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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110503018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911050301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911050301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-03
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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Änzeigrn-Preiö flir 2»>»rat« au» Ueiptig und Umgebung die lspaltig, Petitteil« S Pt. dce Reklame- »«U« > Mk., vo» au»wärt» 3V Ps^ Reklamen 1^20 Mk., Inserate »on Behörden rm amt lichen Teil dir Petit,eile SU P« S«schält»anzeigrn mit Blanoorlchritten u. in d«, Ao«ndau»,ad« im Preis« «rhohl Rabatt nach larch Beilagegeduhi L«samt» auflag» ü Mk. p Taulrnd «rkl. Postgibuhr. Trtlbeilagr höher. Fellertetlt« Lustraae können nicht ,urüa- ge,»g«n werden Für da» Erscheinen an »rlttmMten lagen und Plagen wird kern« Garantie übernommen. An,»r,«n - Annahme 2»d»»ni»,als« tt, brt sämtlichen Filialen » allen Annoncen. Ltpedttionen de» In- »nd Aarland«,. BruA »nd »««lag »e» i!«i»,l,e. Tag» blaue» S V»lg Inhaber Paul Aürlte». Uedattio» und Gelchällrdell«: Iohannirgaise b. Fernsprecher liE. IttiM. l<»« Haupt »Filial« Dee»»«»: keestrag« <. l lTelephon «621». Nr. 122. Mittwoch, ücn 3. Mai lSll. 105. Jahrgang. Die »orlieftende Ausgabe umsasst 20 Leiten. Das Mchtiglte. Der Reichstag verwies am Dienstag das Einführungsgesetz zur Reichsoersiche rungsordnung nach vollendeter erster Lesung an eine Kommission und begann die Beratung des Entwurfs zur Aufhebung des Hilfskranken- k a s se n g e s e tz e s. (S. Reichstaqsber.) * Der Reichskanzler hält dem Kaiser am Donnerstag in Karlsruhe B o r t r a g. * Der König von Italien besuchte am Dlenstagoormkttag die deutsche Abteilung der Turiner A u s st e l l n n g. (S. d. bes. Art.) * Eine von 1000 mexikanischen Studen ten unterzeichnete Petition ersucht den Präsidenten Diaz, abzudanken. Diaz lehnte eine Ant wort ab. Die Umlage ües preutzilchen Gderverwaltungsgerichts. Dor einiger Zeit haben wir hier feststellen können, das; das Gesetz zur Entlastung des Reichsgerichts sich gut bewährt hat, in sofern, als die Revisionen schneller erledigt werden können. Ein anderes höchstes Gericht befindet sich noch in einer ähnlichen Lage wie das Reichsgericht vor Erlas; jenes Gesetzes. Es handelt sich um das preussische Oberverwaltungs gericht in Berlin, lieber dessen Notlage wird uns aus Berlin geschrieben: Das preußische Oberverwaltungsgericht ist zweifel los überlastet Die Klagen nehmen stcn>'io ru, das; Prozesse liegen bleiben. Nicht Monate, sondern Jahre müssen manche Parteien aus das Urteil warten: eine Frist für dis Urteilsfällung gibt es überhaupt nicht. Dann vergehen wieder Monate, bis die schriftliche Ausfertigung erfolgt. Wenn die Prozeßführer Kom munen sind, wird unter Umständen durch das lange Anstehen des Prozesses Unsicherheit in die Gemeinde finanzen gebracht, und es wird erschwert, in sach- gemäßer Weise den Etat aufzustellen. Der Abhilfs Vorschläge gibt es mehrere. Sie be rühren sich zum Teil mit den zur Entlastung des Reichsgerichts vorgebrachten, aber großenteils wieder verworfenen Anregungen. Die Vermehrung der Richterzahl, dieser scheinbar einfachste Weg, verbietet sich. Leidet schon das Reichsgericht unter der großen Mitgliederzahl. so würden die Schwierigkeiten für eine einheitliche Rechtsprechung beim preußischen Lber- verwoltungsqericht unüberwindlich werden. Die Er nennung von Hilfsrichtcrn wäre sachlich vielleicht unbedenklich. Lvarum sollte man nicht einmal dazu schreiten, durch Hilfsrichter die Reste aufarbeiten zu lassen? Das wäre als Zwischenmaßregcl einwand jrei und es mag demnächst nötig werden. Aber eben doch nur als Zwischenmaßregcl. Zur dauernden Ein richtung kann man die Hilfsrichter nicht machen: das widerspräche der Auffassung des Volkes, das in Höchst gerichten keine Hilfsrichter wünscht. Es ist natürlich, daß man, wenn andere Wege sich nicht gangbar erweisen, die Einschränkung der Tätig keit des Oberverwaltungsgerichts ins Auge faßt. Das Mittel der Einführung einer hohen ReVisions summe, das sich beim Reichsgericht bewährt zu haben scheint, ist aber nicht gut anwendbar. Werden Polizeiverordnungen angegriffen, so kann es über haupt nicht in Kraft treten. Bei Steuerstreitigkeiten bietet sich freilich eine Eeldunterlage dar; würde man hier aber die Reoisionssumme hoch fixieren, so wäre das außerordentlich bedenklich; fixiert man sie ander seits niedrig, so würde eine erhebliche Entlastung des Oberoerwaltungsgerichts nicht erzielt. Auf jeden Fall ist in Betracht zu ziehen, daß es sich bei Steuer sragen um eine jährlich wiederkehrendc Leistung handelt, die für den Betroffenen eine weit höhere Bedeutung hat als ein einmaliges Streitobjekt. Bei der staatlichen Einkommensteuer wäre die Festsetzung einer mäßig hohen Reoisionssumme noch am meisten sachdienlich; bei Kommunalsteuern und Stempel streitigkeiten sind kleine Einzelsummen von nicht ge ringer Bedeutung, da die Entscheidung eine Wirkung auf das ganze Steuergebiet haben würde. Man begegnet auch dem Gedanken, die Revision nicht zuzulasicn, wenn die beiden vorhergehenden In stanzen übereingestimmt haben. Bet den Verhand lungen über die Entlastung de» Reichsgericht, ist man non diesem Gedanken abgekommen; immerhin ist er erwägenswert. Auch an dem Vorbescheidwesen, das ohne zwingendes mündliches Verfahren erfolgt, und das bei einfach liegenden Fällen im Sinne einer Be stätigung de» letztinstanzlichen Urteils, also einer Zurückweisung der Revision, nicht jedoch im Sinne einer Abänderung des letzten Urteils geübt werden I kann, wird man nicht rütteln wollen. Vielmehr I könnte man daran denken, dieses Verfahren auszu dehnen und die Möglichkeit zu vermehren, daß den Parteien von kurzer Hand eröffnet wird: „Euer Vor gehen erscheint aussichtslos." Endlich kommt die Abschiebung zahlreicher Ma terien an die ordentlichen Gerichte in Be tracht. Das wäre das „große Mittel", das mit einem Schlage Abhilfe brächte. Mögen die „ordentlichen Richter" Bedenken haben, mögen sie eine Ueberlastung voraussehen und abwehrend die Hände erheben: aus der Art der bisherigen Rechtfindung des Oberverwal tungsgerichts lasten sich kaum Bedenken entnehmen. Denn man würde irren, wenn man glaubte, daß die gegenwärtige Rechtsprechung des Oberverwaltungs gerichts anders als rein juristisch ist; sic ist tatsächlich weder verwaltungsrechtlich noch wirtschaft lich, sondern lediglich zionistisch. Wir wüßten nicht, was dagegen spräche, einen großen Teil der jetzigen Verwaltungsgerichtsbarkeit den ordentlichen Ge richten zu übertragen und — mit Einschränkungen in dieser Beziehung — dem Beispiele Englands zu folgen, das die Verwaltungsgerichtsbarkeit in un serem Sinne nicht kennt. Natürlich könnte die Frage nicht für Preußen allein gelöst werden; wir stehen vielmehr vor einer wichtigen Frage der deutschen Ge richtsverfassung. die im Zusammenhang mit den ge samten Resormbestrebungen unseres Rechtswesens er wogen werden müßte. Das kranMlche verlteckstuel. lPariser Brief.) 1>. Paris, 1. Mai. Brömond ist in Fez! Diese Nachricht, die noch ein ganzer Teil oer Kolonialprcsse zu oerheim- lichen oder zu bestxeiten versucht, kommt der Marokko- Expedition des Generals Moinier sehr in die Ouere. Im Augenblick, wo noch das „Echo de Paris" und andere Organe der Eroberungspolitik das Ministerium dazu drängen wollen, unverzüglich auch die 13 000 Moni, urner d-m Befehl i"s Generals Toutö über Tazza nach Fez vorzuschuken, w'rd es oer Zvelt klar, daß der Entsatz der marokkanischen Haupt stadt durch die Franzosen aus „menschlichen Gründen", um den Europäern und den Instruktoren das Leben zu retten, gänzlich überflüssig wird! Hatte man nicht schon die Todesnachricht Br6monds auf den Boulevards ausgeschrcen. um einen Druck auf die Ne gierung auszuüben, zur Beschleunigung der militäri schen Aktion'?! Hatte man nicht die noch schlimmere Tatarennachricht von dem Fall der Sultansstadt und der Niedermetzelung der Weißen ebensalls in Umlauf zu setzen gewagt'?! Die offiziöse Havas-Agentur lieh sich diesen Manövern, deren Zweck gar zu durchsichtig war. In den Abendstunden des Donnerstags sollte in Tanger das Gerücht vom Tode Bremonds um gelaufen sein, und die gesamte Morgenpreste gab diese Havas Meldung „unter allem Vorbehalt" wieder. Wer da weiß, wie lange die offizielle Agentur ähn liche Nachrichten über den Tod von Offizieren und Soldaten in den Kolonien zuriickzubehalten pflegt, um erst bei definitiver Bestätigung die Verwandten zu unterrichten, der mußte sich sagen, daß gewiß a„ der Geschichte kein wahres Wort war. Die Kolonial presse, die aus „menschlichen Gründen" die ganze Erpedition nach Fez erklären will, war Unmensch lichgcnug. die Mutter und den Bruder Br.'monov in größte Aufregung zu versetzen: Minister Cruppi mußte sich damit begnügen, der Familie Br'monds auf ihre Anfrage zu antworten, er glaube nicht an die Wahrheit der Meldung. Jetzt, wo die entgegen gesetzte Nachricht kommt. Bn'mond befinde sich mit seine- Maholla an der Seite des Obersten Mangin, glauben dieselben Kolonialorganc die Meldung be streiten ater versckiweigen zu müssen — gewiß wieder um aus „menschlichen Gründen"! Der „Temps" schildert noch die Lage in den düstersten Farben uno spricht von Tagen nationaler und humaner Be ängstigung. Ieo.n I.cur<s brandmarkt un ausgesetzt diese Fälschung der Nachrichten. Auch das Miralieü des Ministeriums Briand, Puech, bekämpft mutig in der „Action" die Intrigen, die Frankreich in ein großes Kolonialabenteuer stürzen wollen. Diese Warnungen scheinen jetzt doch einigen Eindruck auf das Kabinett Monis gemacht zu haben. Einige offiziöse Blätter verlautbaren im Anschluß an die Meldung von der Ankunft Br-'monds in Fez, daß die „flie gende Kolonne" nun vielleicht doch nicht weiter vorzu drin gen brauche. Sollte die Regierung wirklich die Absicht haben, den Vormarsch abzukommandieren, dann kann man sich auf einen schönen Wutausbruch der Kolonialpolitiker vor bereiten, die ihren Plan so prächtig glücken sahen! Aber die Hoffnung die Franzosen möchten auf dem halben Wege nach Fez umkchren, ist doch nur schwach — höchstens werden sie sich etwas mehr Zeit nehmen. Die Sprache, die schon gegen Spanien geführt wird, das Laroche und Tetuan besetzen zu wollen scheint, verrät, daß Frankreich den großen Braten allein zu verspeisen gedenkt. Im „Journal" wird den Spaniern die Verantwortung für alle falschen Nachrichten über die Niedermetzelung der Europäer in Fez zugeschoben! Und das „Echo d« Paris" schreibt: „Unter welchem Vorwande würde Spanien Larache und Tetuan besetzen? Handeln zu wollen, weil wir uns von den Ereignissen zur Inter vention gezwungen sehen, wäre von seiten der Ma drider Regierung ein unüberlegter und gefährlicher Akt. Deutschland würde nicht verfehlen, die spanische Landung zum Vorwande zu nehmen, um über die Austeilung Marokkos zu schreien und eine neue Konferenz zu verlangen." * Auch die neuesten Depeschen aus Frankreich be rechtigen zu der Vermutung, daß das Verst eck t spiel nur getrieben wird, damit man Zeit zur I Vorbereitung weiterer Schritte findet, die zur end gültigen Annexion Marokkos durch Frankreich führen sollen. Folgende Depeschen lasten ziemlich deutlich diese Absichten der französischen Regierung erkennen: Paris, 2. Mai. (Tel.) Im Ministerrate teilte Ministcrpräsikent Eruppi mit, daß er weder aus Fez noch von Major Bre-mond Mel dungen erhalten habe. Bertcaux jaglc, die Ent satzkolonne rückte schnellstens vor, wie besohlen sei. Paris, 2. Mai. (Tel.) „P e t i t e Nepublique" schreibt anscheinend offiziös: Die jliegendc Kolonne verfolgt ihr ursprüngliches Ziel, Fez zu entsetzen und die Autorität des Sultans zu befestigen. Die Frage ist nur, wie weit die Kolonne geht; wird sie in Fez einmarschieren oder etwa 30 Kilo meter vor der Stadt stcl>en bleiben? Bisher ist noch keinerlei Entscheidung getroffen worden. Alles, wird von den Ereignissen abhängen. Entsprechend den eingegangeneil Verpflichtungen bezweckt die fron zösische Regierung nur die Bestätigung der Autorität des Sultans. Sie wird ihre Hal tung einrichten gemäß den Erfordernisten der Lage, welche in Einzelheiten niemand vorausschcn kann. Deshalb wäre es auch verfrüht, eine Ant wort auf die Note der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" schon jetzt zu erteilen. — Das „I o u r n a l" veröffentlicht ein Interview mit einem hohen Beamten des Ministe riums des Aeußern, der u. a. sagte: Mag Major Bromond mit der Mahalla nach Fez zurückgekchrt sein oder nicht, so ändert dies durchaus nichts an unseren Bestimmungen und ändert auch nichts an der Lage. Die in Fez eingeschlossenen Europäer haben noch immer gefähr liche Ereignisse zu befürchten. Man behaup tet, Fez sei mit Lebensmitteln überfüllt; der .jüngst veröffentlichte Derichi oes deutschen Konsuls Dassel beweist, wie unrichtig diese Behauptung ist. Die Deutschen haben sich in diesen Angelegenheiten immer zu optimistisch gezeigt. Man muß dem Sulran Hilfe bringen, die er erwartet und verlangt hat. Sobald die Hilsskolonne in Fez eingetroffen ist, wird man sehen, was die Umstände erfordern. Das sind die Befehl?, die an General Moinier telegra phiert worden sind. Die GriMnung ürr Turiner Weltausstellung. 8. Turin, 29. April. Lese ich da in dem Augenblick, wo ich mich in Frack, Lack, Claque in die Earozza zur Fahrt in die Ausstellung am Po Ufer werfe, in dem Leiüblatt der braven Turiner, daß heute hier oie 16. Ausstel lung innerhalb eines Jahrhunderts eröffnet wird. Daß Turin die „Ehre" hatte, feine allererste Ausstellung im Jahre 180.', vor dem Kaiser Napoleon 1. zu eröfnren, und daß bis zu dem Augen blick, wo Turin sich die Hauptstadt des neugeeinigten Italiens nennen durfte, nicht weniger als neun Ausstellungen aus der Taufe gehoben wurden. Von 1838 ab aver hat sich — so lese ich weiter — das Tempo der Ausstellnngsveranstaltungen ein wenig verlangsamt. Golt sei Dank! Sonst würden die Tu riner Gastwirte noch übermütiger. Ich habe sie stark im Verdacht, sie schüren das Feuer der Ausstellungs- leidenichaft. um ihr Schäfchen ins trockene zu brin gen. Für die übrigen Turiner scheint so eine Welt ausstellung keine allzu aufregende Sache zu sein. Kein Wunder, wenn jede Generation 3—3 Ausstel lungen mitcrlebt. Man ist abgestumpft gegen die Effekte solcher Ereignisse. Auch die Zeitungen, die diese Ereignisse zu registrieren haben, tragen der Gleichgültigkeit des Publikums Rechnung. Ich drücke einem italienischen Kollegen meins Verwunderung darüber aus, daß sein Blatt sich Zeit gelassen hat bis zum Tage der Eröffnung, die Wunder der neuesten Turiner Weltfeicr zu feiern. „Undankbarer!" er widert er mir lachend. „Hätten Sie denn sonst über haupt noch Uiuerlunft gesunden?" Die Turiner machen grundsätzlich keine allzu auf dringliche Reklame von ihrem die Industricwelt in ihren Mauern vereinigenocn Unternehmen. Und doch erfreut es sich einer Beliebtheit, d>e jeden Nicht- Turiner mit Schrecken erfüllen muß angesichts der enabegrenzten Einquarrierungsmöglichkeucn. Die selben Turiner, die es verstanden haben, innerhalb von 103 Jahren 16 Ausstellungen zu arrangieren, darunter 1 Weltausstellungen, haben es der ihren Erfahrungen noch nicht verstanden, ihre Gäste einigermaßen anständig zu be handeln. Es ist eine grobe Verletzung der Gast geberpflicht, nicht einmal die elementarsten Maß nahmen für die Unterkunft der fremden Besucher ge troffen zu haben. Die wenigen alien und längst ver besserungsbedürftigen Hotels haben keinen nennens werten Zuwachs im Ausstellungsiahr erfahren. Die Stadt aber Hane zu den Eröffnungsfeierlichkeiten nicht nur den gesamten Hofstaat, das diplomatische Korps, die Offiziere aus Rom zu Gast geladen, son dern auch die Dcputiertenkammer, den Senat, die Geburts-, Finanz- und Geistesaristokra'.ie Italiens, die höhere Beamtenschaft des ganzen Reiches, kurz alle „Spitzen" und alle Größen", auch wenn sie in noch so entfernten Beziehungen zu der Turiner Weltseier stehen. Diese ist ein großes Aktienunternehmen, zu dem Staat und Stadt den Segen und einen hübschen Beitrag gegeben baben. Die Hauptaktionäre aber sind mit einigen Industricgrößen die Hoteliers, die beizeiten Doriorge gegen eine unangenehme Kon kurrenz zu treffen verstanden haben. Das Publikum, das in diesem Jahr nach Turin sich zu wenden ge denkt, treffe beizeiten, eventuell mit Hilfe des deut schen Konsulats, Vorsorge gegen Ueberrumpelungen spekulativ veranlagter Gastwirte in Turin. Diese beweisen viel Phantasie in den Preisen, die sie ihren Gästen ansetzen, das Exekutivkomitee dagegen zeigt wenig Geist in seiner Organisation, die Voraussetzung für das Gelingen des Ganzen bleibt. Händeringend erklären mir die Beamten der ein zelnen fremden Abteilungen, daß ein Zusammenar beiten mit diesem Exekutivkomitee unmöglich I wäre. Am schlechtesten ist für die Presse s gesorgt. Hier feiert di« Desorganisation wahre Orgien. Die entferntesten Vettern, Basen, Muhmen und Großonkels sind mit Einladungen bedacht. Für die Vertreter der Presse aber, die ost 1000 Kilometer zurücklegen mußten, um ihrer Berichterstatterpslichi zu genügen, lM man nach einem strengen Inquisi torium nur ein bedauerndes Achselzucken übrig. Schließlich kommt man auch mal ohne die Groß macht Presse ans Ziel, denken die Ausstellungsleiter, die gewohnt stnd, daß ihre einheimischen Blätter nicht viel Aufhebens von dem Unternehmen machen. Die Eisenbahn l>aben sie in den Dienst ihrer Lache gestellt. Mit 30 Prozent Fahrpreisermäßigung wirkt man nachdrücklicher, als schöne Worte es ver mögen. Irgendein Onercvole, der der Gastwirts Partei von Turin nicht fernsteht, wird demnächst in der Depulienen'ammer feinen Antrag auf eine Er Höhung der Preisermäßigung bis zu 75 Prozent be gründen. Wer sich auch dann noch nicht zu einer Fahrt nach der Weltausstellungsstadt entschließen kann, bekommt ein Gratisbillett ins Haus geschickt — auf Kosten der Turiner Hoteliers natürlich. Dieselbe Eisenbahn, die der Fcststadt innerhalb einer Woche an 30 000 Gäste zugeführt, hat der Ausstellung einen bösen Streich gespielt. Vor vier zehn Tagen durfte man sich der Hoffnung hingcben, baß die Ausstellungsgebäude einem verehrlichen Publikum am Tage der Eröffnung auch das Innere offenbaren würden. Aber die W a r e n l a ö u n g e n trafen nicht rechtzeitig ein. „In ritardo!" heißt es. Die Verspätungen sollen einzig und allein der Eisenbahn zur Last fallen. Kein Wunder, wenn ihre Gleise dank der allgemeinen Fahrpreisreduktw nen das Vier- und Fünffache der gewöhnlichen Lasten tragen sollen. Und so ist denn ganz wider Erwarten im letzten Augenblick die Ausstellung stark „in ritardo" gekommen. Die Einweihungszerc- monie konnte daher vom König meist nur vor verschlossenen Türen innerhalb des Aus stcllungsparks vorgenommen werden. Das Innere des Pavillons selbst bot nicht immer sehr Er bauliches. Genau wie voriges Jahr in Brüssel, so hat jetzt auch in Turin wieder Deutschland die Ehre ge habt, am frühesten seinen Pavillon auszu Ichließen. Nur das kleine Argentinien mit seinem Palast und das eilfertige Ungarn mit seinem wuch tigen Pußtahaus juchten sich in diese Ehre zu teilen. Wenn sich daher di« Gäste auch nicht gleichmäßig on dem Innern delektieren konnten, so bot doch das Aeußere der hundert Pavillons und Paläste am Tage der Eröffnung den Beschauern einen vollkommenen Ersatz für entgangene Genüsse. Es läßt sich schwerlich etwas Analoges zum Vergleich heranziehen. Den Zauber dieser weißen, in das dunkle Grün der Berg hänge und des Stadtparkes gebetteten Ausstellungs stabt kann man vom Po-Ufer aus stundenlang auf sich einwirken lasten, ohne des eigentlichen Zweckes der Ausstellung und ihres Inhalts zu gedenken. Im Grunde meines Herzens beneidete ich die Leute, denen ein höherer Wille in Gestalt des Exe kutivkomitees den Eintritt in die Fest Hal le ver wehrt hatte, wo ich eingekeilt in drangvoll fürchter licher Enge die Redefluten über mich ergehen lassen mußte. Fünf Festredner suchten d«n Hohen und allerhöchsten Herrschaften, den Vertretern der diver sen Rcgierungs- und öffentlichen Gewalten sowie der Presse die Größe und Bedeutung der feierlichen Stunde klarzumachen. Alle Reden waren auf den Ton gestimmt, den der soeben zum Grafen beförderte Bürgermeister von Turin sehr glücklich mit den Wor ten traf: „Una d'armi, di lingua, d'altare — di memoria, di sanaue, di cor" (Eins ist Italien in der Waffe, Sprache, im Glauben — in der Geschichte, im Blut und Herzen). Zuletzt hatte auch der Sin dako von Rom Ernesto Nathan gesprochen. Als Redner ist er weniger glücklich als sein Bürgermeister kollege Rossi von Turin. Man merkt Herrn Nathan gar stark den englischen Zungenschlag an. Lieber Himmel, es läßt sich nicht leicht alles auf einmal er lernen. Dor 10 Jahren erst wurde der Engländer Nathan in Rom naturalisiert. Vor 5 Jahren machte man ihn zum Bürgermeister seiner neuen Heimat. Ob er wohl auch einmal aus dem simplen Nathan ein Lonte di Nathan werden wird, wie sein glücklicher Turiner Amtsbruder Rosti? Dieser hat sich gleich mit seiner ersten Ausstellungsrede in den Grafen staud hinauf- oder bester: hineingeredet. Herr Nathan aber hat heute, wie er mir erzählt, seit den letzten Märztagen die 21. Ausstellungsrede glücklich hinter sich. Die Feier des Tages zu erhöhen, war — vier Stunden nach der Eröffnung der Ausstellung — ein Festkonzert veranstaltet worden. Am Abend folgte eine Galavorstellungim Regio-Theater. Auf dem Ausstellungsplatz selbst war es nicht gerade kurzweilig geworden. Man merkt, di« Turiner sind etwas abgestumpft gegen Ausstellungsfreuden. Man überläßt das Feld den Fremden. Heute abend will man ihrer 80 000 gezählt haben. Das ist ent schieden zu viel für eine Stadt von wenig mehr als 350 000 Seelen. Darum sind auch die Gastwirte so übermütig. Für Zerstreuungsmöglichkeilen ist nicht hinreichend gesorgt. Turin an sich bietet wenig, die weitere Umgebung desto mehr. Die aber hat noch nicht Sommcrtoilette angelegt. Don fernher glitzert der Schnee der Bergriesen. Cie winken dem Aus- stellungsbcfuiher ein fröhliches „Grüß Gott!" zu. Wäre ich nicht an die Ausstellung gebannt, an die Stadt des unverfälschten Wermuts, ich folgte mit tausend Freuden dem Sinn, der mich in die Berge gehen heißt. 4 Der König von Italien in der deutschen Abteilung. Welches Intereste auch der König von Italien der deutschen Abteilung entgeqenbrinat. aeht aus dem Umstande hervor, daß er am Dienstag ohne vorherige Ansage der deutschen Ausstellung einen längeren Besuch abstattete. Es wird darüber depeschiert: Turin, 2. Mai. lTel.) Ohne vorheriae Ansage erschien der König um 8' , Uhr vormittags in der deutschen Abteiluna, um die Elektrizitätshalle, die Maschinenhalle und die Eiienbahnhalle «u besich tigen. Geheimrat Bus len führte den König, der sich Chefingenieur Stolte und Regierungsbaumeister
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