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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.05.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110530017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911053001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911053001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-30
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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merttmgen der Abgg. Pa »li - Pot^am (Kons), Avecherr v. Ga « p (Rpt.) «nd F « gter (Fortfchr. Vpt.) wird Wer den Kompromißantrag Schultz namentlich abgüstimmt: dafür stimmen 1S2, dagegen 119 Abgeordnete bei poei Stimmenthaltungen. Der Antrag ist somit angenommen. Ein zu 8 212 gestellter Antrag der Fortschritt lichen Volkspartei wird abgelehnt und darauf die Paragraphen 212 bis 362 nach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. 8 363 spricht von der Dienstordnung und Len allgemeinen Dienstverhältnissen der Kassenbe amten. Ein Kompromifiantrag Schultz fordert, Latz die sachliche Befähigung auch in anderer Weise al» durch die Zurücklegung eines vorgeschriebe nen Bildungsganges nachgewiesen werden kann. Abg. Schmidt-Berlin (Soz.) geht nochmals auf die seiner Partei gemachten Vorwürfe, die Kranken kassen zu politischen Mißbrauchen benutzt zu haben, ein. Braunschweigischer Bundesratsbevollmächtigter Ge heimrat Boden weist einen Vorwurf des Vorredners zurück, nach dem der Magistrat von Braunschweig an die Aufsichtsbehörde falsch berichtet haben soll. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Gies- berts (Ztr.), Hu« (Soz.) und Hoch (Soz.) werden unter Annahme des Kompromißantrages die Bestim mungen über die Kaffenangestellten angenom men. Die nächsten Paragraphen werden ebenfalls ohne Debatte angenommen. Zu 8 525n, der die W a h l der V er s i che r t e n v e r t r e 1 e r für die General versammlung und den Vorstand der Knappschafts kassen regelt, liegen Anträge der Sozialdemokraten auf Zulassung oersicherungspflichtigcr, oder freiwillig versicherter Knappschastsinvaliden sowie der Mehr heitsparteien auf Zulassung der Knappschaftsinva- liden unter gewissen Bedingungen vor. Abg. Hue (Soz.) befürwortet di« Anträge seiner Partei. Nach weiteren Ausführungen des Ministerialdirek tors Caspar sowie der Abgg. Eothein (Fortschr. Vpt.) und Behrens (Wirtsch. Ngg.) wird über den sozialdemokratischen Antrag, den Absatz 2 des Z 525a zu fassen: „In die Generalversammlung und den Vorstand der knappschaftlichen Krankenkassen, Knappschafts vereine und Knappschaftskassen können Knapp schaftsinvaliden gewählt werden, wenn sie als versicherungspflichtige oder freiwillige Mitglieder beitragen zum Krankenkasseverband«" namentlich abgestimmt. Dafür stimmen 97, dagegen 207 Abgeordnete: einer enthält sich seiner Stimme. Der Antrag ist also a b- gelehnt. Sodann wird der Kompromitzantrag an genommen und damit auch 8 525a. Der Nest des zweiten Buches (Krankenversicherung^ wird hierauf ohne Debatteangenommen. Nächste Sitzung Dienstag früh 10 Uhr. Schluß gegen 8 Uhr. preußisches lldgevrüneteichaus Berlin, 29. Mai. Am Ministertkfche Justtzrninister Baseler. Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet die Sitzung 12 Uhr 15 Min. Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildet die zweite Beratung des Entwurfs betr. Entlastung des Oberverwaltungsgerichts. Di« Kommission lehnte die Einführung einer Revisionssumme ab und nahm die Hinzuziehung von Hilfsrichtern an. Abg. Kries (Kons.): Mein« politischen Freunde stimmen den Kommissionsbeschlüssen zu. Abg. Lieber (Natl.): Ich erkläre mich gleichfalls mit den Kommissionsbeschlüssen einverstanden. Abg. Eyßling (Freis.): Wir sind nicht in der Lag«, dem Gesetzentwurf, wie er aus der Kommission ge kommen ist, zuzustimmen. Wir sind grundsätzlich gegen das Hilfsrichtertum. Die Abgg. Lotz (Freikons.) und Bitter (Ztr.) er klären sich für die Kommissionsbeschlüsse, Abg. Lieb knecht dagegen. Der Entwurf wird mit dem Antrag« der Mehr heitsparteien. nach dem das Gesetz ab 1. Juli 1911 in Kraft tritt, in zweiter und dritter Lesung angenommen. Es folgt die zweit« Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Losgesellschasten, die Veräußerung von Jnhaberpapieren mit Prämien und den Handel mit Lotterielosen. Abg. Böhmer (Kons.): Wir sind von der Not wendigkeit dieses Gesetzes überzeugt. Wir halten es aber für zweckmäßig, den Ausdruck „Ausbeutung der Spielsucht" aus dem Gesetz zu entfernen, weil es sich auch bei der preußischen Klassenlotterie um ein« Ausbeulung der Spielsucht handelt. Wir haben daher mit den Nationalliberalen, dem Zentrum und den Frerkonservativen einen dahingehenden Antrag gestellt. Die Abgg. Lieber, Wertin, Oels (Freikons.) und Gxöber (Ztr.) stimmen dem Antrag« zu. Pelta- sohn (Freis.) und Liebknecht (Soz.) sprechen sich gegen den Entwurf aus, da die Materie nur durch Reichsgesetzgebung zu regeln fei. JustiMinister Beseler: Ich sehe in Len Beschlüssen der Kommission eine Verbesserung und stehe ihnen sympathisch gegenüber, namentlich der Ermäßigung der Strafbestimmungen. Der Entwurf wird sodann mit dem Antrag Lieber in zweiter und drit ter Lesung angenommen. Hierauf wird die Uebersicht über die Ver teilung von Ergänzungszuschüssenin Höhe oon 15 Millionen Mark an Schulverbände mit 25 oder weniger Schusstellen durch Kenntnis nahme erledigt. Darauf begründete Bitt« (Ztr.) seinen Antrag auf Vorlegung eines Gesetzentwurfes, nach dem die bei Erlaß der Berggesetznovelle von 1907 vorbehaltene Ordnung bei Uebertragung des Rechts zur Aufsuchung und Gewinnung von Steinkohle an andere Personen herbeigeführt wird. Der Negierungskommissar erklärt: Die Dor- arbeiten für den Gesetzentwurf sind in Angriff ge nommen und wesentlich gefördert worden. Nach kurzer Debatte wird der Antrag Bitte angenommen, der Zusatzantrag Bell abge- l e hnt. Nach Erledigung einer Reihe von Petitionen zum Teil persönlichen Inhalts vertagt sich das Haus auf Dienstag 11 Uhr. Tsgeschrmük. Ein Eholrrafall in Steiermark. Graz, 29. Mai. In Waldendorf ist der Postoffizial Anton Franzki unter choleraoerdächtigten Erschei- nungen erkrankt. Die Aerzte stellten tatsächlich 0 dolor» »sistie» fest. Franzki war erst vor kurzem von einer Reise nach Venedig zurück- gekehrt. Wie«, 29. Mai. Da» Befinden de» an Cholera erkrankten Postbeamten Franzki in Graz ver schlechterte sich im Laufe de» gestrigen Tage» der artig. daß nur geringe Hoffnung besteht, ihn an, Leben zu erhalten. — Ferner wird au» Venedig aemeldet: Hier ist kein Lbolerafall festgestellt worden. Die Stadt muß daher als vollkommen immun be zeichnet werden. In den letzten Tagen wurde blos ein Fall von Gastroenteritis festgestellt, wie sie durch den Genuß von Austern und Seetieren hervorge rufen werden kann. Infolgedessen verbot das Muni- zipium den Verkauf von Austern und anderen See tieren. Graz, 29. Mai. Der an Eholera erkrante Post beamte Franzki ist gestorben. An Monis* Krankenbett. Paris, 29. Mai. Ministerpräsident Monis empfing gestern eine Anzahl Journalisten in seinem Kranken zimmer. Der Ministerpräsident liegt noch immer mit einem verbundenen Bein zu Bett. Monis erzählte nochmals den Hergang der Katastrophe von 2ssy. Er sagte: „Ich habe viel, sehr viel gelitten. Ich fuhr mit Berteaux nach Issy hinaus, um den Aviatikern meine Bewunderung auszusprechen und dem Ver treter der spanischen Nation, deren Hauptstadt das Ziel des Fluges ist, meine Sympathien auszudrücken. Der letzte, dem ich die Hand drückte, war der spanische Botschafter. Ich sah die Gefahr, die uns bedrohte, voraus, denn ich sah den Apoarat des Aviatikers Train bedenklich schwanken. Ich sprach meine Besorg nisse sowohl meinem Kollegen Berteaux, als auch meinem Sohne und dem Herrn Deutch de la Meurthe aus. „Nehmen wir uns in acht", sagte ich, „wir befinden uns in einer gefährlichen Zone . Doch schon schlug der Apparat um. Ich warf mich zur Erde und konnte so der Schraube entgehen. Ich sah meinen Kollegen Berteaux noch aufrecht stehen, dann wankte er. Ich selbst war zu Boden geschleudert und einige Meter weit fortgeschleift worden. Die Augen waren mir mit Blut und Erde vollständig verklebt worden. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich den Kopf in einem tiefen Loch stecken. Als ich wieder befreit wurde, hatte ich gar nicht das Gefühl, daß mir das Bein gebrochen war. Mein Verlangen war, sofort in das Ministerium gebracht zu werden". Halle a. S>, 29. Mai. (Schweres Gruben unglück.) Im Schacht der Kaligewerkschaft Wills bei Halle wurde der verheiratete Bohrmerster Zinke von stürzendem Gestein zermalmt, der Bergarbeiter Stein schwer verletzt. Nordhausen, 29. Mai. (Tödlicher Unfall.) Dem Stellmacher Karl Jordan flog beim Schneiden ein Stück Bohnenstange so unglücklich gegen die Brust, daß er bewußtlos umsank. Er starb nach kurzer Zeit infolge eines Herzschlags. Schwerin, 29. Mai. (Ueber einen wenig empfindlichen Schädel) verfügt der Arbeiter Ruß in Kl.-Nemerow. Er hantierte am Mittwoch voriger Woche mit einem Terzerol. Plötzlich ging der Schuß los und die Kugel verletzte ihn seiner Meinung nach nur unbedeutend an der Stirn. Ueber die „Schramme" wurde ein Pflaster geklebt. Darauf ging er wie gewöhnlich seiner Arbeit nach, acht Tage lang. Dann verspürte er an einer Stelle des Hinter kopses fortwährend heftige Schmerzen, und nun erst entschloß er sich auf Zureden seiner Nachbarn, zum Arzte zu gehen. Dieser stellte fest, da^ es sich keines wegs um einen Streifschuß an der Ätirn handelte, sondern daß die Kugel die Schädeldecke durch bohrt hatte und unter dieser nach hinten geglitten war. Im Krankenhaus wurde das Geschoß dann auf operativem Wege entfernt. Stralsund, 29. Mai. (Der Selbstmord des Regierungsrats Krause.) Der Regierungspräsi dent widmet dem Regierungsrat Krause, der sich gestern in Gegenwart seiner Familie erschoß, einen warmen Nachruf. Krause war schwer nervenleidend. Er war erst am Tage vorher als angeblich geheilt aus einer Heilanstalt entlassen worden. Bei Be gehung der Tat saß er mit seiner Familie zusammen und hatte eines seiner Kinder auf dem Schoß. Hamburg, 29. Mai. (Tod beim Baden.) In der Bille ertranken gestern nachmittag bei Vill- wärder beim Vaden ein Kaufmann und ein Schlosser lehrling. Die Leichen konnten noch nicht geborgen werden. Neustadt a. H., 29. Mai. (Furchtbare Fa milientragödie.) 2m benachbarten Hambach spielte sich ein blutiges Familiendrama ab. In einem Tobsuchtsanfall erschlug der Schreinermeister Mathias Fruebis seine krank im Bett liegende Frau mit einer Holzhacke. Dann tötete er seinen 9jährigen Sohn, indem er ihm mit dem Rasiermesser die Kehle durchschnitt. Schließlich erhängte er sich. Auch seinem Töchterchen hatte er nachgestellt, das sich außer halb des Hauses befand. 2n der letzten Zeit waren seine Vermögensverhältnisse zurückgegangen, so daß er mit Nahrungssorgen zu kämpfen hatte und geistes gestört wurde. 8t. Olfen (Wests.), 29. Mai. (Beim Brande des Wohnhauses) des Asiäbrigen Fräuleins Ricka Kuhlmann fand man die Besitzerin erwürgt im Bette vor. Der Verdacht wegen der Brandstiftung und des Mordes richtet sich gegen den Neffen der Ermordeten, einen 16jährigen Bergarbeiter. Varis, 29. Mai. (Großfeuer.) 2n dem Vororte Belleville zerstörte ein Brand eine Mietskaserne. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich sehr schwierig. Mehrere Einwohner des Hauses und einige Feuer- wehrleute wurden schwer verletzt. Innsbruck, 29. Mai. (Deserteure.) 2m Sulz tale wurden drei italienische Alpenjäger verhaftet, welche über den Tonalepaß und die Grenze nach Tirol kamen. Man vermutete in ihnen eine spio nierende Patrouille, wahrscheinlich sind es jedoch Deserteure. * Pest, 29. Mai. (Bombenattentat.) In das Haus eines Eutsverwalters in der Nähe von Nowotscherkassk im Gebiete der Donkosaken der Ort schaft Weseloje wurde eine Bombe geworfen. Be waffnete brachen darauf in das teilweise zerstörte Haus ein und beraubten den Verwalter. Drei Täter wurden verhaftet. Pest, 29. Mai. (2m Stadtwäldchen) kam es gestern aus geringfügiger Ursache zu einer förmlichen Schlacht zwischen Soldaten und Zivil personen, wobei ein Soldat getötet und vier Soldaten und 50 Zivilpersonen mehr oder weniger schwer verletzt wurden. Die Ursache war ein Wort geplänkel, und schließlich kam es zu einer Rauferei zwischen einem Zivilisten und einem Pioniersoldaren. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge ver folgte mit Spannung die Raufszene. Es bildeten sich zwei Parteien, die schließlich miteinander hand gemein wurden. Der Pioniersoldat war so bedrängt, daß er nur mit Mühe durch eine 2nfanteriepatrouille aus der Menge befreit werden konnte. Die Menge chleuderte Biergläser gegen die Soldaten, so daß ich der Führer der Patrouille schließlich gezwungen ah, Feuer zu kommandieren. Es wurden mehrere Salven abgegeben, ehe die Menge zurückwich, und schließlich mußte noch ein starkes Wachtaufgebot zur Herstellung der Ruhe herangezogen werden. K»nstanti«»p«l, 29. Mai. (Infolge Ueber- schwemmung) im Wilajet Hudavendigiar sind fünfundsiebztg Häuser in der Hauptstadt Bruffa eingestürzt. Re« York, 29. Mai. (Das Bekenntnis de» Mormonenfllhrers.) Der Präsident und „Prophet" der Mormonenkirche in Utah hat sich im Tabernakel von Salt Lake Etty ausdrücklich zur Vielweiberei bekannt und damit all den Werbern der Sekte, die behaupten, daß Polygamie nicht mehr unter den Mormonen existiere, den Wind aus den Segeln ge nommen. Er bekannte sich in folgenden Worten: „Es mag Ihnen seltsam erscheinen, aber ich glaube mich verpflichtet, allen meinen fünf Frauen die Treue zu halten, die liebende, loyale, zufriedene und glückliche Mütter sind. Sie find meine Frauen 27 bis 40 Jahre lang gewesen, haben mir vertraut und auf mich gebaut während all dieser 2ahre, und ich habe meine Pflicht ihnen gegenüber Höher al» jede andere gestellt." Trotzdem leugnet der „Prophet", daß ausländische Frauen für Mormonen (namentlich in England) angeworben würden, denn es gebe deren in Utah selbst mehr als genug. s Gerichtslssl. Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) rn. Leipzig, 29. Mai. Wegen Beleidigung von Bonner Richtern und Beamten der Staatsanwaltschaft ist am 9. Mürz vom Landgerichte Kiel der verantwortliche Redakteur der „Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung" Franz Henschel zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden. Er ist, wie hervorgehoben wird, noch nicht 23 2ahre alt und hat fünf Semester Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft studiert: seit Herbst 1910 ist er verantwortlicher Redakteur des genannten Blattes. Unter Anklage gestellt war er wegen Veröffentlichung von zwei Artikeln am 1. und 7. Dezember 1910. 2n dem ersten mit der Überschrift „Bonner Borussen und Bauhilfsarbeiter" werden gegenübergestellt das Urteil gegen Bonner Korpsstudenten und das Urteil des Schwurgerichts Dortmund gegen den Bauhilfs arbeiter Stappert. 2n beiden Sachen handelt es sich um Ausschreitungen gegenüber der Eisenbahn: Stappert ist zu 1 2ahre 2 Monaten Zuchthaus und 50 x Geldstrafe verurteilt worden. Der Artikel enthält den Vorwurf, daß in Preußen nicht mit gleichem Maße gemessen werde, und daß die Bonner Richter zu milde geurteilt hätten. In dem zweiten Artikel mit der Ueberschrift „Geistig minderwertig" wird über eine Verhandlung vor der Strafkammer in Kiel berichtet. Ein noch nicht 16 Jahre altes Dienst mädchen wurde wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu 1 Jahre 3 Monaten Gefängnis verurteilt, „obwohl" sie vom Gerichtsarzt für geistig minderwertig erklärt worden wäre. 2m Anschluß an den Bericht darüber kam dann der Verfasser wieder auf den Prozeß gegen die Bonner Korpsstudenten zu sprechen, wobei der selbe Vorwurf erhoben wurde. 2n der Verhandlung gegen Redakteur Henschel wurden die Urteile gegen die Bonner Studenten und gegen den Dortmunder Arbeiter verlesen. Da» Urteil des Landgerichts Kiel sagt hierüber: Aus dem Urteile der Strafkammer Bonn vom 1. 2unt 1910 ergibt sich, daß die seitens der Korpsstudenten — Bonner Borussen waren im übrigen gar nicht dabei beteiligt — begangenen Ausschreitungen in eingehendster Weise untersucht worden sind und daß es trotz eifrigster Nachforschungen und mit Rücksicht auf die Aussagen der unbeteiligten Zeugen nicht gelungen ist, die Personen, die sich einer vorsätzlichen Eisenbahntransport-Gefährdung schuldig gemacht haben, zu ermitteln. Es haben nur die Persönlichkeiten einiger Studenten fest gestellt werden können, die in der Betrunken heit Scheiben eines Eisenbahnzuges zerschlagen haben und solcher, die unerlaubterweise auf die Lokomotive gestiegen waren, und endlich eines Studenten, der in der Trunkenheit einem Bahnkontrolleur die Mütze vom Kopfe geschlagen hat. Bei der Strafzumessung sind alle zugunsten und ungunsten der Angeklagten sprechenden Umstände in eingehendster und sorg fältigster Weise berücksichtigt worden. Es fehlte somit jeglicher Anlaß für die Vermutung, dah die Angeklagten, weil sie Korpsstudenten waren, mrlder bestraft sind als andere Personen, die wegen gleicher Straftaten angeklagt waren. Das Gericht hat eine Beleidigung schwerster Form, nämlich den Vor wurf der Rechtsbeugung, für festgestellt erachtet. Die Revision des Angeklagten kam heute vor dem Reichsgerichte zur Verhandlung. Der Reichsanwalt bezeichnete die erhobenen prozessualen Beschwerden als unbegründet, ebenso die materielle. Das Reichs gericht erkannte auf Verwerfung der Revision und änderte das Urteil nur insoweit ab, daß es statt der Vernichtung der Platten usw. deren Unbrauch barmachung aussprach. Königliches Landgericht. Z Leipzig, 29. Mai. Urkundenfälschung. Der Reisende Heinrich Fried rich Paul E. war probeweise von einer Versicherungs gesellschaft als Agent eingestellt worden, wie er be hauptete, sollte er täglich drei Versicherungsanträge dringen» um seine Qualifikation zu erweisen. Da hat er ohne Dorwissen ihrer Eltern die achtzehn jährige, also noch nicht mündige Verkäuferin V. ver anlaßt, einen Versicherungsantrag für sich selbst zu unterschreiben, den Namen ihres Vaters hat er selbst unter den Antrag gesetzt. Als die V. die Prämien nicht zahlte, ging die Versicherungsgesellschaft klagbar bis zur Pfändung gegen sie vor, als der Vater haft bar gemacht werden sollte, tam die Fälschung der Unterschrift an den Tag. Der Angeklagte E. wurde wegen Urkundenfälschung zu drei Monaten Ge fängnisstrafe verurteilt. Der Lschlenrunüklug. Der Flug Plauen—Fwickau verschoben. Wegen des außerordentlich heftigen Windes ist der Flug oon Plauen nach Chemnitz vorläufig bis Dienstag 5 Uhr nachmittags verschoben worden. » Spork. vsarines.üer Sieger von Psris-Müüriü Die Ankunft Vddrines', des Siegers der Luft fahrt Paris —Madrid, scheint sich, wie uns unser Pariser I-.-Korrespondent schreibt, unter etwas ab sonderlichen Umständen vollzogen zu haben. Ein Bericht besagt: „Gegen 6 Ukr früh erfährt man. daß Bödrine» Burgos um 5 Uhr 20 Min. verlassen hat, eine Stunde später meldet das Telephon, daß er über Buitrago gesichtet wurde und den Guadar rama überflogen hat. Gegen '/,8 Ubr steht man ihn von Madrid erst wie einen Punkt am Horizont, dann wie einen kleinen roten Kinderballon und schließlich in seiner vollen Vogclgestalt. Vidrines beschreibt langsam einen weiten Halbkreis und landet sanft auf der Erde nahe den Hallen. Die Begeisterung ist allgemein. Osfizielle Persönlichkeiten, Generale, Offiziere, 2ournalisten. der Ordnungsdienst, Teleara- phisten und Arbeiter stürzen BSdrines entgegen. Der Aviatiker hat sich mühsam von seinem Sitz erhoben, springt herab und laßt sich wie betäubt zur Erde niederfülle». Mit da« Hände« wehrt er einige Freund« ab, die ihm die Hand schütteln wollen. Dann stebt er wütend auf. Sein schwarze» Leder wams, sein Helm und seine schwarze Brille geben ihm den Anblick eine» Zyklopen. „Zum Satan, Schw.... band«!" brüllt er, „Platz gemacht! Wenn Ihr mir nicht Platz macht, werf' ich euch alle über den Haufen! vedrine» ist sichtbar nervö»... Sehn liche Krisen hat man bei vielen Aviatikern nach ermüdenden Fahrten bemerkt. Die verletzenden Worte haben zwar di« offiziellen Persönlichkeiten etwa» aogekühlt, aber der Präsident des Luftschiffer- vereins, Quinont» de LLon, und der Gouverneur von Madrids Fernandez la Torre, geleiten doch selbst den Sieger nach der Ambulanz. Dort reißt Vedrines sein Mweres Ledergewand herunter, wirft den Helm zu Boden, trinkt einen Kognak und ruft dann plötzlich: „So, letzt geht's besser." Der Gouver neur benutzt den glücklichen Augenblick, um seine wohlvorbereitete Ansprache an den Mann zu bringen. Vödrines, der zwar ein Held, aber doch ein Pariser Gassenjunge geblieben ist, verbeugt sich knapp und fragt den Gouverneur, ob er ihm eine französische Zigarette geben könne. Dann wird er höflicher und stellt sich vor die Batterie der Photographen-Appa- rate mit dem Ruf: „Es lebe Spanien!", worauf ihm die Batterie mit lebhaften Geknipse antwortet: „Es lebe Frankreich!" Nach einem zweiten Kognak wurde er gesprächig und erzählte: „Oh, lala, war das hart über dem Berg . . ." — „Quintanapala ..." — „Nichtig, den meine ich: gerade über dem Hügel platzte mir ein Zylinder. 2ch gehe ins Tal binunter: mein Stabilisator verbiegt sich. 2ch erfahre, daß ich bei Burgos gelandet bin. Als ich vom Sitz herunterkrieche, fauchen zwei Autos heran: es waren zwei Aerzte und ein Mönch darin, der mir die letzte Oelung bringen wollte. Wer kann behaupten, daß dies Rennen schlecht organisiert wäre! Heute ging die Fahrt famos weiter: überall Pechfeuer. Das war nicht wie in Frankreich! Sie mögen mir glauben oder nicht, ich habe keinen Blick auf die Karte werfen müssen. Dann kam ich vor dem größten Berg an und meine, daß ich nie hinüber kommen kann. 2ch muß auf 2000 m Höhe steigen. O diese Bewegung in der Luft, dieser Wirbelwind. Das hätten Ele sehen müssen! Zweimal glaube ich völlig umzuschlagen. Das geht in die Höhe, das geht abwärts wie in einem Aufzug. Eine halbe Stunde tanze ich so. Auch ein Adler jagte mir Furcht ein. Während ich durch eine Schlucht yindurchflog, sah ich plötzlich dieses Raub tier über meinem Apparat, bereit auf meine Luft schraube loszustoßen. Ich hatte gerade noch Zeit, in die Tiefe niederzuaehen. Viermal wollte dieses elende Tier mir zu Leibe. Aber nach zehn Minuten hatte es die Verfolgung satt und ließ mich in Ruhe. Als ich endlich den Teufelsberg — nie werd' tch Spanisch lernen (der Aviatiker wollte von dem Guadarrama sprechen) — hinter mir habe, brauche ich nur abwärts zu fliegen. 2ch bin so müde, daß es mir beinahe schlecht wird: nicht aus Aufregung, sondern weil ein dreistündiger Flug mit so vielen Stößen und Erschütterungen wirklich keine leichte Sache ist." — Da jeder der hundert anwesenden Journalisten für sein Blatt einen Originalbericht von Bödrines haben wollte, antwortete er lustig: „Schreiben Sie, was Sie wollen, ich unterzeichne alles!" Am Nachmittag empfing der König den muligen Bur schen, um ihn em Ritterkreuz anzuhängen. 2nsgesamt gebrauchte Vidrines 37 St. 27 M. und 12 Sek., den unfreiwilligen Aufenthalt, aber nicht die vorschrifts mäßigen Ruhepausen eingerechnet. Er verdiente mit seinem Morane-Apparat den 100000 Franken-Preis des „Petit-Parisien". „Die Aussteuer für meine NLnSne!", meinte er lachend, als man ihm den Scheck überaab. Der frühere Automobilchauffeur dachte an sein Töchterchen, das acht Monate alt ist ... Wenn man bedenkt, daß für das Rennen Paris—Madrid, das in lo tragischer Weise begann, 22 Aviatiker ein geschrieben waren, von denen nur ein halbes Dutzend aufzufliegen vermochten und nur einer am Ziele an- lanate, muß man zugeben, daß das Gesamtresultat ür die französische Avmtik nicht allzu glänzend war. * Pferdesport. Renne« zu Saint-Cloud am 29. Mai. (Eig. Drahtb.) Prix des Myosotis 3000 Fr. 2000 m. Mons. G. Ägnus' „Nüophyte", 5j„ 57'/, Illr (O'Neill), -f, Mons. Picaros,,Acacia IV". 3j., 55 ka (M. Barat), f-, Mons. Michel Lazard» „Master Strozzi", 3j„ 52 ko, 3. Tot.: Sieg 13 und 60:10, Platz 11, 30 und 80:10. Prix d'Herbeville 4000 Fr. Für dreijährige Stuten. 1500 m. Mons. I. Bräts „2oconde )l>", 56 li? (G. Stern) 1., Comte P. de St. Phalles „Re- noncule", 56 kg. 2., Mons. 2ean Sterns „Soeur Marie", 56 kp, 3. Tot.: Sieg 100:10, Platz 30, 19, 17:10. 14 liefen. Prix de» Guides 8000 Fr. 2000 m. Mons. X. Ballis „F lossie"4j., 59'/. Ka, (O'Neill) 1., Comte de Berteaurs „Soleil" 4i., 59 II«, 2., Mons. H. de Mumms „King Henry" 5j., 61 bx, 3. Tot.: Sieg 11:10. 3 liefen. Prix de Chateaufort 3000 Fr. 900 m. Mons. Edmond Blancs „Pourquoi Pas", 3j., 58 k"- (G. Stern), 1., Mons. Camille Blancs „Roi Renö", 3j., 54 ko, L, Mons. A. Hugues' „Le Louroux", 3j., 52 lcg, s. Tot.: Sieg 24:10, Platz 16. A:10. Fünf liefen. Prix de« Bouleaux 6000 Fr. 2800 m. Mons. A. Guttms „Fslibre I?, 3j., 40 k- (F. Lane), 1., Mons. I. Lieux' „Unterwalden", 4j., 56'/, lcx, 2., Mons. I. Prats „Raymonb", 3j., 45*/, lcp, 3. Tot.: Sieg 141 : 10, Platz 36, 17 : 10. Sieben liefen. * Die kaiserliche Familie wohnte den Rennen am Sonntag in Karlshorst bei. Kurz vor dem zweiten Rennen traf da» karserlich« Paar in Begleitung der Prinzessin Viktoria Luise, gefolgt von den Prinzen Eitel Friedrich und August Wilhelm mit ihren Gemah linnen, sowie den Prinzen 2oacbim, Oskar und großem Gefolge. Die hohen Herrschaften wurden in die kaiserliche Loge geleitet, vor der gleich darauf das Feld des Begrüßungs-Rennen paradierte. Unter den 11 Startern befanden sich in Oberstleutnant Frhr. v. Reitzenstein, Major Graf Solms, Major Graf Montaelas, Oberstleutnant v. Sandrart und Rittmeister v. Rabenau eine ganze Reihe bekannter Reiter au» früheren Zeiten. Das Rennen brachte eine Ueberraschung, da der durchweg führende Halb blüter „Hasenfuß" von seinem Besitzer Rittmeister v. Rabenau zu einem sicheren Siege gesteuert wurde. Der favorisierte „Gardone" mußte sich mit dem vierten Platz begnügen. Dann folgte der Clou des Tages, der Kampf um den Ehrenpreis des Kaisers in der „Kaiserpreis" benannten Steeple- Chase. Nachdem „Lootse" und „Bulawayo" über den größten Teil des Wege» geführt hatten, ging an der Nordhecke „Charmanter Kerl" in Front vor „Bulawayo", während von den anderen Pferden für den Ausgang dort keines mehr in Betracht kam. Zu dem nach dem letzten Sprung überlegen ga loppierenden „Charmanter Kerl" brachte Lt. Braune „Bulawayo" in der Geraden dann mit bekannter Energie auf. Nach packendem Finish erzwang Lt. Braune noch totes Rennen, obwohl er von dem von Lt. v. Sydow gesteuerten „Charmanter Kerl" ver schiedentlich behindert wurde. Nach der Entscheidung wurden die Reiter der ?rei erstplacierten Pferde, Lt. v. Sydow, Lt. Braune und Lt. O. v. Mitzlaff, zur kaiserlichen Loge geleitet, wo sie vom Kaiser in ein längeres Gespräch gezogen wurden. Um den
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