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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.01.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140127021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914012702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914012702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-27
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Jahrgang 'S« Inserat» au« Leipzig un» Umgebung Sie /»tlALIALNPLtklfu. ispaitige Petit,eil« 25 ps., Sie Nekiamezrile i M., ooa auowärt« ro Pf., Nrklainen >.2S M., Zamillen-u. klein« stnzetgen Sie petitzeil» nur2»pf.,dnsrrat« von vrhörorn im amtltchenLe» St» prtttzeilr S»pf. Oeschäfteanzeigen mlt ployoorschrtst im Preis» »rköbt. Nabatt nach Laris, »ellagegedtihr: ch»fomtaus!.SM.Sa«raus»nS au«schl. postgedlihr. ftuzeigen»stnnabmr: ^ohanntsgaste», bei sämtlichen silialeu »«, Lr>p,ig«r Logeblatt«« unS allen r>nnoncen-ExpeSiti»nrn S«a In» un» nuslnnSr». OrschäftostrU« für Vertin n.Sle pr. Vran «ndurg: VtrektionwalterZIiegel, Serlia w. IS, Morgaretbenstraste S. Zernsprech»stnschluA: Lühow -471. Nr. 48. viensmg, aen 27. Ianusr. 1Sl4. Das wichtigste. * Anläßlich des Geburtstages des Kaisers sanden bereits am Montag, namentlich im Auslande, viele Feiern statt. (Siehe bes. Art.) * Auch in Württemberg ist die Frist Mr Ab gabe derBermögenserklärungen für den Wohrbeitrag bis zum 15. Februar verlängert worden. * Die Gewerkschaft der Verwaltung der Arbeiter im englischen Baugewerbe hat beschlossen, in London und in der Provinz einen General streik zu organisieren. (Siehe Ausl.) * Der portugiesische Ministerpräsident Costa ist zurückgetreten. (Siehe Ausl. u. Letzte Dep.) * Am Montag starb in Wien der Philosoph Friedrich Jodl im Alter von 64 Jahren. (Siehe Kunst u. Wissensch.) * In Liverpool entstand an Bord der „Mauretania" eine Explosion, durch die drei Personen getötet und acht schwer verletzt wurden. (Siehe Nachr. v. Tg.) Churchill un- Llopö George. 2. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun derts pflegten die beiden großen Parteien Eng lands sich in sechsjährigen Perioden abzu lösen. 1868, 1874, 1880, 1886 und 1892 wur den hintereinander Englands kritische Jahre. Dabei erwiesen sich durchschnittlich die Tory- Mehrheiten widerstandsfähiger als die liberalen, welche meist schon un er^en Jahre wieder ab- , zubröckeln begannen. Seit dem Auseinander bruche der „Linken" (nach dem festländischen Jargon; in England kennt mau die Bezeichnungen Rechte und Linke nicht) im Jahre 1886 erscheint die regelmäßige Folge dieser politischen Ge zeiten gestört. Die Tory-Mehrheit von 1895 lehrte zum ersten Male nach einer Neuwahl, 1900, unvermindert zurück. Und nun herrschen die Liberalen seit Ausgang 1905 und Haven zwei Parlamentsauflösungen, beide in 1910, überstanden. Allerdings mit sehr geschwächten straften, und zahlreiche, seitdem verlorene Nach wahlen haben das Verhältnis noch weiter zu ihren Ungunsten verändert. Wenn heute die irische und die Arbeiterpartei bei einer Abstim mung sitzen bleiben, ist das Kabinett geliefert. Geht der Zersetzungsprozesz so fort, so wird es bald auch von der Arbcitergruppe (rund vierzig) nicht mehr gestützt werden können. Und nun drohen Spaltungen in seiner eige nen Mitte! Zwischen den Ministern Winston Churchill und Lloyd George hat sich eine Kluft geöffnet. Zwar soll der letzte Kabi nettsrat den Frieden wieder hcrgestellt haben, die beiden Streiter sollen die besten Freunde sein, obwohl Churchill letztes Jahr 3 Millionen Pfund eigenmächtig zu viel für die Flotte ausgegebeu haben soll; aber an diese Freund schaft glauben sie wohl selbst nicht. Verwandte Gesinnungsgenossen sind sic wohl niemals gewesen. Den Nachkom men des vor 200 Jahren durch seine glänzenden Kriegstaten in den Hochadel auf gestiegenen Marlborough trennt von dem w ätschen Gastwirtssohne ei» weiter Abstand. Ob Churchill von den Brandreden seines Kol legen gegen den Großgrundbesitz und seine Fidei kommisse sonderlich entzückt ist, mag schon be zweifelt werden. Indessen leben ffch manche junge Leute der englischen Aristokratie in die Gedankenwelt ihrer demokratischen Jngendese- leien so gründlich ein, daß sie eine tüchtige Portion von Sozialismus vertragen können. Und die englische Gesellschaft hat sich die Ver femungen politischer „Ketzereien" seit Jahrhun derten abgewöhnt. Aber wenn auch Sir Winston über die whigistischen Ueberlieferungcn seiner Familie hinaus den Sprung ms Lager der Neuliberalen vollzogen hat — die meisten Urenkel der Revolutionsmünner von 1688 haben sich bekanntlich jüngst, nach 200 Jahren, mit den Torys zu einer Reichspartei (Unionisten) zusammengeschlossen —: m seiner Stellung zu den Fragen der Landesverteidigung steht er doch unter den Einflüssen seines Standes. Mau tut ihm nämlich ein Unrecht, wenn man seine Haltung zu diesen Fragen ihm nicht als ein Ergebnis selbständigen Urteilens zurechnet. Natürlich darf auch ein Engländer zu gleich vorgeschrittener Demokrat und glühender Patriot und darum Rüstungsfanatiker sein; ähn lich wie der alte Chamberlain seinen innerpolitischen Radikalismus preisgab, als seine Parteifreunde mit der Homerutevorlage die Einheit des Reiches.antasteten. Was uns aber die Charakterstärke dieses Churchill an zweifeln läßt, ist sein ewiges Schwanken. Wir Deutschen haben ja die rednerischen Er güsse dieses Mannes eifriger verfolgt, als grade ihr innerer Wert es verdiente. Um das, was Disraeli, Balfour, Chamberlain und Gladstone sagten, haben wir uns trotz des viel höheren Gehaltes und der klassischen Formen ihrer Be redsamkeit erheblich weniger bekümmert. Sol chen Vorzug genießt der gegenwärtige Admi ralitätschef allein darum, weil der Gegenstand I seiner Auslassungen, die Schiffsbaupro gramme des englischen Jahreßetats, uns als > Wärmemesser der englisch-deutschen Be ziehungen erscheinen. Und da hörten wir nun den Minister des englischen Seewesens von Rede zu Rede tau melnd seinen Standpunkt wechseln. Bald bittere Klagen über die Bürde des Riesenaufwandes und girrende Lockung zu Beschränkungsabkommen, und gelte es auch nur ein einziges „Welt feierjahr". Bald wieder schroffe Drohun gen mit einem gesteigertem Tempo der Rüstun gen. Man muß sagen, daß dieser nicht einmal immer methodische Zickzack seiner eigenen Sache außerordentlich geschadet, uns wenig,rens förm lich verärgert hat. Eigentlich sollten wir uns sogar beleidigt fühlen, daß man uns drü ben „mit Zuckerbrot und Peitsch" behandeln will, so zu sagen: hätten wir nicht die Unzu länglichkeit der Person erkannt und schöben einen Teil der Schuld auf sie. Selbst diejenigen Deutschen, die die Deutscylandfeind- scl;aft der englischen Unionisten für einstweilen unabänderlich ansehen (in der Gladstone-Zeit betrachtete man diesseits die Siege der Tory- Partei als deutsche Vorteile), müssen allmählich zugeben, daß durch Balfours oder Laws Rück kehr zur Macht klarere Verhältnisse ge- scl-affen werden. Erklärlich ist es ja, daß der durch Lloyd George dargestellten „äußersten Linken" des englischen Kabinetts der Minister, der gestern ein Feierjahr wollte und heute die Rüstungen verdoppeln will, auch allmählich auf die Ner ven gefallen ist. Grundsätzlich haben wir natürlich für jenes, noch dazu der herrschenden angelsächsischen Nation stammfremde, Kieinbür- > gertum keine Sympathie, dessen Argumente gegen den Ausbau der Wehrmacht demselben Arsenale l nationaler Engherzigkeit entstammen, aus dem die preußisch deutschen Gegner unserer Heeres- Vorlagen seit 1861 ihre Einwände entlehnten, unsere Sozialdemokraten heute noch. Aber wenn die Richtung Lloyd Georges in dem gegenwärtig ausgebrochenen streite triumphieren sollte, wie es den Anscljein hat, und, einerlei aus welchen Beweggründen, mit Aufrichtigkeit ein freundnachbarliches Ver hältnis anstrebt, haben wir ja keine Ursache, zu solchem Bemühen scheel zu sehen. Unser seits nun freilich darum unsere Flotte zu vernachlässigen, auch nicht. Denn mag auch Ehurchill nicht allzuvicle nahe Freunde zu den Konservativen mit hinübernehmcn, die ihn schon lange wie Erlkönig und Erlkönigs Töchter umgaukeln und locken: allzulange wird nach allen Erfahrungen die liberale Herrlichkeit in Eng land nicht mehr dauern. Sollte selbst im bevor stehenden Sommer die Bombe von Ulster nicht platzen, nicht eine starte patriotische Volks bewegung in letzter Stunde noch eine Neuwahl erzwingen, ehe eS endgültig zur Reichszerrcißung kommt: über den Ausgang von 1915 läßt sie sich nicht verschleppen, und dann sind die zehn Jahre grade abgelaufen, die das englische Volk allerhöchsteus einer Parteiregiecnng zu gön nen pflegt. Und unsere Bindung durch das be- stehende Flottengesctz, mit dem sich die Engländer abfinden lernen müssen, währt noch über den bezeichneten Zeitpunkt hinaus. Seine Fortsetzung wird nach menschlicher Berechnung von dem Verhalten eines u n i o n i st i s ch c n Ministeriums abhängcn. Einer reinen Parteiherrschaft der radikal-fortschrittlichen Leute um Lloyd George dürfte in ihrer Geburtsstunde bereits ein hippokratischer Zug ausgeprägt wer den und uns verbieten, irgend welche Rechnung auf ihren Bestand zu gründen. DevGebrirtstag desÄaisevr In Leipzig. Die Stadt Leipzig hat Mr Feier des Tages ihr Festgervand angelegt. Von den öffentlichen und privaten Gebäuden flattern die Fahnen und selbst die „Elektrische" und die „Autobusse" sind mit bunt farbigen Wimpeln geschmückt. Leider ließ das sprich wörtlich gewordene Kaiserwetter unsere Stadt im Stich, trüb und regnerisch waren die Morgenstunden. Vie militärische Zeier begann, nachdem das festliche Glockengeläute von sämtlichen Kirchtürmen der Stadt verklungen war, mit dem militärischen Wecken, das von dem Musikkorps und den Spielleuten des 8. Infanterieregiments „Prinz Johann Georg" Nr. 107 und des Trompeterkorps des Trainbataillons Nr. 19 ausgeführt wurde. Punkt 8 Uhr marschierte die Jn- fanteriokapelle mit klingendem Spiel von der Garnisonhauptwache an der Ehrensteinstraße ab und durchzog die vorgefchriebenen Straßen. Vor den Woh nungen des kommandierenden Generals an der Richterstraße und des Stadtkommandanten am Ms Zichte's Leben. Von Hugo Oswald. Der Eänsejunge Fichte war ein sonderbarer Eäniejunge. Seines Gedächtnisses wegen war er in seinem Heunatsorte Rammenau jedermann be kannt. Konnte er doch die Sonntagspredigten aus- .wendig hcrsagen. Als eines Sonntags der Freiherr v. Miltitz aus der Nachbarschaft zu spät zur Pre digt kam und Lies einem Dorfbewohner klagte, wußte dieser zu helfen, man brauche nur den Eänjejungen Fichte zu rufen. Der kleine Gottlieb erschien und predigte, Laß Herr v. Miltitz für ihn zu sorgen be schloß. Fichte kam auf die Schule von Meißen und mit zwölf Jahren nach Schulpforta. Mit dem engherzigen Geiste Schulpsortas konnte sich Fichte nie befreunden. Michaeli 1780 bezog er die Universität Jena, um Theologie zu studieren. Aber auch juristische uns philosophische Vorlesungen hörte er. Gewaltig er griff ihn das Studium Spinozas. Da er durch stundengeben das Nötigste zu erwerben gezwungen war, konnte er zu keinem regelmäßigen Studium kom men. Schon das Jahr darauf zog er in der Hoffnung auf staatliche Unterstützung nach Leipzig. Doch diese blieb aus, und seine Läge wurde noch drückender. An ein Examen konnte er nicht denken. So ist er denn von 1784 an als Hauslehrer hin und her in Sachen tätig gewesen. Eine Stelle als Landgeistlicher wurde ihm 1787 wegen seiner Denkweise abgeschlagen. Er wohnte mittellos wieder in Leipzig. Die Not stieg "immer höher, so daß sich Selbstmordgedanken seiner bemächtigten. Der 19. Mai 1788, sein 26. Geburtstag, sollte sein letzter sein. Da wird ihm am Vorabend von dem Dichter We'ße wie aus höherer Hand eine Erzieherstellung in Zürich angeboten, die er annimmt und anderthalb Jahr« bekleidet. In Ruhe konnte er lesen und sich mit sich beschäftigen. Er predigte auch wieder, wie er es in Leipzig getan hatte. Mannig fach angeregte Kreise taten sich auf, er fand Freunde und schließlich auch eine Braut, eine Nichte Klopstocks, Johanna Maria Rahn, in deren väterliches Haus ihn Lavater eingeführt hatte. Zu Ostern 1790 kehrte Ficht« nach Leipzig zurück, wo es ihm bald wieder wie vor zwei Jahren erging. Einen Studenten muß er in der Kantischen Philosophie unter richten, obwohl er sie nur vom Hörensagen kennt. Diese Stunden werden aber zu Stunden der Seligkeit für ihn, sein Leben bekommt neuen Inhalt. Er entdeckt die Selbständigkeit der freien Persönlichkeit. Diese fr he Botschaft erlöst Fichte von allen Sorgen um das täg liche Brot. Kein größerer Gegensatz als der zwi chen seiner Armut und dem Reichtum, der ihm aus den Werken Kants zuströmt. Im April 1791 wollte er heiraten. Ein Ereignis rückte unerwartet jedoch die Hochzeit in unbestimmte Ferne. Sein Schwieger vater verlor nämlich bei einem Bankbruch das Ver mögen. Fichte mußte wieder zur Hauslehrcrtätigkeit greifen. Er macht« sich also im April nach Warschau auf zum Grafen o. Plater. Der gegenseitige Ein druck war ein so unangenehmer, daß Fichte die Stelle nicht antrat. Von der ihm gezahlten Entschädigung konnte er mehrere Monate leben. Fichte predigte noch am 23. Juni in Warschau und hinterließ einen tiefen Eindruck. Am 25. Juni fuhr er mit einem Fuhrmann nach Königsberg, wo er am 4. Juli Immanuel Kant besucht. Kant empfing ihn „nicht sonderlich". Fichte wollte es dem Meister beweisen, daß er ihn nicht als Sehenswürdigkeit ausgesucht habe, und schrieb von aller Welt zurückgezogen in vier Wochen die „Kritik aller Offenbarun g", in der er versuchte, die Möglichkeit einer Offenbarung aus der praktischen Vernunft darzutun. Das Manuskript schickte er an Kant. Dieier nahm ihn ein paar Tage darauf „mit ausgezeichneter Güte" auf, empfahl, die Arbeit drucken zu lassen, und tat selbst Schritte, daß der Königsberger Buchhändler Hartung den Ver lag übernahm. Als sie 1792 erschien, war wohl aus Berechnung des Verlegers der Name Fichte weg geblieben. Kants drei „Kritiken" waren nämlich damals in aller Mund. Was Wunder, daß diese namenlose Schrift aus noch anderen Gründen auch von Kant sein mußte. Selbst eine Rezension in der Jenaer „L i t e r a t u r ze i t u n g" sprach die Schrift dem Königsberger Philosophen zu. Dieser beeilte sich zu erklären, daß der Kandidat der Theologie Johann Gottlieb Fichte der Verfasser sei. So war Fichte über Nacht ein philosophisches Er eignis geworden. Nach dieser Verwechslung konnten ihn die Jenaer nicht verleugnen und beriefen ihn 1793, als durch Reinholds Lvcggang ein pyilowphffcher Lehrstuhl frei wurde. Gleichzeitig erschienen Fichtes „Beiträge zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution", zwei Hefte, die infolge ihrer „freien Aipenluft" bei den Regierungen m üblem Gedächtnis blieben. Ostern 1794 trat Fichte das Amt an. Er juchte, in einer Reihe Schriften (1794 der „W i s s c n s ch a f t s l e h r e", seinem Lebenswerk, 1796 dem „Naturrecht", 1798 der „Sittenlehre") seinen über Kant hinausgehcnden Standpunkt durchzuführcn, und übte einen ungeheueren Einfluß aus die wissenschaftliche Welt in Deutschland aus. Seit 1795 war Fichte Mitheraus geber des „Philosophischen Journals". Ein Aufsatz daielbst und Fichtes Einleitung dazu er regten unliebsames Aufsehen. Fichte wollte sich recht fertigen, aber schließlich unterlag er. Religiös und politisch verdächtig siedelte er 1799 nach Berlin über. Durch den Verkehr mit Friedrich Schlegel, Schleiermacher, Novalis gestalteten sich seine Ansichten allmählich um. Die Jenaer Ge ch:h- nissc veranlaßten, wie Friedrich Paulsen sagt, auch eine Frontveränderung. War bisher seine Angriffs front gegen die staatskirchliche Orthodoxie in Philo sophie und Theologie gerichtet, so wird sie jetzt gegen die negative Aufklärung gewendet. Nachdem F chte in Berlin mehrere Jahre privatisiert und in philo sophischen Reden für Gebildete dargelegt hatte, was Gott und göttliches Leben in Wahrheit sei, bekam er 1805 eine Professur in Erlangen zugleich mit der Erlaubnis, im Winter in Berlin wie bisher philosophische Vorträge vor einem gemischten Publi kum zu halten. So fallen in den Winter von 1807 auf 1808 seine „Reden an die deutsche Nation". Aufs eifrigste betrieb Fichte die Gründung der Berliner Universität. Denn allein durch gänzliche Umgestal tung der Erziehung könne die Wiedergeburt Deutsch lands herdeigeführt werden. Die Universität wurde 1809 eröffnet und Fichte im ersten Jahre Dekan der philosophischen Fakultät, im zweiten Rektor. Am Befreiungskriege nahm er durch Wort und Tat den lebhaftesten Anteil. Bei der Pflege von Verwundeten und Kranken hatte sich seine Frau das Nervenfieber zugezogen, sie wurde gerettet, aber bald er selbst davon befallen, und er erlag der Krankheit im noch nicht vollendeten 52. Lebensjahre in der Nacht des 27. Januar 1814. Fichte war, wie Berthold Auerbach so schön und treffend sagt, ein Mann gleich dem Baume an der Bergeshalde, dessen Namen er trägt, der in dürftigem Erdreich geradeaus wächst und seinen Stamm einheitlich durchzieht bis zur Spitze. Kunst UN- Wissenschaft. * Friedrich Jodl gestorben. Montag abend ver schied in Wien der Professor der Philosophie Friedrich Jodl im Alter von 64 Jahren. Er erlag einem Herzleiden, das im Laufe der letzten Zeit sich beträchtlich verschlimmert hatte. Jodl war am 23. August 1849 in München geboren als Sohn eines Regierungsrates, besuchte ein humanistisches Gymnasium und studierte in seiner Vaterstadt unter Carriere, von Prantl und Huber Philo sophie und Geschichte. 1871 promovierte er auf Grund einer Dissertation über Humes Erkennt nistheorie und 1873 wurde er Lehrer für Universal geschichte an der bayrischen Kriegsakademie. In dieser Stellung veröffentlichte er eine hochbedeutsamc Schrift „Die Kulturgeschichtsihreibung, ihre Ent wicklung und ihr Problem" (1878). Er lieferte darin einen fruchtbaren Beitrag zur Frage der Berechti gung und Ausgestaltung der Kulturgeschichte. In vielen Punkten stimmt er mit Lamprecht überein. Er deutet die Geschichte in ethischem Sinne und er kennt in ihrer Entwickelung eine sich steigernde An näherung an Las sittlich« Ideal. 1880 habilitierte er sich an d«r Münchener Universität für Philo sophie. Zwei Jahre später erschien der erste Band seines großen Werkes „Ee > chichte der Ethik in der neueren Philosophie", und 1885 rief man ihn als Ordinarius nach Prag. Nach zehn jähriger erfolgreicher Wirksamkeit in Prag wurde er der Nachfolger Robert Zimmermanns in W i e n. 1902 übernahm er auch das Lehramt für Aesthetik der bildenden Künste an der Technischen Hochschule. Seit 1910 war Jodl ordentliches Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Die zwei Bänd« „Geschichte der Ethik" — d«r zweite war 1889 gefolgt — grün deten Jodls wissenschaftlicl>en Ruf. Das Sittliche ist für ihn das Erzeugnis einer Wechselwirkung von Einzelmensch und Gesellschaft. Jeden transzendenten Ursprung lehnt er ab und betont, daß die Philo sophie in ihrer Entwicklung immer mehr sich der Metaphysik entschlagen und an Stelle des theo- zentrischen den anthropozentrischen Standpunkt ge setzt habe. Rein menschliche Moral bildet den Kern seiner Weltanschauung. Jodls Schwer punkt liegt in der Ethik. Aber er hat auch aus an deren Gebieten sich mannigfach betätigt. Da ist vor allem sein treffliches „Lehrbuch der Psycho- logie" zu nennen. Der erkenntnistheoretische Standpunkt Jodls,,der aus diesem Werke hervorgeht, kann als ein positivistischer bezeichnet werden. Seine Schriften zeichnen sich nicht nur durch ein reiches, vorzüglich gesichtetes Material, sondern auch durch eine vollendet« Form aus. * Auszeichnung Berliner Künstler durch den Kaiser. Frau Leffler-Burckard, der ersten Kundry des Berliner König!. Opernhauses, ist vom Kaiser „zur Erinnerung an ihre Mitwirkung in den „Parsifal' -Aufführungen und in vollster Anerkennung ihrer künstlerischen Leistung" eine mit Rubinen und Brillanten besetzte Brosche, di« in der Mitte das „VV. I." trägt, als Geschenk überwiesen worden. Paul Knüpfer. Walter Kirchhoff, Rudolf Berger und John Forsell, der Gast des Opernhauses, er hielten Busennadeln mit Brillanten. Durch Ordens verleihungen wurden Kapellmeister Dr. B e s I, Re gisseur Braunschweig, Geheimrat Brandt, Hofrat Raupp und Beleuchtungsinfpettor Barth ausgezeichnet. * Verbot einer Nosenowaufführung. Der Berliner Freien Volksbühne ist die Aufführung des Tendenz stückes „Die im Schatten leben" aus dem Nachlaß des sozialistischen Abgeordneten Rosen ow jetzt auch vom Obcroerwaltungsgericht verboten worden. * Besuch des Kaisers bei Professor Zanensch. Der Kaiser besuchte gestern das Atelier des Bild hauers Professors Gerhard Jan en sch in der Königlichen akademischen Hochschule für die bil denden Künste und besichtigte dort das Modell für ein Denkmal Friedrichs des Großen. Das etwa anderthalblebensnoße Standbild ist für die Stadt Gloiau bestimmt und soll dort am 17. April d I., dem hundertsten Jahrestage des Aus uges der französischen Garnison aus Glogau und der Heber-- gäbe der Stadt an das preußische Militär, enthüllt werden. Das Werk selbst wird in Bronze gefertigt und erhält einen granitenen Sockel.
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