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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.07.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110721010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911072101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911072101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-21
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Dss Wichtigste. * Das Gerücht, Staatssekretär von Kiderlen- Wachter werde sich zum Kaiser nach Nor wegen begehen, um ihm Bericht über die M a - rokko-Angelegenheit zu erstatten, wird an amtlicher Berliner Stelle als Erfindung bezeichnet. (S. bes. Art.) * In der Landschaft Urmedi in Deutsch- Ostafrika wurde eine Karawane farbiger Händler niedergemacht und ausgeplündert. (S. Dtschs. R.) * Ueber Persien ist der Kriegszustand verhängt worden. Die Regierung hat eine Expedi tion gegen den Ex-Schah ausgerüstet. lS. bes. Arl.) * Die englische Arbeiterpartei kündigt an, das; sie das Dersicherungsgesetz ab- tchncn werde. Zommergerüchte. In der parlamentslosen Zeit unterhält man sich über Revirements! Das ist in deutschen Landen so der Zeitungen Lauf. Gewöhnlich unterhält man sich darüber auch nicht zu Un recht, denn in der Regel pflegt der Hochsommer, wenn über die Kieler Wasser die Segeljachten streichen und der Duft der Linde süß durch die Lüfte zieht, die Zeit zu sein, wo die Minister voll der schweren Krankheit befallen werden, von der sie in Amt und Würden nimmer zu genesen vermögen. Indes ist die kritische Frist in diesem Jahre vorübergegangen, ohne uns das große Ministersterben zu bringen. Auf manchen hatte man vorher mit den Fingern gewiesen und ihn als morüuruL bezeichnet. Vielleicht, wenn die Reichsversicherungsordnung und das elsaß- tothringische Verfassungswerk nicht geworden wären, Hütte der Staatssekretär des Innern auch wirklich sich leidend zu fühlen begonnen. Aber beide Unternehmungen gelangen über Erwarten gut. Herr Clemens Delbrück erntete hohen Lrdensdank und gibt sich jetzt in Tabarz der wohlverdienten Ruhe hin. Auch auf Herrn Sydows jovial lächelndem Antlitz glaubten be sonders kundige Leute den hippokratischenZug ent deckt zu haben, seit er den Wünschen des Agrarier tunis in Sachen des Hansabundes so freimütig sich widersetzte, und mehr noch, als er den Ver- frommungsbestrebungen der „zufällig, aber natürlich Verbündeten" vom schwarzblauen Block bei Gelegenheit der Fortbildungsschul gesetze ein „Bis hierher und nicht weiter!" ent gegengestellt hatte. Aber Herrn Sydows merk würdig gesunde Ministerkonstitution überwand solche Anwandlungen, wofern sie überhaupt sich eingestellt hatten. Und das; der morbus miuiste- rialis Herrn v. Schorlemer nicht packen konnte, obschon er vielleicht wirklich kein „Ostmarken- minlster" ist, war für jeden, der weiß, dass der Herr Reichskanzler in diesen Stücken nicht viel anders empfindet, und daß noch weit höhere Stellen ähnlichen Erwägungen zurzeit nicht un zugänglich sind, von vornherein ausgemacht. Aber wie in Gutzkows halbvergessenem Rotokolustspiel „Zopf und Schwert" der Oester reicher Seckendorf zu seinem preußischen Kollegen zu sagen pflegt: „Man muß nur kom binieren, Grumbkow!" Und so kombinierte man denn und ernannte Herrn Vierhaus, den Breslauer Oberlandesgerichtspräsidenten, zum Nachfolger des Herrn Beseler und Herrn Schwartzkopff zum Oberpräsidenten von Posen. Es ist wahr: Herr Beseler könnte amtsmüde sein. Jedenfalls gibt es viele, die seiner Amtsführung müde sind. Zwar hört man ihn in Fachkreisen, auch aus den Reihen unserer Parlamentsjuristen, häufig als vortrefflichen und feinen Juristen preisen. Allein das Urteil der politisch interessierten Laienwelt dürfte vielleicht doch etwas anders ausfallen. Auch Herr Beseler ist, wenn man in Anlehnung an eine ähnliche Bildung so sagen darf, ein Taufschein-Liberaler. Einer von denen, die von manchem emsigen Schreiberlein aus Zentrums Gefilden angeführt werden, wenn die „liberale Durchseuchung" unserer Ministerbänke demon striert werden soll. Immerhin wird Herrn Beseler zu bescheinigen sein, daß er von seinen liberalen Qualitäten keinen aufdringlichen Ge brauch gemacht hat. Unter ihm ist die Sucht der Verwaltung — sie war freilich schon früher da —, Einfluß auf die Justiz zu gewinnen, ständig ge wachsen. Eine besonders sinnfällige Episode stellten in der Beziehung die Hardenprozessc dar. Auch wer Herrn Harden grundsätzlich und persönlich nicht wohlwill, wird — vier Jahre j kühlen selbst das heißeste Blut — nun wohl zu bekennen geneigt sein, daß die Art, wie damals einem, der sich mißliebig gemacht hatte, der Gerichtsstand gewechselt wurde und mitten im Verfahren aus einem Privatbeklagten ein ex otüoio Angeklagter ward, nicht gerade geeignet schien, den Ruhm der preußischen Justizverwal tung zu erhöhen. Und was wir im letzten Herbst und Winter an dem ersten Moabiter Krawallprozeß erlebten, fällt wohl in dasselbe Rubrum. Also: an sich würde es an Gründen, die Herrn BeselersScheiden rechtfertigen könnten, schon nicht fehlen. Dennoch wird er nicht gehen. Es wird in dieser Sommerszeit, über der die satte Behaglichkeit des schwer errungenen ersten Erfolges lagert, überhaupt niemand gehen. Nicht einmal Herr Schwartzkopff nach Posen. Wir möchten auch nicht annehmen, daß Herr Schwartzkopff selber eine solche Stellung anstrebt und daß sie seinen Neigungen entspräche. Der wirkt nun ein kleines Menschenalter im Kultusministerium und ist seit langen Jahren, zumal seit er nach Althoffs Ausscheiden die Hand auch über das höhere Unterrichts wesen gelegt hat, dort der mächtigste Mann. Es wäre nicht einzusehen, warum er dies einflußreiche Amt, das ihm dazu noch allerlei Zukunftsmöglichkeiten bietet, aufgebcn sollte, um sich auf dem undankbaren Posener Posten zu verbrauchen. Er hätte für eine solche ! Sehnsucht nicht einmal die Entschuldigung, daß man lieber im Dorfe Zäsar spielt, als in Rom die zweite Geige. Herr Schwartzkopff ist auch in Rom, soll heißen im preußischen Kultus ministerium, bisher schon durchaus Zäsar. Er hat dieselbe überragende Stellung unter Herrn v. Trott zu Solz, wie er sie in den letzten Jah ren unter Herrn Dr. v. Studt hatte, und seine Erhöhung zum llnterstaatssekretär hat daran nichts geändert. Seit Herr Schwcntzkopsf es inne hat, ist dies Amt, was es ja nicht immer zu sein braucht und auch gewiß nicht immer ist, ein politisches Amt geworden. Eine sächsische Ssnüelslmmmer kür Ermäßigung üer Zölle. In dem soeben erschienenen Jahresbericht der Handelskammer Plauen lesen wir folgende, sehr beachtenswerte Sätze über die Lage der Industrie und über die künftige Zollpolitik: „Die so gespannte innervolitische Lage nötigt auch zu einem Ausblick in die Zukunft und läßt die Frage entstehen, ob auch für fernere Zeiten der seit einem Menschenalter als Grundsatz unserer Zollpolitik in den Vordergrund gestellte Schutz des heimischen Marktes noch weiter bis in seine äußersten Konsequenzen verfolgt werden darf, oder ob nicht di« Durchführung dieses Grundsatzes bereits jetzt aufdieSpitze getrieben zu sein scheint. Bei voller Anerkennung der Wichtigkeit eines großen und kaufkräftigen heimischen Marktes für die Entfaltung der industriellen Kraft hat sich doch die Industrie be reits allmählich an den Gedanken gewöhnt und wird sich weiter daran gewöhnen mühen, nicht mehr ihr Heil in hohen inländischen Zöllen und in dem Absatz im Inland« zu sehen, sondern m i t N a ch d r u ck a u f eine Ermäßigung der Zölle des Aus landes im Interesse unseres Exports zu dringen, denn der S ch w e r p u n k t der nationalen Arbeit liegt gegenwärtig in der Förderung des Ex ports. Eine Erleichterung des Exports läßt sich aber, soweit es sich um Maßnahmen zollpolitischer Natur handelt, nur verwirklichen, wenn die Industrie selbst bereit ist, die inländischen Zölle zu ermäßigen. Die Fertigindustrie wird vielfach eher geneigt sein, sich diesen Gedanken einer Ermäßigung der Inland- zölle anzueignen, aber auch die Großindustrie wird nicht umhin können, sich hiermit vertraut zu machen, und gerade sie wird hierzu vermöge ihrer starken inneren Organisation, die ihr eine feste Stütze für den Absatz ihrer Produkte auf dem inneren Markt gibt, auch in der Lage sein. Durch die vom Bunde der Landwirte verkündeten weiteren Ansprüche des Agrariertums wird aber die Großindustrie geradezu gezwungen werden, sich auf eine Herabsetzung der Industriezölle einzurichten. Denn die Landwirtschaft wird ihre weitere Forderung nur unter der Drohung einer Zerschlagung der Zölle der Großindustrie durch setzen können, und es wird nur dann möglich sein, sie im Schach zu halten, wenn die Industrie sich darauf einrichtet, einem solchen Verlangen von vornherein durch Verzicht aus einen Teil des Zollschutzes zu be gegnen. Es ist ja schließlich nur ein Rechenexempel, ob die Industrie bereit ist, den Inlandszollschutz mit einer weiterenVerteuerungderLedens- Haltung und damit einer Erhöhung der Ar beiter löhne als eines wesentlichen Faktors der Produktionskosten zu bezahlen, oder ob sie dieser zu befürchtenden Verteuerung ihrer Produktions kosten durch Verzicht auf einen Teil des Zollscbvtzes begegnen will. Um weiteren Ansprüchen des Agra- riertums «in wirksames Paroli zu bieten, kann der Weg nicht zweifelhaft sein. Die Industrie darf sich zur Wahrung ihrer Lebensinteresscn und zur Auf rechterhaltung und Erweiterung ihres Exports eine Verteuerung ihrer Produktionskosten durch eine weitere Hinausschranbung der Kosten für die Lebens haltung der Arbeiter nicht bieten lassen, denn i eine weitere Verteuerung der Lebenshaltung würde I eine direkte Gefahr für den Bestand der deut schen Volkswirtschaft bilden. Das muß einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden, und man wird gut tun, diese wirtschaftspolitische Situation bei den im laufenden Jahre bevorstehenden Wahlkämpfen für den Reichstag im Auge zu behalten und zwar um so mehr, als in die Legislaturperiode des nächsten Reichstags der Abschluß neuer Handelsverträge fallen wird. Die nervösen Asnzalen. Kaum hat man sich in Paris einigermaßen über den spanisch-französischen Zwischenfall in Elksar be ruhigt — ganz zufriedengestellt ist ein Teil der Presse übrigens noch nicht — da werden die Franzosen wieder einmal darüber nervös, daß sie so wenig Sicheres über den Gang der deutsch-französischen Verhandlungen ertahren. Der „Matin" tut sich in Angriffen ganz besonders hervor. Er glaubt nämlich behaupten zu können, die deutschen „Kompensations forderungen", über die in der Oeffentlichkeit niemand etwas Sicheres weiß, beträfen das ganze Gabun gebiet samt Libreville, und ist darüber sehr ent rüstet. Gleichzeitig scheint sichaberauchderSturm gegen Spanien zu erneuern, denn eins der führenden Organe der Kolonialpartei, das „Echo de Paris", meldet, daß der Verkehr zwischen Tanger und Fez infolge spanischer Uebergriffe immer noch sehr er schwert sei. Dabei wird natürlich die eben erst begrüßte Verständigung wegen des Zwischenfalls in Elksar als viel zu geringwertig für Frankreich hingestellt. Die Verärgerung der französischen Kolonialpartei kommt sehr anschaulich in folgendem Briefe unferes Parifer Mitarbeiters zum Aus druck: D Paris, 19. Juli. „Kien no VL plus!" Ein Sturm ist in der franzö sischen Presse ausgebrcchen, der bekannte Sturm nach der Stille. Die Sensationsblätter vom Schlage des „Matin" Hal en ihre faustdicken „Manschetten" wieder gefunden, ohne die bei der Sommerhitze der Straszen- bandel des Papiers zur ückgeht. „Unsere marokkanischen Schwierigkeiten. Die französisch-deutschen Verhand lungenmachen keineFortschritte. Diedeutschen Präten tioncn sind unannehmbar! Infolge der Verhaftung unseres Konsuls in Elksar fordert Frankreich von Spanien Entschuldigungen!" Bei solchen angst erregenden Titeln weiß das Organ des berühmten Herrn Bunau-Varilla, daß die Geschäfte gehn werden und daß wohl auch eine kleine Baisse aus der Börse eintreten wird. . . Wir zitieren werter unten einen Brief des Marquis de Segonzac, eines der Haupt agenten des Marokko - Komitees, an das „Echo de Paris", daraus ersieht man wunderbar deutlich, wie groß der Zorn und die Enttäuschung gewisser fran zösischer Spekulanten ist, daß die Spanier Larasch und Elksar als in ihrer Zone liegend beschlagnahmen. Man geht nicht fehl, wenn man einen Teil der jetzigen gehässigen Kampagne gegen Spanien auf die kapitalistische Kratt der in Larafch ge schädigten Kolonialpolitiker zurücksührt. Gewig. die Verhaftung eines Konsuls erheischt stets eine formelle und etwas feierliche Entschuldigung. (Ist inzwischen auch erfolgt. D. Red.) In Tripolis wurde ein eng lischer Vizekonsul vor einigen Tagen von einem türkischen Obersten sogar geschlagen, und oie Türkei wird dafür in England einen diplomatischen Ent- schuldigunasbejuch abstatten lassen. Aber erhebt die englische Presse wegen dieses Zwischenfalls ein Geschrei, als ob die ganze Ration die angetane Schmach nie verzeihen werde? Rein, es handelt sich darum, die Spanier einzu schüchtern und ihnen klarzu machen, daß Frankreich Marokko für sich. d. h. für seine Spelulanten, allein haben will. Warum aber gleichzeitig der Vorstoß der Pariser Presse gegen Deutschland? Warum diese Störung der Verhandlungen zwischen Berlin nnd Paris? Wers; man schon Bestimmtes über die „unan nehmbaren deutschen Prätentionen"? Rein! Und da liegt der Hase im Pfeffer' Wir teilten in einer letzten Korrespondenz einen verbürgten Ausspruch des Ministerpräsidenten mi>. Herr Eaillnux er klärte einem befreundeten Finanzier: „Ich habe ein neues System: Ich sage nrchts!" Dies neue System behagt der Pariser Presse nicht: sie will n,cht auf die gewohnten täg lichen Informationen des Quai dOrsay verzichten und möchte lieber mit ihren Kommentaren an der diplomatischen Besprechung der Herren v. Kiderlen- Wächter und Cnmbon. sowie der Herren de Selves und v. Schön teilnehmen. Ihr Korrespondent teilte Ihnen gleichzeitig mit, daß deshalb eine .Kampagne in gewissen Blättern einsetzen werde. Diese Kampagne hat mit aller Schärfe begonnen und wird die Aufgabe des Herrn Eaillaux nicht erleichtern. In Berlin wird man jetzt mrt denselben gehässigen Drohungen rechnen müßen, die schon zweimal eine wirkliche Lösung der Marokko-Frage unmöglich machten. Die kurze Spanne der ruhigen Diskussion scheint vorüber. Herr v. Kiderlen-Wächter zieht sich schon wieder klug auf seine früheren Positionen zurück, wenn man der offi ziösen Rote der „Rational-Zeitung" vertraut, wonach man in Berlin von dem vielen Pariser Gerede über Kompensationen erstaunt ist, da Deutschland Marokko nicht als unbegrenzte Einflußsphäre den Franzosen überlassen könne. (Diese Note wird von der ganzen Pariser Presse wiedergeneben.) Im „Matin" liest man: „Nach Erkundigungen, die uns aus Berlin kommen, kann man unglücklicher weise die eingeleiteten Verhandlungen unmöglich optimistisch betrachten. Während der letzten Unter redung zwischen unserem Botschafter und dem Staats sekretär des Auswärtigen formulierte letzterer ab- ;olut unannehmbare Kompensationsforde rungen. Deutschland verlangt nichts weniger als Vie Küste des Kongos, einbegriffen Libreville, und will uns nur zum großen Teil das Hinterland lassen. Auf die Bemerkung des Herrn Cambon: „Wo würde dann unser Ein- oder Ausgang zum französischen Kongo sein?", antwortete der deutsche Staatssekretär: „Man könnte eine Eisenbahn bauen." Natürlich wies Herr Cambon diese Prätention deutlich zurück. Herr von Kiderlen-Wächter versprach, den dcutichen Kolonialminister zu konsultieren. Soweit sind die Verhandlungen gekommen. Deutschland versteht sich vortrefflich aufs Markten. Wie ein ge schickter Kaufmann hat es die Gewohnheit, viel zu viel zu verlangen, um möglichst viel zu erhalten. Um eine französische Phrase anzuwenden: es verlangt ,.IM bueot pone uvon UN oeut", einen Ochsen, um ein Ei zu bekommen. Der Optimimus, mit dem man bisher in gewissen französischen Kreisen den Verlauf der Verhandlungen betrachtete, ist verschwunden. Man ist der Ansicht, daß die Verhandlungen sich lange hinausschleppen können, aber man verzweifelt nicht daran, doch zum Ziel zu kommen, wenn Deutsch land sich geneigt zeigt, weniger unannehmbare Prä tentionen zu bekunden." Das „Echo d e Paris", mit dem „Temps" Haupt organ der Kolonialpartei, erhält von dem oben genannten Marquis de Segonzac folgenden Brandbrief: „Wir wissen hier nicht, welche Wirkung in Frankreich die spanischen Provokationen Hervor rufen: Sie müssen aber wissen, welche verzweifelte Wut sie in der ganzen Gegend von Elksar verursachen. Jeden Tag gibt es einen neuen Zwischenfall: Un verschämtheit oder Ungeschicklichkeit: jeden Tag gibt es neue Verletzungen unserer Rechte, neue Einfülle auf unser Gebiet.l!) Sie müssen erklären, daß das Maß jetzt voll ist. Von einem Augenblick zum andern können die Gewehre von selbst los gehen. Dann werden Sie dem Ausstand aller Dje- balas und des ganzen Rarbs gegen jene beiwohnen, die sich ohne jedes Recht und ohne jeden Grund als Herren in einem Lande aufspielen, das nur im Frieden unter der Autorität des Sultans aus- zublühen wünscht. Seit einem Manat predigt man uns Geduld, verlangt von uns, die aufgeregten Einge borenen zu beruhigen (?). Aber jetzt entwindet sich das Land unseren Händen (!>, man vertraut nicht mehr unsern Versprechungen, daß wir intervenieren würden. Die spanischen Truppenlandungen dauern fort, Patrouillen schneiden überall die Wege ab und letzten die öffentliche Sicherheit in Gefahr. (!) Wir sind benachrichtigt, daß sich ein Aufstand vorbereitet. (!) Die Eingeborenen sagen laut, daß sie sich im Namen des Sultans erbeben werden gegen den spanischen Eindringling. Die Besetzung Tcluans wird das Signal für ihre Aktion geben. Unver meidlich müssen wir in dem kommenden Konflikt Partei ergreifen: denn wir haben hier mehr als Interessen. Unsere marokkaniichen Teilhaber sind unsre Mitarbeiter, unsre Freunde geworden, ihr Vertrauen macht uns zu ihren Beschützern. Wir werden mit ihnen kämpfen, wenn man sie an greift, und wie ehedem in Indien wie in Kanada werden wir der Welt das Schauspiel van Franzosen geben, die für die Größe ihres Vaterlandes selbst vor den Augen eines gleichgültigen Frankreichs kämpfen." Wer möchte nach dieiem Bries des Vertrauens manns des französischen Marokkokomitecs noch be zweifeln, daß die „Provokationen" in Elksar nur auf feiten der Spanier liegen! * Hiderlcn-RZncchter nnd Betknininr »ollw.g. Staatssekretär von K i d e r l e n W ä ch t e r weilte am Mittwoch einige Stunden aus dem Gute des Reichskanzlers in Hohenfinow. Die Konferenz währte mehrere Stunden. Am Donnerstag arbeitete Herr von Beth mann Hoilweg einige Stunden in Berlin im Reichskanzlerpalais. An der Berliner Börse war am Donnerstag das Gerücht verbreitet, daß der Staatssekretär von Kiderlen-Wächter nach Norwegen reise, um dem Kaiser über die marokkanische^Angelegenheit Bericht zu erstatten. An amtlicher Stelle wird die Nachricht als Schwindel bezeichnet. Zum Staatsstreich in Persien. Der Staatsstreich des ehemaligen Schahs Mo hammed Ali ist sehr gut vorbereitet worden. Kaum war seine Landung erfolgt, so strömten ihm von allen Seiten angesehene Parteigänger zu. die bereits in größter Stille den Boden für die Er hebung gegen die konstitutionelle Regierung vor bereitet hatten. Ihr Wert ist es jedenfalls, wenn sich mit den Turkmenen fast alle Nomndenstämme des nördlichen Persiens Mohammed Ali angeichlossen haben. Dieser fühlt sich bereits an der Spitze seiner Anhänger so stark, daß er, wie bereits gemeldet, so fort den Marsch auf die Hauptstadt, wo er den Sepehdar zu seinem Statthalter erklärt haben soll, angetreten hat. In Londoner Finanzkreisen, die in Persien be sonders interessiert find, mißt man allerdings den Nachrichten über die Rückkehr des Schahs nur g e r i na e Bedeutung bei. Die Zahl der Anhänger des Ex-Schahs sei so gering, daß dieser sich unmöglich längere Zeit halten könne. An eine neue Herrschaft Mohammed Alis in Teheran will man nicht glauben. Man ist der Ansicht, daß der Ex-Schah ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden wird, wie er gekommen ist. Anders ist die Meinung in Rußland. Die „Nowoje Wremja" erklärt bei Erörterung der jüngsten Vor gänge in Persien, daß Rußland auf keinen Fall der zunehmenden Anarchie gegenüber ruhig bleiben und das Schwinden der Sicherheit dulden könne. Die russische Regierung müße ausgedehnte mili» tärische Maßnahmen gegenüber Persien zur Sicherung ihrer Interessen ergreifen. In politischen Kreisen betrachtet man diese Ansicht der „Nowoje Wremja" als die der Regierung und glaubt, daß militärische Operationen an der persischen Grenze bevorstehen. Weiter wird gemeldet: Wien, 29. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Ein Ver trauter des früheren Schahs Mohammed All äußerte sich einem Befrager gegenüber dahin, daß es dem Ex-Schah sicherlich gelingen wird, in Teheran einzuziehen. „Ganz Persien", erklärte er, „sehnt diesen Augenblick herbei. Mohammed Alis Bruder Schua-es-Saltaneh ist davon überzeugt, daß die Perser ihrem alten Schah in Scharen zuströmen werden, so daß er bald wieder im Besitz der Macht jein wird. Es wird ihm nicht schwer fallen, auf dem Marsch nach Teheran Mannschaften um sich zu I sammeln, denen die Regierung kaum 2000 Bewaffnete
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