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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.07.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110728018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911072801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911072801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-28
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Bczufts-Preis lvr t'«lp»ia v«d Vorort« durch vnler« Träger und Eo»dtr«ur« Lmal tiigltch in» yau» gebracht' S0PI. monatl^L.7VMk. »lerlellährl. v«t un<«rn Filialen «. An» nohmestrllen adaeholt: 72 Ps. »onatl., r.rS Mk. vierteljähri. »ur« »i« Poft: lnn«rhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien rierteljährl. S.Stl Mk.. »onatl. 1.20 ourichl Pollbesrellaeld Ferner in Belgien, Tänemvrl, den Donaultaaren. Italien, Üuiemburg, Niederlande. !ltor> liegen, Lenerreich - Ungarn. Nutzland. Schweden. Schwei« u Svanren. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« L«Ichäit»ftell« d«» Blau«» erhältlich. Da» Leivstger Tageblatt «rlchelnt 2mal täglich, Sonn» u. F«iertag» nur mergen». Ädonncment»-Annahme' I»hanni«goile S, dei unseren Trägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Moraen-Ausaabe. MiMgcr TllgMM s 14 892 lNacht-uschl»» Tkl.-Anschl.j 14 693 1 14894 """""" Handelszeitung Amtsblatt des Rates und des Nokizeianstes der Ltadt Leipzig. 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Dss Wichtigste. » Heute wird der Reichskanzler dem Kai ser in Swinemünde über den Stand der Marokkofraze Bericht erstatten. (Siehe Dischs. R.) * Der Kaiser spendete 20000 M für die durch den Brand Geschädigten in Konstantinopel. (S. Tageschr.) * Im englischen Unterhaus gab Asquith eine länger« Erklärung über die Haltung Eng lands in der Marokko frage ab. (S. des. Art.) * Da die Ordnung im Marne- und Aube- gebiet fast vollständig wiederhergestellt ist, sind die in die dortigen Wringebiete entsandten Truppen in ihre Garnisonen zurückgekehrt. * In Port-au-Prince soll der Gesandte von Haiti in Berlin Fouchard zum Präsiden ten ausgerusen worden sein. (S. d. bes. Art.) * Die mexikanischen Aufständischen haben die Stadt St. Ioss erobert. (S. Ausl.) Die Partie zu zmeen unü üer Kiebitz. Am Sonnabend trifft Kaiser Wilhelm auf drr Rückkehr von seiner Nordlandsreise wieder auf heimischem Boden ein. Nicht früher als ursprünglich in seinem Plane lag: es war immer schon vorgesehen, daß die heurige Nord landreise bereits am 28. Juli ihr Ende finden sollte. In der Beziehung jedenfalls hat die Sensation dieses Sommers die Dinge nicht ver rückt, wenn schon sie vielleicht auf das Ziel der Fahrt nicht ganz ohne Einfluß geblieben ist. Der Kaiser hat sonst nördlichere Breiten auf gesucht; diesmal ging er mit seiner Reisegesell schaft vor Balholmen angesichts des lieblichen Badestrandes vor Anker; von wo, wenn es sein muß, die heimische Küste immer in 36 Stunden erreicht werden kann. Also: die Rückkehr des Kaisers steht an sich mit der marokkanischen Angelegenheit nicht in Zusammenhang. Wenn gleich sie selbstverständlich in den Borträgen, die nach feststehendem Brauch die Leiter unserer Politik dem Kaiser regelmäßig bei seiner Rück kehr von längerer Auslandsfahrt zu halten pflegen, einen ansehnlichen Raum einnehmen werden. Indes ist es charakteristisch (wenn es nicht noch etwas anderes ist), wie unsere guten Freunde, die Franzosen, diese Rückkehr mit den marokkanischen Fragen zu verknüpfen wissen. Jenseits der Vogesen — und damit hat man Wilhelm II. den Dank abgestattet für die vielfachen Beweise hochherziger inter nationaler Courtoisie und seine durch bald 25 Jahre bewährten Bemühungen um den Frieden — ist die Meinung aufgc- kommen, als läge es in Art und Veran lagung des Kaisers, jedem ernsthaften Konflikt auszuweichen. Dieser Meinung begegnet man auch jetzt wieder; zum Teil mit dick aufgetragenen Schmeicheleien, die den dreisten Hohn, der in ihnen steckt, dennoch nicht zu verhüllen vermögen. Und deutlich vernimmt man die Hoffnung: wenn erst der Kaiser seine Hand auf das Spiel legte, das bislang Herr von Kiderlen allein gemischt, würden die Fäden sich alsbald entwirren und wie in früheren Fällen, auch schon in früheren Phasen dieser unglückseligen marokkanischen Angelegenheit holde Eintracht sich von neuem einstellen. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß es sich dabei, ganz abgesehen von der dr eisten Unterstellung, um Trugschlüsse handelt. Es gibt in der Beurteilung der marokkanischen Dinge keine Meinungsverschiedenheit unter den Regierenden und man darf gottlob hinzufügen: es gibt, die in spießbürgerlicher Weltfremdheit versunkene Sozialdemokratie ab gerechnet, sie auch nicht unter den Regierten. Anfangs mögen in der deutschen Oeffentlich- keit ja einige Differenzen bestanden haben, die vielleicht im Grunde auch mehr Unterschiede des Temperaments waren. Man hatte um das Fell des Bären zu streiten begonnen, ehe noch dieser selber erlegt war, und war nach alter deutscher Sitte über der Frage der so genannten „Kompensationen" einander fast in die Haare geraten. Aber anfangs hatte die Affäre auch ein ganz anderes Gesicht gehabt. Damals „unterhielt" man sich ja noch zu zweien, die französischen Unterhändler wichen I vor unseren Forderungen nicht zurück und so wenig schienen sie über sie bestürzt zu sein, daß ein französischer Diplomat vielleicht allzu sanguinisch gemeint haben soll: wenn erst die marokkanische Frage endgültig ge löst und dieser stete Stein des Anstoßes zwischen Deutschland und Frankreich restlos aus der Welt geschafft sei, würde doch wieder eine Epoche anbrechen, da man daran denken konnte, kontinentale, europäische Politik in engem Sinne zu machen. Diese Träume sind bekanntlich zerronnen. Zwar unterhält man sich noch immer zu zweien; unterhandelt, soweit die unmittelbar Beteiligten in Betracht kommen, auch nicht ohne Hoffnung, und, wie man uns versichert, nicht ohne daß die französischen Kompetenten Entgegenkommen beweisen. Trotzdem ist man nicht mehr allein Gewiß — darin haben unsere Offiziösen schon Recht — eine offizielle Einmischung Eng lands liegt noch nicht vor, keine diplomatische Note, keine Mitteilung durch den britischen Ge schäftsträger in Berlin, daß England bei den Verhandlungen der Dritte zu sein wünscht. Dennoch hat es keinen Sinn sich darüber zu täuschen, daß durch Lloyd Georges Rede eine solche Einmischung tatsächlich erfolgt ist. Der Schwerpunkt der ganzen Unternehmung ist mit einem Schlage völlig verrückt. Statt mit Frankreich haben wir es plötzlich mit England zu tun, das sich breit und trutzig vor der zur Verhandlung und anscheinend auch zu Entgegenkommen bereiten französischen Regie rung aufpflanzt und ihr, wie nur der Herr dem Schutzbefohlenen, vorschreibt, wie weit sie über haupt gehen dürfte, Widrigenfalles für die Briten die „Erniedrigung" anhöbe, für die ihnen der Friede ein zu hoher Kaufpreis dünke. Man wird es den stolzen Galliern, wird es der „France superbe" überlassen müssen, wie sie sich mit der Souzeränstellung abfinden, in die sie von dem englischen Aliierten hineinmanövriert wurde. In Deutschland wird man sich jedenfalls nicht darein fügen, in Eng land den Arbiter mnucli zu verehren, der dem Erdkreis seine Gesetze gibt. Darüber ist unter dem Eindruck dieser letzten Wendung auch alles Kompensationsgerede verstummt. Das ist eine 6urn potorior, über die zu ihrer Frist zu reden sein wird. Ungleich näher liegt und ungleich wichtiger ist, worin wir alle einig sind: daß es nicht angeht, Deutschland als den Poeten, der allemal zuletzt kommt, beiseite zu schieben; daß wir ein heiliges und im Ernst auch gar nicht zu bestreitendes Recht haben, in dem Moment, wo die Republik sich anschickt am Nord- und Westrande Afrikas sich ein ver längertes Frankreich zu begründen, auch unsere Ansprüche anzumelden. Das Bewußtsein solche r Ei nmütig kei t über hebt uns auch aller Nervosität. Die Regierenden wissen sich, wie wir anzunchmen Grund haben, ohne hin von ihr frei. In diesem Stück sollten, so fern Ansätze dazu überhaupt vorhanden sind, die Regierten es ihnen gleichtun. Die Partie, u der wir uns zu zweien, den unwillkommenen englischen Kiebitz im Rücken, niedcrgesetzt haben, ist ja nicht gerade das edle Pokerspiel; aber auch bei ihr wird nur gewinnen, wer die besten Nerven und den längsten Atem hat. Sofialüemskrst unü Kelerar- mstfier. In der Presse ist in letzter Zeit der doch kaum denrvare Fall, daß ein Offizier des Beurlaubten standes bei der Wahl zum Reichstage für einen So zialdemokraten stimmt, nach verschiedenen Rich tungen hin erörtert worden. Die Frage dreht sich, wie die „Allgemeine Armeekorrespondenz" schreibt, weniger darum, ob ein Offizier des Beurlaubten standes der sozialöemokratiscl-en Partei angehören könne, ohne dadurch in Gegensatz zu seinem Fahnen eide zu kommen, als darum, ob die Standespflichten es ihm gestatten, bei einer Wahl zwischen Zentrum und Sozialdemokratie den Kandidaten der letzteren, als das vermeintlich kleinere Uebel, zu wählen, ohne sich sonst als Anhänger der sozialdemokratischen Partei zu fühlen. In der rechtsstehenden Presse war wohl kaum ein Zweifel darüber gelassen, daß die Wahl eines Sozialdemokraten mit der Stellung als Offizier unter allen Umständen unvereinbar sei; nur über die Folgen eines solchen Verhaltens gingen die Ansichten auseinander, bewegten sich sogar vielfach auf falscher Fährte. Die sozialdemokratische Partei ist als volitische Partei offiziell anerkannt: ihr sind alle Rechte einer solchen eingeräumt: die Zugehörigkeit zu dieser Partei und Betätigung der sozialdemokratischen Ge sinnung ist somit niemals ein Vergehen im Sinne des Strafgesetzbuches; es ist daher auch ausgeschlossen, daß ein Mann des Beurlaubtenstandes seiner sozial demokratischen Gesinnung wegen militärisch zur Ver antwortung gezogen werden kann, solange er sich im Beurlaubtenoerhältnis befindet. Anders verhält es sich mit dem Offizier des Beurlaubtenstandes, yuock liest bovi, nov licet ^ovi! Nicht der Fahnen eid— denn der Eid des Offiziers ist nicht heiliger wie der des gemeinen Mannes —, sondern die be sonderen Standespflichten als Offizier verbieten ihm jede staatsfeindliche Kundgebung. Wenn ein Offizier sozialdemokratisch zum Reichstage wählt, so tur er cs geheim; die dabei begangene Verletzung der Standespflichten muß er mit sich selbst ausmachen, wo kein Kläger, ist auch kein Richter, es müßte denn sein, daß er sich seiner Stimmabgabe öffentlich rühmt und mit seiner dabei betätigten po litischen Anschauung öffentlich brüstet. Danz un;u- treffend und mit den gesetzlichen Bestimmungen im Widerspruche stehend ist aber die Annahme, daß ein Offizier des Beurlaubtenstandes wegen seiner, natür lich erst nach seiner Ernennung zum Offizier ange nommenen sozialdemokratischen Gesinnung, berechtigt wäre, den Abschied zu erbitten. Dann würde die Bekennung zur Sozialdemokratie lediglich ein Freibrief sein, mit dem man sich der gesetz lichen Dien st pflicht auf bequeme Weise entzieht. Ein derartiger Antrag würde voraus sichtlich als unbegründet kurzerhand abgelehnt wer den. Anders aber steht die Sache, wenn der Offizier seine sozialdemokratische Gesinnung öffentlich kund gibt oder betätigt; dann tritt für die Militärbehörde der unliebsame Fall ein, gegen einen Offizier seiner volitischen Gesinnung wegen einschreiten zu müßen. Die Folge ist zweifellos eine ehrengerichtliche Unter suchung wegen Verletzung der Standespflichten unter erschwerenden Umständen und aller Voraussicht nach die Entfernung aus dem Offizier stände mit dem Verlust des Offizierstitels. Noch anders gestaltet sich das Verfahren, wenn die staatsfeindliche Gesinnung gelegentlich einer Uebung zutage tritt; dann findet ein Ver gehen gegen den militärischen Gehorsam statt, denn jede sozialdemokratische Kundgebung während der Zugehörigkeit zur aktiven Armee ist streng verboten, und zwar in gleicher Weise dem Offizier wie dem gemeinen Manne. Lsnügerlchtsrst Wetzel unü üie Kanlerostiven. Der Vorstand des Konservativen Ver eins zu Leipzig übersendet uns mit der Bitte um Veröffentlichung nachstehende Erwiderung auf den von uns in unserer Morgennummer vom 20. d. Ak. zum Abdruck gebrachten Brief des Landgerichtsrats Wetzel-Charlottenburg an den Vorsitzenden des Hansabuudes, Geheimrat Rießer, die wir loyaler weise nachstehend folgen lassen: „Vor kurzer Zeit machte durch die deutsche Presse ein Brief die Runde, den Herr Landgerichtsrat Wetzel- Lharlottenburg an Geheimrat Rießer, den Präsi denten des Hansa-Bundes gerichtet hat. An sich wäre diese Tatsache gänzlich belanglos, wenn der Herr Landgerichtsrat nicht Behauptungen aufgestellt Hütte, die den Tatsachen nicht entsprechen und darum nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Auf alle Punkte cinzugehen, dürfte aber zu weit führen. Darum sei nur einiges herausgegriffen. Herr Wetzel erhebt gegen die Mehrheitsparteien, welche die Reichsfinanzresorm zustande brachten, den Vorwurf, sie hätten durch Ablehnung der Erbschafts teuer twohl Erbanfallsteuer, denn die Erbschafts teuervorlage wurde von der Regierung als aus- ichtslos zurückgezogen) den revolutionären Zug der Sozialdemokratie verschärft. Das ist unzutreffend, da sich naturgemäß neue Steuern von jeher als wirk sames Agitationsmittel derSozialdemotratie erwiesen haben. Ferner vergißt der Verfasser vollständig, daß rechtsstehende Abgeordnete ldarunter die säckqychen Konservativen» für die Erbanfallsteuer gestimmt haben. Er übersieht auch, da» gerade von konser vativer Seite eine stärkere Besteuerung des mobilen Großkapitals (der Börse, als »ozialer Ausgleich sor ge,chlagen, von der Negierung aber leider als un annehmbar bezeichnet und von den liberalen Parteien bekämpft worden ist. Wer übrigens den sozialen Ausgleich besser fördern wollte, die Rechte oder die Linke, zeigen folgende Zahlen: Voraussichtliches Er gebnis der Erbanfallsteuer (nach Abzug der Ver waltungskosten von 17 Millionen) 38 Millionen, der Kotierungssteuer 85 Millionen. Es muß ferner darauf hingewiesen werden, daß seit der Finanzreform die Finanzen bes Reiches sich in fortschreitender Besserung befinden (117 Millionen Ueberschuß). Diese Tatsache wnroe u. a. auch vom Reichskanzler und von den Handelskammern zu Bochum und Charlottenburg anerkannt. Anderseits ist keine der Befürchtungen eingerroffen, daß die Industrie durch die neuen Steuern geschädigt werde. Im Gegenteil ist auch hier ein Aufschwung zu ver zeichnen. wie aus der vollen Beschäftigung und den steigenden Dividenden zu ersehen ist. Das Programm des Hansabundcs sei eminent staatserhaltend, meint nun Herr Wetzel weiter. Staatserhaltend kann aber nur der sein, der jedes Zusammengehen mit der staatsfeindlichen Sozial demokratie unbedingt ablehnt. Das will aber Herr Wetzel selbst nicht, denn er schreibt, daß der Hansa- bunv nach links nicht vor den Kopf zu stoßen brauche. Als Wahlparole will er sogar ev. in Betracht ge zogen wissen: „Keine Stimme den Abgeordneten, die für die Reichsfinanzreform gestimmt haben." Wer also dem Reiche in ärgster Finanznot die nötigen Mittel bewilligt, wer der Anleihewirtschaft, die an Zinsen Millionen verschlingt, ein End« zu bereiten half, der darf nicht wiedergewählt werden? Und solche Ansichten nennen sich „staatserhaltend"? Unzutreffend ist die weitere Behauptung, daß die konservativen Parteien im Bunde mir Polen, Zentrum und Französlingen den Fürsten Bülow ge stürzt hätten. Dies ist schon nach der Reichsoerfassuny, die Herr Wetzel als Jurist doch kennen wird, nicht möglich. Unwahr ist auch, daß die Konservativen ein Bündnis mit den obenerwähnten Parteien ein gegangen seien. Irgendwelche Abmachungen dieser Art liegen nicht vor. Wenn trotzdem dieser Vorwurf wiederholt wird, läßt sich entgegenhalten, daß die liberalen Parteien sich selbst sehr ost mit jenen ..Reichsfeinden", z. Ä. bei der reichsländischen Ver fassung, zusammengefunden haben. Anderseits ist auch die politische Reihte stolz auf unser protestantisches Kanenum und wird jederzeit bereit lein, die Errungenschaften der Reformation gegen jeden Feind zu verteidigen. Auch das hätte Herr Wetzel, wenn er wirklich Mitglied der kon servativen Partei war. »elbst wissen müssen. Er ist jetzt zu den Nationalliberalen gegangen, da er meint, daß dort die vaterländischen Interessen ver treten würden. Die Koniervativen werden solchen „Verlust" zu verschmerzen wissen, sich aber auch dadurch nicht abhalten lassen, auch ihrerseits im vater ländischen Sinne weitcrzuarbeiten." Zur Krills >m Düerkvmmrmüv. Paris, 26. Juli. Der Generalissimus Michel scheint nicht gehen zu wollen! Ersichtlich wurde der Konflikt im Obern Kriegsrat vor die breiteste Oeffentlichkeit gezogen, um den obersten Heerführer zu einer „freiwilligen" Demission zu veranlassen. Was tat General Michel? Er begab sich auf eine Inspektionsreise an dre Ostgrenze und weigerte sich, den ihm nachgejagten Reportern irgendwelche Er klärungen zu geben. Er ist durchaus mit dem In spizieren beschäftigt, und niemand weiß, wie lange das noch dauern kann. Rach dem „Echo de Paris" nimmt man an, daß Kriegsminister Messnny Herrn Falliöres bitten wird, „seinen Einfluß auszuüben, um den General Michel zu bestimmen, seine Demis sion zu geben, da seine durch die Diskussionen im Obern Kriegsrat schon sehr geschwächte Autorität im Heere eine neue Verminderung durch die bloße Tat sache erlitt, daß die Zwischenfalle veröffentlicht wur den; man erwartet nicht, daß der Vräsident der Re publik unter den gegenwärtigen Umständen diese In tervention ablehnen wird". Der „Matin" rechnet aber sthvn mit der E v e n t u a l i t ü t, d a ß M i ch e l nicht zur Demission zu bewegen ist; er versichert, daß dann schon der Beschluß -.'s Minister rates am nächsten Sonnabend genügen werde, weil die Veränderung der Befugnisse des Generalissimus durch ein neues Dekret von selbst die Demi'^'on des jetzigen Titulars nach sich ziehe. Niemand täuscht sich darüber, welch merkwürdigen Eindruck diese Vor gänge in der höchsten französischen Generalität auf das Ausland machen muffen. Der vorausbestimmtc oberste Heerführer im Kriegsfall befindet sich mit alten Mitgliedern des Obersten Kriegsrats, mit dem Generalstabschef und mit dem Krregsminister im Widerspruch; es wird nicht verheimlicht, das; die Korpskommandanteu im Kriegsfall die sofortige Ab setzung rhrcs Generalissimus verlangt hätten. Und jetzt, wo der Minister deutlich die Demission ver langt, versteift sich der höchste Offizier, ein Muster der Disziplin, dem Verlangen seines Chefs nicht zu ge horchen. Das sind Zustände, die den nationalistischen Großmäulern doch etwas Brei um die martialischen Schnurrbärte geben sollten. Dazu formuliert der Kommandant Driant, des General Voulangcrs Schwiegersohn, seine Inter pellation an den Kriegsminisler in folgender Weise: „Ich werde Sie nach den Ferien über die poli tischen Einflüsse interpellieren, die sich beirr Abschiede des Generals Tr^meau geltend machten, um dem Heer einen Generalissimus aufzuzwi ngen, den allo im geheimen vom Kriegsminister General Brun befragten Mitglieder des Obern Kriegsrats als der fürchtenswertcn Auf gabe des Kommandos über unsere Ostarmee nicht gewachsen erklärt hatten. Tas Land muß die Männer, die Intrigen und die Ursachen kennen lernen, die die Befehle eines gewissen internatio nalen Gcheimorganismus über die Lebensinteresscn Frankreichs triumphieren lassen." Driant. natio nalistischer Abgeordneter, spielt auf die Freimau rerei an, der er und andere der Ernennung Michels zum Generalissimus zuschreibt. — Der „Matin" er fährt noch^ dag nach den Absichten Messimys hinfort der Dienstbrief, der dem Eeneralissimus-General- stabschcf und Höchstkommandanteu der Ostarmee übergeben wird, nur eine einjährige Gültigkeit haben wird, also alljährlich erneuert werden muß. (Ob auf diese Weise der Generalissimus politischen Ein flüßen entzogen und seiner Ausbildung für die ver antwortlichste Charge die erforderliche Zeit garan tiert wird?) Es bestätigt sich, daß General Pau Michels Nach folger wird. Man gab sein Geburtsjahr nicht ganz richtig an; er wird erst in zwei Jahren von der Al tersgrenze erreicht. Allem Anschein nach spielt bei seiner Ernennung der Wunsch mit, einem der tapfer sten, überlebenden Veteranen und Invaliden von 1870/71 die höchste militärische Würde Zufällen zu lassen. Marokko. Wie wir bereits in unserer gestrigen Abendaus gabe ausführten, ist in den amtlichen Kreisen Eng lands augenscheinlich ein Umschwung in der Stim mung eingetreten. Nach den Ereignissen der letzten Tage mußte die öffentliche Meinung annehmen, daß die englisch« Regierung einen wichtigen Schritt in der Marokkoangelegenheit vorhabe. Auch die Rede Lloyd Georges, die an Unklarheit nichts zu wünschen übrig ließ, wurde in diesem Sinne gedeutet. Noch mehr Beunruhigung riefen di« auffallenden Bewegungen der englischen Flotte h«roor. So wurde denn zunächst durch das Reutersche Bureau offiziös erklärt, daß aus den Konferenzen zwischen den englischen Ministern nicht geschloffen werden dürfe, daß die englische Regie rung irgendwie zu intervenieren gedenke oder direk ten ot«r aktiven Teil an den Verhandlungen Frank reichs mit Deutschland nehmen wolle. Zu diesem Dementi gesellen sich nun noch die Auslegungen der Flottenbewegungen durch die großen englischen Blät- ter, die diese auffallenden Dislokationen als harm los«, schon früher f«stges«tzte Marinemanövcr erklären. Wir wollen diesen Ausführungen gerne Glauben schenken, um so mehr, als die Tatsache, daß die ge fechtsbereite dritte Division, die an der Flotten parade vor Spithead gelegentlich der Krönungsfeier«
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