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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.02.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140221014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914022101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914022101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-02
- Tag 1914-02-21
-
Monat
1914-02
-
Jahr
1914
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Johan Sojer als Epiker. Von Kurt HLttel. Nach dem kürzlichen Debüt im Schauspiclhause kann sich der zukunftsreiche Johan Bojer heute dem Leipziger Publikum bereits zum zweiten Male als Dramatiker vorstellen — ein erneuter Beweis für den frischen Blick und die geistige Regsamkeit unserer Stadt. Der junge Norweger, der 1872 geboren wurde, gehört zur Gruppe der beiden Lies, zu Thomas Peter Krag und Nils Kjaer, über die man längst in genügendem Mähe unterrichtet ist. Wenn aber der Name Johan Bojer auftaucht, ist meist ein bedauerndes Achselzucken die einzige Antwort, und vergeblich wird sich der Literaturfreund in Zeitungen und Zeitschriften über ihn zu unterrichten versuchen. Man kennt eben Johan Bojer im übrigen Deutschland noch so gut wie gar nicht, obwohl es jetzt immer deut licher den Anschein hat, als ob sich innerhalb der nächsten Jahre hier eine grundsätzliche Wandlung vollziehen werde. Ellen Key, die unermüdliche Vorkämpfe rin auf so manchem Gebiete, hat sich auch für ihn eingesetzt, und einen vortrefflichen Uebcrsetzer hatte er gefunden in dem leider zu früh verstorbenen Erich von Mendelssohn, dem Thomas Mann jüngst einen wundervollen Nachruf widmete. Inwieweit sich Bojer als Dramatiker überhaupt jemals durchzusetzen vermag, ist fraglich, da ihn seine Begabung immer wieder nach der epischen Seite drängt. Als Epiker wiederum kann ich ihn mir nicht denken ohne Jens Peter Jacobsen und Her rn ann Ban g. Es gibt eigentlich überhaupt keinen nordischen Dichter unserer Tage, der nicht von beiden oder wenigstens von einem der grossen Dünen beein flußt worden wäre. So ist denn auch bei aller merk baren Verschiedenheit eine ganz merkwürdige, einheit liche Grundrichtung in der skandinavischen Gegen wartsliteratur zu spüren, die auch bei uns schon längst Schule gemacht hat: impressionistische Stim mungskunst mit einer Vorliebe für raffinierte Seelen zerbröckelung und für koloristische Reize. Auch bei Bojer. Mit Wollust wühlt er sich hinein in seltsame Scelenzwiespältigkeiten, in Eefühlsverwirrungen, wo cs keinen Ausweg gibt, bis seine zerquälten und ge hetzten Menschen förmlich ausschreien nach Erlösung. Erlösung ... auf einem religiösen Untcrstrom ruht die Kunst Johan Bojers, und vielleicht ist gerade deshalb jetzt seine Zeit gekommen. Denn religiös ist die Sehnsucht der Besten, eine weite, freie, erdgläubige Religiosität, Weltg^fühl und In tuition beherrschen die Seele. Die Philosophie Henri Bergsons verkörpert am reinsten das Wollen und die Träume der Gegenwart. Viel wird von Deka denz und Schwäche gesprochen — in Wirklichkeit: gab cs jemals gesündere Menschen? In einer mächtigen Zeit leben wir. selbst gesund und lachend, fühlen wir, wie alles ringsum gärt und wird und nach Monu mentalität ringt. Und zu allen äußeren Fortschritten tritt der überquellende Reichtum unseres inneren Menschen, nirgends mehr geradlinige und einfache Instinkte, sondern komplizierteste Gefühlsinhaltc überall, rasch wechselnd, ein ewiges Werden. . . . Kh mich schon so weit ausgreifen, um die Persön lichkeit Bojers zu binden. Don dieser Zeiten Jugend fließt der Saft in ihm, (Hugo von Hofmannsthal hat es einmal von sich gesagt), alle Dinge der Wirklich keit hüllen sich Johan Bojer in schöne und bunte Schleier, die dann hineinhängen in seine Träume — wenn ich in seinen Dichtungen lese, verliere ich nie mals die lebendige Empfindung eines lichten, goldi gen Grüns, grünes Blattwerk meinetwegen, über rieselt von goldenen Sonnentropfen. Gerade diese Zuspitzung auf koloristische Reize ist eine Eigentüm lichkeit Bojers. Ein Beispiel: er will die Tatsache berichten, daß Skifahrer an einem Abhang sitzen, um sich etwas zu verschnaufen. Einige essen Apfelsinen. Johan Bojer begnügt sich nicht, das in dieser ein fachsten Weise zu erzählen, er gebraucht auch keine schwelgerischen Redensarten, nein, er belichtet: dunkle Gestalten, eine weiße Fläche und vier oder fünf leuchtende orangefarbene Klexe. Bei aller Nebensächlichkeit wirkt das Bild derartig intensiv, daß aufmerksame und optisch empfängliche Leser gar nicht wieder davon loszukommen vermögen. Ich habe es dem Roman „Leben" entnommen, dem Buch von der schönen Astrid, ihrer Liebe und ihrem tiefen, tiefen Schmerz. Sie verwickelt sich in ihre Träume und selige Vergessenheit, und dann ist das Leben stärker als sie, in einem Segelboot fährt sie hinaus aus den Fjord — ob jemand sie gesunden hat? In schwerer Stimmung klingt der Roman aus, starkes Geschehen ist sein Inhalt, gedämpft und ge tönt durch verhalten« Lyrik. Noch einmal muß ich an Hermann Bang erinnern. Mit den beiden andern Romanen „Die Macht des Glaubens" und „Eine Pilgerfahrt" — schon die Titel sind charakteristisch — gehört der Roman „Leben" zu den vortrefflichsten Leistungen Johann Bojers, der uns sicher noch so manche Ueberraschung bringen wird. Vielleicht schon heute abend. » Neues Operettentheater. Uraufführung: „Der Windelkavalier" von Rudi Gfaller. Aus verkauftes Haus, ein sehr starker, äußerer Erfolg, un zählige Hervorrufe, Lorbeerkränze und Blumen die Hülle und Fülle. Dies die Signatur des Abends. Anders hatte man es ja auch nicht erwartet. Erfreut sich doch Rudi Gfaller der größten Beliebheit beim Leipziger Operettenpublikum. In Anbetracht dieses Umstandes ward von der so beifallsfreudigen Zu hörerschaft nolens-volens allerdings auch manche Schwäche in diesem Werke übersehen, manches als „herrlich, prachtvoll" bezeichnet und hingenommen, was nicht im entferntesten auf ein derartiges oder ähnliches Lpitbcton ornans Anspruch hat. Ins besondere gilt dies von dem Textbuch der Herren Martin Martin und KarlDibbern, die Verse schrieben, die nicht besser und schlechter sind als die meisten unserer neuesten Operetten. Immerhin hätten sich gar leicht manche Verstöße gegen die Metrik, daher auch musikalische Deklamation sofort durch Weglassung oder Umstellung einzelner Worte beseitigen lassen. Und das Libretto selbst? Ein wenig amüsanter, teilweise viel zu lang aus gesponnener Dialog ohne Witz und Geist, Mangel an Situationskomik und eine Handlung ohne irgend welche dramatische Momente. Daher auch ohne jed wede Spannung, ohne Interesse. Doch was rede ich von Handlung? Diese in kurze Worte zu formu lieren, wäre fast wert, als Preisaufgabe ge stellt zu werden. Es ist alles so kompliziert und durch alle möglichen und unmöglichen Neben dinge abgeschwächt, daß es schwer ist, den berühmten „roten Faden" nicht zu verlieren. — Rudi Gfaller schrieb zu d«en einzelnen, sehr lose mit einander verbundenen Episoden eine Musik, die in ihrer inneren Lebhaftigkeit, ihren flotten Marsch- und Tanzrhythmen den Erundton des Ganzen, aus gelassene Lust und Fröhlichkeit, gut trifft. Freilich geschieht dies ohne irgendwelche persönliche Note, ohne Originalität. Daß sich d-er Komponist von aller Rührseligkeit und billigen Sentimentalität dabei freihält, sei ihm als Lob angerechnet. Nur ein ein ziges Mal, in dem Lied „Der Herrgott und die Liebe" werden lyrische Töne angeschlagen. Alles klingt gut — doch wohlbekannt, so, als hätt' man's schon oft ge hört. Das ist zwar kein Fehler, doch auch kein Ver dienst. Auch in der Instrumentation stößt man nir gends auf besondere Eigentümlichkeiten oder klang- liche Effekte. Selbst bei dem Lied „Wär ich ein Sultan" kommt's Ui der. musikalischen. Charakteristik nicht über einen bloßen Versuch hinaus. Es ist eine in jeder Beziehung harmlose Musik, die man, nachdem sie verklüngsn, ätich fchvn «Ader vergessen hat, an spruchslose Gemüter aber auf ein paar Stunden zu unterhalten und zu befriedigen vermag. Dem Finale des zweiten Aktes, an dessen Aufbau die Komponisten sonst all ihr Können setzen, fehlt die rechte Steige rung und somit stärkere Wirkung. Im letzten Akt aber bleibt, wie so oft, für die Musik nur noch herz lich wenig zu sagen übrig, sintemal die Librettisten hier damit zu tun haben, alles noch zu einem glücklichen Ende zu bringen. Dennoch hätte besser disponiert werden sollen. Wäh rend der erste Akt 20, der folgende sogar 25 Seiten Liedertext umfaßt, muß sich der gar zu stief mütterlich behandelte Schlußakt mit knapp vier Seiten begnügen! Recht Gutes aber läßt sich über die Auf führung selbst sagen. Viel Mühe und Sorgfalt hatte man auf die Einstudierung verwandt. Durchgehends ward mit Erfolg auf ein !ehr flottes Spiel gehalten. Im Orchester aber sorgte Kapellmeister OttoFind- eisen für ein ebenso rhythmisch bestimmtes, klang lich wohl abgewogenes und ausdrucksvolles Musi zieren . Oberregisseur Josef Groß hatte mit künst lerischem Geschmack die Novität inszeniert. Mit Wohlgefallen ruhte das Auge auf den ausgezeichneten, zum Teil farbenfrohen Bühnenbildern, deren Wir ru»g »och durch besondere Beleuchtungseffokt« oer stärkt ward. Eine eigentliche Hauptrolle enthält „Der Windelkavalier" nicht. Mehrere Personen sind darin ziemlich gleichmäßig beschäftigt. Th. Wiet war eine ebenso fesche Sportdame wie Untucht-Sturm- fels eine zum Flirten aufgelegte, allerliebste Tato. Gleich ihnen bewährten sich auch R. Gfaller als Referendar Berger, dem so oft die süßen Mädel und der alte Wein im Kopfe brummen, W. Grave als Wcltreisender Haldenstein, der in allen Erdteilen „Der Liebe Wonn' und Wehen" studiert, wie nicht minder L. Habit als die deutsche Sprache rade brechender d'Artillac und R. Haas als Rechtsanwalt Geldner. Eine köstliche Type gab I. Trautmann als Dienstmann Kulicke ab. Ourt. Heemunn. Brahmsabend von Ludwig Wüllner. Cs liegt eine gewisse Tragik darin, dass Stimm - material und Ausdruckssähigkeit auf hoher und höchster Stufe in einer Person so selten gleich wertig vereinigt sind. So stellt sich bei Wüll- ners Liederdarbietungen immer vedauernd der Wunsch ein, daß die Macht des inneren Lebens auch durch entsprechende stimmliche Anlagen kundgegeben werde. Doch die Natur lässt sich nicht zwingen, und so »miss man darauf ver zichten. Aber der Verzicht ist nicht so schwer, als wenn man umgekehrt bei einer schönen Stimme inneres Leben vermissen muß. Wenn ich zu wählen habe, so überlasse ich die seelen lose Stimme dem, der für sein äusseres Ohr Schmeicheleien bedarf, und wende mich dorthin, wo das Innere lebt, wo der Liedstofs in allen seinen Teilen erschöpfend dargestellt wird, wo die Empfindung lodert, wo die Kraft das Herz packt und das Blut zu lebenförderndem Wallen antreibt. Und das ist bei Wllllner der Fall. Brahms erhält z. B. ein ganz anderes Gesicht, besonders in den Liedern, denen ein Erlebnis zugrunde liegt. Wo sich schöne Stimmen oft mit Stimmung begnügen, da lässt Wüllner mit realistischer Schürfe ergreifendes Leben erstehen, ohne den künstlerischen Inhalt zu verletzen. Auch, was diese Stimme durch die Energie des Willens, durch gute Schulung und unablässiges Arbeiten hergibt, das zeigten z. B. „Minnelied" und „Während des Regens". Jedenfalls darf man mancher Gesangsgröße empfehlen, Wüll- nersche Ausdrucksgewalt auf sich wirken zu lassen und dann auch im eigenen Innern das Feuer schaffende Leben zu entflammen. — Die Klavierbegleitung 'führte Wolfgang Ruoff musikalisch gut aus. ^rtur Leblogel. Klavierabend von A. Oswald Bauer. Eigentlich sollte man den Namen dieses heldenmütigen jungen Mannes ausblasen lassen, der in kühner Vermessenheit wagte, seine Zuhörer mit einem so herrlichen, in seiner Bedeutung auch mit dem solidesten Maßstab nicht zu messenden Klavier abend in sämtliche sieben Himmel zu versetzen. Man konnte sich recht gut einen Konservatoristen vorstellen, de^ morgen-in der PrNfmrg-spielen soll und heute noch einmal vorsichtigerweise seine - Stücke herimters^alt. Das .er „dch»ei dia linke Hand ihre eigenen Wege gehen läßt, wenn er heidenmäßig aus die rechte auspassen muss, daß er froh ist, wenn er eine Passage von oben nach unten schleunigst zu Boden gebracht hat, ohne ihre einzelnen Noten besonders zu bewerten, daß ihm bei einigermaßen „niederträchtigen" Stellen das Pedal liebreich alles zudecken läßt, damit die Schönheiten nicht alle zur Geltung kommen, kann man ihm ja nicht verdenken. Und auf den Vortrag kommt es ja bei einem Durch spielen ja auch nicht so an. Also nehme man den berühmten Mantel und decke ihn wärmend über die Sache. .4. 8oKI. Leipziger Künstler in Prag. An, Mittwoch gab Katharina Bosch im Rudolfenum ein Konzert, bet welchem die Prager die Freude hatten. Professor Hans Sitt, ihren Landsmann, der allzulange seiner Heimat ferngeblieben ist, als Dirigenten und Komponisten zu begrüßen. Katharina Bosch spielte als erstes Vortragsstück das hier unbekannte Konzert in D-Moll Op. III ihres Lehrers Sitt. Diese wert ¬ volle Bereicherung der Violinliteratur, von der jungen Geigerin mit vortrefflicher Begleitung durch das Orchester der tschechischen Philharmonie gefiel ausnehmend und trug dem Schöpser und der Inter pretin großen Beifall ein. Auch das hier noch nicht gekannte Konzert von Weißmann, gleichfalls unter der Leitung des Komponisten vorgebracht, gefiel ob seiner scharfen Charakteristik und seiner reichen Er findung sehr. Auch Vie Wiedergabe des D-Dur- Beethovenkonzerts zeigte das hohe Können der jungen anmutigen Künstlerin. Das ausnahmsweise gutbesuchte Konzert schloß mit einer großen Hul digung für den Leipziger Künstler. ö. * Im Eercle des Annale« wird am Mittwoch, den 25. Februar, abends 8 Uhr, im Saale der Alten Börse, M. R. d'Estienne über b'röüöri Kiritral et 11» Ilonnittsunoo provou^ulc sprechen. Mlle. Olga Wirz wird einige Lieder aus Mireilhe (Mistral-Tounod) zum Vortrag bringen. Bei der großen Beliebtheit, deren sich der provenca- lische Dichter in Deutschland erfreut, dürfte der Vor trag allgemeinem Interesse begegnen. Billetts sind wie immer in der Buchhandlung von A. Lorentz und abends an der Kasse zu haben. " Aus der Theaterchronik. „Schneider! Wibdel", ein rheinländisch und historisch auf geputzter Schwank von Hans Müller-Schlösser wurde im Hamburger Deutschen Schau spielhaus mit Erfolg aufgeführt. * Das Bremer Schauspielhaus hat Johannes Tralow eingeladen, die Regie für die Uraufführung seiner neuen Bühnenhandlung „Die Mutter" selbst zu übernehmen. Der Dichter wird dem Werk eine streng stilisierte Inszenierung fleben, in der besonders auch der Farbe ein symbolischer Wert ein geräumt wird. * Dr. Balerian Tornius, der Leipziger Schrift steller, ist von den „deutschen Vereinen" in Rußland aufgeford-ert worden, seine hier im Dezember gehal tenen Vorträge über die „Dame der Gesellschaft" in verschiedenen Städten zu wiederholen. * Die letzte Arbeit Friedrich Jodls „Vom wahren und vom falschen Idealismus" erscheint demnächst seinem Wunsche zufolge im Verlag von Alfred Krüner in Leipzig. Die Abhandlung enthält in kurzer Fassung das Ergebnis einer Lebensarbeit und unab lässigen Strebens nach voller Klarheit, Widerspruchs losigkeit und innerer Befreiung; sie wendet sich an die weitesten Kreise. * Ida Orloff hat ein mehrwöchiges Gastspiel in Petersburg beendet, bei dem sic in „Elaa", „Mieze und Marie", ., Liljom " und „Das Paar nach der Mode" auftrat und selbst die Regie führte. * Im Züricher Kunstgewerbemuseum findet eine bis zum April währende Theaterausstellung statt. Im Mittelpunkte der Kunstschau, die haupt sächlich dem gegenwärtigen Stand der Bühnen ausstattung gewidmet ist, stehen die praktischen Re formen Eduard Gordon Traigs und des Innenarchitekten von Hellerau, des Schweizers Adolphe Appia. Einer großen Anzahl von modernen Ausstattungskünstlern sind beiondere Räume vorbehalten. Das Deutsche Theater in Berlin und die Freiburger Bühne bieten selbständige Inszenierungen. * Ernst Haeckel, dem, wie von uns berichtet, aus Anlaß feines 80. Geburtstages von den Herzögen non S.-Altenburg, S.-Meiningen und S.-Koourg- Gotha das Großkreuz des Sachsen-Ernestinischen Haus ordens verliehen wurde, ist damit gleichzeitig in den erblichen Adels st a n d erhoben worden. * Ein Monumentalwerk über die deutschen Kolonien. Unter der Redaktion des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, Dr. H. Schnee, beginnt in einigen Wochen eine groß angelegte Enzyklopädie unserer Kolonien zu erscheinen, in der von 70 hervor- ragendenFachautoritätenalleWissensgebietekolonialen Lebens bearbeitet sind. In dem monumentalen Werke wird alles behandelt, was sowohl den Praktiker wie den Gelehrten interessiert: Kolonialpolitik, Recht sprechung und Verwaltung, das Verkehrs-, Militär-, Gesundheits- und Missionswesen, die wichtigen Probleme der wirtschaftlichen Erschließung durch Bergbau, Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Handel, die einschlägigen Gebiete der Zoologie und Botanik, derEeotogieundMineraloflie, derEeographie und Völkerkunde. Das Wert erscheint im Verlage von Quelle L Meyer in Leipzig und wird mehr als 1000 farbige und schwarze Abbildungen und Karten enthalten. Vas neue glück. 12) Roman von Erik Lie. Autorisierte Uebersetzung von Mathilde Mann. (Nachdruck verbäte».) Sie raffte den Mantel zusammen, suchte et was Geld heraus, bezahlte und öffnete die Haustür. Der Tag hatte bereits angefangen zu dämmern. Aufgeregt wie sie war, empfand sie kein Bedürfnis zu schlafen. Sie wußte, was sie wollte, und handelte danach. Gustav war natürlich noch nicht zu Hause. Der Riegel im Entree, an dem sein Hut und sein Rock zu hängen pflegten, stand leer da. Ihr Schritt hallte in dem leeren Zimmer wieder. Sic hatte ein Gefühl, als kehre sie nach einer langen Abwesenheit in eine geschlossene Wohnung zurück. Sie zog die herabgelasseueu Rouleaus auf, und das Licht drang mit dem schwachen Schim mer der ausgehenden Sonne herein und fiel auf die Blumen. Draußen auf der Strasse ging eine Zeitungs frau vorüber, und in dem Keller, wo an der Ecke der Bäckerladen lag, brannte noch Licht. Frau Ernestine ging rastlos auf und ab. Sic hatte ihren Entschluß gefaßt und sich das Ganze klar gemacht — kalt und ruhig. In ihren Augen lag etwas Festes und scharfes, wie blaue Blitze, die aus einer Axt aufsprühen. Das Zimmer und die Möbel selbst waren ihr fremd geworden; cs war, als habe sie kei len Teil mehr daran. Gegen sechs Uhr rollte ein Automobil vor die Haustür. Gleich darauf kam Gustav. Er war bleich. „Ach, du bist noch auf?" begann er, zugleich unsicher und überrascht. „Ich habe nach dir gesucht, konnte dich aber nicht finden. Du hast wohl Begleitung nach Hause gehabt?" redete er schnell, um das Terrain zu sondieren. „Ich bin allein nach Hause gefahren," er widerte sic eiskalt. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du hast Fräulein Moritz nach Hanse begleitet." Er raffte sich auf und fuhr fort, nervös im Zimmer auf und nieder zu wandern. „Wir haben ja immer Achtung vor ein ander gehabt, Gustav," fuhr sie fort. „Aber dies wär ein unwürdiges Benehmen, das ge rade nicht dazu beitragen kann, mich in ein gutes Licht zu stellen." Sic sah ihn scharf an. „Ich liebe sie, Ernestine!" rief er plötzlich leidenschaftlich aus, iudem er auf einen Stuhl niedersank, die Hände vor dem Gesicht. Der kalte Schweiß perlte auf seiner Stirn. „Ich liebe sie, verstehst du. Ich glaubte, du hättest cs crkanut." „Ich habe es verstanden.o Ernestine war aschgrau. „Ich habe mit mir selbst gerungen — ge rungen und gekämpft. Ein so harter Kamps, daß er «mich in die Knie zwingen konnte, Er nestine! — um deinet- und der Kinder willen. Und jetzt kann ich nicht länger." „Ja, die Kinder. Unsere armen Kinder!" flüsterte Ernestine bebend. „Ich habe die Sache gehen lassen — jo lange gewartet, wie ich konnte, an eine Veränderung gehofft und geglaubt, an ein Wunder, es mußte doch irgendetwas geschehen, was Pie Last von mir nehmen würde!" Er saß da und starrte zu Boden und wiegte den Kopf hin und her, die Hände zwischen den Knien gefaltet. „Ach Gott, ach Gott, was muß man alles ertragen!" „Und sie — ?" Ernestine hauchte die Worte kaum. Er sah sie nur an und nickte langsam mit dem Kopf. Dann schwiegen sie beide lange. Ernestine stand da, den Rücken ihm zuac- wendet und starrte zum Fenster hinaus. Es »var, als wenn die Erde unter ihr versänke. „Dann ist wohl nichts weiter zu sagen, Gustav?" begann sie endlich. „Nein," antwortete er mit einem Seufzer, „dann ist da wohl nichts mehr zu sagen." „Dann wäre das also vorbei," flüsterte sie vor sich hin. Sie blieb stehen, als erwarte sie, daß er etwas sagen sollte. „Meinst du etwa, daß unser Leben auf diese Weise weitergehen kann?" fragte sie. Ihre Stimme zitterte. Es war, als steche man mit einem Messer in lebendes Fleisch. „Ach Gott, ach Gott," jammerte er. „So weit habe ich gar nicht gedacht. Das Ganze ist so entsetzlich, so grausam! Du und die Kin der, Ihr tut nur jo leid. Um Haralds und Erlas willen müssen wir wohl den äußeren Schein , bewahren — den Schein —" „Ja, ein Zusammenleben zwischen uns ist ja in Zukunft ausgeschlossen," warf sic hin. „Es ist, als berühre man Gluten und Feuer," fuhr er fort. „Es handelt sich um das ganze Leben — um alles, was man aufgebaut, woran man geglaubt hat. Und dann rasselt das Ganze zusammen wie ein Kartenhaus!" „Du mußt dir dein eigenes Leben entrich ten," unterbrach sie ihn. Sie sprachen beide gedämpft, von ihren eige nen Betrachtungen ausgehend. „Das schlimmste ist, dich so dastehen zu sehen — so verzweifelt und unglücklich," sagte er. „Ich mache dir teine Vorwürfe, Gustav. Ich weiß, dass du vielleicht mehr leidest als ich. Nein, ach nein, ach Gott!" flüsterte sie, indem sie in ein Schluchzen ausbrach und in das Schlafzimmer eilte. Gustav blieb sitzen. Es war, als starre er in einen Abgrund. Einen Augenblick durchzuckte ihu ein Gefühl der Schwäche, er war un Begriff, einem plötz lichen Bedürfnis nachzugeben »nd zu ihr hin einzugehen und sie um Verzeihung zu bitten und ihre Tränen »vegzuküssen Das Zimmer war aus einmal so leer und verlassen. Er fühlte sich so allein, so grenzcn- l o s allein! Er machte eine Bewegung, als wolle er sei nem Gefühl nachgeben —. Der Duft einer Nelke, die er im Knopfloch hatte, mischte sich plötzlich in seine verzweifelte Gemütsstunmung; er erblickte die Sonne, die wie ein Feuer hereinbrach, und auf einmal fühlte er sich wieder ganz zu ihr hingczogen. Es war, als erwache ein neues Leben in ihm. Hastig wechselte er die Kleider und schlich still hinaus. Einen Augenblick blieb er unschlüssig vor der Tür zu deut Zimmer der Kinder stehen. Es fiel ihm ein, daß er am Ende da hinein gehen sollte. Aber er fürchtete, daß die eigene Schwäche ihn übermannen würde. Und dann fiel die Entreetür hinter ihm ins Schloss. In Ernestines Augen war kein Schlaf ge kommen. Das, was geschehen war, lag jo nahe und wendete ihr ganzes Leben nm — das innere wie das äussere, — daß sie die Zukunft nur wie einen dunklen, geschlossenen Gang ohne Lickt von irgendeiner Seite vor sich liegen sah. Was sollte jetzt aus ihr tverden? Ihr blieb ja nur eins zu tun übrig: die Kinder nehmen und vorläufig zu ihren Eltern zu reisen. Es konnte ihr nicht in den Sinn kommen, auch nur noch einen Tag länger mit Gustav unter einem Dach zu bleiben! Ihre Eltern würden ja sehr bestürzt sein. Sie würden es als den tiefsten Kummer empfin den, der einen Schatten üoer ihr Alter werfen und vielleicht ein Nagel zu ihrem Sarge wer den würde. Ernst und streng religiös wie sie waren, würden sic ihr sicher die Vorwürfe machen, daß sic es zu einem Bruch batte kom men lassen. Sie müsse sich aus alte Manier ge duldig m ihr Schicksal finden. Ja, sic hatte sicher noch viel durchzumachen! (Fortsetzung kn der ALendauntzade.)
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