksten und leistungsfähigsten herangewachsen ist. Durch unbeirrte Schulung an den besten Werken des Männergesanges hat er die Darbietungen des Leipziger Lehrer-Gesang Vereins auf eine hervor ragende Stufe musikalischen Könnens erhoben. Immer war sein höchstes Bemühen, den Geist des Kunstwerkes bei Sängern und Hörern lebendig wer den zu lasten. Durch dieses echt musikalische Streben hat er mit seinem Chore in der Heimat wie in der Ferne (Wien, Köln, Wiesbaden, Destau, Mannheim, Straßburg und andere Orte) ehrliche künstlerische Erfolge errungen und seinen Namen zu einem der geachtetsten und beliebtesten in der Scingcrwelt gc macht. Autzerdem hat er durch ein« stattlich« Reihe wertvoller Kompositionen, die den hochstrebenden und warmfühlendcn Künstler offenbaren, die Männerchvr- literatur vielfach bereichert. Infolge seines hohen Ansehens wurde er wiederholt bei bedeutenden Sängerwettstreiten zum Preisrichter berufen. Man cherlei Anerkennungen und Auszeichnungen sind ihm als Lohn seines vornehmen, künstlerischen Schaffens zuteil geworden. Der Verein aber, der das seltene Glück hat, Hans Sitt nun ein Vierteljahrhundert den Seinen nennen zu können, wird versuchen, seine Dankesschuld gegen seinen Liedrrmetster beim nächsten Stiftungsfest adzutragen. Er hofft — vor behaltlich weiterer Ehrungen — dem Jubilar die schönst« Freude dadurch zu bereiten, datz er unter Mitwirkung hervorragender Schüler Litis und des Konservatoriumorchejtcrs in zwei Festkonzerten Izauptsächlich Werke des Meisters zum Vortrag brin gen wird. Möge Hans Sitt dem Musikleben unserer Stadt noch lange als ein kundiger und treuer Führer erhalten bleiben! * Tuberkulös,sorjchung. Professor Schleich und Dr. Friedmann sind, wie aus Berlin gemeldet wird, nach Davos adacreist, um einer Aufforderung folgend dort tuberkulöse Patienten mit dem Fried- mann schen Mittel zu behandeln. * Au» ber Eelehrtenwelt. Zum stellvertretenden Direktor der Handelshochschule München wurde an Stelle de» nach vech zweijährigen Turnus ausscheidenden Professors Dr. Edgar Jaffa vsm -KWÜ8ÄVL.LrofMr Dr, Lez
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