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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.02.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140203022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914020302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914020302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-03
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
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Mbenö-Ausgabe kür kelpzig un» vsrorr, Sur» uns«« TrTaer uaü Spr»ttrur« rmoltagN<dt«»tzau»g»dra«tr monotl'ch I.rr m.. oirrlryührUcb Z.7» M. Vet Scr SeIU>üft»ft«U«. anser» ZUIalen un» Nu»gab»NeUen obgrkvlt: monatlich >M. olertrllührllch r M. Durch Slr Post- innerhalb Veutschlan»» uaS Ser »rutschen Kolootea monatlich i.ro M., olrrtrliührlich « rs M.. au»,'chll»-lich postdepeUgel». va» trlprigrrTageblatt ers»rlnt werktags »mal, Sonn- u.Zeteetagslmal. In Lelp^lg, »en Nachbarorten un» »en Drtrn mlt «iaenen Ztlialen wir» »l« ftdenüausgabe noch am fldenü »es Erscheinen» t » hau» geliefert. Verllner Neüaktion: In »en Zelten 17, rernkpr»<b» nkb'uS' Moab't Nr »07. /lrrttsbltM des Rates und des pokreüuntes der Stadt Leipzig Ne-aktion un» S»schSst»K»U«: ^»bannl,gals» Nr.». » Zernsprech-ftnschlu- Nr. l»»»r. 14»»Z un» l4dS4. 10S. Jahrgang kur Inserat, au» e»»p,ig UN» Umgebung »l, ' Ispaltig« Petit,eilerr Pf.. »ie NeNomeieUei M., von au»w»r<» ,0 ps.. Neklamen > 20 M.. Zamilien. u. kleine Nnzrtgen »i, petitzeil» auri» Pf.. Inserat» von0,hSrüen >m amtlichen Teil »i« petitzeil« raps. s»schüft»an,«lg«n mit playvorsebrist im Preise »rkobt. Nadat« nach Tarif, vetlagegedübr: Sesamtausl.rM.»a»Tausen» au»schl.postgrdühr. ftuzetgen-ftanahme: ^obonnisgalsc», bei sämtlichen filialen Sr» leipziger Tageblatt«» un» allen ftnnoni«n»Txpe»ltton«n »r» In- nn» Nu»l a»e». SeschäftssteU« für Serlin u. »ir pr. Sran «ndurg - vircktion WalterZliegrl. öerlin w. IS, MaraarelbenstiaSe s. Zernsprech-Nnschlu»! lüyow SS7I. Nr. öl. virnstsg, »en S. ^ebrusr. lSl4. Das Wichtigste. * Wie aus San Remo gemeldet wird, soll cs sich bei dem Mörder dcS Leipziger Kaufmanns Sigall um den zwanzigjäh rigen Albert Wolff auS Thann in Bayern handeln. (S. des. Art.) * Als Nachfolger des Un ter staats- fetretärs der Justiz in Straßburg wird der frühere Reichstagsabgeordnete Dr. Gregoire-Metz genannt. (S. Pol. Uebers.) * 'Nach einer vorläufigen deutsch-englischen Verständigung über die portugiesischen Kolonien soll Deutschland das Recht zugestanden wer den, Angola und Süd-Kongo wirtschaft lich auszuuutzen. (S. Kol.) * Die diplomatischen Beziehun gen zwischen Griechenland und der Türkei sind wieder ausgenommen worden. (S. Ausl.) * Die epirotische Regierung hat die Auto nomie von Epirus proklamiert. (S. Ausl.) * Die Spanier haben in Marokko cr- neuie blutige Kämpfe mit den Aufstän dischen ausgesochten. (S. Ausl.) Vie russische Zreunöschaft. o Berlin, 2. Februar. Während wir um Zabern haderten, hat Deutschland auf dem Weltlheater eine empfind liche Schlappe erlitten, die empfindlichste viel leicht seit den Tagen von Algeciras. Unseren amilichen Kreisen scheint sie nicht ganz uner wartet gekommen zu sein. Denn von dort her ward immer wieder, wenn verletztes naUonales Ehrgefühl sich.Rat und Auskunft heischend an sie wandte, der Bescheid evteilt: man möchte die Sache doch nicht überschätzen. Es handle sich um eine innere Angelegenheit der Türkei, und wie die sie ordne, ginge im Grunde uns nichts an. Die aber mit den Bardengesängen aus das Mysterium des Preußentums die deutsche Luft erfüllten, brachten diesen Dingen ohnehin nur geringes Verständnis entgegen. Ihrer Ab stammung nach wurzclechte Partikularsten und Kteinstaatler, pflegen sie für die Probleme aus wärtiger Potilik sich nur mäßig zu interessieren; soweit aber Rußland dabei mit im Spiele ist, sind sie aus Tradition und ererbten.Sympathien schlechthin blind. Schließlich ist das Preugen, das sie in ihrer romantischen, durchaus unge schichtlichen Art, die Welt zu betrachten, zurück sehnen, jenes Preußen, das in Wahrheit nicht viel mehr als eine russische Satrapie bedeutete. Und ihre Väter und Großväter waren'S schließ lich, die — in Berlin und anderswo — beim Tode Nikolaus' I. von Rußland sich in Trauer gewänder hütlten, um ihrem Schmerz über den Heimgang des „erhabenen Protektors der deut schen Staaten" feierlich auch nach außen Aus druck zu geben. Etwas von diesen Anschauungen in der preußisch-deutschen Herrenschlcht ha, leider auf unsere Politik abgefärbt, hat je und je unsere dipkomatischeu Beziehungen zu Rußland bcein- flußt und ist auch an dem beschämenden Aus gang, den die Angelegenheit der Mililärmissivn genommen hat, nicht ohne Schuld gewesen. Die Lehre, die niemals richtig war und die eS heute weniger denn je ist, von den angeblichen inan- gelnden Interessengegensätzen zwischen Deutsch land und Rußland war weiten Kreisen in Deutschland, insbesondere auch den politisch bei uns führenden, geradezu ins Blut übergegangen. Man brauchte eigentlich nur — das ward immer wieder versichert — ein paar Mißverständnisse zu beseitigen, und Rußland stand, wie in den Lagen des alten Kaisers, uns hilfsbereit,. all zeit ein getreuer Sekundant, wieder an der Seite. Selbst aus den Reihen der Vorkämpfer für ein größeres Deutschland hörte man ge legentlich den Rat: statt des im tiefsten Grunde unzuvcrtässigen, weil durch seine nationale Zer rissenheit gelähmten Oesterreich uns lieber Rußland zunl Verbündeten zu wähten. Die meisten zwar, die so sprachen, kannten weder Rußland noch die Russen. Aber dem, der dies schreibt, begegnete es doch noch im letzten Som mer, daß logar ein mit der Vertretung deut scher Interessen in Rußland Betrauter ihm aus der Fülle feiner beamteten Einsicht erklärte: was an gelegentlichen Verstimmungen zwischen Deutschland und Rußland stehe, rühre am.letz ten Ende aus unserem Verhältnis zu Oester reich her. Zeigten wir einmal der Habsburger Monarchie die kalte Schulter, so würde das edle Volk der Reußen vom Zaren bis zum letz ten Dwornik und Busjaken von Stund an rn Liebe zu uns entbrennen. An dem Eifer, „Mißverständnisse" abzu tragen, haben wir's weiß Gott nicht fehlen lassen. Jedesmal, wenn die Verireter Rußlands und Deutschlands, die gekrönten oder ihre Mi nister, in den letzten Jahren zujammenkamen und beamtete und leider auch unbcamtete Federn vor Seligkeit Überflüssen, hatte man die be klemmende Empfindung, daß diesem Verlangen nach Beseitigung der sogenannten Mißverständ nisse wichtige deutsche Interessen geopfert wor den wären. Aber allemal hörte man dann die Stimme der Beschwichtigung: daS sei im Dienste einer höheren Idee geschehen; für unser Ent gegenkommen hätten wir nun die ewige Freundschaft des Zarenreichs eingetauscht. Oder wie der Herr Reichskanzler, wahrschein lich in dem ganz ehrlichen Glauben an euren mit schwerer Mühe errungenen großen Erfolg, im Reichstage das auSdrückte: Deutschland und Rußland wären sich einig, sich an keurer Politik zu beteiligen, die.eine Spitze gegen eines von ihnen enthielte. Von dem, was sich in den letzten Monaten zwischen Petersburg, Konstantinopel und Paris begeben hat, wird sich nicht sagen lassen, daß es keine Spitze gegen Deutschland enthalten hätte. Wir nröchten glauben, daß man das nun auch in unseren amtlichen Kreisen zu empfinden beginnt und dabei ist, die traditionel len altpreußischen Gefühle für Rußland ein wenig zu revidieren. Beharrt man auf diesem Wege, so wäre solche Erkenntnis mit der Schlappe von Konstantinopel am Ende nicht zu teuer er kauft. Es tut nämlich not, daß man in Deutsch land aufwacht, daß man die russischen Dinge nüchternen Auges und mit gesundem Mißtrauen beobachten lernt. ES ist einfach nicht wahr, daß eS zwischen Rußland und uns keine Inter essengegensätze gäbe. Soweit es uns angeht, mag es ja zutresfen. Wir Deutschen haben uns leider zu früh daran gewöhnt, uns für satu riert zu erklären. Anders steht eS mit Rußland. Nicht npr, weil die russische Gesellschaft in ihren Höhere, und Tiefen eine häufig genug bis zum Haß gesteigerte Abneigung gegen alles Deutsck-e durchzreHi: mehr noch, weil Rußland b«i seinen auf die Niederzwingung SchsvedenS und den Zutritt Hum ^Atlantischen Ozean gerichteten Zu kunftsplänen in Deutschland einen Gegner wit tert. Je früher und je rücksichtsloser wir uns das klar machen, um so besser für uns. Für Sentimentalitäten und romantische Spielereien ist die Zeit zu ernst geworden: das lehrt ein Blick aus unsere Ostgrenzen, die die Russen seit Jahren systematisch in ein waffenstarrendes Kriegslager umzuwandeln begonnen haben. k>oMileNe Uebersiekt Der Reichstagswahlkampf in Sorna-z)egau. Aus dem 14. Rcichstagswahlkreise wird uns ge schrieben: Am 2!). Januar hielt der N a t i o n a l l i b e r a l e Verein zu Borna im Wettiner Hof ein« Mit gliederversammlung und gleichzeitig seinen dritten Diskussionsabend ab. Di« Veranstaltung sollte dazu dienen, zwischen den Mitgliedern des Vereins und dem gewählten Wahlausjcyuß eine möglichst innige Verbindung herzustellen. Der Vorsitzende, Lehrer Strobel, behandelt« die Kandldatensrage in welt- ausgreisender Weise vom historischen uno nationalen Gesichtspunkt aus. In ruhiger Sachlichkeit erwies er die Notwendigkeit der Aufstellung eines national liberalen Bewerbers, vor allem aus dem Grunde, um den Wahlkreis nicht der Sozialdemokratie auszu liefern. Es folgte dann ein Bericht über den bis herigen Verlaus des Wahlkampfes verbunden mit einem solchen über die politische Lage seitens eines Herrn des Preßausschusscs. Die sich anschließende Diskussion wandle sich naturgemäß den Vorgängen im Wahlkreise zu und erwies sich als sehr fruchtbar. Am 31. Januar, nachmitags 4 Uhr, eröffnete Land tagsabgeordneter Nitzschke seinen Wahlfeldzug mit einem Vortrage über die kommende Reichstagswahl im Gasthofe zur „Grünen Tanne" in Mutz schen- roda. Die von etwa 120 Wählern besuchte Ver sammlung wurde von Dr. Degenng Rochlitz geleitet. In etwa l^stündigen Ausführungen gab Adg. Nitzjchke ein abgerundetes Bild der Ziele und Be strebungen der nationalliberalen Partei und ihrer Stellung innerhalb des politischen Lebens der Gegen wart. Besonderen Wert legte er in seinen Ausfüh rungen darauf, das Verhalten der nationalliberalen Partei der Landwirtschaft gegenüber genau zu kenn zeichnen, da hierüber immer noch nicht überall die wünschenswert« Kenntnis verbreitet sei. Dem Mit telstände widmete er warme Worte mitfühlenden P»s- ständnisses. Weiterhin gedachte er der Privatangestell- tea, der Industrie und der Arbeiterschaft. Dem viel geschmähten Reichstag der Wehr- und Deckungsoor lagen zollte er lebhafte Anerkennung für die geleistete Arbeit. Reicher Beifall lohnte seine Ausführungen. Für den Kandidaten der Rechtsparteien traten Herr Rötz old vom Bunde der Landwirte und Landtags abgeordneter Schönfeld ein. Für die national liberale Sache sprachen Dr. Kuhn-Leipzig und Lehrer Strobel- Kieritzsch. Im Schlußworte stellte Abg. Nitzschke zunächst einige Irrtümer und Miß verständnisse seiner Gegner richtig, um dann nochmals Merschätzungauslän-ischerKunst und ausländischer Künstler. Unter dieser Ueberschrist veröffentlicht die Monats schrift „Deutsche Arbeit" in ihrer Nr. 9 folgendes: Der bekannte Musikschriftsteller Paul Marsop hat weben im Verlage von Georg Müller in Mün chen unter dem Titel „N eueKämpfe" eine Samm lung von Aufsätzen über Musik er,cheinen lassen, in der sich auch ein Kapitel mit der Ueberschrist „Von der Fremdländerei" befindet. Wir haben uns bisher aus grundsätzlichen Erwägungen heraus stets bemüht, bei unseren Erörterungen Fragen der Tonkunst, Dicht kunst und Malerei ein für allemal auszuschließen, weil wir uns sehr wohl bewußt sind, daß alle groß.n Leisrungen aus diesen Gebieten lediglich nach ihrem Wert und nicht nach ihrer Herkunft beurteilt werden sollen, und daß eine Oper Nicht deshalb weniger wert ist, weil sie einen Ausländer zum Komponisten hat. Es entspricht aber durchaus diesem Grundsatz der sach lichen Bewertung aller Kunstwerke, wenn wir uns auch dagegen verwahren, daß ein Bild, ein Buch, ein Theaterstück oder ein« Oper nur deshalb bewundert und in den Himmel gehoben wird, weil „es nicht von hier" ist. Aus diesem Grunde möchten wir auch im nachstehenden einige Ausführungen Marsops aus dem obengenannten Kapitel über die Fremdländerei in der Musik wiedergeben, wobei wir jedoch ausdrücklich bemerken, daß wir uns den Urteilen des Verfassers in bezug auf die Be- oder Verurteilung bestimmter Opern öder „Richtungen" in keiner Wei e anfchl.eßen, well es uns lediglich auf die auch uns richtig er scheinenden Grundgedanken dieser Ausführungen an kommt. Marsop verkennt ebensowenig wie wir die wertvollen Eigenschaften der ausländischen Kunst, di: er auf vielen Reisen schätzen gelernt hat, er verwahrt sich aber aus nationalen Gründen heraus gegen ihre Ueberschätzung. Hierbei geht er zunächst den deur- schen Opernbühnen zu Leibe, von denen seiner Mei nung nach dreioiertel die „übelste kosmopolitische Ver- wurstelung" zeigen. Zwischen Wagners „geschäfts mäßig ausgeschrotetc" Musitdramcn und Mozarts Bühnenschöpfungen dränge sich einen Tag um den anderen abschreckendste französische und italienisch: Marktware. Von Weber höre man rast ausschließlich den Freischütz, und Marschner sei, avgeiehen von der pietätvollen Bearbeitung, die Pfitzncr süngst in Straß bürg der Oper „Templer und Jüdin" kab: angedeihcn lassen, ganz vergessen. Vor allem aber fehle es an einer planvollen Förderung der lebenden, für die 2 ene schreibenden deutschen Tonietzer. Statt dessen betrerbt man in Berlin „mit Hochdruck" eine Meyer- beer-Renaissancc, führt „Samson und Delila", das verunglückte, in knitterige Kulissenlcinwand einge- näbte Oratorium des großwrech-rstck'en Deut chen- fressers Saint Saöns auf. erlabt sich an der verloge nen Sentimentalität einer verzeichneten „Mignon", eines parfümierten Gretchen, und gibt, von den ver nachlässigten Deutschen gar nicht zu reden, auf diese Art nicht einmal der guten, sondern der minder wertigen ausländischen Produktion das erste Wort. Ferner weist Marsop auf Berlioz hin, „diesen unserem Empfinden so nahe stehenden französischen Schöpfer", dann aber auf Gluck, dem neuerdings eine Eluck-Ee- meinde zur Auferstehung verhelfen soll und dessen ..Iphigenie" und „Aiceste" auf deutschen Bühnen zum mindesten eine würdigere Figur machen würden als „sentimental verzerrte Japan-Damen a la Butter fly", „blutrünstige Tosca-Senjationen und nun gar die Kolportage-Romantik des „Mädchens aus dem goldenen Westen"! Und wo bleiben unsere deutschen Zeitgenossen, die es verschmähen, mit dem aus dem Auslande importierten Nervenkitzel zu wirken? So fern sie nicht, wie Strauß in seinen jüngsten Schöp fungen, „den erregten und erregenden Taumeltanz um das goldene Kalb" mitmachen, stehen sie abseits: Pfitzner muß sich mit ein paar Anstands-Aufführun gen abfinden lassen, den Schillings, Klose, Thuille er geht es nicht viel bester, und wenn ihre Werke auch nicht die überragende Bedeutung der Schöpsungen eines Wagner haben, so steht ihr künstlerisch ernster, von deutschem Empfinden bestimmter Gehalt doch turmhoch über der sinnlich aufreizenden, innerlich leeren Mache der ihnen vorgezogenen ausländischen Produkte. Natürlich muß man für die bezeichneten Sünden in erster Linie d,e Hoftheater verantwort!.ch machen und die Fürsten, die auf die Spielplangestaltung Ein fluß zu nehmen in der Lage sind, weil sie durch er hebliche Zuschüsse die Theater unterstützen können und daher nicht in dem Maße dem Sensationsbedürfnis der Massen Rechnung zu tragen brauchen, wie die Provinzbühnen. In einer von Marsop vorgeschlage nen Eingabe formuliert er seine Wünsche folgender maßen: „Ew. Majestät wolle dem Intendanten des Kgl. Hoftheaters Höchstihre Willensmeinung dahin kuno- geben, daß ebenso auf der Szene des gesungenen als der des gesprochenen Schauspiels fortan zielkrästig den Idealen nachqestrebt werde, die die größten deut schen Dichter und Denker aufstellten, daß vornehmlich auch das deutsche Musikdrama, wie es Mozart und Beethoven, Weber und Wagner schufen, und wie es die ernst strebenden Begabungen unserer Zeit weiter auszubauen suchen, fürderhin den Ehrenplatz ein nehme — getreu dem von Ew. Majestät geprägten Kernspruche: „Der Deutsche soll nicht dem Wälschen nachlaufen, sondern seinem eigenen Können ver trauend vorwärts schreiten", und in Bekräftigung des herrlichen Wibmungswortes, das Ew. Majestät hochseliger Ahnherr in das Giebelfeld seines Bühnen hauses mit weithin leuchtenden Lettern schreiben ließ, des Wahrwortes, das da lautet: „Der deutschen Kunst!" Ew. Majestät treugehorsamste In einem anderen Ab'chnitt des betreffenden Auf satzes wendet sich Marsop dann gegen bie geradezu überschwenglichen Lobpreisungen, die mitunter aus ländischen Kunst-„2ternen", so vor allem Taruso, dar gebracht werden. „Publikum und Presse verhimmeln weiter den „Genius", das „unerreichte Phänomen", das uns erst die Meisterwerke in ihrer ganzen Tiefe erschließt, man drückt sich tot vor den Kasten, um zu schwindelhaften Preisen einen Platz zu erstehen, der zwar keine Auf nahme des szenischen Geschehens möglich macht, aber doch ein paar Töne aus der begnadeten Kehle des „Göttlichen" zu erhaschen gestattet, neben dem die „plumpen deutschen Sänger" von heute und ebedem natürlich ärmliche Stümper sind. Marsop erzählt von einem Auftreten des Tenors in München und stellt fest, daß der Enthusiasmus der Menge nicht halb so hoch aufgeflammt war, als einst der Gründer des Reichs, der gestürmte Bismarck, seinen Triumvhmg durch Süddeutfchland hielt. Und das Traurige bei solchen Komödien sei, daß es sich im Grunde nicht um ein national schlechtes, sondern um ein gut geartetes Publikum handele, dem nur wieder einmal ein von findigen Unternehmern raffiniert geschickt inszeniertes Reklamefeuerwerk das Hirn angesengt habe. Uebrigens ist Marsop natürlich weit davon ent fernt. gegen den Künstler Caruso ungerecht zu sein oder besten Fähigkeiten und Bedeutung zu verkennen oder zu unterschätzen. Er bemängelt lediglich seine Erhebung zum Gott, die natürlich in Deutschland vor sich ging. In Italien lei eine Erscheinung wie er im Grunde etwas Eewöhnl'ches und in diesem seinem Daterlande werde er erst als etwas Außergewöhn liches betrachtet, leitdcm die deutsche Kritik ihn „geruehaft-überwältigend" gefunden habe. Hat sich doch eine weit verbreitete Zeituna sogar zu dem Satz verstiegen, dieser Sänger sei zugleich der grösste Schau spieler, der als Sänger je uisterc Bühne betreten h^be. So etwas schreibe man in Deutschland, in dem wirk lich an die Höhe des Genialen heranreichende Sänger' Darsteller von der Bedeutung eines Albert Niemann, eines Sckielper. eines Briesemeister u. a. gewirkt haben und wirken! Jawohl, auch sie fanden Anerkennung, diese charaktervollen Künstler, man begriif sie lobte sie. Aber in den bewußten Taumel der Begeisterung, der wildeste Stilorgien gebiert, vermag erst der Aus länder die deutsche Kritik hinzureißen. Wie lange noch ist es unser Schicksal, dem nur zu wahren Wort des alten Lichtenberg zu entsprechen, der irgendwo bitter lagt: Keine Nation rühlt so sehr als die deutsche den Wert von anderen Nationen und wird leider von den meisten wenig geachtet, eben wegen dieser Bieg samkeit. Mich dünkt die anderen Nationen haben recht: eine Nation, die allen gefallen will, verdient von allen verachtet zu werden!" Kunst UN- Wissenschaft. * Di« Gründung eine» altmärkischen Berbands- theaters ist, wie berichtet wird, in Stendal von neun altmärkischen Bildungsvereinen beschlossen worden. . Es wird seinen Sitz abwechselnd in den Kreisstädten Stendal und Salzwedel haben, in den anderen alt märkischen Städten wird es gastieren. Das Ver ¬ bandstheater gedenkt vorläufig nur das Schauspiel zu pflegen. * Skandal im tschechischen Nationaltheater in Prag. Bei der heutigen Premiere des Balletts „Roioko" im tschechischen Natwnaltheater kam es wegen des Auftreten, der italienischen Prima Ballerina Azzellmi a. E., in dem inan eine Zurück setzung der heimischen Tänzerin Koretzky erblickte, zu stürmischen Ausritten. Aepfel flogen aus die Bühne, uno die Galerie schrie und pfiff eine halbe Stunde lang. Nachdem die Polizei einzeschrrtten war und zwei Studenten verhauet hatte, konnte Las Stück zu Ende gespielt werden. * „Parsrfal" in London. Bereits um Mitternacht hatten, wie uns aus London gemeldet wird, Wagner Enlhustchren begonnen, vor dem Lovent Garden- Opcrnhaus, in dem gestern die erste „Parsiial"- BoZtellung in England startfand, eine lange Reihe zu bilden. Die d.heaterleilung hat fünszeynmal so viel Bestellungen für ElNtrirtskurten cryarlen, als das Theater Personen fassen kann. Die Oper begann um Uhr. Nach dem ersten Akt, um 7 Uhr, sand eine ändertyalbstündige Pau,e statt. Dem zweiten Akt folgte eine Pause von zwanzig Minuten, jo daß die Vorstellung erst gegen MUrernacht schließen tonnte. Die Besetzung ist zum großen Teil deutsch. Herr Hensel sang den Parjlsat, Frau Eva von der Osten dre Kundry, Herr Knüpfer den Gurnc- manz. Herr Bender den Amfortas, Herr Kies den Klingso:. Gcg-n achthundert Personen wurden für die Oper engagiert. Arthur Bodansky ist Hauptdirigent. Herr Willi Wirk war Regisseur, Mr. Comyns Carr war jein Beirat. Für bie ge planten zwölf Vorstellungen sind sechs Parfifals enga giert: Hensel, Hutt, Semdach, Vogl. Burrian und Urlus; vier Kundrys, nämlich Morena, v. d. Osten, Kurt und Rüsche- , En darf: drei Amfortas': Bender, Plajchke und H u l st. Die kleineren Rollen liegen in den Händen englischer Sänger. Ungewöhnliche Aus wendungen sind zur Herstellung einer gewaltigen Szenerie gemacht worden. Für den Weg zum Heil gen Gral ist ein zweihundert Meter langes, bewege 1 liches Panorama eingesetzt. Die Aufführung wurde ein großer Erfolg. * Frau Pawlona schwer erkrankt. „Daily Chro- nicle" meldet aus SanFrancisco: Die russische Tänzerin, Frau Pawlona, liegt hier srbwer am Fieber erkrankt im Hospital. Sie war in den letzten Wochen im Süden von Kalifornien aufgetreten und mit anderen Reisenden in Santa Barbara durch die Ueberschwemmung abgeschnitten worden. Die Ueberjchwemmung erzeugte alsbald Fieber in der Stadt und auch Frau Powlona wurde davon er griffen. Trotz ihrer Erkrankung trat sie in der letzten Woche in San Francisco auf, brach aber am Schluß der Vorstellung zusammen. * Der bekannte Geigenkünstler Loeß in New York, ein Deutsch-Amerikaner, hat, wie uns gemeldet wird, , Selbstmord begangen. Er litt seit Jahren an einer unheilbaren Krankheit.
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