Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.02.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140220012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914022001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914022001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-20
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
FreUas, 20. /evrusr l9l4. Nr. 92. Maryen-Nusgsve. Seite 7. ee»p^«ser «lagsötau. SNWWMVl! Kunst llnct t^issensetlgtt Eine »Peer Hpnt^Searbeltung. Unser Berliner Schauspielreferent schreibt unterm 18. Februar: Wehgeschick waltet über den seltenen literarischen Versuchen unseres Königlichen Schauspiel hauses. Rafft es sich, getrieben von der Klage über eine Blumenthaliaden und patriotischen Aus stattungen einmal zu einer Tat auf, so geraten die >iöpf«, dies mit der Kunst wahlmeinen, erst recht in's Schütteln. Ibsens Weltdichtung „Peer Gynt" der deutschen Bühne zu erobern, war gewiß ein hohes Ziel; doch dieses Ziel ist gerade in Berlin, vor wenigen Monaten, nahezu erreicht worden — vom Lcstingtheater. Mit den Resultaten einer in vielen Zahlen organisch entwickelten Darstellungskunst trat die Hofbühne in Wettbewerb, die Hosbühn«, die dieser Entwicklung stets so fern Htand und im Banne eines großväterlichen Theaterstils liegt! Was kam dabei heraus? Ein „Peer Gynt", halb Volksftück, halb L>pcr, ein lyrisches Schönbartspiel, dem harten Geiste Ibsens merkwürdig entwendet. Das lag nicht bloß daran, daß man die ihrem Wesen angeboren« zer rissene Gestalt der Dichtung ändern mutzte, weil das Hoftheater auch bühnentechnisch im Rückstand ist, eine Drehbühne nicht besitzt und also dem Flug der Phan tasie nicht folgen konnte. Man war, um „Peer Gynt" in einen Schnürlcib einzupressen, auf eine Bearbeitung angewiesen, die die Szenen bequemer zusammenlegte und außerdem das Drama auf zwei Abende verteilt«, wodurch dem ersten Teile (den wir jetzt hinter uns habens der höhere Sinn geraubt wurde. Die zwei Teile des „Faust", auf den man sich etwa berufen möchte, sind durch eine natürliche, nicht bloß bühnen, technische Zäsur getrennt! Mit der Vereinfachung wurde manches Üebel begangen. Wenn, wie hier, die grause Troll-Szene, statt in der unterirdischen Königsburg, unter freiem Himmel und aus einem Boden spielt, den gerade noch Menschcnfütze betreten haben, geht der Eindruck der Haft, geht der Alp druck der über dem verirrten Peer Gynt lastenden Erdmassen verloren. Das aber war noch nicht das Entscheidende. Und die wundervolle Griegsche Musik, acgen die manche Ibsen-Puritaner eifern, die meines Erachtens aber Ibsens Phantasiewelt dem Gefühl -nMkommen erschließt, machte im Lessing- LVeater nicht das Gedankendrama zur Oper. Freilich verzichtete man dort auf die „lebenden Bilder", man ließ feinfühlig, wo immer es anging, sen Vorhang fallen, ehe die musikalischen Zwischen stücke die Stimmung weiterspannen und vertieften. Und nicht einmal die hübsche Bonbon-Lyrik, in die der Bearbeiter stellenweis Ibsens spröde Granit- vers« „übersetzt" hatte, war der Ausgangspunkt des Jrtums. Die Bearbeitung des Herrn Dietrich Eckart wies auf den Grund hin, der tiefer liegt: man hatte dies« Jbsen-Eeistfälschung gewählt, weil man im Königlichen Schauspielhaus vom Geiste Ibsens keinen Hauch verspürt. Das Gruppieren und Tapezieren, di« äußerlichen Effekte, die Meininger- Szenen, die platte Theatvalrk — das sind die Elemente der Tradition am Gendarmenmarkt. Rian hätte es nicht ahnen sollen, daß jo bei einer Aufführung des geistfchweren und grimmigen „Peer Gynt" so arglos gelacht werden würde, wie diesmal von einem arglosen Publikum bei den königlichen Schnaken und Schnurren! lieber die Dietrich Eckartsche Bearbeitung ein- qeheird zu sprechen, fehlt der Raum. Genug an dem, eaß dieser Uebersetzer dem armen Ibsen aus seiner Privatschatulle Unterstützung gewährte, d. h. viele Dietrich Eckartsche Eigenbauverse in den „Peer Gynt" einschmuggelte. Die Gestalt des jungen Peer hat Eckart in liebenswürdigeres Licht gesetzt, aus dem Phantasten, der ruchlos irrt, und sein Selbst verliert, indem er es äußerlich zu erhöhen meint, ist ein sen timentaler Schwerenöter geworden. So repräsen tierte ihn auch der vielgewandtc, vielbcliebte Herr Elewing. Näher kam Helene Thimig an die Solveig, das holde Urbild tiefer Treue, heran; ob sie die reine Quelle der Sotveig-Poesie fand, wird sich erst im zweiten Teile zeigen. Ein seltenes Fest des Wiedersehens wurde gefeiert: Paula Eonrad (jetzt Frau Hofrat Schlentherj war fast zwanzig Jahre die Naive des Königlichen Schauspielhauses, betrat die Stätte ihres Ruhmes wieder. Als Mütterchen Aase. Der geheimnisvolle Zug des Phantastischen, den die Natur Aases auf den Sohn Peer vererbte, ist Frau Conrad nicht gegeben. Sie ist ein schlichter, herzlicher Mensch. Schlicht und herzergreifend war Frau Aases Sterben. Im einzelnen gab es des Schönen noch mehr. Man darf des, kostbaren Dovre-Alten (Herr Tbc. Pohl) und der grotesken „Grünen" (Fräulein o. Mayburg) nicht vergessen — noch weniger eines im Gemüt unvergänglichen Bühnenbildes: die ein same Hütte der Solveig im Winterschnee des Hoch gebirges. Da und dort durchdrang Ibsens dunkle Eigenpracht die Bearbeitung. Neben den Wider sachern hatte der Dichter auch Helfer im Königlichen Schauspielhaus: das waren vor allem die guten Sprecher, die diese Bühne auszeichnen. Hier fällt kein Wort ungchört zu Boden. Uernmnn Xienrl. Leipzig, 20. Februar. XVII. Eewandhauskonzert. Es tonnte nicht fehlen, daß der literarische Musiker Robert Schu mann sich nicht des von I. G. Herder gleichsam neu entdeckten dichterischen Stoffgebiets des Orients be mächtigte, nachdem ihm Weber im „Oberon" hier oorangegangen war. Er war der geborene Dichter, und so entging ihm unmöglich, daß in den wunder vollen Blüten der indischen Poesie wieder die Keim« anderer Dichtungen lagen, die nur der Wie derbelebung harrten, um stets neue, noch schönere und lebenskräftige Gebilde hcrvorzubringen. Damals konnte in keiner anderen Seele als eben der Schu- mannschen der allen indischen Dichtungen eigentüm liche Stimmungs- und Schönheitsgehalt die homogene musikalische Empfindung erwecken. Vor allen anderen verstand Schumann das schöne Herdersche Wort von der indischen Natur und ihrer Belebung, wie darin Pflanzen und Bäume sprechen und fühlen, wie von nah und fern die Geister wirken auf die Geister, wie alle sie umgebenden und umschließenden Formen nur liebliche Täuschung und eine Art der Vorstellung sei, darin alles einander leise und ,rart berührt. So ge riet Schumann auch an die Erzählung vom Para dies und der Peri, mit der einst Feramors, der bucharische Prinz und Dichter, der schönen Prinzessin Laila Rookh die Zeit verkürzte. Thomas Moore war es, der als Nachdichter mit seiner unnachahmlichen Grazie und neuen Gcfüklssprachc auch neue roman tische Anschauungen wachrief und zugleich damit auf bis dahin unbekannte, reiche, künstlerische Mittel hin wies. Robert Schumann hatte in den Frühjahrsmonatcn 1843 viel Musik gemacht, ja die Buchstabenschrift fast wohl verlernt, weil „der Musiker lieber Noten schreibt als Buchstaben". Gerade am Himmelfahrts tag« vollendete er „Das Paradies und die Peri", ein Oratorium, wie er dem Freund E. Krüger schreibt, „aber nicht für den Betsaal, sondern für heitere Menschen", und eine Stimme flüstert« ihm dabei oft heimlich zu, „dies ist nicht umsonst, was Lu tust". In der Tat, di« Idee dieses Werkes war so rein und poetisch, daß sie einen Künstler wie Schumann kaum anders als begeistern konnte: ein Wort- und Ton gedicht, aus tief innerlicher Inspiration heraus ge schrieben, und unter wahrhaft glücklichen, äußeren Lebensumständen vollendet. Der Zauber Robert Schumannscher Stimmungskunst liegt völlig ausge- breitct über dieser Komposition und macht wohl auch leicht den unverkennbaren Fehler vergessen, der be ruht in der nochmaligen Rückkehr der Peri an die Paradiesespforte und ihre doppelte Zurückweisung. Der Komponist bot mit dem Werke eine Chorballadc. Er begünstigt« den erzählenden Teil, ging den Textesworten fast immer mit beinahe peinlicher Ge nauigkeit nach, ließ die chorischcn Partien hinter den lyrischen zurücktreten und verlieh dem Orchester ein« reizvolle farbige Ausgestaltung. Zu betonen ist, daß dieses „Oratorium für heitere Menschen" einen jener Lobgesänge darstellt, auf die Erlösung der menschlichen Seele. Es ist ein Gefühlsdrama, von dem etwa ein Arno Holz sagen würde, die Handlung sei nur das Mittel, seine eigentliche Aufgabe hin gegen, Charaktere zu zeichnen. So gehen Thomas Moore und Robert Schumann in „Paradies und Peri" allein darauf aus, im wechselnden Spiele nach Irrung und Kampf Ruhe und Frieden der Seele zu erlangen. Die Partitur aber könnte als Motto die Worte eines indischen Dichters tragen: „Mag dies begeisterte Spiel, das göttliä)« Eingebung ein gehaucht, mag es erfreuen und reinigen das Herz." Am 4. Dezember 1843 fand unter Schumanns per sönlicher Leitung die Uraufführung d«s Werkes im Leipziger Gewandhause statt. Die gestrige Aufführung fand lebhaften Beifall uird stand auf bedeutender Höhe. Herr Professor Arthur Nikisch legte besonderen Wert und Nachdruck auf die feine, wie auch überaus charakteristische Aus gestaltung des Ganzen. Die dichterischen, von Schu mann so lebendig betonten Kontraste, u. a. beispiels weise im Chor der Eroberer, der Genien und in den Schlußchören, wurden zu bedeutsamer Geltung ge bracht, insbesondere auch der musikalischen Schattie rung durchgängig Beachtung geschenkt. Unter den sehr zahlreichen Solisten trat zunächst Frl. Else Siegel stark hervor — eine ganz ausgezeichnete Peri, ein Sopran von sympathischstem Wohllaut und wohl durchdachtem, vornehmlich sehr warm und natürlich empfundenem Vortrag. Vorzügliches leistete auch Frl. Valeska Nigrini, beiden strebte eifrig Frl. Ilse Helling nach. Herr Rudolf Jaeger sang seine Partie sehr künstlerisch, mit schöner und ausdrucksreicher Deklamation, und auch Herr Kammersänger Alfred Käse stellte seine reife Kunst erfolgreich in den Dienst Robert Schumannscher Kunst. Aus den Reihen des Gemandhauschors traten überdies noch die Damen Hering, Czerny, Ullmann und Lücke, sowie die Herren Taut und Franz solistisch und auch zum Quartett formiert hervor. Das Orchester gab die breite und sichere instrumentale Basis und ver lieh zudem der trefflich verlaufenden Aufführung manch koloristischen, ungemein anziehenden Reiz. Lugen ^ogvitr. Liederabend von Elisabeth Eound-Lauterburg. Im ganzen genommen, war es ein Abend für stille «eclen. Viel Intimes kam zum Vortrag, keine starke Erschütteristig brachte das Innere aus dem Gleichgewicht. Man freute sich vor allem an der klangschönen, tonreinen Stimme und an dem an mutigen Vortrag der Sängerin. Mitunter, so bei Brahms, sah wohl verstohlen Frau Langeweile in den Saal. Verhältnismäßig den besten Ausdruck gewann der Gesang in den fünf Liedern von Gustav Mahler. Besonders „Das irdische Leben", ein er greifendes. in dem Charakter der Begleitung origi nelles. ernstes Lied, sowie das echt humorvolle „Um schlimme Kinder artig zu machen" gelangen recht gut. Das schon öfter gesungene, wertvolle „Ich bin der Welt abhanden gekommen" bedarf in der Begleitung einer tieferen Herausarbeitung, um die rechte Wir kung zu erzielen. Außer den Gesängen hörte man einige hübsche vierhändig« „Slovenische Tänze" (aus Op. 9 und 14) von Stephan Krehl, gespielt von den Damen Julia von Bose und Till« Schmidt- Ziegler, ferner auf zwei Klavieren eine ursprüng lich vierhändige, von Reinecke für zwei Instrumente bearbeitete F-Dur-Sonatc von Mozart. Auch diese anmutig dargebotenen Stücke wurden von der ge ringen Anzahl von Zuhörern dankbar begrüßt. ä. Sebl. * Das Bilderbuch der Bösen Buben. Für „Bühne und Welt". Das Fest, das dieses Jahr als „Böser Buben-Ball" am Fastnachtsmontag stattfindet, ist jetzt ein ganz reizendes Bilderbuch erschienen, das eine Kritik jehr wohl vertragen und eine herzliche Empfehlung voll verdient hat. Heiss«! Da geht es lustig zu in diesem Bilderbuch. Die „aus Rand und Band" geratenen Bösen-Buben-Dichter widmen, „dies,Bilderbuch allen denen, die diesen wunderickecnen und sehr fidölen Ball mitmachen!" Mit köstlichem Humor und treffsicherem Spott geht es los. und alle die Größen der Oper werden durchgehachelt in tüchtigen Knüppelversen ä la Max und Moritz. Und die Carrikaturen, die der Altenburger Maler O. Pech dazu zeichnete sind kleine Kabinettstücke eines satirisch- humoristlschen Stiftes. Da ist der Herr Intendant, der „operste Leider", der auch die Oper leidet und andere betriebliche Sachen, Lohse, der „Holländer- Dirigent", Docktor Bart, der Unsichtbare, Marion als Mime, die drei städtischen Theater, Porst als „Balanksierkünstler", Conrad von hinten, Krause, dem der Chor mit „Krausen" entgegensieht, Herr- veling und Zoller, Jäger als kubistischer Lohengrin, der beleibte, wollte sagen beliebt« Käse, der Klingkammersünger, Albert Kunze, der Bliemchen- Verkäufer unter der Ibasäule, Possony. Rapp der Starke, Schönleder, Schroth. Urlus, der wo anders singt, Voigt, der Tenor-Baby, Gertrud Bentsch, die drei „Kranen" Borchers, Bernhardt und Olbrich, dl« Eichholz. Fladnitzer. Gladifich. Mirzi Marx als Witzesammlerin, die Tante Nigrini, Fran Nusche-Endorf, Aline Sanden, die Schläger, Lia Sladtegger und Fran Grondona, Man m u ß das Buch kaufen, menn man Sinn hat für geistreichen, köstlichen Humor. Ein unein- geschranktes Lod den Bösen-Buben-Dichtern! Und nach diesem Auftakt heißt's unbedingt in ganz Leipzig: A uf zum Bö. B u - Ba am Montag im Zentraltheater! Was mag erst das Fest selbst Köst liches bieten, wenn schon die Erinnerungsgabe so ausgezeichnet ausfiel!! " Künstlrrbund. In dec im Januar dieses Jahres stattgefundenen Jahresversammlung des Leipziger Künstlerbundes wurden in den Vorstand gewählt: Maler WilHoward, Vorsitzender, Archi tekt D. W. B. Walter Gruner. Schriftführer, Malerradierer Eduard Einschlag. Kassierer. Der L. K.-B. plant auch in diesem Jahre eine Bundesausstellung. Sekretariat Körnerplatz 4, Fern ruf 10531. * Das Theütre de la Monnaie in Brüssel ver anstaltet gegenwärtig eine Richard-Strauß- Woche, die am Sonnabend und Montag mit einem Konzert unter Leitung des Komponisten und Mit wirkung der Berliner Hofopernsängerin Francis Rose einsetzte Mittwoch abend sand eine deutsche Aufführung der „Elektra" statt. Als Solisten wirkten mit die Damen Mottl-Faßbender in der Titelrolle, Frau Bahr von Mrldenbura und Frau Rose, sowie Herr E r nst Kraus und Herr Perron. Richard Strauß sowie die deutschen Solisten ernteten stürmische Anerkennung. ' Die Schriftstellerin Elisabeth Mentzel, bekannt durch Arbeiten über Goethe und die Geschichte der Frankfurter Schauspielkunst, ist tLt Jahre alt gestorbc n. Auch sonst war sie viel seitig literarisch wirksam und hat unter anderem auch die Briefe der Frau Jeanette Strauß-Wohl an Börne herausgegeben. - Die Faschingsausgabe der Münchener Neuesten Nachrichten ist soeben erschienen und bringt viel Fröhlichkeit und Tollheit mit. Da wird ein sehr lustiger Reichstag vorgeführt, der folgendermaßen uusgeht: Abg. Schmerzberger (Centr.): Nur noch eine kleinwinzige Anfrage. Dürfen die Jesuiten jetzt endgültig nach Deutschland hereinkommen? Der Reichskanzler: Das wird sich schwer machen lasten! (Hört! Hört! im Centrum.) Es wird sich schwer machen lassen, daß noch welche herein kommen, weil nämlich sowieso schon alle herinnen sind! (Ja so! im Centrum.) Wünscht noch jemand irgend etwas zu wissen? (Einstimmiges Schweigen.) Dann Adieu, meine Herrschaften! Amüsieren Sie sich gut und kommen Sie nichtZo bald wieder! (Er hobenen Hauptes erhebt der Reichstag keinen Ein- spruch, sondern erst sich selber und dann an der Kaste seine Diäten.)" Und so wimmelt es allewegen in diesem Blatt von Ausgelassenheit und Faschingsstimmung. Vas nrue Glück. 10) Roman von Erik Lie. Autorisierte Uebersetzung von Mathilde Mann. (Nachdruck verboten.) Wie ungalant doch so ein Schwager war! Ob Gustav sie wohl ausschließlich neben «ich gesetzt hatte, um zu verdecken, daß er Fräu lein Moritz den Hof machte'? Auf alle Fälle nahm er keine Rücksicht auf sie. Ohne sich zu schämen — ganz offen — sprach er über den Tisch hinweg mtt dieser fremden Schönheit in dem vertraulichsten Ton! Freilich war es jetzt beim Schluß der Mahl zeit, wo die Stimmung sehr aufgeräumt war. 'Aber das war doch kern Grund, alle Höflich leitsrücksichten gegen seine Tischdame ' außer 'Ange zu lassen, selbst wenn sie seine Schwägerin >var. Aber die Leute waren nun ja einmal der Ansicht — zu dieser Erkenntnis raffte sich Inger auf —, daß eS im Grunde nichts tat, unhöflich oder vernachlässigend gegen seine nächsten An gehörigen zu sein. „Ach was, ihn oder sie kenne ich so gut, da schadet es ja nichts!" so räson- niertcn sie. Und da saß Karsten — nein, wie ekelhaft er Fräulein Moritz schmeichelte und Gustav gleichsam mit einem Katzengrinsen, das ein Lächeln bedeuten sollte, sekundierte. (Ls war ab scheulich! Seine Augen waren ganz feucht von Bewunderung und Verliebtheit. Und von Zeit zu Zeit erhob er sein Glas. „Prost, Inger!" sagte er, als wolle er d.en letzten Rest seines bösen Gewissens ihr gegenüber verstummen machen — und dann wandte er sich wieder an inne Tischdame. Mit ihrem anmutigen Lachen, ihren großen, dunklen Samtaugcn, die sie von Zeit zu Zeit schloß, und dem hoch in einer Krone aufgcsteckten goldigen Haar nahm sich Fräulein Moritz pracht voll aus — blendend anznsehen nnd sprudelnd von Leben. Aber es war offenbar, daß sie während der ganzen Zeit mit einem halben Auge ihre Aufmerksamkeit ein wenig weiter nach unten gerichtet hatte, an den Tisch, wo Ernestine eine tötend langweilige Unterhaltung mit dem statt lichen, blonden, halb kahlen Konsul Svanc führte. Inger ließ die Augen über ihre Umgebung gleiten, und eS ward ihr klar, daß sic mitten in einer Jntriguc in einem Roman saß. Alles das, was um sie her vorging, war wie Fäden, die sich zu einem unsichtbaren Netz von dem einen zu dem andern spannen. Es wurde immer interessanter, je mehr sic daran dachte und zusammenlegte und verstand. Plötzlich entdeckte sie ein Gesicht — ein Paar schwarze Augen —, die sie über den großen Tisch hinweg von der entgegengesetzten Wand her anstarrtcn. Es war Ingenieur Bcch. Er erhob sein Glas. Und cs huschte wie ein Sonnenstrahl durch Inger. Ganz allein war sie also doch nicht. Da ivar auf alle Fälle einer, der aus einen Augenblick an sic dachte! Ernestine verfolgte mit einem forschenden Blick den beständig wechselnden Ausdruck in Fräulein Moritz' Gesicht, während sie Konsul Svaues langem und tödlichem Vortrag über große Männer lauschte. Konsul Svanc gehörte zu denen, die niemals aufhören, wenn ihr 'Mundwerk erst einmal in Gang gesetzt ist. „Ach ja, sie können ja groß genug in ihrem Fach sein," rief sie aus, während noch ein hasti ger, verständnisvoller Blick von Fräulein Moritz zu Gustav gegenüber in ihr nachzittcrte. „Aber die großen Männer haben selten das Mensch liche in sich entwickelt. Ihnen kommt es nur daraus an, wenn sie einmal berühmt sind, den Ruhm zu bewahre n. Deswegen legen sie eine Fassade an — und dahinter ist es gewiß oft recht leer und öde. Glauben Sic nicht auch?" Der Konsul sah sie verständnislos an. „Ein großer, blonder, gutmütiger Ochse" hatte Gustav ihn einmal genannt. Und Ernestine mußte über das Bild lächeln. Es war nicht ganz unzu treffend. Jetzt saß er offenbar da und dachte an seine vielen Orden, die an einer langen Kette seine linke Brust bedeckten. „Prost, alter Freund!" rief ein rötlicher Dicksack oben vom Tisch her zu ihnen hinüber. „Hoffe, daß unser Verhältnis zu Trinidad noch immer das beste ist!" Der Konsul trank mit einem säuerlich-süßen Lächeln — was für ein Ton war dies nun eigentlich, der gehörte doch nicht in eine so feier liche Gesellschaft hinein? — und er wandte sich an Ernestine: „Ja, Sie können mir glauben, man miß gönnt mir diese —" Er zeigte auf die Orden. „Mein Gott, es ist ja nichts weiter, als ein klein wenig Anerkennung für das Bißchen, was man getan hat. Gnädige Frau, Ihr Herr Ge mahl —" unterbrach er uild zeigte. Ernestine drehte den Kopf herum und er hob ihr Glas. Gustav sah so aus, als komme er eben aus dem siebenten Himmel. Ganz weit unten im Saal stand ein Herr und redete. Aber niemand hörte die Worte —. Dann schurrten Hunderte von Stühlen. Das Diner war beendet/ und die große, bunt zu sammengewürfelte Gesellschaft zog sich in die anstoßenden Säle zurück. Die Stimmung hatte ihren Höhepunkt er reicht. Es herrschte alles andere 'als Nordpol stimmung. Gleich einem aufgeregten Meer, das sich nach und nach beruhigt, verteilte sich die Ge sellschaft in verschiedenen Gruppen in die Räume und die vielen Kabinette. Der Kaffee wurde gereicht, der schwedische Punsch erschien, der Zigarrenrauch schwebte blau in der Luft. Das Orchester hatte soeben angesangcn, zum Tanz in dem jetzt geräumigen Eßsaal aufzu spielen. Inger war in einem munteren Kreis ge strandet, wo der Champagner floß, und wo an fangs auch Karsten und Gustav zugegen gewesen waren. Jetzt ivaren die beiden im Tanzsaal ver schwunden. Sie saß mit einem starren Lächeln da und hörte der Unterhaltung zu. In Wirklichkeit ver folgte sie fortwährend Karsten, der so recht in seinem Element war und der bald Fräulein Moritz, bald Frau Svanc den Hof machte. Jetzt kam das junge Fräulein Gurre, die Tochter des Dottors, an die Reihe. Sie hatte eine eigene Art und Weise, ihren Arm zu drücken — gar zu ekelhaft! — ynd dann dies beharrliche Stic- rcn in die Augen! Mit diesem Fräulein Gurre war er offen bar sehr viel zusammen. Sie war immer mit dabei in seinen Sportskrciscn und auf den Scgcl- klubbällcn. Inger atmete tief auf. Im selben Augenblick stand Ingenieur Bcch vor ihr — ob er um die Ehre bitten dürfe! Sie war dunkclrot geworden. Sic hatte bis her ganz außerhalb der Sache dagesesscn, und nun auf einmal —! Naci) einer Weile befand sic sich mitten im Tanz. Sie fühlte sich wie ein neuer und an derer Mensch. Und da war so viel aus alter Zeit, worüber sic plaudern konnten — gemein same Erinnerungen und gemeinsame Bekannte aus der Zeit, als sic jung gewesen waren. „Aber Sie haben sich ja nicht verheiratet, Bech!" lachte sic. „Sic, in die alle Damen verliebt waren. Sie hatten gewiß viele Tcchtel- Mcchtel damals, Bcch." „Ach — die Narrenstreiche —" sagte der In genieur ausweichend. „Ich weiß noch, wie Sie uns allen im- panierten," fuhr Inger fort. „Ja, wir waren ja damals auch jung. Man erzählte sich. Sie hätten so viele Rendezvous, daß Sie darüber Buch führen mußten." „Wissen Sic wohl noch, als ich draußen auf dem Lande bei Ihren Eltern von der Brücke fiel — ich war damals Kadett —" rief er mit einem eigenen klingenden Lachen aus, das eine Reihe schimmernder Zähne unter dem schwar zen, leicht in die Höhe gebogenen Schnnrrbart blicken ließ. „Sie hatten ihren Sonnenschirm fallen lassen, und ich wollte ihn aufheben." (Fortsetzung in der Abendausgabe.) t Laxleknops Silksfquvlls NVI4VK0I V«*topüms, SMÜttv V»n1«iuns, SluUmrlsMriL, «to. s«oa^/. Qa«».- /
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)