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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110503018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911050301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911050301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-03
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Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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2. veUsgr. Mlttmoch» 3. Mst 19n Leipziger Tagedlsu. Ur. lSL ros. Jahrgang. veutlcher «eichswg. 1S4. Sitzung. Berli«, 2. Mai. (Pruo.-Tel.) SttMllmngsdUü. Im lichten Grün prangt der Tiergarten, und die Sonne sendet milden Schein, derweilen die Reichs bolen zu neuen Mühen in da» Bolkshaus piltzern. Sie haben die Osterferien Mm Teil in südlichen Strichen verlebt: di« braune Gesichtsfarbe läßt e» er kennen. Das Haus ist gar nicht schlecht besetzt, und im Hin und Her zeigt sich manch seltenes Gesicht. Einen Satz des Wilttommens uift» einen Satz für den verstorbenen Fürsten zu Schaumburg-Lippe sprach zunächst der Präsident Graf Schwerin-Löwitz. Die Sozialdemokraten stehen bei Erwähnung des Fürsten auf; das ist wohl kein grundsätzlicher. Vor gang. Es ist gar nicht leicht, immer das Gegenteil von dem zu tun, was die umgebenden Menschen treiben. Kaum ist es 5 Minuten her, daß die Sitzung er- öffnet wurde, und schon steht der Staatssekretär des Reichsamtes des Innern Delbrück am Pult. Der Mann, dem von gewisser Seite bereite der amtliche Lebensfaden abgeschnitten werden sollte, sagt ein paar allgemein« Worte zur Begründung des Ein führungsgesetzes für dieReichsvcrsiche- rungsordnung, das, wie er meint, weder her vorragend wirtschaftliche, noch politische Bedeutung habe. Die Bedeutung lregt eben in der Versicheruygs- ordnung selbst. In dem Einführungsgesetz werden einige Termin« des Inkrafttretens des Gesetzes fest gesetzt, auch bestimmt es, daß die neuen Anordnungen, soweit sie günstiger sind als die alten, gelten sollen, auch wenn di« Unfälle und der Eintritt der Invalidi- lät bereits vor Inkrafttreten der Reichsversiche- rungsordnung sich ereigneten. In raschem Wechsel folgten Trimborn (Ztr.) und Schickert (Kons.). Schon der erst« Redner aus dem Hause ging zu einer der Kern fragen der Versicherungsordnung, der Stellung der Krankenkassenbeamten und der Form ihrer Verträge über. Schickert macht« es nicht viel anders, und so konnte man es dem Sozialdemo kraten Hoch gar nicht besonders verargen, dah er auch mehr zur Vcrsichcrungsordnung als zum Ein führungsgesetze sprach. Er schlug einen scharfen Ton an und apostrophierte Herrn Trimborn und gelegent lich den Grafen Westarp, der dem Haus« einen Zuruf machte, persönlich. Entziehung wohlerworbener Rechte, neue Bevormundung der Krankenkassen, Ver breitung von Lügennachrichten über Beamtenverträge, Ausnahmegesetz gegen die Krankenkassenvorstände — das waren so einige Merkworte der langen Rede. Sie schloh mir der Ankündigung, dah das Gesetz von den Sozialdemokraten mit allen Kräften bekämpft werden würde. Staatssekretär Delbrück, der die Rede recht aufmerksam angchön hatte, hielt es für angebracht, sofort zu erwidern. Auch er sah sich nun gezwungen, auf die materiellen Bestimmungen der Verstcherungs ordnung einzugehcn und sie zu verteidigen. Horn- Rcuh (Natl.) bemühte sich am meisten, im Rahmen oer Vorlage zu bleiben, und sprach in wenigen Worten aus, dah seine Fraktion grunndsätzliche Bedenken gegen diese nicht habe. Abg. Dove (Fortschr. Vpt.) wünscht Schutz für die erworbenen Rechte der Beam ten, unter Umständen Entschädigung, lehnte jedoch ab. die Vorlage als Ausnahmegesetz kennzeichnen zu lassen. Schmidt-Berlin (Soz.) wollte jedoch von dieser Kennzeichnung nicht abgehen. Roch ein paar Abgeordnete, so S ch u l tz - Vromberg (Rpt.) als Vorsitzender der Kommission, ergriffen das Wort. Damit war der ersten Leiung Genüge getan, und der Entwurf ging an die Versicherungskommission. Von dein Enrwurf zur Aufhebung des Hilfskassengesetz es nahm man nur eine kleine Kostprobe, die Hauptsache verschob man auf morgen. Unerwarteterwcisc wurde auch noch rasch eine anoere Sache erledigt. Severing hatte be kanntlich gegen den ihm vom Vizepräsidenten Schultz erteilten Ordnungsruf Einspruch erhoben. Durch den Austausch von loyalen Erklärungen zwi schen den beiden Beteiligten wurde der Streit schon heute beigelegt und der Einspruch zurückgezogen. Auch sonst glaubt man. innerhalb der Sozialdemokratie eine verhältnismäßig mild« Stimmung und nicht eigentlichen Obstruktionseiser konstatieren zu können. Warten wir s ab. Sitzungsbericht. Am Vundesratstisch: Staatssekretär Delbrück. Präsident Graf Schwerin eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 15 Min. Er heißt die Mitglieder herzlich will kommen und hofft, dah alle gut erholt und mit irischen Kräften an die gesetzgeberischen Aufgaben herantreten werden. Vor Eintritt in die Tagesordnung macht der Präsident Mitteilung vom Ableben des Fürsten von Schaumburg-Lippe. Die Abgeordneten er heben sich zu Ehren des Verstorbenen von den Plätzen. Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung eines (5 iniührnnriSttesetzeö zur Neichöverflthernnqsordnuntt und eines Gesetzes zur Aufhebung des Hilfskassengesetze». Staatssekretär Dr. Delbrück: Der Entwurf eines Einführunasgesetzes zur Reichsvcrsicherungsordnung ioll der Schwierigkeit Herr werden, die der Wechsel oer Rechtszustände naturgemäß für Behörden und Lersia ertc mit sich bringt. Namentlich sind die Ter mine für das Inkrafttreten d«r Reichsversicherungs ordnung darin enthalten. Die Hinterbliebe- ncnversorgunst kann 1912 nur dann in Kraft treten, wenn die ReichsversicherunKsordnung erheb lich früher verabschiedet wird, denn umfassende Vor bereitungen sind für di« Hinterbliebenenversorgung notwendig. Im allgemeinen sollen di« günstigeren Bestimmungen Platz greifen. So sollen die neuen Bestimmungen, soweit sie günstiger sind, als die alten, auch für Unfälle angewendet werden, wenn die Unfälle vor dem Inkrafttreten der Reichsverstche- rungsordnung eingetreten find. Aehnlich liegt es bei der Invalidenversicherung. Hier sollen die günsti geren Bestimmungen für die ersten zehn Jahre den Versicherten zuaelnlligt werden. Abg. Trimborn (Ztr.): Dieses Gesetz greift tief ein in die Verhältnisse und Interessen weiter Kreis« der Versicherten. Es ist K o m m t N i o n s b e r a - tung notwendig, und es sollt« di« Materie an die selbe Kommission verwiesen werden, di« die Reichs- nersicherungsordnung beraten hat. Wohlerworbene Rechte d«r Kassenoeantten dürfen nickt angetaitet werden: allerdings können Verträge, die gegen Vie bona kille« verstoßen, nicht ausrechterhalten werden. Bon der Invalidenversicherung interessiert nur dir Hinterbliebeneuversorauna. Wir meinen, dah Hinterbliebenen derjenigen Versicherten, die seit dem 1. Januar 1910 bi» zum Inkrafttreten des Gesetzes gestorben find, die gleichen Rechte einzuränmen find, wie d«n Hinter bliebenen der nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Verstorbenen. N cht einverstanden können wir uns mir der in den Schlußbcftimmungen enthaltenen Blankovollmacht für die Regierung für weitere Uebergangsoorschriften erklären. Eine gewiss« Voll macht ist allerdings notwendig, sie darf aber nicht zu w«it gehen, und der Reichstag muh mitsprechen »innen. (Beifall.) Lüg. Schickert (Kons.): Ruht alle Kassendeantten stimmen mit der Protestkundgebung der sozialdemo kratischen Bureauangestellten überein. Auf die Be amten wie auf die Versicherten soll jede mögliche Rücksicht genommen werden. Abg. Hoch (Soz.): Würde es sich um höhergestellte Leute handeln als um einfach« Kassenbeann«, so würde man mehr Respekt vor wohlerworbenen Rech ten haben und nicht ein derartig ungeheuerliches Gesetz machen. (Sehr richtig b. d. Soz.) Hier dreht es sich um das Selbstverwaltungsrecht der Arbeiter. Die Krankenkassen werden wir niemals bevormunden. Herr Trimborn hat bedauerlicherweise die Hand dazu geboten, Lügennachrichten über Be- amtenverträgc, die angeblich in böswilliger Absicht abgeschlossen sind, um dem Gesetz ein Schnipp chen zu schlagen, verbreiten zu helfen. Solche Ver träge bestehen nicht. Die Kassenbeamten sind viel fach im Dienst ergraut, und deshalb muh man ihren Protest als einen Akt der Notwehr gegen die Vergewaltigung betrachten. Hier soll ein Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemo kraten in den Ortskrankenkassenvorständen gemacht werden. (Sehr richtig!) Eine zu hohe Bezahlung der Kassenbeamten ist nirgends zu konstatieren, da gegen zahlen die Berufsgenossenschaften vielfach^sehr hohe Gehälter. Mihständ« haben sich in keiner Weise gezeigt, man greift deshalb zu allerlei Unwahrhaftig keiten. Anerkanntermahen dient die Vorlage zur Entrechtung der Krankenkassenvorstände. Die Selbstverwaltung in den Kassen hat sich durchaus be währt. Dabei ist es selbstverständlich, das; in den Krankenkassen wie überall Fehler gemacht worden sind. Selbst bei der Anstellung von Ministern sollen ja schon Fehler vorgekommen sein. (Große Heiter keit.) Aber lediglich die Arbeiter will man unter Vormundschaft stellen. Wenn sich die Arbeiter auf Sie (nach rechts) verlassen, dann find sie verlassen, deshalb bekämpfen wir das Gesetz mit allen Kräften. (Lebhafter Beifall bei den Soz.) Staatssekretär Dr. Delbrück: Don einseitiger In formation über die wirklich bestehenden Zustände kann bei mir nicht die Rede sein. Das Gesetz soll «in« zweckmäßige Auswahl und eine zweckmäßige Kontrolle der Kassenbeamten sichersten?«. Die Be amten sollen nur auf die neue Dienstordnung ver pflichtet werden, di? die religiösen und politischen Anschauungen außerhalb des Bureaus schützt. An gemessene Bezüge dürften schwerlich gekürzt werden. Einwandfreie Verträge sollen n'chtbcrührt werden. Abg. Horn-Neuß (Natl.): Grundlegende Be denken gegen die Vorlage haben wir nicht. Ueber Einzelheiten wird in der Kommission zu beraten sein. Den Kassenbeamten stehen wir durchaus wohlwollend gegenüber. Härten werden unter allen Umständen vermieden werden. (Beifall bei den Natl.) Abg. Behrens (Wirtsch. Vgg ): Hoffentlich wird die Kommissionsberatung Mittel und Wiege finden, diesen berechtigten Wünschen der Kasscnbeamten nachzukommen. Wohlerworbenes Recht werden wir nicht antasten. Mißstände aber müssen beseitigt wer den. Die Interessen der Arbeiter stehen nicht auf dem Spiele, höchstens die der Sozialdemokraten. Abg. Dove (Fortschr. Vpt.): Di« Tendenz der Neichsversicherungsordnnng geht dahin, den st a a t - lichen Einfluß bei den Kassen zu stärken: da muß ein Ausgleich stattfinden für die bereits erwor benen Rechte. Vor allen Dingen wäre eine Ent schädigung für die überflüssig werdenden Beamten nötig. Es müssen Rcchtsgaranticn geschaffen wer den. daß die Selbstverwaltung der Kassen nicht bc cinträchtigt wird. Als Ausnahmegesetz kann ich die Vorlage indessen nicht bezeichnen. (Beifall links.) Abg. Schultz-Bromberg (Rpt.): Verwahren muß ich mich als Kömmissionsvorsitzendcr gegen den Vor wurf, der Fertigstellung des Berichtes über die Kom- missionsverhandlung für die Reichsversicherungsord nung den Stempel emer Komödie aufgedriickt zu haben. Wir wollen nur verhindern, daß die Ar beiterschaft durch übertrieben hohe Gehälter geschädigt werde. (Gelächter und Beifall.) Abg. Schmidt-Berlin (Soz.): Ein Ausnahmegesetz ist diese Vorlage aus alle Fälle. Die Derwaltnngs behörde wird die ihr unliebsamen sozial demokratischen Angestellten auf Grund des Einführungsgesctzes schon zu fassen w iss e n. Damit schließt die erste Lesung des Einführungs gesetzes der Reichsversicherungsordnung. Die Vor lage geht an die Neichsversicherungskommission. Es folgt die erste Lesung des Gesetzes zur Aufhebung des Hilfstasscngrsetzes. Staatssekretär v. Delbrück: Die verbündeten Re gierungen sind der Meinung, daß Len vorhandenen Mißständen in den Hilfskassen nur durch Aufhebung des Hilfstvssengesetzes und durch Unterstellung der Hilfskassen unter das Gesetz vom 12. Mai 1901 be gegnet werden kann. Abg. Trimborn (Ztr.): Im großen und ganzen billigen wir die heutige Vorlage, doch halten wir eine Kommissionsberatung für not wendig. Darauf wird die Weiterberatung auf Mittwoch 1 Uhr vertagt. Außerdem schlägt Vizepräsident Dr. Schulz vor, den Einspruch des Abg. Severing (So,z.) gegen den ihm bei Gelegenheit der Beratung des Marine- eiats erteilten Ordnungsruf sowie Petitionen auf die Tagesordnung zu setzen. Abg. Severing gibt eine Erklärung ab, in der er darstellt, daß es ihm ferngelegen habe, bei seinem Vorwurf gegen die Marinerundschau den Staats sekretär treffen zu wollen. Nach einer Erklärung des Vizepräl'" - Dr Schulz zieht Abg. Severing seinen Einspruch zurück. (Große Heiterkeit. Tageschronik. Berlin,2. Mai. Eine sonderbare Wette), bei der ein Berliner Schlächtermeister die Haupt rolle spielte, wurde in Köpenick zum Austrag ge bracht. Um die Frage zur Entscheidung zu bringen, wieviel Fleisch der Schlächter m seiner Molle fort schaffen könne, erbot sich der Schlächter, seinen Partner in seiner Molle vom Lokal zum Bahnhof tragen. Die Wette wurde denn auch unter großem Zulauf des Publikums ausgetragen, doch bevor noch der Bahnhof erreicht war, erklärte sich der Gegner des Schlächtermeisters für besiegt, und so schleppte dieser seinen Partner wieder zum Lokal zurück, wo das „Wetttrinken" dann seinen An fang nahm. Berlin, 2. Mai. lEin Seminarist ver schwunden.) Seit dem vergangenen Sonnabend ist der 19 Jahre alte Seminarist Otto Werder mann aus Weißeniee, der das Königliche Lehrer seminar in Köpenick besucht, verschwunden. Er wurde zuletzt auf einem Spaziergange in der Nahe der Müggetderge gesehen. Auf diesem Spaziergange begegnete ihm ein junges Mädchen, mit dem er ein Liebesverhältnis hatte, in Begleitung eines anderen Seminaristen. Das scheint ihm derart nahe gegangen zu sein, daß er in das nächste Eommerlokal ging und von dort an einen ihm befreundeten Seminaristen schrieb, er wolle dem Glück des Mädchens nickt ent gegen sein und aus dem Leben scheiden. Seit diesem Augenblick fehlt jede Spur von ihm. Bremen, 2. Mai (AusAnlaßderAbfahrt der Filchnerschen S ü d p o l a r - E x p e d i- t i o n) hat der Senat zum Sonntag, den 7. Mai, zu einer Feier nach Demerhaveu «ingeladen. Die Gäste cverden mit einem Sonderzug am Vormittag nach Bremerhaven abgeholt, wo mittags in der „Lloydhalle" ein Frühstück stattfindet. Am Nachmit lag begibt sich die Gesellschaft nach dem Expeditions schiff „Deutschland", das um ^4 Uhr di« Reed« von Bremerhaven verlassen wird. Der „Norddeutsche Lloyd" wird einen Begleitdampfer stellen, der die Gäste nach Passieren des Forts Brinkamahof an Bord nimmt und nach der „Lloydhalle" zurückbeför dert, von wo gegen Abend die Rückfahrt nach Bremen mit einem Sonderzug angetreten wird. München, 2. Mai. (Ein „Duell" zwischen Knaben) wurde in Dorfen ansgefochten. Erhandelt sich um einen Vierzehnjährigen und einen Zwölf jährigen, die mit Flobertgewehren in abgeschrittener Entfernung auseinander schossen, wobei der Zwölf jährige so unglücklich ins Auge getroffen wurde, daß er nach München zur Operation gebracht werden mußte. Auch an dem Vierzehnjährigen wurde ein? „Operation" von seinem Vater, wenn auch in anderer Weise, vollzogen. Andernach, 2. Mai. lEin großer Felssturz! hat sich auf dem rechten Rheinufer gegenüber von Andernach gestern abend ereignet. Riesige Fels massen lösten sich plötzlich auf dem sogenannten Krahnenberge und stürzten mit gewaltigem Donner in das Tal hinab bis an den Eisenbahndamm. Da zu befürchten ist, daß diese Felsstürze sich fortsetzen, sind von der Eiienbaynbehörde Abdämmungsarbeiten angeordnet worden. Ein Teil der Bcrgabhänge be findet sich in Bewegung. Zürich, 2. Mai. (Weibliche Prediger.) Die Pfarrersynode des Kantons Graubünden in Chur beschloß, gegen die Zulassung von Frauen zum Pfarramte keine grundsätzlichen Einwendungen zu erheben. Den Gemeinden soll die Anstellung weiblicher Pfarrer freigestellt sein. Paris, 2. Mai. (Das furchtbare Blutbad), das der Marineleutnant und Professor Maurin vor gestern in Marseille anrichtete, hat ein zweites Oos er gefordert. Seine junge Gattin, die eine Schußwunde in den Hals erhalten hat, ist im Hospital ibren Verletzungen erlegen. Das Knäb- lein Iran, das ebenfalls schwer verwundet ist, hoffen die Aerzte am Leben erhalten zu können. London, 2. Mai. (Die Verbannung des H u m p e l r 0 ck s.) Die Erklärung Lord Chamber lains, daß Humpelkleider bet Hoffeftlichkciten wäh rend der Krönungrsaison nicht erlaubt seien, hat in den beteiligten Kreisen lebhafte Sensation hervor gerufen und verschiedene Hoskostüme. die nach der neuen Mode angcfcrtigt wurden, müssen wieder um geändert werden. Dieser Erlaß ist wohl vor ollem auf die K ö n i g i n selbst zuriickzuführen, da diese den Humpclrock verabscheut und überhaupt gegen alle Extravaganzen in der Mode ist. Seit den letzten drei Monaten werden bei den hiesigen Damen schneidern enge Röcke überhaupt nur noch nach Be stellung gemacht und die englischen Schneider selbst werden froh sein, wenn diele Mode der Vergessenheit angehören wird. London, 2. Mai. (Ueber die Hochzeit Jay Goulds), des zweiten Sohnes des Milliardärs, mit Miß Annie Douglas Graham wird aus New Port gemeldet: Die ganze fashivnable Welt New Porks wohnte der Trauung in der Sankt-Thomas-Kirche in der fünften Avenue bei. -Die Braut ist bekanntlich die Tochter der Mrs. Hubert Vos, einer hawaiischen Prinzessin. Prinzeß Kawananakaa war von Honolulu eigens herzugereist, um das frühere Königs haus bei der Hochzeit zu vertreten. Riesige Menschen massen erwarteten das Brautpaar und die vor nehme Gesellschaft vor der Kirche. Die Szene inner halb des Gotteshauses war äußerst bewegt. Die bildhübsche, schwarzhaarige Braut bildete den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Sie trug eine Prinzeß-Robe von weißem Atlas mit Brüsseler Spitzen und einen Schleier von gleichen Spitzen. Ihren einzigen Schmuck bildete ein Perlen halsband, das von ihrer Großmutter väterlicher seits herrührt. Die drei Brautjungfern trugen prachtvolle elfenbeinfarbene Marquiiettekleider, die mit Schattenspitzen besetzt waren, und dazu passende Hüte. Die Hochceitsgcjchenke sind viele hundert tausend Marl wert. Das junge Paar begibt sich zuerst nach dem Etoivondack - Forstlager aus die Hochzeitsreise, sodann nach London zur Krönung. Kunst unü Mstenlchast. Gpernfeltlpiele sm Leipziger Stnütilreaier. Am Donnerstags den 11. Mai, gelangt als ziveiter Al»end der Opernfestspiele Mozarts komische Oper „Die Hochzeit des Figaro" zur Aufführung. Für di« musikalische Leitung ist Generalmusikdirektor Fritz Steinbach (Köln) gewonnen worden, dem ein sehr bedeutender Ruf als Mozartdirigent vorauf geht. Den „Grafen Almaviva" singt Kammersänger Baptist Hoffmann von der Berliner Hofoper, dessen exzellente gesangliche und darstcllerisck>e Leistungen als „Pizarro" (Fidelio) und „Kurocnal" (Tristan) in den vorjährigen Festspielen noch in lebendige: Erinnerung sein dürften. Die „Gräfin" singt unser einheimisches Mitglied, Kammersängerin Rüsche-Eudorf, die außer ihren hervorragenden künstlerischen Eigenschaften als Wagnersängerin sich auch bereits als ganz vortreffliche Vertreterin des Bel-canto erwiesen hat. Sie singt die „Gräfin" zum ersten Male. Die Vertreterin der „Susanne" ist Hofopernsängerin Hedwig F r a n c i l l 0 - K a u f f - mann aus Wien, die so rasch zu hervorragend künstlerischem Ansehen gelangte jugendliche Kolo ratursängerin. Als „Figaro" wird Hofopcrnsänger Lord mann gastier««, der seit einem Jahre dem Verband? des Dresdner Hofthcaters angehört und heute zu den allerersten Vertretern des Baßbusfo faches zählt. Den Pagen „Lberubin" singt Hofopern- sängerin Lola Artot de Padilla aus Berlin. Die Künstlerin, Französin von Gebart, und Tochter der berühmten Sängerin Desiree Artot de Padilla, gehörte zunächst dem Verbände der Op<-ra Comique in Paris an, wo sie mit sensationellem Erfolg debü tierte. Sehr bald ging sie zur deutschen Bühne über und zählt gegenwärtig zu den bedeutendsten und be liebtesten Mitgliedern der Berliner Hofoper. Ueber ihre Verkörperung; Mozartscher Gestalten, namentlich die des „Cherubin", herrscht in der Presse und im Publikum einmütig.'», akutes Entzücken. Man nennt die Begabung der Artot die eines Wunderkindes und vergleicht die Grazie ihres Pagen mit den klassisch«« Schöpfungen des großen Boucher. „So geistreich und graziös das Spiel der Artot, so zart und elastisch ist ihre Stimme, die sich jeder Biegung des glänzenden Bandes der Kantilene mühelos anschmiegt." Jedem, der die ausgezeichnete Künstlerin zu hören Gelegen heit hatt«, wird dr« Erkenntnis zuteil, „daß Lola Artot d« Padilla» Mozartaeftalten « den kostbarsten Kleinodien der klassischen Oper gehören". Die Ver treteriu der „Marcellin«" ist Hofopernsängerin Luffe Höfer (München), und der Vertreter des „Basilio" Kammersänger Lieban von der Berliner Hofoper, der al» hervorragender Vertreter in Tenorbuffosach längst bekannt und hochgeschätzt ist Di« übrigen Rollen find nnt hiesigen ersten Kräf ten besetzt, den „Bartolo" singt Herr Kunze, der treff lich? hiesige Vertreter der Rolle, den „Don Curzio" Herr Schönleber, d«n „Lnton'o"^' Herr Dlabal, und das „Bärbchen" Fräulein Merrem. so daß auch die kleinsten Rollen in den besten Händen liegen. * * Versteigerung d«r Warneckejchcn Stammbuch sammlung. 10 250 ,st wurden heute bei oer Versteigerung der Warn ecke jchen stamm- buchsammlung bei C. G. Boern er in Leipzig für ein Stammbuch des 16. Jahrhunderts bezahlt, wohl der höchste Preis, oer jemals für dergleichen angelegt wurde. Es war das Stamm buch des Franz von D 0 m st 0 r f f aus den Jahren 1569—1587^ Den zwecchöchsten Preis von 8350 »st er zielte das Stammouch von Philipp von Damm aus der Schlveiz, das er iy den Jahren 1577 u. flg. führte, erzielt. Die Versteigerung, die übrigens einen überaus lebhaften Verlauf nahm, brachte noch fol gende hohe Preise: Stammbuch des Christoph von Teuffenbach aus den Jahren 15-18 u. flg. 3100 .st, Stammbuch des Wolfgan.q von Apfaltern aus den Jahren 1557—1593 1850 Stammbuch des Georg Brentel aus den Jahren 1569 u. flg. 1350 .st, Stamm buch des Wilhelm von Hod«nberg aus den Jahren 1580—1601 1920 ^t, Stammbuch des Georg Werner aus den Jahren 1582 u. flg. 1850 .st, Stammbuch des Franz Wendelin Olcr aus den Jahren 1590-1592 1010 .st, Stammbuch des Hieronymus Kreß aus den Jahren 1597—1600 1650 .st, Stammbuch des Johann von Leublfing aus den Jahren 15O1—1652 1050 .st, Stammbuch des Johann Philipp von Papenheim aus den Jahren 1608—1655 1050 .st, Stammbuch des Christoph Wider aus den Jahren 1610—1637 1110 -st, Stammbuch des Moritz von Platen vom Jahr« 1763 1030 ^st. Auch die Stammbücher des 17. und 18. Jahr hunderts brachten bei re-aster Beteiligung durchschnitt, lich gute Preise. Das Gesamttesultat belief sich auf 68 158 <st für die 300 Nummern umfassende Samm lung. * Das Hostheater in Braunschweig wird im Oktober eine Lijztfeier kurz vor der großen Feier in Heidelberg.veranstalten. Dirigent ist der neue Hostapellmcister Richard Hagel, die Regie führt der ebenfalls neuernannte Overregisseur Dr. Hans Waag. * Berichte des Kaiser» Sber die Ausgrabungen. Mit welchem Eifer der Kaiser die Ausgrabungen aus Korfu unterstützt, geht daraus hervor, daß er persönlich dem kaiserlichen archäologischen Institut zu Berlin stündig eingehende Berichte über das Fortschreiten der Arbeiten zugehen läßt. Diese Be richte werden gedruckt, sind aber nicht zur allge meinen Veröffentlichung bestimmt. Doch sind sie zahlreichen Fachleuten, Professoren und Oberlehrern höherer Lehranstalten übersandt worden. * Nochmals die Orestie. Kaum hat Reinhardt die „Orestie" des Aeschylos angekündigt, kommt auch von anderer Seite die Nachricht, daß man mit dem selben Gedanken umgehe! Die Direktion des Zirkus Busch in Berlin teilt mit: „Die „Orestie" des Aeschylos wird am Mittwoch, den 31. Mai, bzw. am Freitag, den 2. Juni 1911, im Zirkus erstmalig auf geführt. Zugrunde gelegt ist die Uebersetzung von U. v. Wilamowitz-Moellendorff. Die Auf führung wird veranstaltet vom Regisseur Dr. Fritz Helmer, der von Exzellenz Geheimrat v. Wilamowitz- Moellendorff und der Leitung der Literarischen Ge sellschaft unterstützt wird. Eine Reihe unserer ersten Schauspieler ist zur Mitwirkung herangezoaen wor den. Exzellenz v. Wilamowitz-Moellendorff hat es freundlichst übernommen, den Abend durch eine An sprache einzulecten." * Die Kölner Blumenspiele, von denen es schon hieß, sie würden fortan nicht mehr stattfinden, nahmen auch in diesem Jahre einen glänzenden Verlauf. Blumenkönigin wa> beuer ein liebreizendes kölnisches — Ratsmädcl. — Oberbürgermeister Wallraf, der Vorsitzende der Fastenralh Stiftung, wies daraui bin, wie Fastenraihs Werk auch nach seinem Tode noch reichen Segen stifte. In seinem hohen Idealismus habe er niemals das Materielle für den deutschen Schriftsteller aus den Augen ver loren. In den zwei Jahren nach seinem Tode seien aus der Fastcnrath - Stiftung nicht weniger als 19000 ./L an deutsche Schriftsteller als Ehren gaben und Unterstützungen verteilt worden. In diesem Jahre standen dem Kuratorium 9009 ./L für Ehrengaben an deutsche und österreichische Schrift steller. sowie 1006 ./L zur Unterstützung kölnischer Schriftsteller zur Verfügung. Die Ehrengaben von je 1000 .//. erhielten folgende Schriftsteller und Schriftstellerinnen: Therese Keiler (M. Herbert) in Regensburg, Wilhelm Ostwald-Berlin. Wil helm Schneider-Clauß in Eupen, Maurice v. Stern in St. Magdalena bei Linz an der Donau, Ludwig Scharf München. Ernst Schur- Groß-Lichterfelde, Paul Barsch Breslau, Agnes M i c g e l - Königsberg und Studiosus Renne feld in Bonn. , * Das neue Hamburger Opernhaus. Emil Schaudt, der Architekt des Ledererschen Roland Bismarck ist mit Entwürfen für das geplante zweite Opernhaus in Hamburg betraut worden. Die Er richtung des neuen Hames, das etwa 2000 Sitzplätze umfassen und insgesamt 8 Millionen Mark kosten soll, betreibt eine Gesellschaft. Der Neubau erhält auf einem Gelände in der Nachbarschaft der Laeis schen Musikhalle seinen Platz. Für die Eröffnung ist bereits der Herbst 1912 vorgesehen'. ' Zur Hundertjahrfeier der Breslauer Universität werden die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Petersburg durch ihren Sekretär Sergius von Oldenburg, die Universität Princeton durch Pro fessor Abbott, Universität Cambridge durch Professor Skott, Universität St. Andrews (Schottland) durch Prof. Kynoch. Universität Madison durch Prof. Thomas und die Universität Zürich durch Professor Blümer vertreten sein. * Fortschritte der Funkenteleyraphie. In der Pariser Akademie der Wissenschaften machte Henry Poincarö interessante Mitteilungen über die Be stimmung der geographischen Länge zwischen zwei Städten mit Hilfe der Funkcntelegraphie. Die Ver suche sind zwischen Paris und der nordafrikanischen Hafenstadt Bizerta durchgeführt worden. Die Ge schwindigkeit der Hertzschen Wellen ist bekanntlich die gleiche wie jene des Lichtes. Die Entfernung zwischen Paris und Bizerta beträgt 1500 Km. Die Hertzschen Wellen legen diese Strecke in einer Hundertstel Sekunde zurück. Die Uebermittelung ist somit eine fast gleichzeitige, und es genügt, nun den Zeitunter schied zwischen zwei Städten festzustellen, um den Längenunterschied resp die Entfernung auszurechnen. * Kein „Rosenkavalier" in Pari». Aus Paris wird gemeldet: Voraussichtlich wird es hier »u keiner Aufführung des „Rosenkavalier" kommen. Die Unter».
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