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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110530017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911053001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911053001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-30
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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Anzeigen-Preis für Inleru«« »»» Uri-tig und Umgrdua» btr ilpaltt„1>«tlr»rtt« SPI , l>i« ^ikklam«. »«tl« l Ml., von auriuorr» ZN Pi. Xtliamkn ÜÄ) Ml.. UM-tttte von Brdorvkn im am». lichea T«i> bi« Petuikil« 4« Pi ib«>chast»ani«iacn mn Plapoorlchriiten » in d«t Nd«nvau»gad« im Prell« «rftödl Siadatl nach larii Peilanegruübr G«lam:. aullag« L Ml. o Tauienv eill Poilgebüdl. Teildeilag« döbel- üelirrtrrli« Äutlküz« tonnen nnln «ururt- aerogen werden, gül das Lricheinen an vrllimmirn lagen und Planen wird kein« iLaranti« üdernommen Nnteigen - Ännahme Zodannisgali« N, bei iämtlichen Hilialrn a. allen Unnoncrn» Ltveditianen de» In» and Ausland«» Dr»a »ab Berla, »es Vkinjigr» lag«. blatt«, «L Pol«. Jndaver^ Pani ttUrlte». Medaktron »ab tSelchaltsttrll«: .iodannrrgail« Haapl-Filiale Dresden: Seenraj!« 4. l lTelevdon 48211 Nr. 149. vtensisg, Len 20. Mat lSll. lvS. Jahrgang. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 20 Seiten. vis LxpsMiollvll ckos LvipLisor iLKodlnUen twä cker I»vip2i§dl' H.UASMSM6N 2e1tun§ deüackon »ietl aur uootl l-vipriß, ^odLviiiszrlsse 8, VoeckeixedLacko parterre Iluks Im VebLuäs äss iLAeblattss. Das lvlchtigste. * Prinz Joachim von Preußen erlitt am Montag bei den militärischen Hebungen in Do li e r i tz eine schwereFußoerletzung. (S. Pol. Umschau.) * Der Reichstag führte die dritte Lesung der Neichsversicherungsordnung am Mon tag bis zum Ende des zweiten Buches, Kranken versicherung, weiter. (E. d. bes. Art. und Neichstagsbericht.) * In der Presse werden Gerüchte über eine Amtsmüdigkeit des preußischen Landwirtschafis- minlsters v. Schorlemer erörtert. (S, Dtschs. R.) * Das preußische Abgeordnetenhaus nahm den Entwurf über di« Entlastung des preußischen Oberverwaltungsgerichtes endgültig an. (S. Parlamentsber) * Der Papst hat eine Enzyklika erlassen, die sich gegen die antiklerikale Gesetz gebung in Portugal richtet. (S. Ausl.) * Aus Graz (Steiermark) wird «in tödlich verlaufener Cholerafall gemeldet. (Siehe Tageschr.» bes. Art.) Der Sumpf gegen Sie Trusts. I-. Washington, 20. Mai. Mehr als vier Jahre hat die Regierung kämpfen müssen, ehe sie der vielköpfigen Schlange, Standard Oil Company genannt, Herr werden konnte. Die Herren in Washington spielten bisher bei diesem Kampf gegen die kapitalgewaltigen Korporationen eine etwas klägliche Rolle. Als das Shermansche Antitrustgesetz den Kongreß passiert hatte, das den Zusammenschluß des Kapitals zum Zwecke der Aus schaltung der freien Konkurrenz als ungesetzlich und strafbar stempelte, da glaubten in der Tat einige Schwärmer das Ende der „reichen Räuber" gekommen. Sie hatten nicht damit gerechnet, daß das Kapital auch das Recht monopolisieren könne, gerade so, wie es dies mit dem Petroleum, dem Tabak, dem Fleisch getan hat. Und so verlief jede Aktion, die die Bundesregierung auf Grund der Shermanschen Bill einleitete, wie das Hornberger Schießen: mit einer eklatanten Niederlage eben jenes Gesetzes, das eigens als Angriffs- und Vernichtungswaffe ge schmiedet worden war. Die Entscheidung des Oberbundesgerichts in Washington bedeutet für die Regierung mehr einen moralischen als einen praktischen Erfolg. Wir stehen hier jedenfalls den etwaigen Folgen dieses Richterspruches sehr skeptisch gegenüber und legen höchstens ein wenig Neugier dafür an den Tag, wie sich die Rockefellerschen Knappen diesmal aus der Affäre ziehen werden. Daß sie sich heraus ziehen, steht fest, es kann sich nur um das Wie han deln. Aber wie gesagt, moralisch kommt dieser Spruch der Regierung durchaus gelegen. Denn ihr Kampf gegen die Trusts war nachgerade ein wenig zur Farce geworden. 2n St. Louis und Washington kämpfte man gegen Oel und Tabak, in Chicago gegen Fleisch und Brot, das heißt gegen die ehren werten Herren, die sich die Verteuerung dieser Ar tikel zum Lebenswerk gemacht hatten und nicht ohne Stolz auf den Erfolg ihrer Arbeit blicken konnten. Die Klage gegen die Standard Oil Company war von der Regierung bereits im November 1906 ein gereicht worden. Es wurde darin geltend gemacht, daß die beklagte Korporation das Sherman-Gesetz verletze, indem sie eine Vereinigung zahlreicher kleiner Korporationen bilde mit dem ausge sprochenen Zweck, den Handel zu beschränken und die Konkurrenz zu vernichten. Von Anfang an wurde dieser Prozeß als der größte und wichtigste betrachtet, der je zuvor gegen die Trusts verhandelt wurde. Es handelte sich um Sein oder Nichtsein einer Korporation, die nach weislich die größte der Welt ist, deren eingezahltes Kapital etwa 460 Millionen Mark beträgt, die 54 000 engl. Meilen Röhrenleitungen besitzt und die über 64 kleinere Gesellschaften das Auf sichtsrecht ousübt. Das Eigentum der Standard Oil beläuft sich schätzungsweise auf 1500 000 000 und die Gewinne, die sie seit ihrem Bestehen ein heimste, betrugen nach Rockefellers eigenen Angaben etwa 4 Milliarden Mark. Der Prozeß nakm seinen Anfang in St. Louis, und dem Umstande, daß es ihr gelang, einen der namhaftesten Trustanwälte, Frank B. Kelley, für sich zu gewinnen, hatte die Negierung es zu verdanken, daß bereits die unteren Instanzen eine für sie günstige Entscheidung fällten, die jetzt vom Oberbundcsgericht bestätigt wurde. Daß die Frist zur Auslösung des Trustes von einem auf sechs Monate ausgedehnt wurde, hat nicht viel zu lagen, denn die Standard Oil wird es verstehen, keinen der beiden Termine innezuhalten. In Chicago bemüht sich die Negierung seit dem gleichen Termin, an dem sie der Standard Oil auf den Leib rückte, dem Fleischtrust einen Schlag zu versetzen, den Herren Armour und Genossen, die aus Upton Sinclairs Schilderungen nicht gerade vorteil haft bekannt sind. Die Packer, wie man die Ge waltigen der Fleischkonserven - Industrie kurzweg nennt, rühmten sich, ein gutes Gewißen zu haben und der Regierungskampagne leichten Herzens ent gegensetzen zu können. Aber die geschäftliche Klug heit, die die Herren bestimmte, bei den staatlichen Revisionen die Beamten nur den sauberen und rein lichen Kulissenzauber sehen zu laßen, veranlaßte sie auch jetzt, neben ihrem guten Gewißen ein zweites Eisen ins Feuer zu legen. Sie taten nichts weniger, als das ganze Shermansche Gesetz als ungesetzlich anzufechten, und die Fleischeradvokaten verstanden es, durch ihre Argumente den Prozeß um vier Jahre hinauszuzögern. Zwei Tage, bevor in Washington der Schlag gegen Nockefeller fiel, hat Richter Car- penter in Chicago die Einwände der Packer endgültig zurück gewiesen. In dem nunmehr beginnenden Prozesse wird natürlich die Washingtoner Entschei dung das Urteil ebenso in einem sür die Regierung günstigen Sinne beeinflussen, wie das mit dem täglich zu erwartenden Richterspruch gegen den Tabaktrvst der Fall sein wird. Damit ist die Kampagne gegen die reichen Räuber immerhin in ein erfreulicheres Stadium getreten, als dies von den bisherigen lendenlahmen Aktionen gesagt werden konnte. Der Erfolg der Maßregeln steht noch nicht fest. Wohl aber droht den Gewaltigen des Kapitals eine neue Gefahr, die sie schwerer treffen würde, als die lumpigen Millionen, die ihnen bisher abgezwockt wurden. Schon Roosevelt wies seinerzeit daraus hin, daß das Sherman-Gesetz erst dann zu einer wirksamen Waffe werden würde, wenn man nicht mehr die Korporation als solche anklage, sondern die ein zelnen Personen, die sie leiten, wenn man also das Vergehen „persönlich" mache. Nun ist kürzlich HerrKenyen aus Iowa in denSenat eingezogen, der früher als Anlläger auf der Bank des Staats anwalts bereits manchen Strauß mit Korporationen und widerspenstigen Trusts auszufechten hatte. Auch er vertritt mit Entschiedenheit die Ansicht, daß es unbedingt nötig sei, die Beamten der Korpo rationen persönlich für die Uebertretung des Ge setzes verantwortlich zu machen. Er hat seine Meinung bereits zu einem Antrag verdichtet, der gegenwärtig im Senat beraten wird. Danach sollen die Geldstrafen auf Grund des Sherman- Gesetzes ganz abgeschafft und durch Freiheits strafen ersetzt werden und zwar ausschließlich, so daß es nicht mehr im Belieben des Richters steht, die eine oder andere Strafe zu verhängen. Es ist anzunehmen, daß die Nockefeller, Havemeyer, Garys etwas weniger skrupellos in ihren geschäft lichen Praktiken sein werden, wenn erst die geöffneten Eefängnistüren vor ihnen gähnen. Freilich wird auch der Millionär durch die Haftstrafe nicht so ent würdigt wie ein gewöhnlicher Sterblicher, und wir haben Beispiele dafür, daß die Macht des Dollars auch hinter Gefängnistüren wirksam war und für manchen Häftling die Zelle zu einem behaglichen Buen retiro umwandelte. Aber man weiß auch, daß jetzt leine Regierung, ganz gleich auf welche Partei krücken sie sich stützt, davor zurückschrecken darf, ein Exempel zu statuieren und einen Trustjchuldigen die ganze Strenge des Gesetzes fühlen zu laßen. Und das ist selbst für ein Milliardärgewissen eine wenig erfreuliche Aussicht. Leim Gnükampf. Berlin, 29. Mai. (Prio.-Tel.) Waren cs bei der elsaß-lothringischen Verfassung außer den Deutsch-Konservativen namentlich einige verärgerte Gernegroße aus der Westmark. die bis zu letzt den Streit nicht aufhören ließen, so dauerte bei der Reichsoersicherungsordnung der Kampf sozusagen auf der ganzen Linie an. In der dritten Lelung ist er saft noch heftiger, als in der zweiten. Die Einigkeit, die im preussischen Abgeord- netenhause alle bürgerlichen Parteien einschließlich des Freisinns bei der großen Beamrenausbcßerung zu bewähren wußte, hat das Parlament Les gleichen Stimmrechtes nicht zustande gebracht. Für die Wir kungen der zweifellos hohen Ausbesserungen, die die Verftä-erungsordnung bietet, ist bas tief bedauerlich. Leiber hat die bürgerliche Mehrheit durch ihr Wöch- nerinnenkompromiß dazu deigerragen, den Widerstand zu schärfen und ihm eine Folie zu geben. Die Sozialdemokraten können sich hier als reine Idealisten und zugleich als Vertreter de? praktischen Christentums gebärden; dazu aber soll man ihnen möglichst selten Gelegenheit geben. Unstreitig ist die Einbeziehung solcher Angestellter, die 2500 Jahres einkommen haben, in die Krankenversicherung, vom Standpunkte unserer heutigen sozialpolitischen An schauungen ein schätzbarer Fortschritt. Er fand dann auch nach längerer Debatte, an der sich wieder der Jmmcnstädter Abg. Thoma (Nacl.) beteiligte, und nach Ablehnung eines weitergehenden — dis 3000 — sozialdemokratischen Antrages, fast einstimmig An nahme. Aber Laß inan auf der anderen Seite die obligatorische Fürsorge für die Wöchnerinnen auf dem Lande von 8 auf 4 Wochen kürzte, wgr nicht wohlgetan. Derselbe Abg. Schultz, der gestern in Dresden die Einigkeit aller Parteien in hygienischen Fragen feierte, hat seinen Namen vor Len Ko.n- promißantrag gefetzt, der die>e Verkürzung bringt. Man soll gcwig Len Zug unserer Zeit zur Hysterie nicht fördern, aber die verschiedene Behandlung von Stadt und Land ist doch nun einmal nur durch ein Ueberwiegen ostelbischer Kräfte zu erklären. Die Abgg. David und Bebel waren die sozraldemo- kralijchen Wortführer für eine ausgedehntere Wöch nerinnenfürsorge. Frhr. v. Gamp (Rpt.) und der Oberbayer J r l (Ztr.) standen auf der anderen Seite. Abg. Fegter (Fortschr. Vpl.), der mit den länd lichen Interessen aufs engste verknüpft ist, konnte eben deshalb wertvolles Material gegen die Ver kürzung der Fürsorge beibringen. In der Form seiner Polemik gegen die Person Les Frhrn. v. Gamp, Len er fortgesetzt als Esienbahn-Geyeunrat bezeich nete, überschritt er freilich das erlaubte Maß. Er näherte sich dabei zu sehr dem Ton, der die Reden Hahns so unerfreulich gemacht Hal. Im weiteren Verlauf hält der in Nürnberg gewählte Sozialdemo krat Südekum mit Herrn ^rl leidenschaftliche Ab rechnung und kennzeichnet seinen Widerstand gegen die Matzregcln zur Beteiligung der Kinderftcrvlich- keit, die in Bayern besonders groß ist, geradezu ars Herzenshürte. Der biedere Malermeister Irl ist dem Angriff nicht gewachsen, sein Parteigenosse Heim mug einspringen, um die Sache wieder auf Las rechte Geleis zu schieben, was er denn auch in wenig Sätzen frrtigbringt, soweit es überhaupt möglich ist. Rian muß es dem ehemaligen Reallehrec und Zcntrums- aguatoren Heim lassen, daß er mehr als manck)« andere den Volksfragen zu Leibe gegangen ist. Heule weift er auf drei Umstande hin, die die hohe Kinder, sterbl'chke.t in Bayern hervorgeru,cn haben: Auf das Molkereiwesen, das der Landbevölkerung die gründe Nahrung enrziehe, auf den Dienstboleninangel und auf die Geburtenhäufigkeit. Er gibt auch schnell em Bild von den im guten Sinne partiarchalischen Zu ständen seiner Heimat, wo Bauer und Dienstboten noch du zueinander jagten und an demselben Tische äßen. Das alles ist recht geschickt, aber Argumente gegen die intensive Wöchnerinnenfürsorgü bietet es eigentlich nicht. Endlich schiebt sich eure namentliche Abstimmung zwischen die erhitzten Parteien. Der schon erwähnte Kompromißanrrag Schultz, der Spiel raum zwischen 4- und bwöchiger Fürsorge znläßt, wtrv mit 192 Stimmen angenommen. Unter den 119 va ge g e n stin»menden Abgeordneten befinder sich auch die Mehrzahl der Nationalliberalen mit Bassermann, Iunck, Strese mann und dem Vorsitzenden des Deutjchen Bauernbundes W a ch h o r st de Wentc. Ohne namentliche Ab stimmungen gehen die Bestimmungen über die Er nennung der Beamten, über die Dienstordnung, über die Geichäfrssragen usw. durch. Tie Knappichasts- kaßen verursachen wieder einen Aufenthalt. Schließ lich^ bleibt es auch hier in der Hauptsache bei der Fassung der zweiten Lesung. Dagegen vermag man die Absicht, durch eine Abendsitzung das groge Werk weiter zu fördern, nicht aufrechtzuerhaUcu. Am Dienstag früh w:rd man mit dem dritten Buche, der Unfallversicherung, beginnen. Oie neue päpstliche Enzyklika, die sich gegen das portugiesische Trennungsgesetz rich tet, ist jetzt erschienen. Sie ist a n die Bischöfe der ganzen Welt gerichtet und trägt das Datum 21. Mai. Der Pacht bedauert lebhaft die in Por tugal gegen die Kirche gerichteten Feind seligkeiten. Er erinnert, daß die provi- scrisck)« Regierung unmittelbar nach der Prokla mation der Republik eine Reihe Maßnahmen schroff antikirchlicher Art ergriffen habe zur gewalt samen Unterdrückung religiöser Orden, deren Mit glieder in der rohesten Weise ausgetrieben sind, sowie katholischer Feste zur Abschaffung bes religiösen Eides, zum Verbot des Religionsuntc richts in den öffentlichen Schulen, Einführung der Ehescheidung und willkürlict)« Absetzung der Bischöfe von Oporto und Beja. Gegenüber so vielen gehässigen Maßnah men habe der Heilige Stuhl eine geduldig« und langmütige Haltung bewahrt und sich jedes Schrittes enthalten, d«r als feindselig gegen die por tugiesische Regierung ausgefaßt werden könnte. Diese hab« aber ihrem religionsfeindlichen Werke di« Krone aufgesetzt Lurch den Erlaß eines Trennungs gesetz c s. Der Papst könne nun nicht mehr schweigen, da das Gesetz einen Abfall des Staates von Gott verkünde und mit der katholischen Religion brech«, zu der sich fast die Gesamtheit der Bürger bekenne. Das Gesetz sei nicht ein Trennungsgefetz, sondern ein Raub gesetz gegen die katholische Kirche und, was die materiellen Güter angehe, ein Gesetz tyrannischer Unterdrückung auf geistlichem Gebiet. Das Gesetz raube der Kirche alle beweglichen und unbeweglichen Güter und mack)« es ihr unmöglich, solche in Zukunft zu erwerben, indem er den Willen der Erblaßer durch ungerechte Bestimmungen über die frommen Legate breche. Noch verderblicher sei die Tyrannei, die das angebliche Trennungsgejetz auf geistlichem Gebiete ausübe. Die kirchlich Hierarchie sei vollständig von jedem Einfluß auf die Organisation und den Kultus, mit denen man Wohltätigkeitsoereine beauftragt habe, ausgeschlossen. Anderseits rufe das Gesetz eine Korruption des Klerus und Empörung gegen die recht mäßigen Oberen hervor, indem es den Prie stern, die von den kirchlichen Behörden suspendiert worden seien oder sich verlieiratet hätten, sowie ihren Witwen und Kindern Vergünstigungen gewähre und bestrebt sei, die portugiesische Regierung von ihrer Verbindung mit Nom zu lösen. Infolge dessen verurteil« der Papst das portugiesische Trennungsgesetz und erkläreesfürnull und nichtig, wie ohne Gewicht gegenüber den un- vi rletzlick>en Rechten der Kirche, er spende dem portu giesischen Episkopat und dem Klerus wärmstes Lob. der dieses Gesetz verurteilt habe, und ermahne ihn, dir einträchtige Verbindung mit dem Heiligen Stuhl weiterhin zu wahren. Der „entgegenkllmmenüe" Muley SSilü. (Pariser Brief.) I-. Paris, 28. Mai. „Der Sultan verlangt das franzöfiiche Protektorat", läßt sich der „Matin" aus Fez tele graphieren. Ein ganzer Nachrichtenstoß ist aus der marokkanischen Hauptstadt in Paris eingctroffcn, der deutlich bestätigt, daß von einer Räumung des Sultanats nicht die Rede ist. Der „Matin"- Vericht läßt die Ausdehnung der französischen Besitz ergreifung in allen Einzelheiten schön erkennen: „Wenn die Ankunft der französischen Truppen die Sicherheit in Fez wiederhergestellt hat, veränderte sie doch nicht im geringsten die Lage draußen unter den Stämmen, die sich, von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen, durchaus nicht unterworfen haben. Kein Postbote wagt sich fort. Man erwartet die Ankunft des Obersten Gouraud mit der zweiten Kolonne, um draußen die Polizeiaktion zu beginnen. Wir werden einen Stamm nach dem andern zu be kämpfen haben, um die Rebellion niederzuwerfen. Die kleinen Expeditionen werden jenen gleichen, die General d'Amade einst im Schaujaland vornabm. Die Beni-M'Tirs werden wahrscheinlich die Ehre unseres ersten Besuchs haben. Die provisornchc Be setzung auf unserem Rückzugsweg ist wie folgt ge sichert: Im Schaujaland 5000 Mann, in Rabat und Sale 500, in Mahedija 300, in El-Quintra 700, in Lallo-Jtto 1200, in Siddy Gueddar 1260 und bei den Beni-Amars 1200. Da in Casablanca etwa 24 000 Mann gelandet wurden, verbleiben etwa 15000 Mann für die Polizeiaktion und zukünftige Besetzungen. So sieht man denn auch schon die Entsendung neuer Truppen voraus, um die sämtlichen Auf gaben erfüllen zu können. Der Sultan hat fort gesetzt Zusammenkünfte mit General Moinier und Konsul Gaillard. Muley Hafid zeigt sich sehr unge duldig. Er verlangte, die Kolonne möge unverzüg lich o.ufbrechen und das Lager der Beni-M'Tirs bom bardieren, das etwa 60 Km von Fez entfernt und 1100 ,n hoch in den Bergen gelegen ist. Der Sultan erklärt, daß er die Franzosen nicht mehr von Fez abziehen lassen will und daß, wenn sie trotzdem abziehen sollten, er mit ihnen adnehen würde. Auch hält er unsere Truppen noch nicht für zahlreich genug; wir müßten nach seiner Ansicht mindestens über 500 0 Mann verfügen. Schließlich verlangt er ausdrücklich Frankreichs Protektorat. Wie man sieht, verlangt oder bietet Muley Hafid sehr viel mehr, als man ihm bewilligen kann oder will. Wir befinden uns also in einer ganz gleichen Lage wie im Ottobcr 191-8, als Abd-el-Aziz in Ra bat der Mission Regnault-Lyautey dieselben Vor schläge machen ließ." lieber den Einzug in Fez wird gemeldet: „Fez 21. Mai. Zwei Reiter kommen an, die melden, daß die Truppen Moiniers zwei Stunden von Fez ent fernt sind. 2m Viertel des Sultansschlosses ist die Freude ungeheuer, dagegen in der armen Stadt ist die Enttäuschung der Fasis sichtbar. Major Leglay wurde beauftragt, den Weg der Kolonne etwas zu säubern; er verjagte die Ulad-Jamas aus einem Lager, das sie hinter dem Trats ausgeschlagen hatten. Ihre llcberraschung war groß, da sie Weiber und Kinder im Stich ließen. Gegen zwei Uhr wird die Ankunft der französischen Offiziere gemeldet. Während sich die Fanatiker in ihren Häusern ver schließen, ziehen wir mit einer großen Menge den Truppen entgegen. Die Beni-M'Tirs hatten schon um sieben Uhr ihr Lager aufgebrochen. Ter Sultan läßt Volksbelustigungen verordnen. Die ganze Stadt hallt bald von Freudengeschrei wider; man breitet Teppiche in den Gasien aus. Mu siker spielen auf allen Plätzen. Der große Sieg der Mahalla des Sultans wird öffentlich aus geschrieben. 2m jüdischen Mellahviertel ist's ein Freudentaumel. Die Terrassen sind mit Menschen angefüllt, die zur Derbuka tanzen. Gestern noch hatte General Moinier einen Rapport aus Fez er halten, der lautete: „Alle Europäer leben, aber die Lage ist verzweifelt. (?) Wenn die franzö- ssichen Truppen nicht schnell ankommen, werden die Askris nicht länger ausyalten können. Alle Offiziere der militärischen Mission versichern nicht mehr lange ausharren zu können. Die übermüdeten Soldaten drohen mit Desertion.* Oberst Mangin ritt General Moinier entgegen; die beiden Offiziere umarmten sich lange und kützten sich warm auf beide Wangen. Mangins Munition war völlig erschöpft, aber er bat Moinier im Namen des Sultans, ob die französischen Truppen nicht bei Nzala übernachten könnten, da er ihnen am folgenden Morgen einen
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