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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.01.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140116028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914011602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914011602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-16
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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n«- aale. lin llL i. 8a»lo 7) rsvav. s>»»4 rie^ lkill. iereiu.) »S»r i Hofr« iratS. e- Herrn «erschüft, en Klasse abends irerierten , Lvatz, r««4 » mg pri» ar»»r, 14 ptr. 7. iß aus« »S7>» ht aus. irrt, cer. HV«« ,««SL Ikilian. KuchS. Sstner. ße dö. k.125. e. b Kben--Ausgabe kür trlpAlg UN» Vorort, Surch unsere Trüarr unSSprötteur, rmoltäaUcdlnsKouogrdrachtr monatU» l.rs «I., ol,rt,l»ähr»ch r.75 M. Sri »er «eschüftssteU», unsrrn ZtNal,« un» NuogobeNrUen adgrholtr monatlich iM.,vi,rtrl>ährUch ZM. vurch »>» polt: tnnerhald Vrutschionü» un» »er »rutschen Xolonlen monatlich >.5» M., vlerteliährlich 4.SS M., ausschtietzllch postdestellget». Va» leipziger Tageblatt erscheint werktags rmal.Sonn- u.Zeirrtaga tmal. ün Lelpzlg, »en Nachbarorten und »en Grien mit eigenen Zlllalen wir» »le sid«a»au«gade nech am siben» »cs Erscheinen» >:« tzau« geUesert. SerUner Nröaktton:2n »en Zelten 17, Zccnsprech-Anschluß: Moabit Nr. 447. /irrttsblortt des Rockes rrrrd despoUreurrnckLS der Etrrdt Leipzig NeSaktion un» SeschSstostell«: Zotzanniogass« Nr.». 4 Zernsprech-Nnschiu- Nr. 14»«, 1444Z un» 14044. ISS. Jahrgang tlir Inserat» au» Leivzig un» Umgebung »i, /»»Iklyenpreise. ispaM,» pettt,»Ue2-ps.. »ir Nrklameeril» 1 m., oon ouowarto ZS Ps., Nrklamen I.2S M-, Zamilien-u.rleloe stnzelgen »Ir petttzril« nur2» Pf., Inserat» ooa V«HSr»rnim amtlichen Tril »i« petitzril« S»pf. cheschSstoaazeigen mit plabvorfchrift im Preise erkvkt. Nada»« nach Tarts. Sellagegedühr: Sesamtaufi.S M. Sa»Tansen» ousschl. poitgrdühr. stnzrlgen-sinnahme: ^ohanniogalse», bei sämtlichen Filialen »e» Leip;ige« Tageblattes un» allen stanonten-TxpeSiilonrn »es Zn- un» stuolsnüe». SeschLstssteUe für Verlin n.»i« pr. «ran lendurg: vlrrklionwalterZlirgrl, Srrlln w. 1», Margarrthenstraftr ». Zerasprech-stnschluAr Lüyow »471. Nr. 28. ^reusy, üen 16. 3snusr. Vas wichtigste. * Zn der Z w e i r e n Kammer wurde am Freitag llber den Antrag Kleisbcrg auf Verlänge rung der Frist zur Vermögenserklärung für den Wehrbeitrag verhandelt. Finanzminister von Scydewitz verhielt sich ob lehnend. (Ziehe Ber.) * Wie die badische, so tritt auch die bayrische Negierung für eine Milderung der Bestimmungen des I e s u i t c n g c s e tz e s ein. (Zieche Dtsch. N.) * Vor dem Oberkriegsgericht des Gou vernements Berlin begann heute die Bcrufun g s- Verhandlung im Krupp-Prozeß. Auf An trag der Verteidigung wurde während der Verlesung des Gerichtsurteils in seinem ganzen Umfange die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. (Siehe Letzte Dep.) * Aus Rom verlautet, das; unter allen sechs Großmächten Einigkeit in der Insel frage bestehe. (Siebe Pol. Uebers.) * Der Zusammenbruch des Streiks in Südafrika erscheint sicher. (Siehe bes. Art.) * Die preußische Finanzoerwaltun g hat an das Bankenkonsortium 100 Ak i l - lionen Mart im Laufe von 16 Jahren tilgbare Schatzscherne begeben; der Zeichnungspreis beträgt 97 Proz. (Siche Handelsztg.) »Machen Sie mit Ihrer Revo lution Ernst!" :st Es geht nicht so weiter! Dieser Leitsatz bilder schon lange den Kernpunkt alter ZeitbetrLchtungen der „Kreuzztg." und der „Deutschen Tageszeitung"; er kehrte immer wie der, wo überhaupt die entschiedenere Tonart der konservativen Politik gepflegt wurde. Wäh rend aber früher dieser Leitsatz nur der Aus druck einer dunklen Stimmung war, ist er an dem Tage, da der Reichstag die Vermögens- zuwachssteuer aufs Korn nahm, zu einem sehr bestimmten Bekenntnis geworden, und so über rascht es niclit, wenn Herr v. Hehdebrand seine letzten Reden, insbesondere die setzte, gegen Herrn v. Bethmann gerichtete Rede im Abgeord netenhause darauf äufbaute. Zwar hatte der Reichskanzler wiederholt (und er tat cs auch s in seiner gestrigen Erwiderung) mit Nachdruck den grollenden Gegnern auf der Rechten vor gestellt, daß er, nachdem der Reichstag ihm die Wehrvorlagc und dann den Wehrbeitrag be willigte, es beim besten Willen wegen der Be sitzsteuer nicht in letzter Stunde zu einem Zu sammenbruch des großen Werkes kommen laßen konnte. Er bcrie, sich auf eine ZwangSrage, die die konservative Partei durch ihren Wider stand gegen die Erbschaftssteuer verschuldete, auf seine Verantwortung, auf „schlaflos Nächte", und mit Recht kennzeichnete er das Törichte in dem Ratschlage Hchdebrands, er hätte die Volksvertreter „zum Teufel jagen sol en', indem er aussührre, die nationale Sache habe für ihn kein Gegenstand für wahltatäische Erwägungen sein können. Diese ernste Auffassung wird ihm von allen vernünftigen Leuten zum Lobe an gerechnet werden. Er wäre aber sehr berech tigt gewesen, Herrn v. Hehdebrand ins Gesicht zu sagen, das; er das „zum Teufel jagen" — übrigens ein unwürdiges Wort, das leider vom Präsidenten nicht gerügt wurde — überhaupt nicht als Ausdruck eines ehrlichen politischen Wunsches betrachten könne. Denn glaubte Herr v. Hehdebrand wirtlich, eine Reichstags- äuflösung^ inmitten des Streites um die Deckungssteuern würde wirklich zu einer für die Regierung und die große Sache wesentlich günsti geren Zusammensetzung geführt haben? Mit nichten glaubt er das. Was er sich im stillen von einer Auflösung versprach, war nichts an deres als das Nüherrücken des großen Krachs. Oder tun wir ihm unrecht? Er selbst hat ja in seiner Rede sein geheimstes Fühlen und Trach ten ausgesprochen. Er ist mit den Seinen so erbittert über die starke Heranziehung der Be sitzenden zu den Kosten für die Vermehrung des Heeres, daß ihm die Revolution heute lieber wäre als morgen. Nach unserem Bericht über die gestrige Sitzung deS Abgeornetenhauses, wie nach den Berichten der „Köln. Zeitung", der „Täglichen Rundschau", des „Tags" und der meisten anderen Blätter, hat er sicff zu dem Ausruf verstiegen: „Wenn das so weiter geht mit^ der Belastung des Besitzes, möchte man lieber sagen: M a chcn Sie doch mit Ihrer Revolution Ernst!" Worauf ihm sozial demokratische Abgeordnete entgegeiunefen: Wir lassen uns nicht verlocken! Man hat also auch auf sozialdemokratischer Seite gleich den Sinn dieser Aufforderung richtig erfaßt. Es ist nicht das erstemal, bas; ein unbe dachtes. mehr vom Gefühl als vom Verstände eingegebeues Wort die wirkliche Gedankenwelt des Sprechers weit besser kennzeichnet, als alle klugen, wvhlabgewogenen Wendungen. Es ist schon so: was jetzt von jenen Herren getrieben wird, ist Desperadopolitik. Das „Ende mit Schrecken" ist für sic kein Gedankenspiel müßiger Stunden. Da diefcs Ende, wie sie in ihrer Verstimmung und Verblendung meinen, ja doch unvermeidlich ist, halten sie es für kein Unglück, wenn der Gang der Dinge bes.hleunigt wird. Unserer Ansicht nach steckt in diefcr Auf fassung eine höchst leichtfertige Gesinnung, denn so einfach, wie Herr v. Hehdebrand anzunehmen scheint, wird sich die böse Sache einer Revo lution nicht abtun lassen. Mit ein paar Flinten schüssen und Kolben stützen wird sic nicht ab gemacht sein. Nicht weniger als alles würde auf dem Spiele stehen. Etwas von dieser besseren Erkenntnis scheint auch den konservativen Blättern trotz der Eile, womit die Sitzungsberichte redigiert wer den müssen, ausgcdämmert zu sein. Die „Kr e u z z e i t u n g", die „Deutsche Tages zeitung" haben jene Stelle: „Machen Sie mit Ihrer Revolution Ernst!" schleunigst aus gemerzt. Warum? Sie befürchteten offenbar, daß den Lesern dieser etwas starke Tabak allzu sehr in die Augen beißen würde. Auch die „Nordd. Allg. Zeitung", das Regierungs blatt, kam nicht darüber hinweg, und strich die bedenklichen Worte. AuS Zartgefühl? — Es kann sein, daß Herr v. Hehdebrand selbst gern das Wort im Busen verwahren möchte, das ihm entfahren war: gesprochen ist es, und er muß cs sich schon gefallen lassen, daß es als Beitrag zur Scelentundc wohl vermerkt wird. Ms -em südafrikanischen Streikgebiet. Der „Daily Expreß" veröffentlicht einem Lon doner TelearamM zufolge in seiner heutigen Morgenausgabe eine auftehenerregende Mitteilung seines Johannesburger Korrespondenten, nach der dfe Situation in Südafrika in ganz verändertem Lichte erscheint. Dem Korrespondenten ist es gelungen, eine Reibe wichtiger Dotumente an sich zu bringen, die in allen Einzelheiten ausgearbeitete Pläne für eine Revolution in Südafrika enthalten. Den Informationen des Korrespondenten infolge sollte die Revolution im April ausbrechen- Der General st reik sollte im ganzen Lande gleich zeitig einsetzen und das Ziel der Bewegung sollte die 1914. Errichtung einer südafrikanischen Arbeiter* republik auf syndikalistischer Grundlage sein. Der Ausbruch des Eisenbahnerstreiks kam den Führern der Arbeiterschaft unerwartet. Da die Eisenbahner ihre Leute nicht mehr im Zaune halten konnten, wurden die Führer gezwungen, zu früh loszuschlagen. Der „Daily Expreß"-Korrespon- dent har die von ihm entdeckten Pläne der Re gierung zur Verfügung gestellt. Die Streikbewegung dürfte durch die!e sensationellen Enthüllungen außer ordentlich start belastet werden. Soweit das englische Blatt. Nach den neuesten 'Nachrichten besteht allerdings wenig Aussicht auf Verwiriftchuug dieses republikanischen Traumes. Denn soviel scheint jetzt schon festzustehen, daß mit dem völligen Zusammenbruch -es Streiks gerechnet werden muß Ueber diese Wendung der Dinge liegen folgende Telegramme vor. Johannesburg, 16. Januar. Man glaubt hier nunmehr, daß der mir so großem Getöse inszenierte Streik sehr bald völlig zu Ende sein wird. Die Haupturiachc für den plötz lichen Stillstand der^Strerkbewegung dürfte dann zu suchen jein, daß die Streikenden durch die Fe st nähme ihrer Führer in Schrecken versetzt worden sind. Nur aus Eapetown kommt die Nachricht, daß der Streik dort im Wachsen begriffen ist. Ueber tarnend schwarze Arbeiter, die in den dortigen Docks be schäftigt waren, sind in den Streik eingetreten. Dadurch ist die Arbeit in sämtlichen Capetawner Docks vollständig lahmgelegt worden. Aber auch hier gibt es genug Leute, die von einem Streik nichts wissen wollen Sie wurden aber von der in der Uebermacht befindlichen Schar ihrer Gegner unter heftigen Drohungen gezwungen, sich mit den Streikenden solidarisch zu erklären Pretoria, 16. Januar. Zwanzig Mitglieder des Streitomitees sind in dem Bureau der Eisenbahnergewerkichaft ver haftet worden. — In Braamfontein und an anderen Orten an der Eisenbahn erklärten die Ausständigen es für unnütz, weiter zu streiken, da ihre Führer verhaftet seien. — Eine Meldung von der Witbank-Kohlengrube besagt, daß Mr. Haynes, der den Streik der Bergleute dirigiert hatte, ver haftet und nach Miodlesburg gebracht wurde. — Der Belagerungszustand hat die Opposition der Streikenden vollständig lahmgelegt. Inden Rand minengruben wurde geüern mit zwei Aus nahmen gearbeitet. Alle Arbeiter unter Tage in den May Consolidated- und Princes-Gruden streiken, aber auf den Cyanit-Werken wird gearbeitet. In der neuen Prunrose - Grube streiken die Heizer und Arbeiter über Tage, während die Arbeiter unter Tage geblieben sind. Auf der Aurora West- und den Durban Deep-Grube^ G-psseus auf -er Sühne. Am Sonnabend findet in Berlin die mit all gemeiner Spannung erwartete erste Aufführung von Gerhart Hauptmanns jüngstem Bühnenwerke ..Der Bogen des Odysseus" statt, und damit feiert die alte homerische Prachtgcitalt auf der deutschen Bühne eine Wiedergeburt. Fast scheint es, als ob die Gestalt des großen Dulders eine eigentümliche Anziehungskraft auf die modernen Dichter ausübe; ist doch erst vor wenigen Wochen in München das Drama eines Schweizer Dichters. Faesi, zum ersten Male aufgeführt worden, das gleichfalls die Heim kehr des Odysseus zum Gegenstände hat. Odysseus ist ein alter Dramenheld. Wie den ge samten kreis der durch Homer gegebenen Motive und Gestalten, jo hat die antike Tragödie auch Odysseus und seine wundersamen Schicksale oft be handelt. So hat Aeschylos in seinen „Psychagogen" die Fahrt des Odysseus zur Unterwelt sich als Vor wurf gewählt, er hat in einem „Philoktet" ge schildert, wie der Listige in einer Verkleidung zu dem Helden kommt, und er hat auch die Heimkehr des Odysseus in einem Penelcpe-Drama behandelt, wobei er sich wahrscheinlich ganz eng an den durch Homer gegebenen Tatbestand angeschlossen hat; denn wir kennen einen Vers aus diesem Drama, worin der Heimgekehrte sich ganz wie im Epos für einen Kreter ausaibt. Es ist nun aber deutlich zu erkennen, daß die Odysseusgestalt im antiken Drama eine merkwürdige Wandlung durchgemacht hat. Während er nämlich bei Aeschylos noch ganz als kluger Held erscheint, fallen bereits bei Sophokles, der die Figur des Odysseus besonders häufig in seinen Dramen verwandt hat. manche unsichere Streiflichter auf seinen Charakter. So ist z. B- im „Rasenden Ajax", obgleich Odysseus hier im ganzen vornehm charatterisiert wird, doch nicht zu verkennen, daß ein gewißer Zug rücksichtsloser Habgier bei ihm hervor tritt, und noch deutlicher wird im „Philoktet" die sophistische Seite seines Geistes betont. Man sieht, wie die dramatische Psychologie den Odysseus- charakter unter di« Lupe nimmt und ihn zu zersetzen beginnt; und dieser Vorgang hatte bei Euripides seine Fortsetzung und einen gewißen Abschluß ge funden. Euripides war der Sophist, der Nedekünst- ler, der berechnende und schlaue Odysseus sehr ge legen, aber er ist auch hart mit ihm ins Gericht ge gangen, und in der „Hekuba" erscheint Odysseus als der völlig unbarmherzige, bis zur Grausamkeit kon sequente Egoist. Euripides hat übrigens die Odysseusgestalt auch in einem Satirspiele behandelt, besten Titel, „Der Zyklop", bereits auf den In halt schließen läßt. Die märchenhaften Vorgänge in der Höhle des Polyphem sind hier offenbar in humo ristischem Sipne, der ja gerade bei diesem Abenteuer nahe genug lag. behandelt worden; und nachdem der ursprüngliche Heldencharakter des Odysseus erst ein mal so weit -ersetzt war, wie bei Euripides, konnte es keine Schwierigkeiten mehr haben, ihn auch als I Possenfigur einzuführen. Odysseus hat denn auch in ! der griechischen Komödie reichlich seine Rolle gespielt. Hier ist es denn eine ganz merkwürdige Wendung, die er durchgemacht hat. Es gibt eine Stelle in der Odyssee, wo der Vielgeprüfte erklärt, wenn die Tische sich biegen unter Brot und Fleisch und der Wein reichlich zur Stelle sei, das gefalle ihm am besten. Von hier aus ist die Vorstellung der Lustspieldichter entstanden, die Odysseus mit besonde rer Vorliebe als Vielfraß und Weinschlauch dar gestellt zu haben scheinen. Auch sonst bot ja freilich die Gestalt des Mannes, der zu jeder List bereit ist, der Komik mancherlei Akotive dar. Da wurde z. B. von Epicharmos das Motiv behandelt, wie Odysseus als Bettler verkleidet nach Troja auf Kundschaft geht, oder er wurde als verschmitzter Handelsmann geschildert — vielleicht als so ein« Art von Autolykus, wie ihn Shakespeares Meisterhand im „Winter märchen" geschaffen hat. Die Erwähnung Shakespeares führt uns zu einer weiteren Stufe der Bühnengeschichte des home rischen Helden. Homer und sein« Gestalten waren im Kreise der Kultur und der Dichtung viele Jahrhun derte lang fern gerückt gewesen, als Shakespeares Genie wieder auf diese Urquelle der Poesie zurückariff. Freilich entnahm er dem homerischen Motivenkreise nicht den Stoff zu einer Tragödie, sondern vielmehr zu jenem in de: Weltliteratur fast einzig dastehenden parodistischen Lustspiele „Troilus und Cressida". Die Figur des Odysseus in diesem Stücke ist mit höchster Meisterschaft gebildet. Er ist in dieser Gesellschaft von Hochmütigen. Eitlen. Geschwätzigen oder Verblendeten, die die griechischen F-ldherren bilden, der überlegene Psychologe. Er kennt sie alle, er durchschaut sie alle, und er gewinnt sie olle, indem er sie alle bei ihren Schwächen zu fassen versteht. Er ist es, der den un vergleichlichen Plan ausheckt. Ajax gegen Achill aus- zuspielen — ein Plan, den sogar das „alte Auge" des klugen Nestor nicht gleich zu durch chauen vermag. In der prachtvollen Komödie, die dann durchgeführt wird, ist und bleibt Odysseus der Drahtzieher, und Achill weiß und empfindet das selber, denn er ist es, an den er sich um Auskunft über die Vorgänge wendet, die er nicht recht versteht. So kommt Odysseus bei dem großen Briten wieder zu Ehren. Er wird freilich nicht eben als Held dargestellt — dazu war die ganze Anlage des Stückes nicht angetan —, aber er ist der Kluge unter den Narren, er ist der Regisseur in dem menschlichen Puppenspiele, das Shakespeare vorführt. Von ganz anderer Seite hat sich die neuere Dich tung der Odysseusgestalt genähert. Ihr Interest» lag in der Richtung des Sentimentalen. Jetzt tritt der kluge Diplomat, der listige Unterhändler den das Altertum in erster Linie in ihm erblickt hatte, in den Hintergrund, und das Interesse knüpft sich viel mehr an die letzten Phasen seiner Geschichte: an die t von Homer so unendlich zart anaedeuteten Be'iehun- I gen zu Nausikaa und an seine Heimkehr. Neben die Namen der großen griechischen Tragiker, neben den Shakespeares tritt hier der Name Goethes, der, wie bekannt, auf seiner italienischen Reife jenen Plan eines Naustkaadeamas entworfen hat. von dem nichts zur Wirklichkeit geworden ist. als das Schema und einige dürftige Seiten poetischer Skizzen. Man kann diese Seiten nie lesen, ohne das tiefste Bedauern darüber zu empfinden, daß Goethe gerade diesen Stoff hat liegen lassen. Welche Rolle im einzelnen Odys seus in dem Stücke hat spielen sollen, bleibt anerkenn bar; bekannt ist, daß die „Nausikaa" Goethes einen versöhnlichen Schluß haben und die phäarische Königs tochter mit dem blühenden Tclemach vereinigen sollte. Wie schön aber, wie echt homerisch und zugleich ganz goethisch ist der Monolog des Odysseus, den Goethe vollendet hat: wie der Dulder, aus dem schweren Schlafe der Erschöpfung auswachend, die Stimmen der spielenden Mädchen hort und voller Unruhe darüber grübelt, was ihm nun wieder bevorstehe: „O Not! Bedürfnis! O ihr strengen Schwestern, Ihr haltet eng begleitet, mich gefangen!" Vom Nausikaadramo zur Heimkehr des Odysseus war nur noch ein Schritt. Schon Fr. Ponsard hat die Heimkehr des O'ysseus in einer Verstragödic mit Chören behandelt, die im Jahre 1852 auf dem THLüt re Francais zur Aufführung gelangt ist, und Bungert, der sich ja Odysseus als Helden einer Tetralogie gewählt hat, bat sie zum Gegenstände eines Operntexies gemacht. Das ist die lange und bedeutende Reih: von Bühnen Lichtungen, an die sich nun Hauptmanns jüngstes Werk anfchließt. Kunst un- Wissenschaft. * Carl Schroth, unser geschätzter Tenor, ist nach einem >chr erfolgreichen Gastspiel als Tann, Häuser, das er rn Gemeinschaft mit der Münchner Kammersängerin Frau Morena absolvierte, als erster Heldentenor nach Augsburg engagiert worden. * Aus der Theaterchronik. Das „American- g i r l" von Julius Blumenthal. Musik von KurtZorlig, fand bei der russischen Uraufführung in Lodz eine erfolgreickse Uraufführung. — Im Theater am Gärtnerplatz zu München ge langt am 21. d. M. die dreiakttge Operette „D e r blaue Reiter" von Leo Walter Stein und Ludwig Heller, Musik von Friedrich Beer mann, zur Uraufführung. Das Werk befindet sich im Bühnenvertrieb des Berliner Theaterneriages. — Im Düsseldorfer Schauspielhaus (Direk tion Dumont-Lindemann) kommt als nächste Premiere ein chinesisches Schauspiel „Die gelbe Jacke", das von George Halzeton und Ben- rimo für die Bühne der westlichen Länder gc- Wonnen worden, zurdeu tichen Ura u sführung. * Zu Michael Denzys Tode. Am Mittwoch ver starb, wie wir meldeten, der Direktor des Tegcrn- seer Bauerntheaters Michael Denxy. Zahlreiche Gastspielreisen nach allen Enden Deutsch lands haben ihn bekannt gemacht. Daß er aus dem kreise seiner dörflichen Umgebung die Talente mit instinktivem Sckiorfblick zu find-en wußte, daß er es verstand, die urwüchsige Darstellungstraft nicht selten ,zu tünstlerisck-.er Leistung zu steigern, daß er aus Dilettanten Künstler machte, darin lag seine Bedeu tung. Durch d>ie naturalistische Zsitstimmung war für die Wirkung der Bauernkomödic ein fruchtbarer Boden geschaffen. Und so crstritten sich diese Natur schauspieler unter Denzys Führung durch ihr un mittelbar zum Herzen sprechendes Spiel große Er folge. Sie blieben keineswegs bei den eigens für sie gezimmerten Theatervollsstück.'n stehen, sie bewähr ten sich vor allem auch an der klassischen Dorfkomödie Anzengrubers. Wir Leipziger hatten wieder holt Gelegenheit, uns an dem ursprünglichen Spiel der Tegcrnseer zu erfrischen. Nun ist ihr Führer toi. Fünfzigjährig ist Michael Denzy dahingerafft wor den. Sein Name wird Klang behalten. „Lear" bei Reinhardt. Gestern ging im Deut schen Theater erstmalig „Lear" in Szene. Die. Aufführung brachte einen großen Erfolg. Tiefe Ein drücke gaben die Bilder des Gewittersturmes, der Hütte und des Roggenfeldes bei Dover. Erschütternd war Bass ermann in der Tragik Lears. In den ersten S'enen, da Lear noch ungebrochen ist, hätte er mehr Hoheit und Majestät haben sollen. Moisji als Narr ging zu wenig in die Tiefe. Im übrigen gab es viel bedeutende Leistungen. * Caruso erlitt, wie man nieldet. in der gestrigen Auffüyrung der ., P a g l i a cci" in New Pork einen O h n m a ch t s a n f a l l; er konnte aber die Partie zu Ende führen * Freiherr von Soden s. Wie wir bereits mit teilten, vermied infolge eines beklagenswerten Un falles Freiherr von Soden. Pfarrer der Jeru salemskirche in B e r l i n. Er war ein hervorragen der Kanzlerredner, von seltener Vollendung der Form. Auch wissenschaftlich hat er sich durch zahl reiche theologische Schriften einen bedeutenden Namen gemacht Mit kraftvoller Sicherheit trat er für seine Ueberzeuguu^en ein und achtete nicht der Gegner. Er war 1852 in Cincinnati geboren als Sohn des Professors Theodor von Soden und studierte in Tübinge n. Nachdem er in seiner Tätigkeit als Hftfsgeistlicher und durch verschiedene Studienreisen nach Frankreich und Eng land Bildung und Erfahrung erweitert hatte, war er 1881 und 82 als Pfarrer in Striesen- Dresden und darauf vier Jahre als Archi- diakonus in Chemnitz wirksam 1887 wurde er an die Jerusalemskirche nach Berlin gerufen. Der Universität Berlin gehörte Soden seit 1880 an. Vor zwei Monaten erlebte er die Freude seiner Ernennung zum ordentlichen Honorar professor. Von seinen Werken seien das bedeutende Werk „Die Schriften des Neuen Testaments in ihrer ältesten Tertaestalt". die „Reisebrieie aus Palästina" und die ..Urchristliche Literaturgeschichte" hervor gehoben! Die Schrift „Hat Jesus gelebt?" ist in einer ungeheuren Auflage in aller Welt verbreitet worden. So ist Soden aus einem ungemein frucht baren Leben allzu früh dahingerafft worden.
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