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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.05.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110513026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911051302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911051302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-13
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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BezuqS.Prei- Mr Letvjlß »>d v.eott« d»rch »nie« Ikäaer und Eoevtleur, 2mal ti-ltch t», pau» gedralyl « Pt. monatU. L7u MI. »ietteliahcl. «et unler» Filialen ». Tn» «hmrsteLrn adgehott 7S PI. »onatt, 2.S MI. otetteliährl. »,r» »»« Volt: tnnerhald DeuUchlanv» und der deutlchrn Kolonien »irrteliätzrl. 3.M Mk., monatl. l^0 VN. au.schl Postdeftellaeld. Ferner tn Belglen. Dänemark, den Donaostaaieu. Italien. Luxemburg. Niederlande, Nor megen, Oesterreich- Ungarn. Nustland. Schweden, Echweti u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die GttchLttrftelle de» Blatte» «rbäUltch. Da» Lrtp;tg«r lagedlatt «rlchetnt Lmal täglich. Sonn« a. Ferenag» nur morgen». Udonn«ment»-Lnnal>m» 2»bam«»gall« 8. b«t unieren Drägern. FUialen. Spediteuren und Airnahmeltrllen, lowrr Postämtern und Briekträgern. Gt»»»lo«rka»t»pr«t» k»Vt- Nr. 132. Abend-Ausgabe. KWiger TaMaü LkU-Änschl.^i4M3 rel.-Anfchl.^i1m3 Nmtsbkall des Aates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Svnnsbenü, üen 13. Ma! 19N. Anzeige«. 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Das mit beinahe fieberhafter Spannung erwartete Ergebnis der am Freitag vollzogenen Wahl des Schultheißen von Stuttgart — der Titel Oberbürgermeister wird dem Stadtoberhaupt durch den König erst nach der Wahl verliehen — hat den Sieg des von den Nationalliberalen vorgeschlagenen Negierungsrvts Dr. Lauten chlager gebracht. Wie wir bereits im Depeschenteil der heutigen Mor- gcnnummer mitteilten, hat dieser 13 151, der Kandi dat der Sozialdemokraten Dr. Lindemann 12 333 und der von der Fortschrittlichen Dolkspartei vor geschlagene Oberbürgermeister Dr. Keck-Göttingen 3151 Stimmen erhalten. Da nach der württembergi- scheu Gemeindeordnung bei Eemeindemahlen die relative Mehrheit entscheidet, also keine Stichwahl stattfindet, ist Dr. Lautenschloger gewählt. Die Erhitzung der Gemüter der Stuttgarter, die während der Zeit der Wahlvorbereitungen zu beob achten war, rührte mit daher, daß die bürgerlichen Parteien sich nicht auf eine Kandidatur einigen konnten. Wohl war es in den letzten Tagen noch gelungen, Persönlichkeiten, die für die Kandidatur mit genannt worden waren, auszuschalten. Aber mit der Fortschrittlichen Volkspartei glückten die Eini- aunasnerhandlungen nicht. Trotzdem haben die bürgerlichen Parteien allen Grund zur Zu friedenheit, denn die immerhin stark drohende Gefahr, daß ein Vertreter der Sozialdemokratie zum Oberhaupt von Stuttgart gewählt werden würde, ist glücklich abgewender worden. Aus ganz anderen Gründen wird über den Wahl- ausfall im Lager der Sozialdemokratie Freude herr schen: denn durch die Niederlage Dr. Lindemanns kommt man um die leidvollen Auseinandersetzungen über den „Genossen auf Urlaub", der sich gar höfi schen Nepräsentationspflichten unterziehen wollte, glatt herum Den radikalen Marxisten wird es letzten Endes ganz angenehm sein, daß sie es nicht nötig baben, über die ohnehin schon schwierigen Revisio nisten in Württemberg erneut zu Gericht sitzen zu müssen. Und so wird bald über den „Fall Linde mann", der ja nun eigentlich gar kein „Fall" ge worden ist, auch in sozialdemokratischen Blättern die Debatte geschlossen werden; womit wieder Zeit und Raum gewonnen wird für die Abschlachtung der un zähligen anderen Extratourentänzer in der sozial demokratischen Partei. Die kieinlten unü größten Reichstags» Wahlkreise. Nach dem noch jetzt bestehenden Wahlgesetz Mr den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1869 sollte in je dem Bundesstaat auf durchschnittlich 100000 Seelen Bevölkerung ein Abgeordneter ent fallen mit der Massgabe, das? ein lleberschuß von min destens 50 000 Seelen der Gesamtbeoölkerung eines Bundesstaates vollen 100 000 Seelen gleichgerechnet, und daß in den kleinen Bundesstaaten mit weniger als 100 000 Seelen mindestens ein Abgeordneter ge wählt wird. Im Durchschnitt betrug die Zahl der Wahlberechtigten anfangs etwa 20 000 in einem Wahlkreise. Heutzutage bestehen noch eine ganze An zahl Wahlkreise, die diese Ziffer nicht erreichen oder doch nur um ein Geringes überschreiten: es handelt sich dabei nach einer Zusammenstellung in der ..T. R." hauptsächlich um Kreise mit vorwiegend länd licher Bevölkerung, von denen einige sogar in der Wahlberechtigtenziffer Rückgänge aufweisen. Den kleinsten Reichstagswahlkreis mit kaum 10 000 Wahlberechtigten bildet das Fürstentum Schaumburg-Lippe; danach kommen mit etwa je 13 000 Wahlberechtigten die Kreise Herzogtum Lauen bürg, Fürstentum Waldeck, Deutsch-Krone. Zwischen 13- und 16 000 Wählern zählen die Kreise Rappolds- weiler, Löwenberg jReg.-Bez. Liegnitz), Glogau. Schlettstadt, Frankenstein-Münsterberg, Leobschütz, Fatkenderg-Erottkau. Sigmaringen, Berlin I. Rens; ältere Linie und Koburg. An diese reihen sich mit steigenden Ziffern die Wahlkreise Ostpriegnitz. Demmin-Anklam, Greifenberg-Kamin, Konitz-Tuchel, Schweiz, Nordhausen, Pr.-Holland-Mohrungen, Hei- ligenbeil-Pr.-Eylau, Namslau-Brieg, Neustadt (Ob.. Schlesien>. Güstrow-Nibnitz, Lauterbach-Alsfeld, Eich städt l Mittelfranken), Labiau-Wehlau und Schwarz burg-Rudolstadt. Etwa 20 000 Wahlberechtigte wer den bei der nächsten Reichstagswahl aufweisen die Kreise: Hersfeld-Rotenburg, die beiden oberpfälzi- scheu Kreise Neumarkt und Neunburg a. W. sowie Hadersleben, Neifze, Friedeberg-Arnswalde und Wanzleben. Insgesamt ist es der zehnte Teil der Wahl kreise. in denen den gesetzlichen Bestimmun gen noch nicht genügt wird. Dagegen zeigt die Wahlstatistik, dasz in einer grofzen Zahl von Kreisen die stark wachsende Bevölkerungsziffer die Wähler massen um ein Mehrfaches des Durchschnittes über schritten hat. Nach Maßgabe der fortgeschriebenen Bevölkerungszifser dürften wir bei der nächsten Reichstaqswahl mindestens 12 Kreise mit über 100 000 Wahlberechtigten zählen; der weitaus gröfzte Wahlkreis Teltow-Beeskow- Charlottenburg dürste über etwa 300 000 Wähler verfügen; der zweitgrößte. Berlin VI. über 225 000, Hamburg sll über 160 000, Bochum-Gelsen kirchen und Berlin IV über etwa 155 000, Nieder barnim über 110 000, Mühlheim Duisburg. Essen und München II über je 130 000. Leipzig-Land und Dortmund über 120- bis 125 000. Zwischen 75- und 100 00» dürften aufweisen die Kreise Hannover- Linden, Düsseldorf, Frankfurt a. M„ Landkreis Köln, Borken-Recklinghausen, Elberfeld-Barmen, Nürnberg. Kattowitz-Zabrze und Beuthen-Tarnowitz. Außerdem zählen wir noch 27 Wahlkreise mit voraussichtlich mehr als 59 000 Wahlberechtigten. Bei mehr als II Millionen Wahlberechtigten, die die nächste Rcichstagswahl aufweisen wird, beträgt die Durchschnittszahl eines Wahlkreises etwa 36 000, d. i. fast doppelt soviel als beim Inkrafttreten des Wahlgesetzes, und der gröfzte Wahlkreis um faßt etwa 30 mal soviel Wahlberechtigte als der kleinste und übersteigt die Durchschnittsziffer um das Neunfach e." Und da spricht man noch von gleichem Wahlrecht! GM Mißbrauch üer Religion. Im Kloster zum guten Hirten in München em pörten sich vor einiger Zeit die weiblichen Zwangs zöglinge gegen die Anstaltsleitung, wobei es auch zu Ausschreitungen kam, die dieser Tage der Ent scheidung des Münchener Jugendgerichts unterlagen. Die Zögling« begründeten ihre Empörung mit über triebenen, ihnen ausgezwungenen Re- li g i o n s ü b u n g e n. In der Tatbestandaufnahme wurde nun dem „Vorwärts" zufolge das Programm eines Tages im Kloster zum guten Hirten wie folgt festgestellt: 5 Uhr: Aufstehen, dabei Beten des englischen Grußes, 6—7 Uhr: Kirche, ^8 Uhr: Morgengebet gute Meinung, 8 Uhr; Stundengebet, 9 Uhr: Tageszeiten, 10 Uhr: Gebet mit Gesang, '^11 Uhr: Gewisscnserforschung 11 Uhr Mittagessen, vor und nach dem Essen Gebet, 12 Uhr: Gebet Engel des Herrn, 1 Uhr: Stundengcbet, 142 Uhr: Heiliger Geist mit Gesang, 2 Uhr: Gebet und geistige Lesung, 3 Uhr: Gebet für die Vorgesetzten, '-ckUhr; Gegrüßt seist du Maria. 1 Uhr: Stundengcbet, 5 Uhr: Maianbacht, 6 Uhr: Stundengebet, k-7 Uhr: Abendessen mit Gebet, 8 Uhr: Gemeinsames Nachtgebet. Dazu schreibt die „Köln. Ztg.": „Vorausgesetzt, daß diese Angaben stimmen, was wir im Interesse der Sache noch bezweifeln, braucht man sich eigentlich nicht mehr zu fragen, warum die Zöglinge gegen das Klosterregiment protestierten. Selbst wenn die Form des Protestes verfehlt war. so ist dieser an sich ohne Zweifel begreiflich und auch berechtigt, denn derartige Eebetsübunaen können wirklich keinen andern Erfolg haben, als einen nor malen Verstand hochgradig zu verwirren. Weit ent fernt, der Religiosität förderlich zu sein, müssen sie ja geradezu zum Haß und zur Abneigung gegen die Religion ausrcizen. und man darf sich nicht wundern, daß die Zwangserziehung, wenn sie in dieser Weise noch an andern Stellen betrieben werden sollte, manchmal so wenig befriedigende Er- gebnisse bringt." politische Nachrichten. Die evaugelisch-lutherische Landesspnode wird gutem Vernehmen nach Mitte September ihre ordentliche Gesamtsitzung beginnen und bis gegen Ende Oktober tagen. Die Sitzungen werben im Ständehaus zu Dresden in den Räumen der Ersten Kammer abgehalten. Eine Reichstagstagung über Pfingsten. Wie im Reichstage verlautet, hat der Reichs kanzler den Wunsch geäußert, die elsaß- lothringische Verfassungsvorlage nach Erledigung der Reichsversicherungsordnung zur zwei ten Beratung im Plenum zu stellen, da er den Wunsch hegt diese Vorlage noch vor der Sommertagung ver abschiedet zu sehen. Auf ein« weitere Beratung der Vorlage in der Kommission legt die Regierung keinen Wert mehr. Die Regierung hält es auch nicht opportun, die endgültige Lösung der Frage bis zum Herbst zu verschieben, weil sie bestrebt ist, der Agita tion in den Reichslanden durch eine möglichst schnelle Erledigung der Frage entgegenzutreten. Es soll da her versucht werden, die Reichsoersicherungsordnuug bis zu Pfingsten zu erledigen und nach einer kurzen Pfingstpause di« elsaß-lothringische Verfassungsvor lage und den deutsch-schwedischen Handelsvertrag zu verabschieden. Die Verabschiedung der Reichsoer- sicherungsordnung bis zu Pfingsten erscheint möglich, da man hofft, nach Erledigung der Krankenkassen fragen in der nächsten Woche die Beratungen wieder in einem schnelleren Tempo fortführen zu können. Die Reise der preußischen Abgeordneten in» Moorgebiet. Berlin, 13. Mai. (Telegramm.) Anfang übernächster Woche begibt sich die Budget kommission des preußischen Abgeordnetenhauses in das Moorgebiet links der Ems, um hier die Möglichkeit der Ansiedlung von Kolonisten zu stu dieren. Noch ein Ordensschwindler. Paris, 13. Mai. i Telegramm s Die Polizei ver anstaltete eine Haussuchung in der Wohnung eines gewissen Douzets. des Begründers zahlreicher Ge sellschaften. die ihren Mitgliedern Ordensauszeich nungen und Diplome gegen 30—500 Franken verabfolgten. Douzet behauptete, der Vertreter fron zösischer und ausländischer Ausstellungen zu sein, und ließ sich von Kaufleuten, die sich an Ausstellungen be teiligen wollten, beträchtliche Summen zahlen. Drei tausend Diplome und eine große Menge Ordensaus Zeichnungen wurden beschlagnahmt. Douzet ist einer der Gründer des Halbmondes von Marokko. Zum Prozeß Reinbot. Petersburg, 13. Mai. (Tel.) In der Verhand lung des Reinbotprozesses sagte ein Revi sionsbeamter als Zeuge aus, Reinbot hab« an das Ministerium des Innern fälschlich berichtet, daß er angewiesene Geldsummen verausgabt habe, während er tatsächlich 115 000 Rubel auf der Moskauer Kom merzbank deponiert habe. Reinbot bestritt dies und erklärte, nach der Auflösung der Reichsduma habe in Moskau große Unruhe geherrscht. Er habe vielfach für Zwecke der politischen Polizei Geldmittel verwenden müssen, die für andere Zwecke verabfolgt worden waren. Der gekränkte Anarchist. Paris, 13. Mai. (Tel.) Der anarchistisch« Schrift steller Charles Ma lato richtete an den ersten Präsidenten des AppcllationstzcriHts ein Schreiben, in dem er ersucht, den Polizeipräsidenten Lepine und den Direktor des Detektivkorps Mouku« vor. zu laden, weil sie angeblich vor kurzem in den Zeitungen das Gerücht verbreitet hätten, daß er Anstifter einer terroristischen Ver schwörerbande sei. Verurteilter Attentäter. Bareclona, 13. Mai. (Telegramm s Manuel Posa, der am 22. Juli 1910 den früheren Minister- Präsidenten Maura auf dem Bahnhof von Barce lona durch einen Rcvoloerschuß verwundete, wurde zu drei Jahren sieben Monaten Gefäng- n i s verurteilt. ,7! Oie große Liede. Roman von Louise Schulze-Brück. iNachüiuct verboten.) Ianna schüttelte unentschlossen den Kopf. „Ich weiß wirklich nrcht, Tante Rosine, ob es geht. Meine Kurse fangen am Vierten wieder an, und Minnie soll auch nicht so lange aussetzen." „Ach was", sagte Tante Rosine ärgerlich, „das sehe ich nicht ein. Wenn du auch ein paar Stunden versäumst, das läßt du dir dann von deinen Freun dinnen nacherzählen, und Minnie kommt auch immer noch zur Zeit zu ihrer Arbeit. Man muß nichts über treiben. Du hast mir ja geschrieben, daß es ginge, sich machen li^e, nun halte einmal hübsch aus. die paar Tage. Wir haben doch auch Anspruch an dich. Und lockt es dich denn gar nicht, mit Doktor Niko zu sammen zu sein?" Sie konnte fast spitzbübisch lächeln, dann strich sie Ianna noch einmal liebevoll über die Backen und verschwand wieder. Und Ianna saß und sah starr hinaus auf den stil len. beschneiten Platz. Drüben am Poslhaus sam melte sich jetzt ein Menschenbäuflein. Ianna mußte lächeln. Das war die Sensation des Sonntags. Gegen elf kam der Bahnomnibus, der vielleicht einen Gast brachte, jedenfalls aber die Sonntagszeitungen und Briefe. Wie oft hatte sie selber neugierig spähend dagesessen, die Ankömmlinge beobachtend. Heute stieg nur ein einziger Fremdling aus, ein Herr im Pelzmantel und breitem, tief in di« Stirn gedrückten Hut. Er stand unschlüssig eine Weil« am Postwagen, sprach mit ein paar Leuten und steuerte dann auf drüben zu. Ianna sah ihm na 'm Gang und in der Ianna sah ihm nach. Wahrhaftig, er erinnerte 'm Gang und in der Haltung ein wenig an Frei- iingen, schien ihr. Dann aber erschrak sie vor sich selbst. Also so nahm er ihr Interesse chon rn Anspruch, daß sie ihn in einem beliebigen fremden Menschen zu sehen meinte. Eine Viertelstunde darauf kam ein kleiner Junge vom Gasthof herüber mit wichtiger Miene, ein Ku vert in der Hand tragend. Ianna sah ihn mit einem ionderbar unbehaglichen Gefühl, mit einer Art Vor ahnung kommen. Und er steuerte auf die Apotheke zu, und gleich darauf brachte Tante Rosine mit neu gierigem Gesicht Ianna einen Brief. Er'ckireckend ritz sie ihn auf. Da standen nur ein paar Worte. „Darf ich Sie sehen?" Und sein Name daruni.r. Sie fühlte, wie ein heißer st-trom plötzlich durch ihren Körper ging. Er war ihr also nachgereist. Was konnte sie tun? Mühsam faßte sie sich. Tante Rosine sollte nichts von ihrer Aufregung merken. „Ein Bekannter aus Berlin, der mich besuchen will", sagte sie. „Ein Bekannter aus Berlin. Mein Gott, wie kommt der denn hier her und in den Weihnachts tagen?" „Ich habe ihm viel von hier erzählt. Nun hat er sich wohl «ine ganz falsche Vorstellung oon unserer Romantik gemacht", sagte Ianna verlegen. In Tante Rosine überwog schon das Hausfrauen gefühl. „Gut. daß wir die Gans zu Mittag haben." „Willst du ihn denn zu Mittag einladen?" fragte Ianna halb erschreckt. „Aber Iannachen, das wird wohl doch nicht an ders gehen, wenn er euer guter Bekannter ist, oder soll ich ihn vielleicht nicht" . . . Sie brach ab und sah nun doch Ianna scharf und forschend an. Ianna fühlte, wie sie errötete. Ja, es ging doch wohl nicht anders an, als Frei lingen einzuladen und im übrigen die Sache so harm los als möglich zu nehmen. Sie würde ihn ein biß chen ausschelten wegen seiner Reise ins Blaue hinein. Aber sie kam gar nicht dazu. Denn, als er vor ihr stand, ihre beiden Hände ergriff und festhielt, da schien ihr die Zunge am Gaumen zu kleben, kein Wörtchen brachte sie hervor. Und er selber sagte gar nichts zur Erklärung seines plötzlichen Erscheinens und tat so, als ob das ganz selbstverständlich sei. Aber seine Augen hafteten dabei fest auf ihr, und seine Stimme zitterte. Und als Tante Rosine nach einer kurzen Begrüßung eilig das Zimmer verließ, um für eine Erfrischung zu sorgen, sagte er hastig mit unterdrückter Stimme: „Ich bitte Sie nicht um Verzeihung. Ich konnte nicht anders, hätte nicht anders gekonnt, und wenn ich dafür hätte den Tod erleiden müssen. Heißen Sie mich gehen, dann geb« ich. Ich mutzte Ihnen nach reisen, und wenn es bis ans Ende der Welt gewesen wäre." Ianna versuchte zu lächeln. Er neigte sich dicht zu ihr und forschte in ihren Zügen. „Darf ich bleiben, darf ich?" „Bis heute abend." Sie nickte halb gezwungen. Er stick einen Iubelruf aus und haschte nach ihrer Hand, doch sie entzog sie ihm und sagte schalkhaft: „Ich muß Ihnen doch die Schönheit unserer Um gegend zeigen, die Sie so sehr angezogen hat." Er wollte etwas entgegnen, aber sie unterbrach ihn jetzt ernsthaft. . „Es gibt keinen andern Grund für Ihr Kommen, als diesen, darf keinen andern geben." Minnie machte ein kurioses Gesicht, als sie aus der Kirche kommend den unerwarteten Gast sah, und die Erklärung, die Freisingen nun gab, schien ihr nicht sehr einleuchtend. Es wurde ein ziemlich wunderliches Beifamm- sein. Ianna fühlte es im Grunde ihres Herzens, wie wenig Gemeinsames sie einstweilen noch mit dem Gaste hatte. Sie saßen ziemlich still beisammen. Es war ja ohnehin nicht Freisingens Art, Konversation zu machen. Er saß und sah Ianna an, warf manchmal ein Wort, einen kurzen Satz ein. Erst bei Tisch wurde es ungezwungener, als Onkel Hermann erschien. „Das war ein heißer Tag heute", sagte er, sich be haglich die Hände reibend. „Merkwürdig, wie dis Bauern sich sogar mit ihrer Medizin so einzurichten verstehen, daß sie erst am Sonntag in die Apotheke muffen. Da haben sie Zeit, da fallen ihnen auch ihre Kranken ein. und es geht in einem hin." Und dann vertiefte er sich ins Gewräch mit Frei singen, der ihm von Berlin erzählen mußte. Verstohlen sah Ianna während der eifrig werden den Unterhaltung Frersingen an. Das erstemal, daß sie ihn so nahe, so lange betrachten konnte, den Mann, der ihr nun plötzlich so nahe gerückt war. Und sie konnte ein fremdes Gefühl nickt überwinden, das sich zwischen ihn und sie dränate, sie voneinander hielt. Was wollte der fremde Mann hier? Was wollte er von ihr? Er hatte sich in ihr Leben ge drängt gegen ihren Willen, er hatte sie in seinen Armen gehalten nnd sie geküßt gegen ihren Willen, und nun kam er. reiste ihr nach, war da, saß da, als ob er zur Familie geböre. vlnuderte behaglich mit Onkel Hermann über Nichtigkeiten. Und etwas wie ein dumpfer Zorn stiea in ibr auf gegen diesen Mann, der alles so selbstverständlich tat. Da sah sie auf, sah direkt in seine Augen, aus denen ihr ein ganzer Feuerstrom entgegenbrach. Und sie fühlte wieder seine ihr unerklärliche Macht über sie, trotz ihres Widerstrebens. Nach Tisch gingen sie dann hinaus in die Berge. Auf der Chaussee war eine B^hn getreten von den vielen Füßen, die heute den Kirchweq gegangen waren, das hüglige Land lag weiß und still, die Zweige der Bäume senkten sich tief unter dem Rauh reif. Und plötzlich siel es Ianna ein, das war ja der Weg, den sie damals auf jener Schlittenpartie ge fahren waren, auf dem Hinweg so übersprudelnd lustig und dann den Rückweg zum Totenbett der Mutter, mit Paul. Und heute ging sie diesen Weg mit einem andern Manne. Das war das Leben. Wunderlich spielte es mit dem kleinen Menschen, warf ihn hin und her, und er konnte sich kaum da- gegen wehren. Ueber der weiten weißen Landschaft stieg jetzt die frühe Dezemberdämmerung auf. Zarte blaue Schatten glitten über die Schneefläche, die Sonne ging als roter, strahlenloser Ball über dem schwarzen Walde unter. Ein paar Minuten lang erfüllte ein rosiger und goldener Schimmer die Luft, dann be rührte die Sonne den Waldrand. Nun war sie hin unter, und die blauen Schatten wurden tiefer uns grauer. Die andern waren vorausgeqangen. sie verschwan den in einer Biegung des Weges in dem weißen Walde. Da faßte Freisingen Iannas Hand und hielt sie in der seinen so fest, daß sie sich nicht befreien konnte. Und wieder überströmte sie die Glut seiner Beteuerungen und wieder fühlte sie dieses fremde Gefühl, das sie zurückstieß von ihm, warnend und mahnend in jenes wunderlich« andere, das sie so stark zu ihm binzoq. Und sie sagte mit einem Ton, der ihn zum sofortigen Willfahren bewog: „Lasten Sie meine Hand los!" Nun gingen sie schweigend nebeneinander her, eine ganze Weile. Und plötzlich kam durch die Dämme rung der laute Ruf einer Männerstimme. „Ianna? Fräulein Ianna!" Sie drehte sich erstaunt um. Da stürmte jemand durch die Dämmerung heran, den Hut schwenkend, lustig galoppierend wie ein kleiner Jung«. Aber V«s war ja, und nun lief auch Ianna ihm eilig entgegen, Doktor Fahrenholz! Und sie schüttelten sich die Hände, warm, immer und immer wieder, bis Ianna plötzlich crstaunt ausrief: „Aber wie kommen Sie denn hierher? Sre wollten ja noch gar nicht da sein!" „Ich konnte es nicht aushalten", sagte er fröhlich. Sie hier zu wissen und nicht hier zu sein die paar Tage." Dann sah er mit einem plötzlich verfinsterten Ge- sichtsvusdruck aus Frcisingen und sagte halblaut: „Wen haben Sie denn da?" (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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