Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.01.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140124010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914012401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914012401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
- S. 12-13 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-24
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seite 2. Nr. 42. Morgen-Nusysbe. Leipziger Tageblatt. des Präsidenten mit 154 «gen 60 Stimmen ge nehmigt, und die Abgg. Zichq und Justh wurden an den Imm unität» ans schuß verwiesen. Darauf erhob GrafAlbert Apponyt Protest gegen da» vor gehen der Mehrheit, die es der Opposition unmöglich mache, an den Beratungen teil,»nehmen. Unter seiner Führung verlies hierauf die aelainle Opposition den Sitzungssaal. Der Präsi dent erklärte, daß der Protest des Abg. Apponyt, der sich gegen die Beschlüsse des Hauses richte, null und nichtig sei. Das Haus setzte sodann in Abwesenheit der Oppo sition die Spezialdebatte der Preßvor- lage sort, die bis zum 8 17 angenommen wurde. Heer un- Zlotte. * Lustschisfmanöver 1814. In diesem Jahre finden wiederum grössere Uebangsfahrten der Heereslust- schisje statt, die der Ausbildung der Mannschaften dienen. Es handelt sich jetzt, nachdem das Luftschiff als erprobte Waffe im Heere Verwendung findet, nicht mehr im eigentlichen' Sinne um Manöver, wie in den ersten Ianren, als die Luftschiffe zum ersten Male als neue und unbekannte Kriegswerkzeuge eingestellt worden waren, sondern vielmehr um Hebungen der einzelnen Luftschiffe. Die Manöver aufgaben werden jetzt den Luftjchi'fen be* den großen Herbstnranövern gestellt, an denen bekanntlich unsere Luftschiffe aller Systeme teilnehmcn. Durch die stän digen Fahrten, die von unseren Militärluftschifsen «usgefkhrt werden. Haden sich umfassende Luftschiff manöver größerer» Stiles erübrigt. Liese Luftschisf- ndungsfahrten dienen neben der Ausbildung neuer Mannschaften in erster Reihe der kriegsmäßigen Der» Wendung der Luftschiffe und der Erprobung der draht losen Stationen. Es kommen fernerhin Fernfahrten und Höhenfahrten in Betracht. Die Höhensahrtcn dienen dazu, die Steigfähigkeit der einzelnen Lust- schiffsr,steine sestzustcllen. Bekanntlich hängt von der Steigfähigkeit der Luftschiffe ein bedeutender Teil ihres Kriegsweries ab, da sie durch proste Stcigfähip- keit schnell imstande sind, sich der Angriffe von selten der Flugzeuge zu erlvehrcn. Bei einem der früheren Manöver wurde festgestellt, daß der „H. Hl" der Heeresverwaltung die Höhe von 1100 Meter, die er zum Ucberslieqen des Lchrvarzwaldcs gebrauchte, in 14 Minuten erreichte, während das schnellste Flug zeug, das dieselbe Fahrt machte, dazu 35 Minuten brauchte. Neben diesen Höben- und Fernfahrten kommen außerdem noch Gcschwindigkeitsfahrten mit dem Winde und gegen den Wind in Betracht. End lich wird ein großer Teil der Hebungen von Auf- klärungsfahrtcn ausgefüllt, in denen der Hauptwert darauf gelegt wird, dast bestimmt-: Austlärungvauf- gaben, die den Offizieren im Luftschiff gestellt wer den, in schnellster Zeit gelöst und auf drahtlosem Wege gemeldet werden. Die ständigen Neuerungen, mit denen unsere Luftschiffe ausgerüstet werden, die zum Teil Verbesserungen des Systems, zum Teil Er höhungen in der Kesechtskraft — z. D. Ausrüstung mit Maschinengewehren — umfassen, bilden jetzt im prosten und ganzen den Inhalt der Uebungen. Deutsche» Reich. * Der frühere sächsische Landtagsabgeordnett William Rittberger ist im Stadtkrankenhaus zu Limbach am Freitagvormittag an einem Nieren leiden gestorben. Rittberger wurde am 9. April 1861 in Hohenstein-Ernstthal geboren und widinete sich nach dem Schulbesuch dem Kaufmannsstand. Um »eine Kenntnisse zu erweitern, bereiste er Amerika, Frankreich und andere Länder und liest sich später in Limbach nieder. In Limbach schuf er sich eine sehr geachtete Stellung und war lange Jahre Vor- ntzender des Stadtverordnetenkollegiums und des Kaufmännischen Vereins. Der Zweiten sächsischen Kammer gehörte er in den Jahren 1901—1906 als konservativer Abgeordneter an. * Der Bezirksausschuß für den Landtagvwahlkreis Leipzia VI des Nationalliberalen Vereins für Leipzig und Umgebung veranstaltet am Sonnabend, den 24. Januar d. I., abends 8'/« Uhr. im Pcnterresaal des Hotels „Rosentattasino" lRosentalgasse) eine öffentliche Versammlung, in der Landtagsadgeord- neter Dr. Albert Steche über „Industrie undHandel in dernordameritanischen Union und ihre Bedeutung für das deutsche Wirtschaftsleben" sprechen wird. Abg. Dr. Steche kennt die wirtschaftlichen Verhält nisse in der Union aus eigner Anschauung sehr genau und ist darum besonder» berufen, wertvolle Aus schlüffe über die wirtschaftlichen und Handelsbe ziehungen zwischen der Union und Deutschland zu geben. Nach dem Vortrog findet eine Aussprache statt. — Jedermann ist bestens willkommen. * * Grplanter Anschlag eines Geisteskranken aus den Kronprinzen? Der am 7. Juli 1887 zu Kolmar ge borene Schneider Leopold Salomon, Grenadier strabe 34 bei Rocke wohnhaft, lief am Freitagnach- mtttag gegen 3 Uhr, als der Kronprinz nach seinem Palais zurückkehrte, hinter dem Auto her. Ein Schutzmann nahm Salomon an der Rampe f e st und führt« ihn der Wache des 2. Polizei reviers zu, wo er, da er den Eindruck eines Geisteskranken macht, von dem zuständigen Kreisarzt untersucht werden wird. In seinen konfusen Reden behauptet der S stierte, ein Bruder des Kronprinzen zu sein, den er um «in« Unter stützung für seinen Lebensunterhalt bitten wollte. * Eine Reichstagsoorlag« zur Durchführung der Beschluss« der internationalen „Titanic"-Konsercnz. Auf der nunmehr abgeschlossenen internationalen Konferenz über Sicherheitsmaßnahmen für die über seeische Personenbeförderung sind eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die von den an dem Abkommen beteiligten Staaten für ihre Schiffahrtslinien durch geführt werden müssen. Für Deutschland ergibt sich daraus die Notwendigkeit zu gesetzgeberischen Maß nahmen, da gegenwärtig die Entscheidung über Sicherheitsmaßnahmen für die Seeschiffahrt der See- berufsgenosscnschaft übertragen ist. Die Ratifi kation des Abkommens seitens der beteiligten Staa ten hat bis zum Ablauf dieses Jahres zu geschehen; dagegen ist für di« Durchführung aller getroffenen Vereinbarungen eine Frist bis zum 1. Juli nächsten Jahres gegeben. Infolgedessen ist es ausreichend, wenn die Gesetzesvorlage erst in der nächsten Tagung dem Reichstag zugeht. Ob das Abkommen selbst, das auch der Zustimmung der beiden gesetzgebenden Körperschaften bedarf, noch in der gegenwärtigen Tagung oder erst im Spätherbst an den Reichstag gelangen wird, hängt von der Geschäftslage des Par laments ab. * Generaloberst von Lindequist, der nach dem Tode des Generals von Spitz die Leitung der deutschen Kriegervereine übernahm, har sein Amt als Vorsitzender niederpelegt. Unter dem Generaloberst von Lindequist hat das deutsche Krieglekvereinswesen sich weiter entwickelt; besonders die sozialen Einrichtungen wurden ausgebaut. Zum Nachfolger des bisherigen Leiters Utdcr General der Infanterie von Ploeß, der mehrere Jahre das 8. Armeekorps befehligt hat, bestimmt worden. * Die Beratung der Notstandsanträge, die im preußischen Abgeordnetenhause nach den Sturm fluten an derOstsee eingebracht worden sind, wird vorläufig noch nicht erfolgen können, da die Ermittelung der Schäden infolge der strengen Kälte auf außerordentliche Schwierigkeiten stoßt. Soweit die Provinzialbehörden Ermittelungen angestellt haben, lägt sich »chon jetzt erkennen, dast der Schaden ein sehr beträchtlicher ist. Bei der Schadenermitte lung sind zunächst Untersuchungen über die den Gemeinden und den Privatbesitzern verursachten Schäden anaestellt worden, erst m zweiter Linie soll dec Schaden de» Staates bei der Zer störung von Dünen und Deichen ermittelt werven. Man nimmt an, daß der Schaden, den die Bewohner der heimgciuchren Ortschaften erlitten haben, sich auf etwa 1'-. Millionen Mark beläuft. Genaue Fest stellungen konnten jedoch noch nicht gemacht werden, da zum Teil das Ueüerfchmemmungsgebiet noch nicht vom Wasser frei ist. Zunächst werden die heim gesuchten Fischer und die übrigen Bewohner der Etrandhäuser Beihilfen vom Staat erkalten, da schon jetzt feststeht, daß sie aus eigenen Mitteln den erlittenen Schaden nicht ersetzen können. Soweit sich bis jetzt ein Ueberblick hat ermöglichen lassen, dürften -die gesamten Siurmflutichäden die Summe von I Millionen Mart überschreiten. In Anbetracht die er Höhe wird die private Wohltätigkeit stark in Anspruch genoinmen werden müssen. * Privatärzte für die Eisenbahnbeamten. Die preußisck)e Eisenbahnverwaltung ist in einer neuer lichen Verfügung den Wünschen der Eisenbahn beamten becr. die Heranziehung von Privatärzten wesentlich cntgegengekommen. Es ist bestimmt wor den, d«aß, wenn in dringenden Fällen ein anderer Arzt als der Bahnarzt von Beamten oder deren Familien zur sofortigen Hilfeleistung in Anspruch genommen wird, weil der Bahnarzt oder sein Ver treter verhindert ist und der Krankheitsfall einen Aufschub der ärztlichen Hilfe bis zur Behebung der Be hinderung nicht zuläßt, die Kosten der privatärztlichen Hilfe versnchswei'e dir auf weiteies von der Staats kaffe überucinuien werden sollen. Vorausgesetzt ist hierbei, daß in j:dem Falle zunächst versucht ist, den Bahnarzt zuzuzi.'hen. Drin^licbeft der ärztlichen Hilfe hat der Beamte nacozu weisen. Da diese Vor aussetzungen nach längerer Zeit sich nicht immer feststcüen lassen, so haben Beamte, die aus den an gegebenen Gründen einen andern als d».-n Dahn- arzt bemühen, alsbald danach von dem Privatarzt eine Rechnung mit der Bescheinigung der unbeding ten Notwendigkeit sofortiger ärztlick>er Hilfe zu er- bitten und aus dieser Rechnung vom Dahnarzt be scheinigen zu lassen, daß er zu der Zeit, als Vie bahn- ärztliche Hilfe erbeten worden ist, zur sofortigen Hilfeleistung verhindert war. * Zum Kamps gegen den Tabaktrust. Im Reichs tag Hut der Abgeordnete Keinath (Natt.) in seiner Rede zum Etat des Roichsamts des Innern in ein dringlichen Worten aus di« schweren Gefahren hingewiesen, die einem wichtigen Gebiet der deutschen Voltswirtsä-aft, nämlich der gesamten Tabak-, Zigarren- und Zigaretten-Industrie, von dein ame rikanischen Tabaltrust drohen. Sehr zeit gemäß kommt da ein« zusammenhängende Darstellung der ganzen Trust frage in ihrer Entstehung, Entwickelung und ihrem jetzigen Stande, die von den „Vereinigten Tabak Zeitungen", Berlin, unternommen wird. Die Veröffentlichung des gesamten Matenals wird zwei «tgens zu diesem Zweck ersck)«inende Sondernummern der „Vereinigten Tabak-Zeitungen" in Anspruch nehmen. Die Heraus gabe erfolgt in enger Fühlung mit maßgebenden deutschen Jndustriekreisen, um noch rechtzeitig den Be strebungen des Trusts, kler. Ul Deutschland bereits weiter vorgcdrungen ist, als die Oefsentlichkoit ahnt, einen Damm, eiugcgensctzen zu .können. * Bebels vermögen. Der „Ostpt. Zta/' wird von gut unterrichteter Seite geschrieben: „Die Versuche des „Vorwärts", das hinterlassene Millionenvermögen Bebels glattweg abzuleugnen, erfahren durch die amtliche Steuereinschätzung Bebels eine eigenartige Beleuchtung. Bebel hat nicht 300 000 ^c, wie der „Vorwärts" behauptet, zu Lebzeiten als Ver mögen besessen, sondern der Parteiführer der „Hun gernden und Enterbten" zahlte für genau Sannavenü, 24. Januar 19l4. 684 000 .ckl selb st angegebenes vermögen seit dem Jahr« 1908 die preußische Vermögenssteuer. Diese nicht hinwegzuleugnende Tatsache liest schwarz auf weiß in den Akten der Berliner Steuerein schätzungsbehörde. Ausland. Englan-. * Ausdehnung des Streiks der Londoner Kohlen arbeiter. Aus London. 23. Januar, wird fol gendes gemeldet: Der Streik der Arbeiter im Londoner Kohlentransport hat gestern eine Aus dehnung erfahren. Es haben sich taufend Mann dem Ausstande angeschloff.n, so daß jetzt etwa neun tausend Mann feiern. Man besorgt, daß auch die Ar. beiter des allgemeinen Transportgewerbes einen Sympathiestreik beginnen werden. Zn dem Konflikt zwischen Arbeitgebern und Arbeitern des Bootsgewerbes machte Str George Asquith gestern einen Dermittelnng?oerftlch, der aber keinen Erfolg hatte. Man erwartet, daß heut« die Aussper rung erfolgt, die ISO OVO Arbeiter betrifft. * Die Bergungsarbeiten bei dem Unterseeboot 7" machen, einer Londoner Meldung der ..Doff. Ztg." zufolge, noch immer keine Fortschritte. Das Doot hat sich mit dem Hinteren Teil 22 Fuß tief in den Sand eingegraben, und der Bug steht in einem Winkel von 30 bis 40 Grad in die Höhe. Hierdurch wird der Versuch das Boot mittels unter dem Kiel dunsigrzEner Schlingen zu beben, sehr erskbwert, da die Solingen bisher immer wieder über d'e Spitze de« Bootes abglitten. Die Ber- a"nqsarbeiten können außerdem nur während der Ebbe erwlgen und müssen auch während der Nacht unterbrachen werden. Trotzdem hofft man in ein oder zwei Tagen die Bergung bewerkstelligt zu haben. * Benizelos in London. Aus London, 23. Januar, wird uns aemeloet: Der Staatssekretär des Auswärti en Sir Edward Grey gab heute mittag aui dem Auswärtigen Amt ru Ehren des Mini erpräsidenten Ventzelos ein Frühstück, an bem auch mehrere Minister teilnahmen. Italien. * Straßenbahnerstreik in Mailand. Das Personal der eleitrischen Straßenbahnen von Mailand streikt. Wie uns ein Telegramm meldet, ist der G-und zum Streik folgender: Tie Direktion hat die Entfernung eines Kontrolleurs verlangt, der mit einem Schaffner einen Streit hatte. Der Streit ist noch nicht untersucht worden, und man weiß nicht, wem recht zu geben ist. Der gesamte Verkehr ruht. Das ist in Mailand der fünfte Streik in ganz kurzer Zeit. Serbien. * Reise des Kronprinzen nach Petersburg. Ein Telegramm aus Belgrad, 23. Januar, meldet uns: Kronprinz Alexander und Ministerpräsident Pasitsch sind gestern nach Petersburg vbgereist, um der Taufe des Sohnes der Prinzessin Helene, der Tochter des Königs Peter, beizuwohnen. Wäh rend der Abwesenheit von Pasiftch übernimmt Finanzminister Patschu interimistisch das Ministerium des Auswärtigen. .... Griechenland. * Passiv« Resistenz der Griechen und Armenier. Wie uns ein Telegramm aus Konstantinopel meldet, haben auf Rat des ökonomischen Patriarchats die Griechen beschlossen, an den Parlaments« wählen nicht teilzunehmen, bis die gegen den Boy- kott und andere Fragen unternommenen Schritte Erfolg gehabt haben. Nach armenischen Blättern enthalten sich die Armenier bis jetzt gleichfalls der Teilnahme an dc» Wahlen. wandernöe Kunstwerke. Bon Theodor Lamprecht. (Nachdruck verboten ) Von zwei großen Kunstwerken und ihren Wande rungen ist in -en jüngsten Wochen viel gesprochen worden. Die Gioconda ist endlich von ihrer mehr komischen als erfreulichen Reise über die Aloen wieder in den Salon crrre des Louvres Heimgelehrt, und die „Anbetung der Könige" des Hugo van der Goes ist aus dem „Lande des Weins und der Ge sänge" auf dem Seewege in die Hauptstadt des Deutschen Reiches Lbergesiedelt, um dort fortab zu verbleiben. Zwei bewegte und merkwürdige neue Episoden sind damit dem interessanten Kapitel von den ^Wanderungen der Kunstwerke angefügt. Das ist ein großes Kapitel — so groß, daß man füglich die l^albe Kunstgeschichte bineinpacken kann; denn die Welt der Kunstwerke ist in einer unaufhörlichen Bewegung, und der Austausch der Kunstgüter unter den Völkern und den Zetten schließt in der Tat ein gut Teil der allgemeinen Kunstgeschichte in sich. Frei lich, die Architektur nimmt an diesen Wanderungen kaum teil. Allenfalls kann der zum Palaste von San Marco zu Rom gehörige seingliedrige Palazetto einmal um die Ecke wandern, um dem Marmor gebirge des Diktor-Emanuel-Denkmals die Achse des Korsos freizuaeben; oder Friedrich Wilhelm lV. konnte die hochinteressante Stavektrche von Wang in Norwegen auf die Höhe des Niesengebiraes versetzen — aber im allgemeinen sind Bauwerke doch von recht stand- oder seßhafter Art, und es ist keine Ge fahr, daß etwa ein Chicagoer Schweinekönig die Pcterskirche abbrechen und „St«in für Stein" am Michigansee wiederaufbauen lasse. Dagegen kann man bereits Freskengemälde, obgleich sie doch mit den Bauwerken selbst schier unzertrennlich verbunden scheinen, keineswegs als unbedingt wandersichcr be zeichnen. Die Abnahme und Uebertragung von Wandgemälden bietet technisch keine Schwierigkeit; die Neste des herrlichen Auferstehungsfreskos von Melozzo da Forli sind beim Umbau der Kirch« SS. Apostolt in Rom in die Sakristei von Sankt Peter gewandert, allwo st« noch heute zu sehen find, und jene Wandgemälde von Tast» Bartholdy, in chencn Cornelius und seine Freunde di« monumen tale Leistungsfähigkeit der „nazarenischen" Schule nicht ohne Glück zu erweisen versuchten, haben ohne Nachteil die Ueberfiedelung nach Berlin vollziehen können. Denon, der Agent d«r großen und svitema- tischcn Kunst-„Expropriationen" Napoleons, gestand nun zwar selber zu. die Entfernung der „Schule von Athen" und der „Dtsputa" aus den Stanzen des Vatikans würden „le comdle ck« v»nck»li«ve" sein; aber seine Skrupel gingen nicht so wett, daß er nicht - neben zahlreichen anderen Fresken — auch die be rühmten Frerkogemälde Correggios aus Parma für Paris verlangt hätte Was nun aber freilich zum Klöck nicht zur Ausführung gelangt ist. Doch e, sind natürlich vor allem die Tafel gemälde und die Bildwerke, deren Schicksal di« Wan- »erfchchst ist. Und die» Schicksal bsgtnnt den» ast bereits unmittelbar nach ihrer Vollendung, indem sie aus den Werkstätten der Meister weithin in die Welt fahren müssen. So wanderte die Laokoon- gruppe aus dem Atelier der rhodischcn Bildhauer übers Meer, um als Staatsgeschenk der rhodischcn Republik dem römischen Staate dargcbracht zu wer den. Um 1476 legte das herrliche Altarwerk des Hugo van der Goes, das Messer Portinari für das Hospital von San Maria Nuova zu Florenz bestellt lxttte, die weite Reise von Gent dorthin ungefährdet zurück, während ein Menschenalter später jene meisterlich« Madonna von Michelangelo die um gekehrte Wanderfahrt machte, die schon Meister Dürer in der Lietfrairenkirche zu Brügge bewundert hat und die noch heute dort aufbewahrt wird. Nicht immer aber laufen diese großen Reisen neu abzu liefernder Kunstwerke so glatt ab wie in all diesen Füllen. Angelo Tani, der Vorgänger jenes Porttnari in der Leitung der Brügger Zweigniederlassung des Hauses Medici, hatte bei Hans Memling, vermutlich doch auch für Florenz, ein großes Flügelgemäld« des Jüngsten Gerichts bestellt. Das Werk ward gar kunstreich und farbenglühend vollendet und auf eine unter burgundischer Flagge segelnde Galeide ver laden, die sonst mit profaneren Gütern ungefüllt und nach dem Süden bestimmt war. Aber der Schifsshauptmann Paul Deneke, der wider die Engländer kreuzte, kaperte das Schiff am 6. Juni 1473 und lieferte die erbeuteten Schätze seinen Reedern aus. Mit großem Gepränge ward das Werk, um das sich, wie Arthur Lindner bemerkt, als bald ein ganzer Sagenkreis wob, schon im Kloster Oliva empfangen, und obgleich Karl der Kühne bei den Danzigern diplomatische Vorstellungen erhob und Sixtus IV. sogar mit kirchlichen Strafen drohte, „de van Danske behclden de gudere und vrageten dar nyscht na". Also verblieb die köstliche Schöpfung in Danzig. Aber noch einmal hatte sie auf die Wanderung zu gehen. Denn auch Memlings Tafel spürte der bewundernswert eifrige Denon aus und entführte sie nach Paris; erst nach der Beendigung der Freiheitskriege kehrte sie, nachdem sie zuvor in Berlin ausgestellt worden war. an die Weichsel zurück, wo sie noch heutigen Tages den edelsten Schmuck der Marienkirche bildet. Wiederholt ward im Vorangehenden bereits jener wahren Völkerwanderung von Kunstwerken gedacht, die Napoleon veranlaßte, indem er überall, wo sein Schwert siegreich gewesen war, die kostbarsten und berühmtesten Kunstwerke nach Pari» entführte. Was man auch sonst von Baron Denon, der, wie Napoleons Soldaten spotteten, als „bui^ier pri'xcur" seinen Heeren folgte, sagen mag — das Geschäft, mit dem sein kais«rlick>er Herr ihn betraut hatte, ver stand er au» dem ff. Er hatte Geschmack. „Alle diese Werke yier sind Perlen." sagte er mit behag licher Bewunderung, al» er die alte, schöne Galerie zu Cassel besichtigte; und er ließ 299 dieser Perlen nach Parts mitgehcn. Don den Kunstwerken in Salzdahlum (aus dessen Sammlungen großenteils die Braunschweiger Galerie erwachsen ist) schickte er 278 Stück auf die Pariser Reise. Der Katalog der L»»ft«Lm»g der „von der Große» Armee t» da» Jahren 1806 und 1807 erbeuteten," d. h. in den preußischen Landen erraubtcn Kunstwerke umfaßte u. a. 368 Gemälde, 130 Statuen und Büsten, 193 Bronzen usw., und es ist bekannt, daß es den deutschen wie den anderen Negierungen nur zum Teil gelang, der entführten Kunstwerke wieder habhaft zu werden. Denon verteidigte seine Beute wie ein Löwe und machte den Beauftragten der Mächte kaufend Schwie rigkeiten; als es Canova, dem Vertreter des päpst lichen Stuhles, endlich gelungen war, zu ihm durch- zudrinaen und er sich ihm als Gesandten des Papstes vorstellte, schnauzte er den weltberühmten Meister mit den Worten an: „Gesandter! Was! Als Ein packer kommen Sie hierher!" Auch Canova konnte freilich lange iLcht alles „einpacken", was der wackere Denon aus ven Kirchenstaaten nach Paris verfrachtet hatte, aber die berühmtesten Werke Roms entwand er ihm doch. So trat u. a. der Laokoon die Rückreise nach der Ewigen Stadt an; auf der Fahrt über den vereisten Mont Cenis passierte ein Unglück, und ein paar kleine Stücke, oie sorgsam gesammelt wurden, bröckelten von dem Bilowerke ab. In Deutschland lntt der napoleonische Kunstfeldzug zu jener großen Wanderschaft des Wittelsbacher Kunstbesitzes Ver anlassung gegeben, der ihn in München vereiniate. Es war der auch von Goethe geschätzte Direktor Männlich, als Maler ein Schüler Boucher«, der diese Schätze im ganzen vor „den Praktiken und Geier griffen" der Herren Franzosen zu behüten wußte. 1799 ließ er 200 Gemälde der ichon von den Fran zosen versicgetten Zweibrücker Bildergalerie, in Kisten verpackt, beimiich die Reise nach München an treten; die Mannheimer Schätze wanderten gleichfalls dahin, und 1809, als die Bergischen Lande französisch wurden, folgte schließlich auch die Düsseldorfer Galerie mit ihren weltberühmten Rubenswsrkrn. Die hatte schon 1794 vor Bernadottes Armee über Bremen nach Glückstadt flüchten müssen, wo sie beinahe zur Ver steigerung gelangt wäre, war dann 1801 unter dem Jubel der Bevölkerung wieder nach Düsseldorf zurück gekehrt und wanderte nun vier Jahre später für immer von dort aus. Ganz unaekränkt blieb übrigens doch auch der wittelsbachische Kunstbesitz nicht; die prachtvolle „Anbetung der Könige" von Rubens zum Beispiel, die eine Hauptzierve de» Lyoner Museum» bildet, stammt dorther. Während die große napoleonische Wanderung von Kunstwerken wohlbekannt ist, vergegenwärtigt nmn sich um so seltener, daß auch das Altertum einen Vorgang derselben Art kennt. Das ist die durch etwa zwei Iahrhundette bi »durchgehende großartig- iystematischc Entführung griechischer Kunstwerk« nach Rom. Den Anfang damit ma<yte Marcrllu», der von der Eroberung von Snraku» tm Jahre 212 rum ersten Male reiche Schätze hellenischer Kunst in Vie Bauern- und Kriegerstadt am Tiber brachte und damit un geheures Aufsehen erregte. Schon drei Jahre später wanderte aus Tarent nach dessen Einnahme durch Fabtu» Maximus ein Werk von der Hand de« Lystppos, «in Herakles, nach Rom. Und nun nahm die Plünderung de» griechisch«« Kunstbesitze» lcuoineaglatch I», und dt» Klagen der Besiegten fanden, wie Wilbelm Klein, der ausgezrichnete Ge schichtsschreiber der griechischen Kunst, bemerkt, taube Ohren. Als Aemilius Paulius den Mazedonier könig Perseus besiegt hatte, füllten die von ihm nach Rom überführte.' Kunlt'chätze von Ampkivvlis zwei hundertfünfzig Wagen. Es waren Bilder und Statuen, und unter den letzteren ein Phidias! Catulus, der Besieger der Korinther, fügte diesem noch zwei Bildwerke des gleichen Meisters zu, und Cäcilius Mctellus hien, als er die Empörung des „falschen Philipp" niedergeworfen hatte, eine Reiter- gruppe des Lysippos, die Alexander der Kroße ihm in Auftrag gegeben hatte, nach Rom wandern. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen; das kaiserliche Rom ward dank diesem riesigen künstlerischen Ader lässe an der griechischen Kunstwelt das Monstre- museum der Geschichte, mit dem selbst das Flusse dlapolüon, wo sich in seiner Glanzzeit der Apollo von Belvedere und die Venus von Medici begegneten, doch nicht wetteifern kann. Die Geschichte dieser antiken Massenwanderung von Kunstwerken hat übrigens ihre Tragödie: es ist der Untergang fencs mit griechischen Kunstschätzen beladenen Schiffes, das einen Teil des Sullaschen Raubes trug — irgendwo am Boden de» Meeres in der Nähe des Vorgebirges Males ruht, was nie wieder zu ersetzen ist. Es hieße die ganze große und reich bewegte Ge schichte des Kunsthandels schreiben, wollte man von den Wanderungen der Kunstwerke ein volles Bild geben. Brachte er doch nicht nur einzelne bedeutende Kunstwerke, sondern selbst ganze reiche Galerien auf den Schub! August II. von Sachsen konnte die An tikensammlungen des Fürsten Agostino Chigi und des Kardinals Alessandro Albani. August lll. aber den größten Teil der herrlichen Gemäldesammlung des Herzogs Franz Hl. von Modena über die Alpen führen — um nur an einige besonders berühmte Fälle dieser Art zu erinnern. Im 19. Jahrhundert aber setzte die zweite große Abwanderung griechischer KunstschLpfungen in die einstigen Barbarenländer ein. Lord Elgin verbrachte die Parthenonsknlvturen nach London, die Aegin«ten siedelten nach München über; der bescheidene Spaten erwies sich als ein mächtiger Hebel; der herrliche Altar von Pergamon trat di« Fabrt an die Spree an. und schier unzählige Msisterschöpsungen des griechischen Kulturbodens haben seitdem ihren Weg nach Wien und Paris, nach London, New Bork und Boston gefunden. Es ist der große Kampf um di« endgültige Placierung der Kunstwerke, den ihre Wanderungsgeschichte tm 19. und 20. Jahrhundert spiegelt, und in dem unsere Eroberung des Monkorter van der Goes eine der schönsten Episoden bildet. Zwar — was ist aus dieser Erde „endgültig"? Neu« Kriegsstürme können da» Bild der Weltverteilung des Kunstschatze» wieder von Grund au» ändern, und neue Wirtschaftsstürme nicht minder. Auch Milliardäre und selbst Staaten können an den Bettelstab kommen, und dann mag so manches Kunstwerk wieder auf die Wanderschaft gehen müssen. Hoffen wir, daß in allen solche« Fallen unser Vaterland der gewinnend« Teil sein
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)