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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.07.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110722013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911072201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911072201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-22
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Amtsblatt des Rates und des Volizeiamtes der Ztadt Leipzig. Mr Inserat« an» Leipzig «d Umgebung »t« NpaltigePetitzeilelSPf-,dieBeklame. »eile l M., »an au»wärt» 3Ü Ps^ BeNamcn l.?0 Mk.. Inserat« »«, Behörden im «nr< lichen Teil die Petttzeile SV Pi. G»lchäf«»an»ei^u mit «ladoorlchristen u. ,n ber Adrndaurgab« t« Pret'« erhöht. Badatt nach Taris. Beilagegebuhr Gesamt, a: lag« Mk. p Tausend «rti. Postgebühr, leildeilage Höher. Fetrerteilte Austräa« können nicht »»rück- aezagen werde». Für da» Erscheinen an be'ummten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Inzeizen - Annahme: I»ha»»l»«»ft« 8, aei iämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Lrpcditionen de» In» und Ausland«». Druck and Verlag »es Leipziger Ta«e- dlatte» E. Potz. Inhaber: Paul Bürsten. Redaktio» und Grlchistittell«: Iohanntsgail« 8. Haupt-Filia!« Dresden: Eeestrage ch l (Telephon Eli. 105. Zshrysns Sannsdenü üen 22. Zull l9N Die vorlieqende Ausgabe umfaßt 16 Leiten. Dss Wickttiglte. * Das Befinden Les P r i n z r c g e n t e n von Bayern gibt zu Belorgnis Anlaß. (Siehe Dtschs. R.) * Die „Agence Havas" veröffentlicht eine amtliche Na t e gegen die Meldungen französischer Blätter über angebliche Kompensationssorde- r ungen Deutschlands in Afrita. (S. bei. Art.) » Die amerikanische, deutsche und italienische Gesandtschaft aus Harti richteten an ihre Regierun gen die dringende Bitte um Entsendung von Kriegsschiffen. (S. Letzte Dep.) * Die preußisch« Bischofskonferenz findet wie nunmehr bestimmt feststeht, am 22. August in Fulda statt. * Zum Präsidenten des österreichischen Ab geordnetenhauses wurde Dr. Sylvester gewählt. (S. Ausl.) Galtulkificre. Auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg vei Würzburg finden gegenwärtig Schießübungen des 2. und 11. bayrischen Feldartillerieregimcnts statt. Diesen Hebungen wohnt auch der dem st. bayrischen Infanterieregiment zugeteilte japanische Major Joshi da bei. Man möchte nun annehmen, daß der wißbegierige japanische Offizier dabei sich genügend hätte unterrichten können. Aber weit gefehlt. Mit einer „kleinen Taschenlaterne" bewaffnet, hat er sich des Nachts zu den im Geschützpark aufgcfahrenen und mit Lederüberzügen versehenen Ge schützen begeben, hat sich „betrach tend" davor aufgestellt und hat seine sinnigen Betrachtungen erst eingestellt, als er vom nächtlichen Wachtposten weggcjcheucht wurde. Zuerst wurde die Meldung über dieses immer hin doch recht auffällige Vorkommnis in einer schärfer pointierten, den Japaner stärker kom promittierenden Fassung vom „Fränk. Dolksbl." gebracht. Dann suchte der „Würzb. General- anz." den Vorfall harmloser auszulegen und tat noch ein übriges, indem er ausdrücklich er klärte, Major Joshida sei bei den bayrischen Offi zieren sehr beliebt, Spionage traue ihm niemand zu. Aber auch diese ganz offenbar dem Zwecke der Beschwichtigung dienende Meldung enthält die für die grundsätzliche Beurteilung des Vorfalls sehr wesentliche Feststellung, daß der japanische Offizier bei Nacht mit einer Taschenlaterne bewaffnet seine „Betrachtungen" vorzunehmen sucytc, unddaß crbeidiesemsonderbarenBeginnen durch den aufmerksamen Wachtposten unan genehm gestört worden ist. Der Verdacht, eine Spionage beabsichtigt zu haben, lastet jedenfalls auf dem japanischen Offizier, denn wenn ihm während der Schießübungen wirklich das Be dürfnis gekommen wäre, über irgendein artilleristisches Detail genauer unterrichtet zu sein, dann wäre ihm von den bayrischen Offi zieren zweifellos ein entsprechender Wunsch erfüllt worden. Nun kommt aber eine dritte Version, die offenbar auf eine genauere Untersuchung zurückzuführen ist und wieder mehr mit der ersten Darstellung des Falls übereinstimmt, in belangreichen Einzelheiten sogar noch recht verdächtige Ergänzungen bringt. Nach dem augenblicklichen Stand der Unter suchung erscheint es nämlich zweifelhaft, ob der japanische Major, der im Haubitzcnpark be obachtet ward, überhaupt der verscheuchte Be obachter gewesen ist. Es ist nicht ausgeschlossen, baß ein zweiter Japaner in der Nähe der Haubitzen sich aufgehalten hat. Für die prinzipielle Beurteilung der eigen tümlichen, nicht gerade alltäglichen Ausnutzung gewährter Gastfreundschaft ist dieser Umstand zunächst von nebensächlicher Bedeutung; denn zu herber Kritik würde bereits aller Anlaß gegeben sein, wenn auch nur ein ausländischer Offizier nachts bei Blendlaternenlicht solche „Betrachtungen" anstellt. In verschiedenen deutschen Regimentern nehmen an den Hebun gen verhältnismäßig zahlreiche ausländische Offiziere teil, die aus der Türkei, aus Japan und China nach Deutschland ge kommen find. Gewiße ideale Momente, wie die Kenntnis der straffen Disziplin und der dadurch bedingten Schlagfertigkeit oder die Bewertung des Kameradschaftsgeistes mögen entschuldigend dafür angeführt werden. Aber das alles kommt ja lediglich den Eastoffizieren zugute; den deutschen Offizieren, dem deutschen Heere erwachsen praktische Vor teile aus derartigen Attachierungen nicht. Viel näher liegt die Möglichkeit, daß sich fremd ländische Offiziere Kenntnisse zu verschaffen wißen, die sie sehr nutzbar in ihrer Heimat, vielleicht gar gegen das deutsche Heer verwerten können. Darum erscheint es angebracht, die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Einstellung fremdlän discher Offiziere in die deutsche Armee über haupt auszuwerfen. Kein Industrieller würde Angehörige eines fremden Unternehmens, das ihm auf dem Weltmärkte gegebenenfalls einmal als Konkurrent gefährlich werden könnte, in seinem Betriebe anstellen. Die Ge fahr, daß solches Vertrauen einmal schlecht ge lohnt werden könnte, ist zu groß, als daß er sich ihr wissentlich aussetzte. Warum sollen Grundsätze, die auf wirtschaftlichem Gebiete sehr nutzbar sind, nicht auch auf militärischem Gebiete Anwendung finden können? Warum versperrt man nicht grundsätzlich fremden Offi zieren den zeitweiligen Eintritt in das deutsche Heer? Mögen sich Staaten, die deren bedürfen, immerhin deutsche Offiziere als Instrukteure ausbitten. Der deutschen Armee können Gast offiziere nichts nützen, sie können nur manches Wicyrige erkunden, was beßer im Interesse un serer Landesverteidigung verbargen bliebe. Doppelt gefährlich würden solche Offiziere aber, wenn sie durch liebenswürdiges Auftreten be rechtigte Wachsamkeit einschläfern würden. Der „Würzb. Gcneralanz." hat daher den bayrischen Offizieren, in deren Kreisen Major Joshida ver kehrte, einen Bärendienst geleistet, wenn er be hauptet, diese wären von dem Japaner jo ein genommen, daß sie ihm einen Spionageverjuch überhaupt nicht zutrauren. Bestrickende Liebens würdigkeit eines Ausländers in solchen Lagen ist doch eben das einfachste, natürlichste Mittel, aufkeimendem Verdacht zu begegnen und da mit desto besser die eigenen Geschäfte zu besorgen- Der Gang der Untersuchung wird ja bald zeigen, ob der Major Vertrauen verdient hat, oder ob ihm gegenüber nicht vielmehr Mißtrauen — oder, um diesen etwas kränkenden Ausdruck zu vermeiden: kluge Vorsicht — am Platze ge wesen wäre. Auf alle Fälle sollte uns aber der Vorgang auf dem Hammelburger Schießübungs platze eine erneute Mahnung sein, das System der Gasto ffizierc gründlich zu durchdenken. Wir meinen, das deutsche Volt würde für seine gänzliche Abschaffung das vollste Ver ständnis besitzen. KsnMilÄe pretztreibereien. I,. Paris, 20. Juli. Fast die gesamte Pariser Morgenpresjc macht heute gegen Las angebliche Verlangen Deutschlands nach Gabon mit Libre ville in schärfster Weise mobil. Marcel Hutin, Großrcporter Les ..Echo de Paris", will hohen Orts folgendes erfahren haben: „Herr v. Schön, der deutsche Botschafter, begab sich zum diplomatischen Empfang am Quai d'Orsay, um sich mit Herrn de Selves über die laufenden Verhandlungen zu unterhalten. Der Botschafter erklärte, Laß Herr o. Kiderlen-Wächtcr mehrere Konferenzen mit dem deutschen Staatssekretär der Kolonien über die Ge biete hatte, die Deutschland in Südafrika als Kom pensation für seine territoriale Verzichtleistung im Scherifenreich in die Diskussion zu ziehen wünsche. Herr de Selves verheimlichte dem Botschafter nicht, daß es sehr schwer scheine, die Prätentionen der Leutsärcn Regierung am Kongo als etwas anderes als einen Versuchsballon zu betrachten. Er setzte sogar hinzu, daß, wenn die Signatarmächte der Algscirasakte ihre Forderungen ebenso hochjchrauben würden wie Deutschland, wohl die gesamten französischen Kolonien nicht aus reichen würden. Herr v. Schön drückte dem Minister des Auswärtigen die Hoffnung aus, daß die Basis für einen vernünftigen und sowohl mit der Würde Frankreichs wie mit den Interessen Deutsch lands zu vereinbarenden Ausgleich gefunden würde und daß es durchaus in den Wünschen seiner Regie rung läge, eine für beide Teile gerechte Lösung zu finden." Der offiziöse „Petit Parisie n" schreibt: „Ge wisse deutsche Kolonialpolitiker möchten von Frank reich Gabon nnd Libreville erhalten. Die Berliner Kanzlei vertritt aber nicht diese Prätention, die sie unannehmbar weiß. Die Diskussion kann nur gewiße Distrikte im Hinteren Kongogebiet und in der Ilmaebuna des Tschadsees betreffen." Der „Mat in" stellt sich ebenfalls offiziös und nennt die deutsche Forderung „lächerl'ch". Dann aber erklärt er: „Das französische Publikum wünscht im Gegenteil, daß die V e r h a n d l u n g e n z u m Z i e le führen; deshalb darf aber Deutschland nur Vor schläge machen, die im Verhältnis zu dem stehen, was es uns überläßt. Es überläßt uns aber nur wenig, da wir schon das Abkommen von 190!) haben, in dem es sich politisch aus Marokko zurückzieht. Und weil dieser Vertrag existiert, fragt man sich in gewissen Kreisen, warum die Regierung es überhaupt für nötig hielt, die Unterhaltung mit Berlin einzuleiten. Weil ein deutsches Schiff nach Agadir gesandt wurde? Das Vorhandensein oder die Abfahrt dieses Schiffes, behauptet man in denselben Kreisen, dürfte keine Kompensation im Gefolge haben. Die deutsch« Regie rung würde die gegenwärtigen Verhandlungen kom» promittieren. wenn durch ihre exorbitanten Forde rungen die hier zitierte Meinung in Frankreich an Ausbreitung gewinnen würde." — Die „Petite I Repudliquc" verlangt, Laß. wenn Deutschland die Zerstückelung des französischen Kolonialreichs Vor schläge, die abgebrochenen Verhandlungen nicht wie der ausgenommen werden. — i g a r o" und „E ch o Le Paris" warnen oas Ministerium des Auswär tigen davor, mit der Geheimtuerei jortzufahren; das Land wolle missen, was Deutschland fordere; der Protest der Presse wäre für die Diplo matie von äußerstem Wert. — Alle Zeitun gen drucken Len heutigen Brandartilel der Londoner „Times" ab, die ganz in französischem Fahrwasser segeln, die Ueberlassung Librevilles an Deutschland für unannehmbar erklären und die Frage auswerfen, ob cs nicht gut wäre, zwei englische Kriegs schiffe nach Agadir zu senden, um die Ereig- nffse etwas zu beschleunigen. Es ist wirtlich erstaun lich, daß die drohende und gehäßige Rote aus Eng land kommt, während kein Pariser Blatt mehr von Entsendung französischer Kriegsschiff nach Agadir redet! In deutschen Regierungskreisen ist man von diesen Preistreibereien insofern unangenehm berührt, als sie nur zu geeignet sind, die deutsch-französischen llnterhandiungen zu hemmen und zu stören. Die „Köln. Zrg." tritt offenbar in offiziösem Auftrag diesem Beginnen entgegen. Bei den Erörterungen über Gegenwerte für das Zugeständnis Deutsch lands dafür, Laß Frankreich die politische Gewalt in Marokko allein ausübe, griffen Inter essenten,, vornehmlich der Redakteur des „Temps", Herr Tardicu, alles ablehnend, in die Dis kussion ein, wodurch der französischen Negierung die Auseinandersetzung mir Deutschland ungemein erschwert werde. Es sei zu bedauern, daß sich Spekulanten auch der französischen Presse be mächtigt haben uns, inoein sie gröbliche An schuldigungen gegen das Ausland schleudern, mit starkem Druck auf die eigene Regierung einwirken. Dem internationalen Verkehr sei ein solches Ge baren nicht zuträglich. Der „M a t i n" erfährt. Herr v. Kiderlen-Wächter habe sich beim Bot schafter Eainbon darüber beklagt, daß über ihre vertraulichen Unterhaltungen in der französischen Preße Berichte erscheinen. Darauf dürfte folgende amtliche Rote der „Agencc Havas" gegen die Meldungen der französischen Blätter zurückzu führen sein: Verschiedene Pariser Zeitungen veröffentlichen seit einigen Tagen Informationen oder Berichte über diplomatische Be sprechungen, betreffend die französisch deutschen Verhandlungen. Wir sind ermächtigt, zu erklären, daß alle diese Informationen oder Be richte auf keinen amtlichen Benach richtigungen beruhen und die Verantwortung dafür nur ihren Verfassern obliegt. Wir wollen abwarten, ob dieser kalte Wasserstrahl die erhitzten Gemüter der französischen Kolonial partei etwas beruhigt. Der nächste klerikale psrteitsg. Die „Natl. Korr." schreibt: Wenn man's so hört, möcht's leidlich scheinen: das Programm des „Katholikentages" nämlich, der vom ti. bis >0. August in Mainz statifindenden „58. General versammlung der Katholiken Deutschlands", das die „Germania" veröffentlicht. Dem „feierlichen Glockcngeläute von allen katholischen Kirchen der Stadt", mit dem Liese parteipolitische Veranstaltung veginnt, folgen an Len anderen Tagen ein Ponti fikalamt zur Anrufung des Heiligen Geistes, heilige Messen zu jeder Tagesstunde, Festzüqe katholischer Vereine, Festversammmlungen, Begrüßungsfeiern, Ausschußntzuugen, je vier geschlossene und öffentliche Versammlungen, Pontifikalamt, Requiem, heilige Meßen, Festmahl und Festfahrt. Wem wollte nicht das Herz aufgehcn bei solch großartiger Mani festation zu Ehren des katholischen Bekenntnisses, bei einer derart glanzvollen Bekundung religiöser Ge sinnung? lind doch ist eines aus Len e rst e n Blick verdächtig. Weder in dem angeführten Haupt programm noch in Lein ellenlangen „Programm der besonderen Veranstaltungen" unzähliger katholischer Vereine ist irgendwo der Name eines Redners, die Tagesordnung oder der B e - ratungsgegenstand aufgesührt, was doch überall sonst geschieht, wo sich sechs Tage lang eine Flut von Versammlungen, Ausschußsitzungen und sonstige Veranstaltungen über eine geduldige Zu hörerschaft ergießt. Es kann in dieser ganzen langen Woche Loch nicht unaufhörlich gebetet werden; und wenn man, wie das Aushängeschild des „Katholikentages" besagt, nur über religiöse, katho lisch kirchliche Fragen beraten will, bedurfte man Loch nicht eines solchen Niesenapparates, und man konnte die einzelnen Verhandlungsgeqenstände Loch ruhig bekanntgeben! Glaubt das Zentrum wirklich, diese Frisierung seines Parteitages als eines „Katholikentages", dieser Maßenbetrug, den ein solcher Mißbrauch der kirchlichen Einrichtungen und der religiösen Gesinnung zu parteipolitischen Zwecken bedeutet, habe heute noch irgendeinen Sinn? Ist man in der Tat überzeugt, daß ein Erwachsener sich über die eigentlichen Zwecke und den wahren Cha rakter dieser „Katholikentage" noch täuschen läßt? Heute, wo uns die ausgezeichneten Feststellungen Braeunlichs das ausgeprägt politische Treiben auf diesen Kongreßen zahlen- und datenmäßig nach gewiesen haben? Rur cinioe wenige Beispiele zur Ergänzung des oben angeführten kirchlich - katholischen Programms nach der politischen Seite hin. Im Jahre 1992 gab der Abgeordnete Lieber den Charakter der „Katholikentage" als Zentrumsparteilage in fol gender Auslassung direkt zu: „Die Fraktion des Zentrums hat nicht nur den lebhaften Wunsch, sondern sie erkennt voll und ganz ihre Verpflich- tnng an. hier über ihre Stellung (über ihre Stellung zum I e s u i t e n a n t r a g) dem kaholischen Volke Deutschlands rückhaltlos Rechenschaft abzu legen. (Bravo!) Aber ich erkläre ausdrücklich: nur dem katholischen Volke! (Bravo!) Vor niemandem sonst würden wir den Mund zu unserer Rechtfertigung auftun." (Bravo!) (Dr. Lieber 92, 306.)*) Die Wahlorganisationen der Z e n t r u m s p a r t e l sind es, die nach oen weiteren Feststellungen Braeunlichs Lie Katholikentage nach bestimmten Orten einladen und diese Tagungen arrangieren. Die „Katholikentage" nehmen das als etwas Selbstverständliches hin und verfahren nach den Vorschlägen jener parteipolitischen Organr- sationen. Umgekehrt sind Lie Zentrumsab- g c o r L n c t e n des Reichstages und der einzelnen Länder laut Geschäftsordnung der „Katholiken tage" offiziell zu diesen einzuladen. (Siehe 7l, 14; 90, 9 usw.) Für Sie Katholikentage gibt es natürlich überhaupt nur eine einzige politijck)e Partei. Diese, eben die Zentrumspartei, wird unablässig und allein verherrlicht (z. L. »8, 219; 89, 105; 90, 205; 91, 223), ihr ein Hoch über das andere ausgebracht (vergl. z. B. 97, 381; 79, 51), Lieder zu ihrem Preis gesungen iz B. . Des Zentrums Turm ist er geheißen, kein Feind wird je ihn Niederreißen", 85, 79, vergl. 85, 366>. Feierlich leistet man dieser „politischen" Partei den Schwur der Treue. Immer wieder spricht man ihr — und ihr allein — auch für ihre rein poli tische Tätigkeit bei einzelnen gesetzgeberischen Aktionen den Dank der „Katholikentage" aus. Dies geschah z. B. in folgender Form: „Die 39. General versammlung spricht der Zentrumsfraktion wieder holt ihren Dank und ihr Vertrauen aus für die nach- Lrückliche Vertretung der Interessen sowohl der Arbeiter — speziell bei Beratung der Berggesetz novelle — als auch der Handwerker." (92, 101.) Z e n t r u m s f ü h: e r erscheinen auf den „Katho likentagen" und nur auf ihnen, um dort im Auf trag ihrer Fraktion Erklärungen über deren Tätigkeit in den politischen Körperschaften ab zugeben und Vertrauenskundgebungen der Katho likentage für ihre Partei zu erbitten. „Ich denke, meine Herren, Sie sind mit den Erklärungen, die ich im Auftrage des Vorstandes der Zentrumspartei über unsere Haltung in der Vergangenheit und über unsere Haltung in der Zukunft abgegeben habe, zu frieden." (Langanhaltcnder, stürmischer Beifall.! (Dr. Lieber 92, 373.> — „Ich möchte bitten, wie ja auch bei jeder Gcneralversammmlung unser un vergeßlicher Windthorst gebeten hat, daß inan auch dem heutigen Zentrum ein recht ausgiebiges Ver trauen entgegenbringt." (Dk. Lieder 00, 297.) — Dr. Spahn: „Auch da, wo unser Herz wärmer wird als bei den wirtschaftlichen Fragen, bei den religiösen Fragen, bitte ich Sie um das volle Vertrauen zur Fraktion." (98. 309.) — Dr. Franz (86, 270), in be zug auf die Stcttungnhame der Zentrumsfraktion zur Frage der Handwerkerinnungen: „Meine Herren, ich bin nun in der eigentümlichen Lage, Sie bitten zu müßen, ein V c r t r a u e n s v o t u mm der Zen trumsfraktion zu geben, wicwohl ich derselben anzugchören die Ehre habe ... Ich bitte Sie also, den Schlußsatz anzunehmcn, das Vertrauen der Zen trumsfraktion auszusprechen." Uns nun wage es noch jemand, zu behaupten, die „Katholikentage" Hütten mit dem Zentrum und der ultramontanen Politik auch nur das geringste zu tun! Vielmehr werden auch in Mainz wieder Kirchen geläut. Pontifikalamt und heilige Meßen den Zen- trumsparteitag eröffnen und begleiten, und jeder mann wird glauben, es handje sich um einen Katholikentag. valksmirtlchslt unü Mertsge. Während die früheren Verordnungen Les Papstes dein modernen Volkswirtschaftsgedanken wenig Kon Zessionen zu machen schienen, verrät das letzte Motu- proprio, das eine Reihe Feiertage, die aus Wochen tage fallen, auf Sonntage verlegt wißen will, einen überraschenden Hauch neuzeitlichen Geistes. Die Bedeutung der Feier- und Ruhetage für das Wirtschaftsleben ist ganz außerordentlich, und zwar nach beiden Seiten hin. Der Ruhetag, der Sonntag, soll nach der Arbeit der sechs Werktage die Eintönig keit unterbrechen, eine Sammlung ter körperlichen und geistigen Kräfte und Erholung herbeiführen; das ist bei der landwirtschaftlichen Arbeit schon not wendig, viel mehr noch bei der eintönigen Fabrik arbeit. Die Nichtgewährung dieser Erholung und Abwechselung hat sich besonders an den Aroeitern und Arbeiterinnen der Baumwollindustrie in Eng land gerächt. Eine Resonanz findet dieses Bedürfnis nach ganzer Ruhe in der überall auftauchenden und jetzt ja auch meist Lmrchgeführten Forderung der Arbeiter nach einem vollen freien TaA in der Woche, der ja allerdings nicht mit dem Sonn tag zusammenzufallen braucht. Die Feiertage wurden früher vielfach so gelegt, daß sie Lie Arbeit möglichst wenig beeinträchtigten. Es kam ja in der Hauptsache die landwirtschaftliche Arbeit in Betracht, und so wurden die Feiertage zum Teil zwischen Aussaat und Ernte, nach der Ernte, in den Winter verlegt. So zäh die Landwirtschaft auch an den althergebrachten Methoden festgehalten hat, so hat sich die Betriebsweise doch derartig intensiv gestaltet, daß auch in den früher ruhigen Zeiten sich jetzt die Arbeit drängt und die Feiertage oft störend empfunden werden. Für Industrie und Handel kommt diese ruhiger« Zeit nun schon gar nicht in Zrage. Der Produktionsausfall durch die Feiertage ist recht erheblich. In protestantischen Ländern werden außer den Sonntagen 8—10 kirch liche Feiertage rm Jahre gefeiert, von denen drei noch Lazu auf einen Sonntag fallen können, so daß man im Durchschnitt mit ikber 300 Arbeitstagen im Jahre rechnen kann. In Bayern kommen noch 11 all gemein« Feiertage und ferner di« Feier für den Schutzheiligen des Ortes — in München der Benno» tag — hinzu, so daß es also dort zwölf *) Tie Zahlen vor dem Somma bedeuten dte Jahre«» tahl. Die Zahlen nach dem Somma dte betr. Sette de» amtltche» Pr »t » k , l»« de« betr. ^knthottkenta«ed*.
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