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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110520015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911052001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911052001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-20
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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politische Umschau. Ueder üle innere kolonllatlon, ihr« Aufgaben und ihren heutigen Stand fand Mon tagabend eine interessante Diskussion imDeutschen Volkswirtfchastlichen Verband« (Orts gruppe Berlin) unter dem Vorsitz des General sekretärs des Landesökonomie-Kollegiums und der Zentralstelle der preußischen Landwirtschaftskammern Dr. v. Altrock statt. Gerade weil dieser Verband politisch neutral rst und die praktischen Volkswirte jeder Richtung umschließt, ist das Ergebnis der De batte über die durch die bekannten Aeußerungen des preußischen Landwirtschaftsministers aktuellen Streit fragen um so bemerkenswerter. Dr. L. Maaß vom Deutschen Verein für ländliche Wohlfahrts- und Hermatspslege betonte in seinem Referat, es sei eine Tatsache, dag eine erfolgreiche Fortsetzung der An siedlungstätigkeit in Frage gestellt erscheine. Wäh rend der Ansiedlerzustrom beständig wachse und eine Beschleunigung der Eiedlungstätigkeit möglicher machen würde, beginnt die Bereitstellung des nöti gen Landes schwierig zu werden. Eine Einstellung ober nur Einschränkung der Käufe würde eine Ver langsamung des Tempos bedeuten, was bedenklich erscheinen müsse, die Siedler spien nicht von heute auf morgen wieder anzulocken. Weise man die Ansied- lungslustrgen ab, würden sich viele dem Auslande zuwenden. Man dürfe nicht aus dem Auge verlieren, daß die Ansiedlungskommission nicht in erster Linie Kolonisationsbehörde ist, sondern — und in diesem Punkte schloß sich der Referent der Auffassung des Dr. Stumpfe vollkommen an — die Ansiedlungs kommission sei und müsse bleiben in allererster Linie Eermanisierungsinstltut. Germanisieren könne man aber nur durch massenhafte ununterbrochene deutsche Einwanderung und Seßhaftmachung. Die Anwendung des vielbeschwörten Enteignungsgesetzes sei äs loxo eine Zweckmäßigkeitsfrage, die zu ent scheiden der Regierung obliege, nicht den Parteien, auch nicht — dem Ostmarkenverein. Es sei nicht er wünscht, daß es auch nur den Anschein gewönne, als ließe sich die Regierung zur Anwendung der Enteig nung drängen. Dazu sei dieser Schritt (staatsbürger lich gedacht) doch viel zu ernst. Er spreche das un umwunden aus, obgleich er durchaus auf dem Boden eben dieses Gesetzes stehe. Er glaube, daß auch an gesichts der jüngsten Ereignisse keine Beunruhigung die besonnenen nationalen Kreise ergreifen brauche. Man dürfe sicher zum Desamtministerium das Ver trauen hegen, daß uns — wie allenfalls oberflächlich erscheinen möchte — ein Wiedereinlenken in Caprivi- sches Fahrwasser nicht und hoffentlich nie wieder bevorstehe, daß wir in der zielbewußten Durchführung der ostmärkischen Kolonisations- und Kulturpolitik nicht abirren von dem durch den Altreichskanzler vor gezeichneten Weg, in der Ostmarkenfrage Bismarck getreu bleiben! — Als Schlußresultat der sehr lebhaften Diskussion konnte der Vorsitzende Dr. v. Altrock hervorheben, daß selbst in diesem Kreis, in dem die verschiedensten politischen Grundanschau ungen vertreten sind, doch einhellige Zustim- mung zu einer unverminderten inneren Kolonisation zum Ausdruck gekommen sei. Wer sich auf einen andern Standpunkt stelle, rufe auch tatsächlich eine nationale Gefahr herauf. Die Re gierung solle sich zwar nicht zur Anwendung des Ent eignungsgesetzes drängen lasten; sie dürfe sich aber auch ebensowenig drängen lasten — wie es jetzt den Anschein habe, — das Gesetz nicht anzu wenden. Deutsches Reich. Leipzig, 20. März. * Zu dem agrarischen Boykott gegen die Löbauer Bank, der den nationalliberalen Reichstagsabgeord neten Dr. Weber, den Direktor dieser Bank, ver anlaßte, nicht wieder zu kandidieren, teilt das „Verl. Tagebl." mit, daß an einem Tage für 300 000 ./Z Depots zurückgezogen worden sein sollen. Vor längerer Zeit wurde zwar bestritten, daß der agra rische Boykott den Abg. Weber zu diesem Schritt veranlaßt habe. Dem steht indessen die kürzlich ver öffentlichte Kundgebung des Nationalliberalen Ver eins im 2. sächsischen Reichstagswahlkreise gegenüber, in der es u. a. heißt: „Er lWeber) hat aber auch nach den bisherigen Vorkommnisten Anlaß zu der Befürchtung, daß die Gegner den Wahlkampf nicht sachlich auffasten, sondern in persönlich gehässiger Weile Folgen in Aussicht stellen oder ziehen für das von ihm mitvertretene Bankinstitut, dessen Interesten ihm in erster Linie am Herzen liegen müssen." * Der Konservative Verein zu Leipzig hält am Dienstag, den 30. Mai, im Kleinen Saale des „Künstlerhauses", Bosestraße, einen Vortragsabend, beginnend abends 8'', Uhr, ab. Herr Erich Hammer bebandelt das Thema „Dom Kartell zum Großblock". Nach dem Dortrage findet freie Aus sprache statt. * Der Verein der Fortschrittlichen Volkspartei in Leipzig und Umgegend veranstaltet am heutiaen Sonnabend, abends ',,9 Uhr, eine öffentliche politische Versammlung im Saale des Lehrer- oereinskauses. Ein Vortrag des Amtsgerichts rats Dr. Hertz.Harburg wird das Thema „Der Wille zur politischen Macht" behandeln. An schließend an den Vortrag findet freie Aus sprache statt. * Zur Kalenderreform. In der letzten Monats versammlung der Bezirksgruppe .Leipzig-Alt stadt" am Mittwoch, den 17. d. M., abends hielt Herr W. E. G. Büsch ing aus Halle a. S. ernen 1'«stündigen Dortraa über die Kalenderreform (Einführung eines feststehenden, d. h. von Jahr zu Jahr aleichbleibenden Kalenders) an der Hand von graphischen Darstellungen. Der Vortragende schil derte in anschaulicher Weise die Mängel unserer Jahreseinteilung, ihre mancherlei Belästiguggen für das praktische Leben, sowie die Entstehunn dieser Mängel aus alter Zett. Ferner gab Herr Bllsching einen Ueberblick von den Kalenderreformbestrebungen, die INI in Pari» neu ausgenommen wurden, und schilderte die durch den Kongreß der Handelskammern in London am 21. Juni 1910 bekannt gewordenen Entwürfe eines internationalen Normalkalenders. Von den bisher bekannten Entwürfen ist der Entwurf Büschmg augenscheinlich zu den prak tisch brauchbarsten zu zählen. Er gibt jedem Quartal 13 Wochen oder 91 Tage, das sind 364 Tage in Summa. Den 365. Tag, der über die 52 Wochen überichießt (jährlicher Ergänzungstag), setzt er als 31. Dezember (Bezeichnung Silvester) und den alle vier Jahre wiederkehrenden Schalttag als 31. Juni (Bezeichnung Schalttag) ein. Die Quartale beginnen dann alle mit Sonntag; Ostern ist auf den 8. April angesetzt, entsprechend der Mehrzahl der gegen- wärnaen Ansichten. Die ersten Monate in den Quartalen (Januar, April, Juli, Oktober) haben je 31 Tage mit 5 Sonntagen, die anderen 8 Monat« je 30 Tage mit 4 Sonntagen. Es haben somit alle Monate gleichmäßig 28 Wochentage. Durch diese * Londoner Kaisertage. Das Kaiserpaar besuchte am Freitag u. a. das Herzogspaar von Devonshire und frühstückte um 1 Uhr bei dem Herzogspaar von Connaught. * Antwort des Kaisers auf da» Posener Huldi. aungstelegramm. Auf ein von der Ausstellungs leitung in Posen anläßlich der Eröffnung der Ostdeutschen Ausstellung an den Kaiser abgeschicktes Huldigungstelegramm ist folgende Antwort aus London eingegangen: „Für den treuen Huldigungsgruß der zur Er öffnung der Ostdeutschen Ausstellung Versammelten sage ich meinen aufrichtigsten Dank. Gleichzeitig wünsche ich der Ausstellung wie allen auf das Gedeihen und Blühen meiner Osimarken gerichteten Bestrebungen ans landesväter- iichem Herzen guten und nachhaltigen Erfolg." * Arbeitsplan des Reichstages. Der Senioren konvent des Reichstages einigte sich auf folgenden Geschäftsplan: Sonnabend: Zweite Lesung der Reichsversicherungsordnung, Montag: Handelsver trag mit Schweden, Dienstag und Mittwoch: Ver- fastungsgesetz für Elsaß-Lothringen. Donnerstag (Himmelfahrt) sitzungsfrei, Freitag: Kleinere Vor lagen. Die dritte Lesung sämtlicher genannten Vor lagen soll Montag, den 29. Mai beginnen und bis zum 2. Juni möglichst erledigt werden. In der Herbsttagung, die im Oktober beginnt, sollen sämtliche noch rückständigen Vorlagen erledigt werden. Die Frage, ob auch die Strafprozeßordnung noch erledigt werden soll, wurde offen gelosten, da die Meinungen darüber auseinandergehen. * Reichstagswahlvorbereitungen. Für den Reichs tagswahlkreis Teltow-Beeskow-Storkow ist in einer gestern nachmittag abgehaltenen Versammlung der Konservativen Wahlvereine der Fabrikbesitzer March- Charlottenburg als Reichstagskandidat ausgestellt worden. Herr March wird sich im Falle seiner Wahl als Hospitant der Deutschkonseroativen Par tei anschließen. — Auf das erneute Verlangen der Freisinnigen, die nationalliberale Eegenkandidatur gegen die Kandidatur Heckscher im Wahlkreise Herzogtum Lauenburg zurückzuziehen, hat die nationalliberale Zentralleitung erklärt, daß dies nicht möglich sei, da die als Kompensation dafür ver langte Zurückziehung der freisinnigen Gegentandida- tur im Kreise Dithmarschen-Steinberg geren den Abgeordneten Dr. Görck strikte abgelehnt worden sei. * Bcrufsgenossenschaften und Zentralverband Teutscher Industrieller. Die schon bei früherer Ge legenheit aufgestellte und auf das bündigste wider legte Behauptung, als ob Berufsgenoj jenschaf- ten, die Mitglieder des Zentralverbandes Deutscher Industrieller sind, Beiträge für den Agitations- oder Wahlfonvs des Zentralverbandes gegeben hätten, ist neuerdings im Reichstage wieder zur Sprache ge kommen. Die „N. P. C ", die dem Zentraloerband nahe steht, ist zu der Erklärung ermächtigt, daß von den Verufsgenossenschaften niemals auch nur ein Pfennig für den Agitations- oder Wahlfonds des Zentralverbandes zur Ver fügung gestellt worden ist. * Aus Anlaß der Agitation des Grafen Orlowski, der im Namen der „Uion Uniflave" für die Her stellung Polens in den Grenzen von 1772 ein trat und dabei eine Anzahl deutscher Bischöfe als Eesinnungsgenofsen für sich in Anspruch nahm, wird folgende Erklärung veröffentlicht: „Es hat sich in den Kanzleien der unterzeichneten Ordinariate nicht feststellen lasten, ob und in welcher Form dem Grafen Orlowski ein Schreiben von ihnen zugestellt worden sei. Wenn das aber der Fall sein sollte, würde es sich nur um einfache Empfangsbestä tigung handeln können, die zu einer Sympathiebe zeugung für hochverräterische Umtriebe mißbraucht worden ist." Im Mai 1911. Der Fürstbischof von Breslau, der Erzbischof von Freiburg, der Bischof von Paderborn, der Kapitelsvilar v. Hartmann zu Münster. Einrichtung eines feststehenden Kalenders, besonders aber durch die Festlegung des Osterfestes bekommt unsere Jahreszeitrechnung eine un gemein einfache und leicht sich einprägende Anordnung, ohne die Volksgewohnheiten wesentlich zu stören. Die sich ergebenden Vorteile, nicht allein für das wirtschaftliche, sondern auch für das private Leben, sind aber enorm und di« baldige Einführung dieses Reformkalenders durch inter nationale Vereinbarung wäre für Gewerbe, Handel und Industrie von allergrößtem Werte. Der Vortrag fand lebhaften Beifall. Kuslsnü. Oelterreich-U ngarn. * Zum Attentat auf den ungarischen Bauern- fiibrer Achim wird gemeldet: In der strafgericht- lichen Untersuchung gegen die beiden Brüder Ziilinszky, welche den Abgeordneten Achim er schossen, ist eine sensationelle Wendung eingetreten: Eine Witwe Walltuß hat aus un mittelbarer Nähe den Hergang der Mordtat gesehen und vor Gericht eidlich ausgesagt, daß die Brüder Zsilinszky beim Betreten der Wohnung Achims sich gar nicht anmeldeten, sondern die Tür zum Schlafzimmer aufristen und hereinstürmten mit dem Ruf: „Jetzt mußt du sterben, du Hund!" Infolge dieser Aussage ist die Ausrede der Attentäter mit Notwehr hinfällig geworden und es wird die Anklage auf vorsätzlichen Mord gegen beide Zsilinszky erhoben. Dänemark. * Die Mormonen. Es wird uns geschrieben: Dem Justizministerium in Kopenhagen ist kürzlich von zro- testantischen Geistlichen ein Gesuch eingereicht worden, in dem gefordert wird, daß die Mormonen propaganda untersagt werde. Zur Be gründung wird geltend gemacht, daß die Agenten der Mormonensekt« in öffentlichen Versammlungen der Vielweiberei das Wort reden und junge Mäd chen nach Utah zu ziehen suchen. Das Ministerium wird wahrscheinlich nickst umhin können, das ge wünschte Verbot zu erlassen. Ausland. * Die Kalenderfrage. Das Reichsratsmitglied, der ehemalige Minister A. S. Jermolow hat sich nach Rom und Bern begeben, um Verhandlungen betreffend die Beteiligung Rußlands an der bevor stehenden internationalen Konferenz zur Reform des Gregorianischen Kalenders zu pflegen. Bevor die Resultate dieser Konferenz vorliegen werden, wird das von 89 Mitgliedern des Reichsrats unterschriebene Projekt über die Einführung des neuen Stils in Rußland nicht im Reichsrat eingebracht werden. Türkei. * Zur Eisenbahnanleihe. In Konstantinopeler französischen Finanzkreisen verlautet, die Derhand- lungen über die mit den Etsenbahnbanten verbundene große türkische Anleihe befänden sich nicht auf gutem Weg«. Ein endgültiger Abbruch sei zu befürchten. Insbesondere wurden die Verha lt- lungen durch das Kommervotum vom 16 Mai über den Bau der Bahn Samsun—Sivas ungünstig be einflußt. * Amnestie für die Albanesen. Anläßlich der Reise des Sultans sollen über tausend Ver urteilte und in Hast befindliche Albanesen be gnadigt werden, außerdem über 100 Griechen, ungefähr 50 Bulgaren und 35 Serben. Die Liste der zu Begnadigenden wird augenblicklich von dem Minister des Innern fertiggestellt. Die türkischen Zeitungen „Tanin" und „Tansimat". die erstere das Organ Hussein Dicbabids, die andere das der Oppo sition unter Lutfi Fikri, sowie das griechische Blatt „Neologos" und der sehr religiös redigierte „Serat Mustetkin" wurde heute vom Kriegsgericht wegen ihrer persönlichen Polemiken auf unbestimmte Zeit verboten. „Tanin" erscheint Freitag unter dem Namen „Dschenin". Serbien. * Reaktivierung eines Königsmörders. General Leonid Solorowitsch, der wegen der Teilnahme an der Ermordung des Königs Alexander pensioniert wurde, ist reaktiviert worden und wird nach der Rückkehr des Königs Peter aus Paris, wie „Stampa" meldet, zum Generaladjutanten des Königs ernannt werden. * Die Verlobung des Kronprinzen. Die Meldung eines auswärtigen Blattes von einer Verlobung des Kronprinzen ist, wie von zuständiger Seite erklärt wird, völlig erfunden. P ersten. * Kundgebung gegen das britische Konsulat in Schiras. Wie dem „Reuterschen Bureau" aus Teheran gemeldet wird, hat in Schiras der durch das britische Konsul einem politischen Flüchtling ge währte Schuh bei der Bevölkerung Erregung hervor gerufen. Die Volksmenge veranstaltete in der Nähe des Konsulats eine Kundgebung, es wird aber kein Angriff befürchtet, da das Konsulat über eine Wache von 42 Mann indischer Truppen und über Maschinen gewehre verfügt. Marokko. * Zum Kampf am rechten Ufer des Muluja, dem ein Hauptmann und zehn Fremdenlegionäre zum Opfer fielen, wird in einer anscheinend offiziösen französischen Note erklärt, für diejenigen, die behaup. tet hätten, daß der Weg über Taza dem von Rabat nach Fez vorzuziehen sei, bildeten die Ereignisse der letzten Tage eine Lehre. Während nämlich die Kolonne Vrulard bereits mehr als die Hälfte des Weges von Rabat nach Fez zurückgelegt hätten, ohne größere Verluste erlitten zu haben, hätten die an der marokkanisch-französischen Grenze stehenden Truppen große Verluste aufzuweisen. — Der französische Kriegsminister erhielt am Donnerstag von General Moinier ein Telegramm, daß die dritte > und letzte Staffel der Hilfskolonne den Ued Bethr überschritten hat. Die Kolonne befindet sich gegenwärtig an der äußersten Grenze, von da aus eine Verständigung mit Hilf« des von der Kolonne mitgesührten Funkspruchapparates noch möglich ist. Deshalb wird man mehrer «Tage ohne Nach richt von der Kolonne bleiben. Vereinigte Staaten. * Der Schiedsvertragsentwurf. Man glaubt in Washington, der neue Schiedsvertragsentwurf werde, wenn die anderen Mächte ihm zustimmen, wenig Opposition im Senat finden, da diele Körperschaft genau wie bisher in jedem einzelnen Streit fälle zum Abichluß eines Spezialvertrages konsultiert werden muß. Darin wird natürlich auch die Schwäche der neuen Verträge liegen. — Weiter wird aus Washington gemeldet: Präsident Tast hat aus allen Teilen der Welt Glückwünsche zu seinem Schicdsgerichtsentwurf erhalten. Roose velt hat in der Zeitschrift „Outlook" zwei Artikel veröffentlicht, die viel besprochen werden. Er äußert sich darin sarkastisch über die Schiedsgerichts bewegung Gewisse Beleidigungen ließen sich durch ein Schiedsgericht nicht erledigen. Eine schieds gerichtliche Beilegung sei überhaupt nur zwischen zwei Nationen möglich, die in der Kultur so weit fortgeschritten leien, daß sie unmöglich solche Beleidigungen begehen könnten. England und die Ver einigten Staaten seien woht jo weit vorgeschritten, wenn aber z. B. eine Nation bestehen sollte, die den Vereinigten Staaten eine unwillkommene Einwan derung aufzwingen wollte, so würde die öffentliche Meinung nicht einen Augenblick auf den Vorschlag einer schiedsgerichtlichen Behandlung solcher Fragen hören. Weiter weist Rosseoelt darauf hin, daß die Ünionstaaten die Vorgänge an der mexikanischen Grenze zwar geduldet hätten, sie aber ebensowenig einem Schiedsgericht unterbreitet hätten, wie wenn statt der Mexikaner englische, deutsche oder japani che Schiffe die amerikanischen Küstenstädte beschoßen haben würden. In einem solchen Falle gäbe es nur Sühne oder Krieg. Mexiko. * Zum Frledenvschluß. Halbamtlich wird ge meldet, Präsident Diaz werde am 24. oder 25. Mai die Präsidentschaft niederlegen. preUtimmen. Di« freundliche Aufnahme des Kaisers in England begleitet di« „Deutsche Z t g." mit folgenden Worten: „Schon der letzt« Besuch Kaiser Wilhelms während der Regirrungszeit König Eduards bewies, daß Ver, nunft und Gerechtigkeit bei der Londoner Bevölkerung gesiegt hatten. Kaiser Wilhelms Fahrt durch di« Eity und sein Empfang in der Emldhall ließen sich an wie der Triumphzug «ines Landesfreundes. Und der vorgestrige Festtag in Blau und Gold, in Weiß und Rot war eine neue Huldigung und Dankdezeigung für Vetternschaft und Freundschaft. Die Worte in der Ansprache de» Königs Georg, mit denen er vor dem noch ver hüllten Denkmal seinen „lieben Detter, den Deutschen Kaiser, den ältesten Enkel der Königin Viktoria" be grüßte und besten Mitgefühl während der letzten Tag« der Königin als unvergeßlich bezeichnete. Haden wegen ihrer freien und aufrichtigen Art einen lebhaften Widerhall in deutschen Landen erweckt. Immer wieder spülen die Wellen der Tagesereianiste dl« Frage an den Strand: Ob dl« deutsch-englischen Rivalitäten nicht am einfachsten und zweckmäßigsten durch «ine offen« deutsch Deutscher Reichstag. 179. Sitzung. Am Bundesratstisch: Dr. Delbrück, Wer- muth und Caspar. Auf dem Präsidententisch liegt aus Anlaß des Geburtstages des Präsidenten ein Rosenstrauß. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 15 Min. Die zweite Lesungder ReichSverfieherungSordnuriq wird beim vierten Buche, Invaliden- und Hinterbliebenenoersicherung, fortgesetzt. Dreizehnter Tag. Erster Abschnitt: Umfang der Versiche rung,^ 1212 bis 1234. Bei tz 1212, der die Ver- sicherungsvflichrigen aufzählt, beantragt Abg. Dr. Potthoff (Fortschr. Dpt.) namens eines Teiles seiner Partei, auch diejenigen Privat beamten in die Versicherung einzubeziehen, deren regelmäßiger Iahresarbeitsoerdienst 2000 über steigt. Dabei soll der Reichszuschuß bei denjenigen Privatbeamten in Wegfall kommen, die über das Durchschnittseinkommen verfügen. Gegebenenfalls soll das Derdienstnraximum auf 5000 -tt heraufgesetzt werden. Abg. Hoch (Soz.): Wir stimmen diesen An trägen zu; das Maximaleinkommen der Versicherten ist viel zu niedrig angenommen. Abg. Dr. Stresemann (Natl.): Der sozialdemokra tischen Fraktion ist es nicht zu verdenken, wenn sie versucht, bei dieser Gelegenheit die Prioatbeamten- versicherung zu erreichen. Wir wollen eine geson dert: Gesetzgebung und verlangen, daß die ver bündeten Negierungen erklären, wann wir das Prioatbeamten-Versichcrungsge- setz zu «rwarten haben. Viele Abgeordnete machen ihre Haltung diesem Anträge gegenüber davon abhängig, ob dieses Gesetz noch in dieser Legislatur periode zu erwarten ist. Staatssekretär Dr. Delbrück: Das Gesetz, betref fend die Versicherung der Privatbeamten, hat den Bundesrat schon passiert und wird dem Reichstag in den nächsten Tagen zugehen. Die Anträge werden abgelehnt. 8 1213 besagt, daß eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wird, ver siche- rungsfrei ist. Abg. Busold (Soz.) beantragt Streichung dieser Besrin mung. — Der Antrag wird abgelehnt. Ebenso beantragt bei tz 1218 Abg. Molkenbuhr (Soz.) Streichung der Bestimmung, nach der vorüber gehende Dienstleistungen versicherungsfrei bleiben würden. — Der Antrag wird abgelehnt. Zu den 88 1220 bis 1223 begründet Abg. Dr. Pott- hosf (Fortsch. Vpt.) diesen Antrag, der bezweckt, daß die im öffentlichen Dienst beschäftigten Personen nur dann oersicherungsfrei sein könne», wenn sie an diese öffentlichen Arbeitgeber mindestens die gleichen Ver- sorgungsansprüche haben, die sie auf Grund des Ge- setz.s haben würden. Nach kurzer Debatte wird der Antrag abgelehnt. 8 1223a besagt, daß D i p l o m i n g e n r e u r e mit Hochschulbildung auf ihren Ani»»g ver- sicherungsfrel bleiben könne». Abg. Dr. Potthoff (Fortschr. Vpt.): Hier handelt es sich um eines der Bestreben eines kleinen Teils der Diplomingenieure. Der Paragraph beruht auf übertriebenem Standesbewußtsein. Ich bitte um Streichung dieses Paragraphen. Abg. Dr. Mugdan (Fortsch. Vpt): Ich vermag nicht einzusehen, weshalb man Personen, die nicht versichert sein wollen, die Versicherung ausdrängen will. Nach nochmaligen Bemerkungen des Abg. Dr. Potthoff wird der Antrag abgelehnt. § 1230 setzt die Lohnklassen fest. Die Sozial- demokraten und die Freisinnigen beantragen Hinzu- fügung von weiteren Lohnstufen. Die Anträge wer den abgelehnt. 8 1231 setzt den Durchschnitts ertrag des Iahresarbeitsoerdienstes zur Berech- nuna der Lohnklassen fest. Abg. Busold (Soz.) beantragt hierbei eine Ab änderung bezüglich der Berechnung nach den Orts löhnen. Der Antrag wird abgelehnt. Darauf wird der erste Abschnitt ange nommen. 2. Abschnitt, Gegenstand der Versiche rung, 88 1235 bis 1311. 8 1235 besagt: Gegen- stand der Versicherung sind Invaliden- oder Alters renten sowie Renten, Witwengelder und Waisenaus- steu«r für Hinterbliebene. Abg. Zietsch (Soz.) beantragt, auch die Krankenpflege in diese Bestimmung aufzu nehmen. Der Antrag wird abgelehnt. Zu 8 1240, der von der Invalidenrente handelt, beantragt Abg. Vraun (Soz.) die Heruntersetzung der Inouliditätsgrenz« von auf der Erwerbs fähigkeit. Auf Anfrage des Abg. Giesbert» (Ztr.) erklärt Ministerialdirektor Dr. Caspar, daß mit der bis herigen Praxis nicht gebrochen werden soll, wonach Jnoalidenron4en ohne Rücksicht auf da» Lebensjahr englische Freundschaft aufgehoben und in gegenseitigen Machtzuwachs außerordentlichster Art umgewandelt werden würden. Sicherlich wird Kaiser Wilhelm in diesen Tagen neue Freundschaften zu den alten in der britischen Gesellschaft erworben haben. Im Kreise dieser Männer jedenfalls wird di« hier ungerührte Frage auf das lebhafteste erörtert werden. Die Flottenangst ist g«wick»en. Die Scheelsucht wagt sich selten noch aus d«m Hause. Gegen «ine Ueberschätzung der Fürstenbesuche wendet sich in langen Ausführungen die „Post"; sie faßt ihre Meinung zum Schluffe in folgende Sätze zusammen: „Wir haben keine Einwendungen gegen solch« Fürstenbesuch«, aber wir möchten vor Ueoer- schwenglichkeiten warnen, die gegenwärtig uns als Schwachheiten oder ungewllnschte Aufdring lichkeiten ausgelegt werden und ausgelegt werden müßen, und wir möchten davor warnen, daß man einen persönlichen Fürstenbesuch als selbst mit dem kleinsten politisch sachlichen Opfer gleichwertig er- kauft einschäht. Zn unserem tüchtigen, ar beitsamen und wehrhaften Volk liegt unsere Kraft, nicht in Fürstenbesuchen; im Be wußtsein dieses unseres inneren Wertes, in dem uns kein Volk übertrifft, werde» wir, wenn es sein muß, selbst einer „Splendid isolation", mit ruhiger, stolzer Sicherheit der Zukunft entgegensehen, di« uns durch Neid und Haß und durch die fortgesetzten Versuche wirtschaftlicher und politischer Erdrosselung von seiten unserer Nachbarn und Gegner verdüstert wird."
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