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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.02.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140202013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914020201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914020201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-02
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
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SeUr 2. Nr. S8. Moryen-Nusgavr. Leipziger Lagedtatt. Monm,, L. Fedrmir >Sl< , Kopp nicht zunl Stimmführer hätten, seien darin einig, den christlichen Gewerkschaften nichts in den Weg zu legen. Bayerns Sicherheit gegen eine Hineinziehung in den norddeutschen Ge- Werkschaftskampf hält aber den „Bayr. Kurier" nicht von der Feststellung ab, daß die gegen wärtige Lage für die katholische Sache die be dauerlichste in der an Unerquicklichkeiten nicht armen GewerkschaftSfrage sei, und er fordert des- halb eine „Klarheit", die den auf die Dauer „unerträglichen" Debatten em Ende mache. Kann diese für die Haltung des bayrischen Episkopats wichtige Kundgebung des Münchener Zentrumsblattes mit Rücksicht auf die Entwickelung, die die Gewerkschaftsfragc in Bayern gehabt hat. nicht überraschen, so ist es auf der anderen Seite sclchkvcrstandlich, wenn die unter den Auspizien des Bischofs von Trier erscheinenden „PetruS-Blätter" jetzt mit verdopveltem Eifer den Berliner Standpunkt vertreten. Die „Perrus-Blätter" geben Kardinal Kopps bekannten Brief an den Grafen Uppers- dorff als „hochbedeutsain" wieder, und reiten über Belgien eine scharfe Attacke gegen die Köt ner. In Belgien hat nämlich eine Gruppe christ licher Gewerkschaftler unter Führung des Paters Rutten ein neues Organ, den „Blaamschcn Werkin an", geschaffen, der in seinem Pro gramm erklärt, bei dem Unterricht der Arbeiter iiber die soziale Frage „der unfehlbaren Lehre der Kirche und den Anweisungen des Papstes und der Bischöfe" folgen zu wollen. Die „Petrus-Blätter" knüpfen hieran den nachstehen den Kommentar: „Der Vlaamsche Werkman wird nun zeigen müssen, das; der programmatische Satz, man wolle sich an Rom — nicht an M. «Gladbach — anschlies;en und dementsprechend handeln, auch praktisch durchgcfllhrt wird. Natürlich wird sich auch in Belgien sehr bald ergeben, das; nur eine vollkommene reinliche Schei dung von den falschen reinwirtschaftlichen Gewerkschastsideen vor Konflikten mit dem eigenen, dem römischen Programm bewahren kann." Die Alternative Rom-M.-Gladbach hat das neue belgische Gewerkschaftsorgan seinerseits durck-aus nicht gestellt; hier gestatten sich die „Petrus-Blätter" eine kleine Einfügung, die um so eiaentümlick/er ist, als nieder die Weisungen des Papstes noch die der Bischöfe eine Absage an „M.-Gladbach", d. h. an die christlichen Ge werkschaften verlangen. Denn sowohl die päpst lich Gewerkschafts-Enzyklika wie ihre Inter pretation durch die Bischöfe spricht die Duldung der christlichen Gewerksckiastcn aus! Für die Kampseswcise der „Berliner" ist deshalb die vorstehende Auslassung der „Petrus-Blätter" un gemein kennzeichnend. Der ueue Staatssekretär -er Relchslan-e. Graf Siegfried von Roedern wurde am 27. Juli 1870 zu Marburg geboren, steht tzsso im 44. Lebensjahre.. Nach Bolleupung sei ner Studien wurde er am 14. Dezember 1893 Referendar beim Oberlandcsgerickt in Frank furt a. M. 183t- giyg Gr-j.MAestz-tzur M- gemcinen Staatsverwaltung über uno wurde Regierungsreferendar in Düsseldorf. Nachdem er 1898 die zweite Staatsprüfung abgelegt hatte, wurde er 1899 Regierungsassefsor und in dieser Eigenschaft als Hilfsarbeiter dem Landratsamt Freienwalde überwiesen. Bon 1901—1903 ar beitete Graf Roedern in gleicher Eigenschaft bei dem Oberpräsidium in Posen und wurde dann als Hilfsarbeiter in die 1. Abteilung des Finanz ministeriums berufen. Im Mai 1905 wurde er mit der Berwaltung des Landratsamtes von Niedcrbarnim beauftragt und im Oktober des selben Jahres zum Landrat dieses Kreises er nannt. Als ini Juni 1911 der Oberpräsidialrat v. Winterfeld nach seiner Wahl zum Landes direktor der Provinz Brandenburg von seinem Amt zurücktrat, wurde Graf Roedern zum Ober präsidialrat in Potsdam ernannt. Zum Grubenunglück auf Zeche »Minister Achenbach". Dortmund, 1. Februar. Im Laufe der letzten 24 Stunden wurde auf der Zeche „Minister Achenbach" zwei weitere Tote geborgen- Im Krankenhause sind insgesamt vier Schwerverletzte gestorben, so daß die Zahl der Todesopfer bis jetzt 24 betrüg«. Es sollen sich noch ein oder zwei Mann in der Grube befinden. München, 1. Februar. Die „Korrespondenz Hoffmann" meldet: Der König hat in einem Telegramm an den Deutschen Kaiser aus Anlatz des Unglücks auf der Zeche „Minister Achenbach" seiner aufrichtigen Teilnahme an der Trauer der Bergwerksbevölkerung Ausdruck gegeben. Havas aus Dalona zufolge dem Prinzen Wilhelm zu Wied zur Unterzeichnung vorgelegt werden. (Wie uns hierzu von gut unterrichteter Sette mitgetetlt wird, ist zu erwarten, daß der zukünftige Fürst von Albanien bei den verurteilten Urhebern des Putschversuches von Valona erstmalig von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen wird. Die Red.) Koloniales. * Die Tanganjika-Vahn vor der Vollendung. Wie der „Deutschen Kol.-Ztg." aus Deutsch-Ostafrika telegraphiert wird, befand sich am 29. Januar die Gleisspitze der Tanganjika-Bahn bei Kilometer 397 hinter Tabora, also nur noch 8 Kilometer vom End punkte bei Kigana entfernt, das in der nächsten Woche erreicht werden wird. * Gummierzeugung iu Ostasien. Die Produktion der Kautschukplantagen auf Ceylon und in den Straits Settlements ist im Jahre 1913 gegenüber dem Vorjahre wieder enorm gestiegen und hat ins gesamt 47 000 Tonnen betragen. Interessant ist eine Zusammenstellung der Produktionszahlen der vorher gehenden Jahre. Die ersten Ernten fallen in das Jahr 1905. Damals stellte sich die Gesamtproduktion auf 170 Tonnen: sie stieg dann folgendermaßen: 1906 auf 600, 1907 auf 1300, 1908 auf 2000, 1909 auf 3500, 1910 auf 7000, 1911 auf 13 000, 1912 auf 28 000 uird 1913 auf 47 000 Tonnen. Da der Weltkonsum an Rohkautschuk im Erntejahr 1912/13 zirka 121000 Tonnen betragen hat, so ergibt sich, daß heute allein Ceylon und die Straits Settlements imstande sind, fast 40 Prozent de sgesamten Kautschukverbrauchs zu liefern. * Europäerkrankenhaus in Jaunde. Kürzlich ist in Jaunde das neuerbaute Europäerkrankenhaus er öffnet worden. Die deutschen Pioniere im Hinter lande von Südkamerun brauchen also künftighin nicht in Fällen von Krankheit den Weg zur Küste zurllck- zulegen. Vstrtsche» Reich. * In der Berliner sächsischen Gesandtschaft fand am Sonnabend abend ein Soup-r mit nachfolgendem Ball statt, an dem die Prinzenpaare August Wilhelm und Friedrich Wilhelm von Preußen, die Prinzessin Carola Mathilde zu Schleswig-Holstein, der Herzog und die Herzogin von Ratibor teilnahmen. * Der neue Oberpräfident der Provinz Branden burg. Wie amtlich bekanntgegeben wird, hat der Kaiser den bisherigen Regierungspräsidenten von der Schulenburg in Potsdam als Nachfolger des verstorbenen Herrn von Conrad zum Ober- Präsidenten von Brandenburg und zum Nach folger Schulenburgs im Präsioium der Potsdamer Regierung den Geheimen Oberregierungsrat und Vortragenden Rat im Landwirljchaitsministerium Freiherrn von Falkenhausen ernannt. * Zwei Anfragen sind im Reichstage gestellt worden: Der Abg. Mumm (Wirtsch Vgg.) fragt an, was die Regierung zu tun gedentt, um dem weiteren Niedergang der Zündholzindustrie vorzu beugen. Der Abg. Kunert (Soz) erkundigt sich nach dem Schicksal der vor drei Jahren angekündigten DenUchrift über die Vereinfachung dex Heeresverwal tung küsvesondere der Armeeintendantur. * Deutsche Bumdesfürsten und der Preußentag. Wie die^,»T. R." von sehr gut unterrichteter Seite hört, hat der Preußentag auch Anlaß zu E r- örterungen unter deutschen Bundes fürsten gegeben. So haben zwei regierende deutsche Bundesfürsten bei einer Zusammenkunft vor ganz kurzer Zeit über die Angelegenheit verhandelt, und zwar in demselben Sinne wie die große Oeffentlichkeit. * Gegen die Belästigung von Arbeitswilligen. Die Nationalliberalen haben im preußischen Abgeordnetenhaus folgenden Antrag emgedracht: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: 1. die königliche Staatsregierung um Mit teilung der von dem Herrn Minister des Innern in der Sitzung vom 14. Januar 1914 erwähnten Anweisung an die Oberpräsidenten — wegen desErlassesvonPolizeiverordnungen zum Schutze der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung, der Per,on und des Eigentums — sowie um Auskunft darüber zu ersuchen, in welcher Art und in welchem Umfange der Anweisung ent sprochen ist, 2. die königliche Staatsregierung ferner zu er suchen, die örtlichen Polizeibehörden und Exekutiv beamten anzuhalten, sobalo bei Ausbruch einer Aroeits streitig! eit eine Störung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung, insbesondere durch Belästigungen Arbeits williger, festgestellt wird oder zu besorgen ist, in Anwendung und in Gemäßheit des bestehenden Rechts und der auf Grund dieses Rechts erlassenen Polizeiverordnungen unter sorgfältiger Nahrung der Koalitionsfreiheit dem Mißbrauch dieser Frei heit in der Richtung eines Koalitionszwanges un verzüglich und nachdrücklich entgcgenzutreten. Ausland. Dänemark. * Projekt eines Unterseetunnels zwischen Dänemark und Schweden. Wie der Kopenhagener Mit arbeiter des „B. T." aus guter Quelle erfahren haben will, find zwei skandinavische Inge nieure, der ehemalige Kapitän im schwediichen Wege- und Wasserbautorps Quistgaard und der dänische Zivilingenieur Heinrich Orth, bei der schwe dischen Regierung um die Konzession für den Bau eines unterieeiichen Tunnels, der Däne mark mit Schweden verbinden soll, eingekommen. Der Tunnel hall von Bigerslev, einem Vorort Kopenhagens, aus-ehen, und in Malmö in Schwe den enden. Auf der Insel Saltholm, die fast genau in der Mitte des Oeresundes zwischen Däne mark und Schweden liegt, soll eine Station angelegt werden. Dle Kcsten für den Bau des Tunnels werden von den Ingenieuren auf 100 Millionen dänische Kronen berechnet. Itatterr. * Da» deutsche Geschwader vor Genua. Wie uns aus Genua drahtlich gemeldet wird, gab Konter admiral Souchon am Sonntag an Bord des „(Soeben" den Kommandanten der im Hasen von Genua vor Anker liegenden italienischen Kriegs schiffen ein Frühstück. Am Nachmittag fand auf dem Kreuzer ein Tee mit Damen statt, dem die italieni schen Behörden und die Spitzen der deutschen Kolonie beiwohnten. Albanien. * Da» Urteil im -ochverrat»prozeß gegen Bekir Aga und Genoffen wird einer Meldung der Agence Naekkiebten vom Oage. Ein -eutsches Segelschiff an -er eng lischen küfte gesunken. London, 1. Februar. Meldungen aus Falmouth zufolge ist das deutsche Sch ff „Hera" heute iu der Nähe vou Nure-Head nesun en. IS Personen sind er trunken. 5 Per,one» wurden lebend geborgen und durch das Rettungsboot nach Jalmonth gebracht. London, 1. Februar. Der Hamburger Viermaster „Hera", der mit einer Nitrat-Ladung von Pisagua kam, stieß heute um Mitternacht bei Portscathe (Cornwall) auf einen Felsen auf Ein Boot wurde zu Wasser ge lassen, schlug aber um. Acht Mann gelang es, das finkende Schiff wieder zu erreichen. Sie klammerten sich eine Zeit lang an der Marsstange an. Drei von ihnen wurden von einer ungeheuren Welle hinweggeschwemmt. Die anderen fünf wurden durch das Rettungsboot nach Falmouth gebracht. L * Selbstmord eines Unteroffiziers aus Furcht vor Strafe. Än der Nahe des Estenbahnviaoukls bei Kreuznach wurde der Unteroffizier Jakodowsk vom Infanterieregiment Nr 17 ,n Mörchinge mit dret Schüssen im Körper tot auiqefunden. Es liegt zweifellos Selb st mord vor, über dessen Ur lache nach der „B. M." folgendes mitzuteilen ist: Der Unteroffizier hatte sich während eines Kur aufenthalts rn Kreuznach in ein junges Mädchen verlievt und kam kürzlich zum Besuch feiner Blaut dorthin. Weil,er seinen Urlaubspah gefälscht hatre und ohne Urlaub nach Kreuznach gefahren war, sollte er verhaftet werden. * Ueberfall auf einen Eisenbahnzug. Aus Wien wird gemeldet: Bei der Station Masti der Kascbau- Oderberger Bahn versuchten zwei Banditen einen f.echen Ueberfall auf einen Personenzug. Die beiden brachten durch Haltesignale den Zug zum Stehen und sprangen auf den Postwagen, um sich der Geldsendungen zu bemächtigen. Der Beamte setzte sich energisch zur Wehr, wurde jedoch durch einen Schuß schwer verletzt. Inzwischen eilte das Zugpersonal herbei, um die Raubgeiellen sest'unehmen. Einer erschoß sich, während der zweite ver haftet wurde. Vas skerbencke vor!. 32s Roman von Ewald Gerhard Seeliger. «Nachdruck verboten.) Schliesslich brachte sie es nicht mehr übers Herz und fragte ihn, ohne ihn anzuschen, ob er wirklich nach Kanada wollte. „Ohne Sic nicht!" erwiderte er halblaut. „Frechheit!" rief sic und drehte ihm den Rücken, heimlich aber imponierte ihr doch seine Hartnäckigkeit, mit der er sein Ziel verfolgte. Karl Pcukert stieg ein, und Max Hanschke sprang auf den Bock, schnalzte ermunternd und liest die Füchse traben. Er vermied die Stadt, nnd bog rechts um die Ecke zur Ehaussec hinüber, die schnurstracks nach Johnwitz führte. Links lag das große Ter rain des Stadtgntes, wo mau noch gestern nach mittag angefangen hatte, den Grund für die Kasernen auszuhebcn. Hier und da stak ein Pfahl in der Erde, und ein Haufen Schieb karren lag weiter drüben. Mit Ingrimm sah cs Karl Pcukert und ballte heimlich die Fäuste Lise störte ihn nicht, je geringer die Entfernung -wischen ihr und Traugott Baldrian wurde, um so schwüler wurde ihr zumute. Max Hanschke knallte von Zeit zu Zeit lustig mit der Peitsche und trieb einen Schwarm Stare, der die Kirschenaltee der Chaussee nach reifen Früchten absuchtc, von einem Baume zum an deren. Er hoffte heimlich auf den Befehl, nach links abzubiegen und Johnwitz rechts liegen zu lassen, aber bei jedem neuen Kilometerstein wurde seine Hoffnung kleiner, Lises Unruhe da- gegen wuchs in demselben Maste. Als die ersten Häuser von Johnwitz aus tauchten, wandte sie sich an ihren Britder. „Willst du, dast ich ihn nehme?" fragte sic leise und schlug dabci die Augen nieder. „Lise!" sprach cc warm, ergriff ihre Hand und streichelte sic. „Mir tust du keiucu Ge fallen damit. Wenn du dir selbst keinen Ge fallen damit tust, dann laß cs lieber, es ist vielleicht besser, wir beide bleiben zusammen." „Aber wenn du dich verheiratest?" wars sie ein. „Auch dann!" erwiderte er beinahe rauh und dachte an Margarete Dobisch. „Dann können wir ja gleich nach Pogerau fahren!" atmete sie auf. „Wird kaum gehen!" sprach er. „Traugott Baldrian wartet auf uns. Aber wir können ja den Besuch abkürzen." „Ach ja!" ries sic erfreut und lächelte. „Er hat sich darauf eingerichtet, und ein bißchen Hunger hab' ich auch schon." Max Hanschke wäre am liebsten in vollem Galopp durch Johnwitz hindurchg.jagt, aber das hätte mindestens ein Menschenleben gekostet. Denn Traugott Baldrian stand mitten auf der Straße und winkte schon von weitem mit bei den Armen wie ein optischer Telegraph. Max Hanschke lenkte in den Hof, hielt vor dem Hause und kroch wie ein betrübter Loh gerber vom Bock herunter. Er kam natürlich zu spät, denn Traugott Baldrian war eher am .Kutschenschlag und bot Life beim Aussteigen die Hand, die sie auch nahm. Max Hanschke fuhr in den Schatten des Nußbaumes, strängte die Pferde ab, gab ihnen zu trinken, hing ihnen die Futtersäcke um, setzte sich aus den Haublock, der ncbeu dem Nußbaum stand, und nahm den Kopf zwischen die Fäuste. Seine Hoffnung war nun noch so klein wie ein Senfkorn. Sic lonntc gar nicht mehr kleiner werden. Wenn auch eine Verlobung noch lange keine Hochzeit war, bei Life Pcukert konnte sic sehr leicht dazu werden. Denn sie hatte einen festen Charakter und tat ganz sicher den zweiten Schritt, wenn sie einmal den ersten getan hatte. Leise stöhnte er auf und liebäugelte zum ersten Male ganz ernstlich mit dem Selbstmord gedanken. Eine Magd kam und fragte ihn, ob er was frühstücken wolle. Er schüttelte den Kopf, und sic ging wieder weg. Bald darauf verspürte cr Hunger, und vol ler Verzweiflung steckte er sich eine Zigarre an, aber sie hatte keine Luft, und wütend schleuderte er sie in die Mistpfütze, daß sie verröchelte. So saß er über eine Stunde da, und hätte am liebsten losgeheult wie ein Hund an der Kette. Da endlich trat Traugott Baldrian heraus, stellte sich breitbeinig, die Hände in den Taschen, vor seine Tür und rief ihm zu, er solle an spannen. Während er die Pferde ansträngte, erschien Lise auf dem Hofe, frisch und blühend, wie eine junge glückliche Braut. „Ich gratuliere zur Verlobung!" sprach Max Hanschke zu Traugott Baldrian. „Ja," erwiderte der, glücklich, daß die Haupt sache, von der während des ganzen Frühstücks mit keiner Silbe die Rede gewesen war, endlich zur Sprache gekommen war, und drückte dem ersten Gratulanten einen harten Taler in die Hand. Max Hanschke nahm ihn, steckte ihn ein und dachte: Davon kaufe ich mir einen Strick! Vom Ertrinken war cr inzwischen abgc- kommen. Lise aber benutzte die günstige Gelegenheit, um in den Wagen zu schlüpfen. Ganz verblüfft stand Traugott Baldrian am geöffneten Kutschen schlag, denn er war nun fest davon überzeugt, mit Lise Pcukert aus Gramtau verlobt zu sein. Er wollte gegen diesen Brautabschied prote stieren, fand aber in seiner Schwerfälligkeit kein einziges Wort. Auch kam jetzt Karl Pcukert aus der Tür, dankte kurz für die Beuurtung, drückte ihm die Hand und sagte: „Auf Wieder sehen!" Der Wagenschlag klappte ins Schloß, und Max Hanschke riß so stark an den Zügeln, daß die Füchse stiegen und fast auf der Stelle her- umdrehtcn. Im Galopp ließen sie Traugott Baldrian, der mit offenem Mund noch immer auf denr- selben Fleck stand, hinter sich zurück. Schon wollte Max Hanschkes Hoffnung wie der zu neuem Leben erwachen, da" hörte cr, als cr beim Dorfteich vorbeikam, Lise froh und unbekümmert lachen. Nun ist alles aus, dachte er, und wäre am liebsten schnurstracks ins Wasser hineingefahren. Allein sein Pflichtgefühl als Kutscher verbot ihm daS. So zog er denn, um seinen Kummer wenigstens in etwas zu dämpfen, den Taler aus der Tasche und hielt ihn gegen die Sonne, daß Lise ihn auf jeden Fall bemerken mußte, und warf ihn so geschickt hinunter, daß er drei mal auf der Oberfläche abprallte, ehe er ver sank. Auch vom Erhängen war er inzwischen ab gekommen. Lise hatte es wirklich bemerkt, und sie fand es sehr dumm von ihm, daß er den schönen Taler fortwarf. Er war eben kein richtiger Knecht. Eine Viertelstunde später bog er in den alten gewundenen, mit halbverdorrten Svitz- pappeln besetzten Landweg ein, der nach dem kleinen Dorfe Pogerau führte. Es lag abseits vom Chaussceverkehr und bestand nur aus we nigen, aber sehr großen Gehöften. Man be stellte hier die fruchtbaren Felder, schnitt die Ernte, sammelte sie ein, verkaufte sic und legte den Ucberschuß gut an, womit der Laufkreis t»cs Lebens erschöpft war. Lise war sehr neugierig auf ihre zukünftige Schwägerin und sie wurde allmählich ungedul dig, da Max Hanschke im Schritt fuhr. Aber für Karl Pcukert fuhr er schnell genug Nicht die Liebe, die einer anderen gehörte, nur die Pflicht gegen den Boden seiner Väter trieb ihn nach Pogerau. Am Eingang des Dorfes fragte Max Hanschke nach dem Gricbschschen Gute, ließ cs sich genau beschreiben, bog in die erste Neben gasse ein und hielt vor dem geschlossenen Hof tor. Er mußte daS Tor selbst öffnen und führte die Pferde bis vor das Wohnhaus, wo der Bauer, der inzwischen herausgetreten war, Karl Peukert und Lise bewillkommnete und ins Haus nötigte. Mar Hanschke schirrte mit Hilfe deS Knechts die Pferde ab und führte sie in den Stall. Die Einladung des Knechts, mit in- Wirtshaus zu kommen, schlug cr rundweg ab. Und so blieb er wieder mit seinen traurigen Gedanken allein. (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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