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»i Vie -rotze Liebe. Roman von Louise Schulze-Brück. t-imlidriick verboten.) siebentes Kapitel. Die Flieüerlaubc auf dem Hügel' im Gebhardt schcn Garten stand in voller Blüte. Hunderte von dicken Blütenbüscheln drängten sich aneinander, vom dunkelsten Lila bis zum hellsten, dazwischen re.n weihe, die Minnie Gebhardt besonders liebte. Der Dust war fast betäubend stark. Aus dem kleinen Jensterchen der Laube sah man über den Garten, in dem die Apselbäume wie rosa Riescnsträusze standen, und die Gebüsche von Goldregen und Schneebällen. Bicnengesumme erfüllte die Lust, vom klarblauen Himmel schien die Frühlingssonnc. Sie meinte es gut, es war fast sommerlich. Fn der Laube sahen Minnie und Fanna mit Dol tor Mahrenholz, Fn dem altmodischen Blumengarten ging Frau Mahrenholz zwischen den mit Buchsbaum eingefahten wunderlich geformten Beeten mit ihrem Ltrickstrumpf langsam aus und ab. Es hatte sich ganz von selber gemacht, oah die Hausgenossen sich schnell anfreundeten. Minnie ging init ihren kleinen und großen Röten am liebsten zu Frau Fahrcnholz hinaus, weil sie bei der Tante Anna recht wenig Verständnis fand, und. sie hatte auch so viel mit ihr zu reden, so viel von ihr zu erfragen, was ihr brennendes Fnteresse erregte. Mit dem jun gen Anwalt stand sie auf dem besten Fuhe Zwischen den beiden schwirrten die Reckpfeile beständig hin und her. Frau Fahrenholz hatte die beiden Mädchen müt terlich in ihr Herz geschlossen. Minnie freilich kam als Heiratskandidatin auch schon nicht mehr in Be tracht bei ihr. Gar zu ernsthaft war der Drang des jungen Mädchens nach Arbeit, nach Selbständigkeit. Und ein klein wenig ärgerte sich die zärtliche Mutter, dah ihr Riko als Heiratskandidcn bei Minnie gar nicht hoch im Kurs zu stehen schien. Für Fauna Geb Hardt empfand sie eine aufrichtige Liebe. Recht ernst wurde ihr oft zumute, wenn ihre Gedanken zu Fan nas Zukunft gingen. Das hatte sie bald gemerkt, eine reine, echte Rei- gnng verband diese beiden Menschenkinder nicht. We nigstens von Fannas Leite, bei Doktor Köster war das freilich schwer zu beurteilen. Die Kühle und Zu rücthaltung, die über seinem ganzen Wesen lag, konnte ebensogut die Hülle für starke und tiefe Ge suhle sein, wie der Ausdruck einer kühlen und zurück haltenden Ratur. Darüber war sich Frau Fahrenholz immer noch nicht einig. Manchmal, wenn sie mit dem Brautpaar zusam men gewesen war. konnte sie ganz unwillig werden. „Herrgott, hat der Mensch einen Gleichmut! Zur Verzweiflung würde er mich gebracht haben, wenn er mein Bräutigam gewesen wäre!" Ein andermal fiel doch wieder ein Wort, sah sie einen Blick van ihm, der sie zweifeln lieg. Feden- salls litt Fanna unter dem Wesen ihres Bräutigams, unter dieser Kühle und vor allem unter der außer- ordentlichcn Bestimmtheit, mit der er unter allen Umständen auf seiner Meinung bestand. Lie ver teidigte manchmal die ihrige, aber nur ganz schwach. Dann konnte sic plötzlich verstummen und scheinbar tUlnahmlos dasitzen. Niemals hatte Frau Fahren Holz bemerkt, das; er dann einen Versuch machte, sie heiter zu stimmen, zu versöhnen. Ganz gleichmütig lenkte er das Gespräch auf andere Dinge, ohne die Verstimmung seiner Braut weiter zu beachten. Während Frau Fahrcnholz emsig an ihrem Ltrumpf strickte — es war ihr Prinzip, das; ihr Riko nur selbstgestrickte Strümpfe tragen durste, und so quälte sic sich mit einer ganz feinen Locke — sann sic auch wieder darüber nach und war recht unangenehm überrascht, als der Gegenstand ihrer Betrachtungen ganz unvermutet die Gartentreppe herauskam. Er grüfzte ziemlich kühl, sie dankte ebenso. Dann wandte er sich der Laube zu. Hier verstummte das heitere Geschwätz fast plötzlich. Fanna, die gerötete Wangen und lächelnde Augen halte, fuhr fast erschrocken zusammen. Doktor Kösters Gesicht verfinsterte sich auffallend und blieb jo finster, dasz Minnie und Fahrcnholz nach ein paar kurzen Blicken hinüber und herüber schleunigst das Brautpaar allein liehen. Vom Tennisplatz her, der am andern Ende des grohen Gartens angelegt worden war. hörte man bald darauf die kurzen Rufe, die ihr Lpiel beglei teten. Auch Mutter Fahrenholz war dorthin gegangen, das Brautpaar war allein. Fanna hatte ihre Stickerei ausgenommen und zog gleichmäßig den Faden durch den Stoff. Doktor Köster stand an der bogenförmig geschnit teilen Oeffnung. durch die man auf die vorübersüh rende Ltrahc hinausblicken konnte. Er sah sehr finster aus. „Fmmer und immer dieser Mensch", murmelte er nach einem langen Stillschweigen. Fanna hob den Kopf. Zn ihre wieder bläh gc wordenen Wangen stieg eine leichte Röte. „Welcher Mensch?" sagte sie in beherrschtem Ton. „Du weiszl recht gut, wen ich meine Und ich muh dir sagen, Marianne, dah mir die Fntimitäl mit euer» Mietern" — er betonte das Wort beinahe hä misch — „durchaus nicht zusagt." Fanna schwieg einen Augenblick, dann sagte sie ruhig: „Du wünschst bei solchen Gelegenheiten stets, dah ich die Gründe angebe. Möchtest du mir nicht in die scm Fall auch den Grund sagen?" Auf der Ltirn Doktor Kösters schwoll die Ader an Er klemmte die Zähne auf die Unterlippe. „Einen Grund? Es gibt mehr als einen. Erstens finde ich es nicht sehr schicklich, dah dieser junge Mann soviel mit euch zusammen ist. Fhr seid mutterlose Mädchen und . . Er hielt inne. Fanna hob den Kopf und wartete auf den Schluß- satz. Da er nicht kam, sagte sie ruhig: „Wir haben unsere Tante Anno bei uns, und außerdem verkehrt Herr Doktor Fahrcnholz nicht allein bei uns, sondern mit seiner Mutter. Fch wühte also nicht, was du nach dieser Leite an dem Verkehr beanstanden könntest." „Gleichviel. Fch finde es nicht schicklich, dah ein junger Mann so nahe mit euch verkehrt, den man kaum kennt, von dem man nichts weih und der Wil helmincn Dinge in den Kopf setzen könnte, die . . ." Fanna wurde slammendrot. Heftig rief sie: „Dinge in den Kopf setzen! Was verstehst du dar unter? Deinen Anschauungen nach mühte cs doch ge rade ein Glück für Minnie sein, wenn ne durch eine Neigung zu Doktor Fahrcnholz bewogen werden könnte, von ihrem Plan abzustehen. Aber cs ist'ja gar kein Gedanke daran. Die Unbefangenheit dieses Verkehrs sieht man auf den ersten Blick, und ich finde es häßlich, daran deuteln zu wollen, gewaltsam etwas herauszerrcn zu wollen, was doch nicht ist." „Bitte, liebe Marianne, ereifere dich nicht. Es tut nicht not. daß du Herrn Doktor Fahrcnholz so leb haft in Schutz nimmst." Er machte eine Pause und sah seine Braut scharf an, und dann sprach er langsam mit besonderer Be toniinq weiter. „Wirklich nicht, liebe Marianne. Uebrigcns mühte mein Wunsch, dah ihr nicht so viel mit den beiden zu sammen sein solltet, dir eigentlich . . ." „Befehl fein!" rief Fanna heftig und" sprang auf. „Gewih, Befehl sein. Du bedenkst gar nicht, wie un endlich peinlich es für mich, für Minnie jein mühte, uns von Fahrenholz zurückzuziehen. ohne jeden äuheren Grund, ohne Veranlassung. Und Frau Fahrcnholz iit so gut zu uns, jo mütterlich. Wir empfinden den Verlust unserer Mutter weniger, feit sie im Hause wohnt. Aber daran denkst du nicht, nicht einen Augenblick. Du hast nun einmal die Abneigung, und wir sollen sie nun auch haben." » „Du sprichst beständig von Frau Fahrenholz", sagte Doktor Köster langsam. „Warum nur von i h r ?" „Za warum?" rief Fanna empört. „Doktor Fahrenholz ist so nett, so heiter, so liebenswürdig, dah es ebenfalls keinen Grund gibt, uns von ihm zurück zuziehen. Und wenn er Absichten auf Minnie hat^ wäre denn das ein Unglück?" Fhr Bräutigam öffnete den Mund, uni etwas zu sagen, aber dann schwieg er plötzlich. Und nach einer Weile sagte er in ruhigem Ton: „Wir wollen uns nicht weiter ereifern. Fmmerhin könntet ihr den Verkehr ein wenig einschränken. Alan redet darüber, macht Glossen." Zanna zuckte verächtlich die Achseln. Aber auch sie sagte nichts mehr. Doch als Doktor Köster dann gegangen war, sah sie noch lange unbeweglich mit gefalteten Händen, starr auf einen Punkt schauend. So traf Minnie sie. „Hat es wieder etwas gegeben zwischen euch?" ries sie zornig „Es ist nicht mehr mit anzusehen, Fanna. wie du dich tyrannisieren läßt. Sogar Aussenstehende merken s schon. Doktor Fahrenholz machte auch schon eine Bemerkung darüber." Fanna sah erschrocken auf. „Was sagte er?" „Ach, ich weih nicht mehr so recht. Fedenfalls sehen alle, dasz dein Herr Bräutigam gerade nicht über mäßig liebenswürdig und zuvorkommend gegen dich ist. und daß er jetzt schon anfängt, den Herrn zu spielen. Was hatte er denn übrigens schon wieder, was war ihm wieder nicht recht?" „Ach. nichts." „Nichts. Na. wegen nichts siehst du doch nicht so traurig aus und sitzest so versteinert da. Fch kann mir's übrigens denken, man merkt's ihm ja gut genug an. Er kann Doktor Fahrenholz nicht leiden und möchte ihn hier wcgbeihen. Er dentt wahrscheinlich, man könnte Vergleiche anstellen." „Minnie", sagte Zanna vorwurfsvoll. Aber Minnie war kampflustig gestimmt. „Ach was „Minnie". Nun nimmst du ihn auch noch in Schutz und gibst ihm womöglich nach Aber das sage ich dir. ich kehre mich nicht an die Befehle meines Herrn Schwagers in spo. Es ist ein Glück, daß wir diese netten Leute so nahe haben und ich einmal etwas anderes höre als diese ewigen Er mahnungen und Bekrittelungen. Und «venu ich fort gehe, so tut mir's nur leid wegen ihnen . . Tie brach plötzlich ab und sah in Fannas Gesicht, und dann fiel sie ihr um den Hals. „Ach Gott, Fanna. ich weiß, ich bin ein Scheusal. Komm, sei nicht böse. Ach, Fanna. weine nur um Gottes willen nicht, dann könnte ich mir ja selber was antun, daß ich dich dazu gebracht habe. Aber sieh, manchmal kann ich s nicht mehr aushalten, dann läuft mir die Galle über, und wenn ich daran denke, daß du dein ganzes Leben dazu sollst verurteilt sein, dann weif; ich gar nicht, was ich tun möchte. Lei doch nicht so sanft, das ist ja doch sonst gar nicht deine Art, setz' doch deinen Kopf aui, habe dach auch einen Willen in den Dingen, in denen es dir zukommt. Schweige doch nicht immer, du machst ja alles nur noch schlimmer dadurch." Und als Fanna schwieg, geriet Minnie außer sich. „Fanna, liebste Fanna, komm, verzeih mir doch. Fch habe dich gekränkt, man soll sich nicht zwischen zwei Menschen stellen, die sich lieben, man versteht ja nicht» davon, ich will s auch ganz gewiß nicht wieder tun!" Als Fanna Gebhardt an diesem Abend allein in ihrem Schlafzimmer war, saß sie lange auf der Kante ihres Bettes, und immer wieder murmelte sie vor sich hin: „Zwei Menschen, die sich lieben, zwei Menschen, die sich lieben." Und nachher drückte sie ihren Kopf in die Kissen und weinte lange und bitterlich. Achtes Kapitel. Der Frühling war vorübergcgangen, der Sommer hatte die kleine Landschaft in Ro>en und Linden duft gehüllt, nun kam die Erntezeit, und in den Aufzenstttisicn des Städtchens, wo die Ackerbürger wohnten, hörte man am Abend schon das Dengeln der Lensen. Heute hatte auch das Gymnasium seine Pforten für sechs Wochen geschlossen, und wenn cs auch in dem kleinen Rest nicht notwendig und auch nicht üblicki war. daß die Schüler sich au» einer Ferien reise von den Strapazen des letzten Halbjahres er holten, die Lehrer waren doch schon heute morgen nach allen Richtungen der Windrose dovongereist, i'm den Lchuistaub möglichst ausgiebig von sich ab blasen zu lassen. Auch Doktor Kästel war für vier Wochen verreist. Er machte indes keine Erholungsfahrt, sondern reiste zu seiner verheirateten, kinderlosen Schwester, be» der er ein Buch fertig zu schreiben gedachte, an dem er schon länger arbeitete Minnie hatte ihm auf dem Bahnhof, wohin die beiden Schwestern ihn begleitet batten, noch ein innerliches „Gott sei Dank" und ein äußerliches kühles „Adieu" nachgerufen. Fanna war so still, wie sie es in den letzten Wochen iu Gegenwart ihres Bräutigams immer ae wesen. 'Run schlenderten sie langsam nach Hause, Minnie mit einest sehr deutlichen, tiefen, erleichterten Auf atmen Sie zog Fannas Arm in den ihren. „Ra, nun gibt's ein paar ruhige Wochen. Komm. Fanna, la»- dir's nicht zu nahe geben, dasz er fort ist. Dir tut aucb Ruhe nach all den Aufregungen not. Und heute abend trinken wir eine Erdbecr bowle, die letzte. Fch habe die Erdbeeren von gestern und heute zufammengespart dazu Zieh nicht so vorwurfsvoll aus. Fanna, du wcifzt ja, Paul macht sich nichts aus Bowle. Fhm wird also gar nichts entzogen. Fch Habs schon Frau Fahrenholz und Doktor RU-o gesagt. Wir trinken aufs Wohl von Paul, und das; ihm die Ferien out bekommen Er hätte wahrhaftig auch gescheiter getan, für seine Erholung zu sorgen, statt das langweilige Buch über ich weiß nicht was zu schreiben Er soh auch ganz elend aus." Fanna senkte den Kopf. „Wahrhaftig", fuhr Minnie fort, „ich w-'rd's mir hundertmal überlegen, ehe ich heirate, Notabene, wenn mich einer will. Es mutz doch furchtbar lchwc' sein, sich miteinander einzuleben. sich ineinander fügen zu lernen. Na jeder macht sich s ja nicht so schwer. Wenn ich Rosel sehe, wie die mit ihrem Bräutigam albert" — Rosel war eine seit kurzem verlobte Freundin Minnies „dann sicht e, ja be' nahe ans, als ob das Verlobtsein lauter Seligkeit wäre, aber nachher kommt's dann doch anders." Sic sagte es drollig weise, und Fanna mutzte lachen, wenn ihr s auch schwer ums Herz war. Sie machie sich Vorwürfe, das; sie die Abreise ihres Bräutigams als eine Erleichterung empfand. sFortsjetzung in der Abendausgabe.f fMei' M? Mte? vonlinsnlsl pnvumslll« billigsten kLbrt. HüMinlsI-ÜLouteliM- Ulttl KUllL-kMllL-ell., »MOM. ^::i7 kommt jeuer Automobilist ru uer veberLeugunu, öass er aus Gegen »„d W?t1!«1I»telt<?it ÜL8Luill - 1'LbIvttsil, Salamnnls-^potbalco, Grimmaischc Strafte 17. Tel. LO7ü. 0«0»7 «»2 Aevma-'F, Q/jve^ZcZ^/ä/ Aec/rsp/-. ck/FZ. Dran/- c/. cm-? Äkoc/«e Dzn^e/ezz ^azv^ez- rzz?c? ^zezrez- A7oc/e/?ez?. 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