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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110503018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911050301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911050301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-03
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Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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Leimiger Tagedlk"t. Nr. 122. los. Jahrgang. Anger aus dem preußischen Etfenbabnininislerium, nls weiter ter deuiichen Verkebrsabteilung. voriiellen ließ. In der Elektrizitätshalle desichtiottc der völlig die große elektrische Lokomotive und den elektrischen Pflug der Siemen«.Schuckert-Werke und den Stand der Iulius-Ptntsch-Aktiengesell- ichast.woersichdieLcuchtseuerapparate sowie die Unter- wasicr-Signalglocken eingehend erklären ließ. Auch die Knvrrbrcmfe erregte sein Interesse. In der Maschinen. Halle lenkten die schweren Walzen von Gonter- mann-Sieoen und der Lothringischen Walzen gießerei die besondere Auimerksainkeit des Königs au' sich Ein Rohölmotor von Dinaler - Zwei drucken lowic ein Kran der Deutschen Maschinen iadrik Duisburg wurden im Beiried vorgeiührt. In der elektrischen Zentrale besichtigte der.König eine.'M! Pscrdesturlen entwickelnde stehende Dampfmaschine von Twide rski Le ipzig im Betrieb In verdeutschen Eisenbahnausstellung, wo die Mehrzahl der großen deutschen Lotoinotiv- und Waggonfabriken 17 Fahrzeuge ausgestellt baden, verweilte der König beträchtliche Zeit, auch besichtigte er die sieben deutschen Lokomo tiven uno Wagen, die die italienischen Staatsbahncn in der italienischen Abteilung ausgestellt haben. Die bedeutsame industrielle und technische Schau, die DctU'chland in Turin veranstaltet, machte aus den König sichtlich großen Eindruck. Stasi unü Kirche in Württemberg. Zn der Mitgliederversammlung des Evange lischen Biarrvereri. s in Stuttgart hat der Bor- sißendc Stadtplarrer Traub, in seinem Rückblick aber da:- vergangene Jahr auch die Erklärung des >zullusministers Tr. Fleischhauer über die sinan- zielte Trennung von »tagt und Krrche be rührt und nach dem „Schwab. Merk." ausgeführt: „Die bisherige Zi rm der Verbindung von Kirche und Staat ha'te zwar tl re zwei Seiten. Mir ver- üe inen nicht die grogcn, vielfach schwer zu ersehenden Vorteile dieser Verdi.icunq für unser ganzes Volks- wc>cn. hIir haben von uns aus eine Lockerung oder Lösung dreies Verhältnisses nicht gewollt. Hält es der Staat ober unier dein Druck der unvergessenen Borgänge dieses Jahres aus religiösem und rirchenpolitischem Gebiet, Vte in der römi'ch- katholischen Krrche ihren Ursprung baden, ur gebo.en, Acnderungen berbeijuführen, Io sehen wir dem ohne Furcht entgegen: auch scheinbare Lebcnshemmungen können nn Endergebnis zuLebens- rörderungen werden. Als Kirche der Reformation naben wir besonderes Berständnis und Achtung für o>e Aufgaben des Staates, auch vor seiner kirchlichen Hobelt. Wir hoffen aber auf eine volkstümlich weile, »ich! iettenhaft enge Begrenzung des Wirkungskreises unserer evangelischen Kirche auch unter den kommenden Berhältniijen und bestehen aus der Möglichkeit der Entscheidung eigener Lebens fragen unserer Kirche auf einem mit fremden Inter- egen unvermischten Boden." Wir vegrügen üieie verständige Anregung zu der in Württemberg -replanlen Trennung von Staat und Kirche und würden uns freuen, wenn allerorten eine derartige Anschauung unter den Geistlichen herrschte. Deutsches Reich. Leipzig, 3. Akai. * Lorstanüssitzung des Verbandes sächsischer In dustrieller in Dresden. Am Montag fand in Dresden eine Sitzung des Gesamtvorstandes des Verbandes sächsischer Industrieller statt, in der u. a. auch Stellung „um Privalbcaintenverjlcherungsgesrtz genommen wurde. Desgleichen wurde der Umstand lebhaft besprochen, daß bei der kürzlich im Ministe rium des Innern adgehalteuen Konferenz über dre G e in e i n d e b e st e u e r u ii g k e i n c E i n l a d u n g zur Teilnahme an den Verband ergangen war. Die übr.gcn Punkte der Tagesordnung waren zumeist vertraulicher Statur. ' Zur Seurcinocsteuerkonferenz sendet uns der Sächsische Detaillistenbund folgenden Artikel: „Das Ministerium des Innern hatte die Absicht, mit den verschiedenen Erwerbskreiscn Sachsens Austausch aber das neue sächsisch? Gemeinte« ntommenitt icrge- setz zu pflegen, das dem Landtage zugchen soll. Die 'üchs^che Gcfchästsu>elt bedauert die ungenügend': Berücksichtigung, die bei den Beratungen der wich tigen Steucrvorlage den gewiß wichtigen Steuer zahlern aus den Handels- undGewerbe- t i e i s e n zuteil geworden ist. Dagegen haben sozia- Ilsriiche Konsumvereinsführer Einladung erhalten. Weiter vermißt der ortseingesessene Handels- und Handwerlerstand in der Vorlage die finanzpolitische Erwägung des Filialwesens, das oftmals wegen de: geübten Verrcchnungsart vom Haupthausc nicht ge nügend Beachtung bei der Besteuerung durch Kam. munen fand. Ferner kommt die Großindustrie in Betracht, die im Verhältnis zu den von ihr hervor gerufenen Armen-, Schul- und sonstigen, jetzt immer zahlreicher werdenden Fürsorgelasten weniger aus bringt als der wirtschaftlich viel schwächere selbstän dtge Kleinbürger am Orte. Tie großen Waren zentralen gewisser Konsumentenzusammenschlüsse stellen im letzten Grunde doch auch eine Erwerbs statte dar. die den Mitgliedern Gewinn oder Divi dende bringt, und heischt somit auch Besteuerung durch die Gemeinden Staatliche Vorschriften sind auch hier vonnöten." r Sächsischer Schulverein zur Reform des Reli gionsunterrichtes. Die Onsoruppe Leipzig veran stallet Sonnabend, den 6. Mai. abend» 8sH Uhr im Theatcrsaale des Kkisiallpalastes eine öffentliche Versammlung, in der der wegen seiner glänzenden Rednergabe vekannte liberale Pfarrer Traub» Dortmund über das Tnema sprechen wird: „Wie macht man den Kindern Vie Religion verhaßt?" » Die Heimreise des deutschen Kaijerpaares. Die „Hohenzoll rn" mit dem deutschen Kaiscrpaar an Bord passierte am Dienstag um 6'. > Uhr früh die Meerenge von Messina und setzte die Fahrt nach dem Tyrrhenischen Meere fort. * Die Beisetzung ors verstorbenen Fürsten Georg findet Freitag, den .V Mai, vormittags ll Ubr in der Lutherischen «taorkiltbe zu Buckeburg statt. Als Ver treter des Kaisers nimmt Prinz Eitel Friedrich teil. * Reform der Ausbildung für den höheren Kon- sulatvdienst. Bei der zuständigen Behörde ist seit längerem eine Vertiefung der fachwisscnichasilick'en Ausbildung der Anwärter, die für den höheren Kon- julatsdicnst in Frage kommen, geplant. Demnächst sollen nun Kurse eingerichtet werden, die eine E r - Weiterung der theoretischen Vorbildung der Anwärter für den praktischen Dienst bezwecken. Der Besuch der Kurse kommt für die Anwärter in Frage, wenn sie im Auswärtigen Amt beschäftigt sind. Die Borlesungen sotten von einer Anzahl von Praktikern und Theoretikern abgehalten werden, die sich besonders hierfür eigne». * Spionagegesctz und Strasgesctzbuchentwurs. Vor einiger Zeit wurde in der Presse behauptet, daß im Reichsjustizamt eine Revision des Reichs - gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juli 1893 vorbereiter würde, um die in de» gesetzlich» Bestimmungen ent haltenen Unstimmigkeiten auszugleichen. Wie der „Inf." mitgeteilt wird, dürfte dies nicht zutreffen. Es ist vielmehr beabsichtigt, neue verbesserte gesetzliche Bestimmungen in den Entwurf für ein neues Straf gesetzbuch, über den bekanntlich eine Kommission im Reichsjustizamt berät, hineinzuarbeiten, so daß die bestehenden juristischen Mängel beseitigt werden. Das G setz von 1893 sieht nämlich vor, daß der Versuch der Spionage mit Zuchthaus bestraft wird, während in gewissen Fällen die vollendete Spionage nur mit Festungshast geahndet werden kann. Diese un gerechtfertigten illestimmungen sind auf eine Ent scheidung des Reichstages bei der Beratung des Tpionagegesetzes zurückzuführen, in der bei vollendeter Spionage die Zulassung mildernder Umstände an erkannt wurde. während beim Versuch der Spionage mildernde Umstände nicht zugcbilligt wurden. Die Folge davon war. daß das Reichsgericht bei nicht allzu schweren Fällen nicht aus einen Spionage versuch. sondern ans vollendete Spionage erkannte, da in diesem Falle die mildernden Umstände in Frage kommen konnten. Gegenwärtig stellt das Reichs- strasqeletzbuch die Friedensspionage nicht unter Strafe, sondern kennt nur den Kriegs verrat. Daneben enthält es noch eine Straf vorschrift g^gen den sandesverräterischen Geheimnis verrat, die zwischen militärischen und anderen Staats geheimnissen nicht unterscheidet. Dies« Bestimmung richtet sick> aber nur aeaen die Preisgabe von Staats geheimnissen. »ich! auch gegen deren Ausspähung. * Der Deutsche Handelstag feiert in nächster Woche sein fünfzigjähriges Jubiläum. Die Dorkommission rral am 3. Mai 1861 in Heidelberg zusammen, und in dieser ersten Sitzung erklärte sich der Deutsche Handelstag als das Organ des gesamten deutschen Handels und Fabrikantenstandes, um in periodisch wiederkehrenden Versammlungen dessen Gesamtansicht über allgemein wichtig« Fragen des Verkehrs auszu sprechen. Zur Debatte stand namentlich das Handels gesetzbuch, das der Bundesversammlung gerade zur Beschlußfassung vorlag, sowie andere wichtige An träge, so u. a. aus Schaffung einer Maß- und Ge wichtseinheit, auf Beseitigung bzw Ermäßigung der Durchgangs- und Schiffahriszölle. Alle diese Anträge wurden sowohl seitens der Vorkommission als auch von dem am 13 Mai 1861 in der Heidelberger Uni- vcrsuatsaula eröffneten Plenum des Handelstags an genommen, aus dem 88 Städte vertreten waren. Seit 1871 finden die Versammlungen in Berlin statt, wogegen die diesjährige Jubiläum stagung in Heidelberg, der Stadt, in der der Handels tag gegründet wurde, abgehalten wird. * Der Verband Thüringischer Industrieller, der am 29. und 30. April in W c i m a r seine diesjährig« Hauptversammlung abhielt, beschäftigte sich eingehend mit dem Gesetzentwurf betr. die Pensionsver- s i ch c r u n g der Privatangestellten. In einem aus führlichen Referat beleuchtete der Dcrbanossyndrkus Dr. Stapff die Gründe, die für und gegen eine Sonderklasse sprechen, kritisierte dann insbesondere die vor kurzem erfolgte Stellungnahme des Deutschen Handelstaqcs zu dem Entwurf. Er kam in seinen Ausführungen zu dem Schluß, daß nach Abwägung des Für und Wider man vom Standpunkte der In dustrie aus für die Errichtung einer Sonderklasse stimmen müsse, daß es sich aber zunächst noch für die Industrie, der durch den Entwurf neue weitgehend« Lasten aufgebürdet würden, darum handeln müsse, daß von der Regierung erst noch weiteres Zahlenmaterial beigebracht wird, das die Kosten des von feiten der Minderheit geforderten Ausbaues der Invalid.'»Versicherung darlege. Den Ausführungen des Syndikus stimmte der Verband zu und bcfchlog einstimmig eine Resolution, wonach die Regierung erst noch zur Beschaffung weiterer Unter lagen aufgesordert werde» solle, und dann erst könnte eine bestimmte Stellungnahme des Verbandes erfol gen. — Auch zum A r b e i t s k a m m e r g e s e tz nahm der Verband abermals Stellung, da aus maßgebenden Kreisen das Gcrüchr sich verbreitet hat, daß die Re gierung, die bisher den vom Reichstag gewünschten Aenderung.'n ihr entschiedenes „Unannehmbar" zum Ausdruck gebracht hatte, nun doch noch um gefal len und g willt sei, die fraglichen Wünsche zu er füllen. Demgegenüber beschloß der Verband, in einer neuen Resolution abermals an die Regierung das Ersuchen zu richten, an ihrem früheren Entwürfe un bedangt festzuhalten. * Der Antimodernisteneid des Erzbischofs. Eine interessante Rachricht verbreitet Nr. 15 des „Neuen Jahrhunderts". Während nach dem Wortlaut des päpstlichen Ilotu proprio der Antimodernisteneid von den Bischöfen nicht verlangt worden ist, und auch nie mand an eine solche Eidesleistung dachte oder von ihr gehört hat, soll nach dem genannten fortschrittlich katholischen Wochenblatt ein deutscher Bischof eine Ausnahme gemacht und freiwillig vor seinem Domkapitel geschworen haben, Erzbischof Dr. Friedrich Philipp von Abert in Bombe r g. Man erinnert sich bei dieser Nachricht der mannig fachen Angriffe der Zentrumspresse auf den Bam berger Erzbischof, als er vor einigen Jahren im Fall Grandinaer nicht Order parieren wollte. Zweifellos haben sich daran Denunziationen in Rom an- geschlosien, und Erzbischof Abert hat es vorgezogen, oute Miene zum bösen Spiel zu machen. Schon im Fall Trcmel. wo er viel schärfer -urchgxisf, «rrang er sich den Beifall des regierenden Zentrrmrs. dann kam die Borromäusen'yklika, die allein im Bamberger Amtsblatt veröffentlicht wurde, obgleich die Unter lassung dieser Publizierung den Hauptpunkt im Friedenslcbluß zwischen Nom und Berkin bildete. Hoffentlich ist man nun, nachdem auch der Anti modernisteneid geschworen wurde, völlio zufrieden- oestellt, und Herr von Abert kann in Ruhe seines Amtes walten, ohne die Unzufriedenheit des Zen trums nocb einmal auf sich zu laden. * Beendeter Streik. Die Lohnbewegung in den Hafengebieten von Mannheim und Ludwigs hafen ist am Dienstag beendigt worden. Nach längeren Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern wurde eine Verständigung erzielt. Die Arbeiter, es kommen über 3000 Mann in Be Kotzebue. Zum 130. l-'-eburtstag am 3. Mai. Don Ma? Krell (Eharlottenburg'. ilNili-druc.' ocr'^ikn.) August von Kotzebues Name ist so b e l a n u t. wie die meisten seiner zahlreichen W»r.c unbekannt find. Er bar diese nominelle Berühmtheit Zweifels ohne feiner eminent umfangreichen Lebensarbeit zu verdanken. Denn des biographische D:nin und Dran hätte bci al?r romaunschen Fi l»e kaum dazu genügt, jemand hat einmal über Kotzebue geßbrieben. er lei .einer der fruchtbarsten und gewandtesten, aber auch oberflächlichsten und charakterlosesten deutschen Schriftsteller" gewesen. Ich glaube, mit diesem barten Anspruch ist seiner oft io liebenswürdigen Muse doch cin wenig ungerechtfertigt Abbruch getan worden Charakterlos möchte ich sein Schrifttum nicht nennen. Der dwßs UrK'-l schrieb, verwechselte wieder einmal McniÄ und Dichter. Das allgemeine Urteil, wie cs Publikum und l»e- rusenc Kriti! noch heute über ihn spreckzcn. ist sehr Zwiespältig. Aber dieser Zwiespalt ist recht sehr er klärlich. Kotzebucs Lujtspielton — und die Lustspiele kommen ja lzeul« für seine ülerocriung hauptsächlich in Betracht — gibt an Klangfülle dem der fran zösischen Vielschreiber durckwu? nichts nach. Mit dem- ielben Geschick, mit derselben leichten Hand, die heute und gestern senfetts der Vogesen Lustipiele — der Franzose hat die famose Wurstelbczeichnung Com.'dic" - fabrizieren, hat der brav« August seine streiche geführt. In der Phantasie ist er den Herren iogar über gewesen, die sich da zu drilt. gar zu viert mir einem spärliche-. Ideenpflänzchen abguälen. Seine Komik wirkt cit frappierend und entbehrt nicht selten eines höheren Schwunges: sein Dialog ist ge- -äliig und ittcßt anae:ehm dahin Und kein Bedenken kann gegenüber der lühnrnrocttine Kotzebues au»- oesprochcn werden. Natürlich ließ ibn die fabelhaft rasche Produktion bald in legerere Manieren fallen. Er legte das Ehrengewand der Kunst hübsch beiseite und kleidete sich in den Sudelkittel des nüchternen Fabrikanten. Sicher berechnend und auf die Massen meinung hörend, putzte er hohle Larven mit dem stets imponierenden Schmuck rhetorischer Nichtigkeiten an. zollte auch dem Plebsgott „Sentimentalität" er kleckliche Tribute und würzte seine dramalischcn Suppen gern mit ällerband fauntfchen Pikanterien Mit einem Wort gejagt: er verstand es trefflich, den Resonanzboden braver Bürgerjeclen in lieblickz« Schwingungen zu verletzen. In manchen seiner Lust spiele steckt Durchschnittsinoral, in anderen aber ein Ker., jenes unergründlichen Ansprechcns, das sie noch l-euG nicht verloren gehen ließ. Man erinnere sich an „Die beiden Klingsbcrq", „Die deutschen Klein städter", „Pachter Feldlümmcl", „Pagenstreiche" (die immer noch ihres Komponisten harren) und an den keck und flott entworfenen Einakter „Der gerade Weg ist der beste". Schier verwunderlich ist bei aller Leichtigkeit der Produktion die reich« Hülle seiner Gaben, wenn man die bunte Zerrissenheit seines 58 Jahre langen Lebens daneben hält. Kotzebue schrieb, ab gesehen von zwei Bä,wen höchst einphatisckzer Ge dichte, etlick)« mit Frivolitäien gehörig durckpck-onene Romane, Erzählungen, Apologien persönlicher Natur, historische und literarisch« Urkuu-ensorschungen und nicht weniger denn 219 dramatische Arbeiten (Lust-, Schau-, Trau-r-, Singspiele. Opern, Posten und Parodien!. Ferner war er beständig mit der Heraus gabe irgend welcher Zeitschriften beschäftigt, von denen „Der Freimütige", „Die Biene", „Die Grille", besonders aber das „Literarische Wochenblatt" g« nannt seien. Offiziell war Kotzebue (geboren am 3. Mai 1761) Jurist — Zeitweilig weniostens und dem Ztudium nach: Schläue und Nnpassunqsfähigk-it prädestinierten ihn — den Sohn eines Legationsrates — zum Diplomaten. Zeinveilig wor er aber auch vorwiegend Theatermann und Dramenschreiber. Bald auch Leides, ein ewiges Chasiez-croissez. Di« Lust an literarischen Dingen dürfte ihm sein Oheim, der treffliche Märchendichter Mufaeus, geweckt haben, der nach dem frühen Tode von Augusts Valer oer Mutter in o«r Erziehung beistand. Mit sechzehn Jahren bezieht er von seiner Heimatstadt Weimar aus die Universität Jena, später Duisburg, um — wie einst Goethe in Frankfurt — sich dann in Weimar als Advokat zu etablieren. Nich: lange freilich. Bereits 1781 verschlagen ihn Rar und Empsehlung eines Familicnsreundes, des preußischen Gesandten Grasen Görz, nach Petersburg, von wo er nach einigen minderen Stellungen nach Reval und schließlich, vierundzwanziqjährig, als Präsident in die ejtische-Provinz gesandt und nobilitiert wird. Sieben Jahr« m-rbleibt «r dort, währen- bereits sein Dichternamc gefeiert wird und sein „Menschenhaß und Reue" sich die Bühnen Europas erobert. Der Tod seiner Gattin bringt ihn zum Entschluß, dem Dienst Valet zu sagen. In Paris, Mainz und auf seinem Gute Friedenthal bei Reval lebt er ganz der Skbriftslellerei, bis ihn 1798 ein Ruf als Theaterdichter nach Wien führt. Unstimmigkeiten verleiden ihm indessen den Aufenthalt. Noch im nämlichen Jahre kehrt er in seine Vaterstadt zurück, die ihn überhaupt nach kürzeren oder längeren Pausen stets wieder in ihren Bannkreis fesselt. Aber auch hier hält er es nicht lange aus. Goethe, an den er Anschluß sucht, zeigt sich ihm wenig geneigt. Und die Häupter der jungen Romantik befehden ihn un aufhörlich wegen einer Poste, die er gegen sie gerichtet hatte („Der hypcrboreische Esel"). Um die Jahr hundertwende geht er wieder nach Rußland. Doch schon an der Grenze wird er verhaftet — warum? ist noch heute nicht erwiesen, vielleicht auf An schwärzungen höfischer Speichellecker hin — und nach Sibirien verschleppt. (Dgl. „Das merkwürdigste Jahr meines Lebens.") Da hilft ihm feine immcrwillige Muse aus der Bedrängnis. Ein mir Schmeicheleien gegen den Zaren gespicktes Dramolett („Der Leibkutscher Peters ITI") trägt ihm Freiheit und kaiserliche Gunst ein. Er wird Direktor des Petersburger Deutschen Theaters MttllvoH. 3. Rial ISN. tracht, nehmen am Mittwoch früh die Arbeit wie der auf. * Beabsichtigte Aussperrung. Angesichts d«s seit Wochen anhaltenden Streiks der leztil- a r b e i t e r der Firma KolckLTo. inToesfeld beschloß am Dienstag der Verband der Münsterlän- dischen Textilindustriellen, die gesamte Arbeiterschaft im Münsterlande auszujperren, wenn die Ar beit bei der genannten Firma nicht bald w-eder aus genommen wird Es kommen 12 000 Arbeiter in Frage. Die Kündigung erfolgt am nächsten Sonnabend. Die Streikenden fordern eine Lohn erhöhung, trotzdem die genannte Firma ki—15 Prozent mehr Lohn zahlt, als die anderen Webereien in dem genannten Bezirk. * Der Bahnbau Morogoro—Tanganjika-Ser. Es kann damit gerechnet werden, daß die für den Bahn bau Morogoro- Tabora veranschlagte Summe nicht in vollem Umfange gebraucht werden wird, da die in Anschlag gebrachten Mittel für die Bau ausführung sich als zu reichlich bemessen berausgestellt haben. Voraussichtlich wird eine Ersparnis von mehr er en Millionen Mark eintreten, welche Berechnung auch dadurch eine Stütze erhält, als die Länge der Bahn sich etwas kürzer stellt als anfangs angenommen worden war. Das Anlagekapital für den Bau dieser Strecke war bekanntlich (einschließlich der Bauzinsen) auf 86,9 Millionen Mark, das eigent liche Baukapital auf 70 Millionen Mark bemessen worden. Wegen der Fortführung der Bahn von Tabora bis zum Tanganjika-See wurde im Reichstage die Genehmigung ausgesprochen, daß die Mittel der Anleihe auch zu den Vorarbeiten für die Fortführung der Bahnlinie bis zum See Verwendung finden könnten, und ferner wurde geltend gemacht, daß eine Fortführung der eigentlichen Bauarbeiten möglichst ohne jede Unterbrechung von Tabora aus sehr wünschenswert sei. Geaenwärtig finden nun be reits wirtschciftlirb« und technische Vorarbeiten statt, die sich mit der Rentabilität der Babnverlängerung bis zum Tee befassen. Das Vorhandensein einer sol chen sowie die erträoliibe Gestaltung der Verzinsung und Tilquna der Anleiheschuld für das Schutzgebiet bildet die Voraussetzung für die Bahnverlängerung. Auslsnü. Rügland. * In dem Befinden Sfasonows ist, wie verlautet, eine merkbare Besserung eingelreten. In der letzten Woche war die Temperatur normal und die Her Tätigkeit gut. Siosonow tritt bald einen langen Urlaub bis zu seiner Wiederherstellung an und kehrt auf leinen Posten zurück, selbst wenn eine ver hältnismäßig lange ärztliche Behandlung notwendig ist. Irgendwelche Personalveränderungen im Aus wärtigen Amt sind vorläufig nicht beabsichtigt. * Die Neichsduma nahm die Arbeiten wieder auf und trat in die Beratung des vom Handelsminister eingebrachten Gesetzentwurfes über die Arbeiter unfallversicherung ein. Türkei. - Ein Lommuniquö der jungtürkischen Partei besagt, daß die Partei einstimmig beschloß, die ihr durch den Patriotismus auferlegten Pflichten ein trächtig zu erfüllen. Der Führer der Dissidenten verlangte eine offene Erklärung, ob alle Forderungen der Dissidenten angenommen würden, was von der ganzen Partei bestätigt wurde. Wie aus jungtiirti- jchen Kreisen verlautet, habe die Frage der Ent fernung des Obersten Sadir aus Konstantinopel zu Differenzen im Kabinett geführt. Mehrere Minister hätten dem Großwesir ihre Demission angeboten, falls Sadik nicht entfernt würde ' Aus dem albanischen Aufstanvsgebiet wird ge meldet: Am 28. April griffen die Aufständischen Tuzi und die Festung Schipzanit an, wurden aber zurückgetrieben; ebenso wurde der Angriff aus die Kolonne Muhiddin bei Kastrati zurück gewiesen. Am 29. April griffen die Aufständischen die Posten bei Samaja, Dcmchsitsch und Vitoja an nnd am 30. April Malisjoren und Montenegriner das Blockbaus Lifchatz bei Berana, hatten aber in beiden Fällen kernen Erfolg. China. * Ausbreitung des Aufstandes in Südchina. Wie wir gestern bereits berichteten, schlägt die revolu tionäre Bewegung in Südchina von der Hauptstadt der Provinz Kwantung, von Kanton, auf andere bis zu Kaiser Pauls I. Tode. Wieder treibt fein Kiel nach Weimar. Und diesmal ist es S ch i l l e r, an den er sich mit überschwenglichen Hymnen anzu- biederu sucht. Aber auch bei dem hat er kein Glück. Eine Feier zu Ehren Schillers, von der Goethe rn seinen „Annalen" berichtet, macht ihn geradezu lächerlich. Sein Haß gegen Goethe, dem gegenüber er Schiller ausspiclen wollte, schwillt immer mehr an. Mit Merkel gibt er in Berlin den „Freimütigen" l)«raus, der nur allzu deutlich die pamphletisti'chen Absichten gegen die Weimarer nn der Stirn trägt. Di« politisch bewegten Zeiten sahen ihn zwar nicht in der Arena der großen Geschchniße, aber sie wecken doch seine Neigungen zu geschichtlichem Studium, das ein fleißiges Werk von vier Bänden („Aeltere Geschichte Preußens") zur Frucht hat. Von seinen estländischen Besitzungen aus leitet er zwei Zeitschriften, „Die Diene" un- „Die Grille", die seinem Tnrannenhaß vor Napoleon und seinem russi- schen Patriotismus die Ernennung zum Staatsrat eintragen. Er begleitet auch Alexander I. ins Haupt quartier (1814). Nach kurzer Re-aktionstätigkeit in Berlin („Russisch-Deutsches Lolksblatt") über nimmt er das russiscki« Generalkonsulat in Königs berg. Archive, die hier seinen Quellenforschungen ossenstehen, fördern neue historische Werke, in denen er allerdings als wenig vorurteilsfreier Historiograph auslritt. Die deutschen Burschenschafter verbrannten diese Schriften 1817 auf dem bedeutsamen Wart burgfest. weshalb er ihnen nachmals mit beißen der Satire beizukommen sucht. Noch einmal führt ibn der Weg in die russisch« Hauptstadt, wo er im Aus wärtigen Amt beschäftigt wird. Kurze Zeit nur. Dann taucht er wieder in Weimar auf, wo man in dessen nichts von ihm misten will; von hier zieht er nach Mannheim, wo fein bunt bewegtes Leben einen jähen Abschluß erreichen soll. Die gegen die dcutschc Burschenschaft im ..Literarischen Wochenblatt fortgesetzte Polemik entflammt einen der liberal Denkenden zu blutiger Tat. Am 23. März 1819 er- -olcht ihn in Mannheim der fanatische Schwärmer Sandl.
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