Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.08.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110801024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911080102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911080102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-01
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 2N. los. Hallrysny. Olenstsy, l.Sugulr l91l. Leipziger Tayrvian. massive Wirtschaftsgebäude mit allem Inventar, der Kretscham sowie eine gefüllte Scheune niedergcbrannt. Hannover, 31. Juli. Aui dem Tru pxenübungs- ' platz Munster in der Lüneburger Heide entstand ein großer Waldbrand, dem WO Margen Walobe- stand zum Opfer fielen. Alle zur Verfügung stehen den Truppen, insgesamt 5000 Mann, beteiligten sich unter Leitung des Kommandierenden Generals Emmich an dem Löschen des Brandes. In großer «befahr schwebten die Pulvermagazine, die von den Feuerwehren ständig unter Wasser ge halten wurden, um eine unabsehbare Katastrophe zu verhüten. Man vermutet, daß das Feuer durch Selbstentzündung infolge der starken Hitze ent standen ist. Helzen. Kratze Waldbrän>: wüten in der Nähe von klelzen, ferner bei Bevensen, Münster und Soltau. In Burgdorf bei Uelzcn sind mehr als 1000 Morgen Heide verbrannt. Braunschweig, 31. Juli. Heute sind über 10M Mor gen Heide- und Moorland im Kreise Gifhorn in Brand geraten. Nach einer Meldung sind in der Kolonie 'Neudorf-Platendorf 500 Morgen fiskaUschen Waldes in Brand geraten, ferner stehen bei Schön würde mehrere hundert Morgen Wald und Heide in Flammen. Auch bei Wahrenholz ist ein grotzcr Moorbrand entstanden. Hamburg, 3t. Juli An der Eiscnbahnstrecke zwi schen Bremen und Hamburg brennt es an acht Stellen. Das grotze Arnsce - Eversdorser Moor steht in Flammen: 80<> Morgen sind bereits verbrannt. An Löschen ist nicht zu denken. Aus der näheren Um gcbung Hamburgs wurden allein elf größer« Moor und Waldbraudc gemeldet. Kassel, 31. Juli. In dem Däne Würgassen wütet eine grotze Feuersbrunst. Bis mittag waren bereits sieben Gebäude mit allen Vorräten eingeüjchert. Es herrscht grotzerWassermangel. InNaucnstein(Koburg) wurden zwei grotze Wohnhäuser mit Nebengebäuden nom Blitz eingeälchert. Opfer sn Menschenleben. - Teuerung. Düsseldorf, 31. Juli. Heute zeigte hier das Thermo meter 3 5 Krad Celsius im Schatten. Die Hitze hat wieder zahlreiche Opfer gefordert. An Hitzschlag starben Sonntag und Montag in Düssel dorf ein Bauarbeiter und ein städtischer Straßen- arbeiter. Ausserdem im niederrheinischen Bezirk ein junges Mädchen, drei ältere Frauen, darunter eine 81jährige, ein Kutscher, der auf der Fahrt den Tod fand, zwei Fabrikarbeiter, ein Invalide, drei land wirtschaftliche Angestellte bei der Erntearbeit. Beim Baden ertranken im hiesigen Bezirke 14 ledige junge Leute, meist Handwerker und Lehrlinge, autzerdem ein junges Mädchen und drei Kinder. Die sonst zu dieser Jahreszeit feuchten Wiesentäler sind in öde Stätten verwandelt, so datz der Weide austrieb unmöglich geworden ist. Die Landwirtschaft erleidet durch den Milch aus fall unabsehbaren Schaden. An verschiedenen Stellen sind verdurstete Rehe vorgefunden worden. Heber die Mittelrhein gegend ist ein schweres Gewitter niedergegangen. In Graach an der Mosel sind sechs Gebäude, in Ton dors fünf Bauerngehöfte durch Blitzschlag entzündet worden und niedergebrannt. In Bacharach ist ein kunstgeschichtlich wertvolle» Privatgebäude aus dem Jahre 1040 infolge Blitzschlages vernichtet worden. m. Göttingen. 31. Juli. Nicht weniger al» drei Einwohner sind heute am Hitzschlage gestorben, nämlich der Spediteur und Kohlengroßhändler Bom mer, der Schlossermeister Baumgarten und ein Arbeiter Hallenbach. Alle drei wurden auf der Stratze vom Hitzschlage getrosten und gaben nach kurzer Zeit ihren ^eisl auf. Köln, 31. Juli. Die tropische Hitze hat in Ver bindung mit der Maul- und Klauenseuche einen empfindlichen Mangel an Milch hervorgerufen, der bei anhaltender Hitze sehr bedenklich werden dürfte. Heute haben bereits viele Milchhändler ihre Kunden im Stich gelüsten, da es nicht möglich war, das erforderliche Quantum aufzutreibcn. Die ge meinnützigen Milchausichenkstellcn haben ihre Lokale zurzeit bereits geschlossen: auch Mangel an Lis macht sich bemerkbar. Aus Aachen, Düfiel- dorf, Neutz und anderen Orten versucht man für hohe Preise hier Eis einzukaufen, das zum Teil in Auto mobilen befördert wird. In verschiedenen Städten erhöhen die Milchhändter die Preise oder geben die Milch nur an Konsumenten, die höhere Preise be zahlen. Frankfurt, 31. Juli. Die Milchkändler haben in einer heute abend stattgchabten Bermmmlung ein stimmig beschlossen, den Preis der Milch, der bisher 22 v» pro Liter betrug, um 2^ zu erhöhen. Die Landwirte haben vor kurzem den Preis der Milch um 1 erhöht, so datz also die Milchhändler jetzt noch 1 F pro Liter profitieren. Brüssel, 31. Juli. Die anhaltende tropische Tem peratur hat gestern und heute trotz einer Milderung bis auf 25, Grad noch in verschiedenen Teilen Bel giens mehrere Opfer gefordert. Besonders zahlreich sind die Unfälle durch Ertrinken der in den offenen Gewässern badenden Kinder. Aus Ant werpen wird gemeldet, datz die Warenspckulation infolge der ungeheuren Trockenheit ganz enorme Preissteigerungen in verschiedenen Nahrungs rohstoffen, besonders auch in Rohzucker hervorge- rufen hat. Der Preis für Zucker ist von 23 aus 35 gestiegen. * Eger (Böhmens, 1. August. Bei der Aufführung der Wallenfiein-Fcstipiele, denen auf dem Marktplätze gegen 10 l»00 Besucher beiwohnten, haben sich mehrere Unfälle ereignet, die auf die tropische Hitze zurückzuführen waren. Als Wallenstein mit grotzem Gefolge über den Platz ritt, stürzte ein junger Mann vom Marktbrunnen herab. Er erlitt eine schwere Gehirnerschütterung und liegt hoffnungslos danieder. Im Hotel starb ein Fremder an Herz schlag. In der Dammgassc wurde ein junger Mann von einer Kutsche überfahren und schwerverletzt ins Spital gebracht. Während des Turnieres brach die Tribüne mit den Ehrengästen zusammen. Die Be sucher kamen aber mit dem Schrecken davon. Prag, 31. Juli. Die Hitze hat hier in den letzten 24 Stunden wieder mehrere Opfer gefordert. Ein vom Hitzschlage getroffener Mann ist gestorben. Fünf andere liegen bewußtlos danieder. Auch aus vielen anderen Städten Böhmens laufen fast stünd lich Meldungen ein, nach denen Personen dem Hitz schlage erlegen sind. l'. 0. Pest, 31. Juli. In dem ungarischen Badeorte Koritnicza brach ein Brand aus, der in folge der großen Dürre eine grotze Ausdehnung annahm. Ein großes Hotel und mehrere Billen sind bis auf die Grundmauern nicdergebrannt. Zur Löschung des Brandes mußte Militär berbeigerujen werden. Da sämtliche Telephon- und Telegraphen leitungen durch den Brand zerstört wurden, fehlen alle näheren Einzelheiten. Eine Rekordleistung der Berliner Wasserwerke hat der Sonnabend mit seiner Gluthitze gezeitigt. An diesem Tage wurden nicht weniger als 312 000 Kubikmeter Wüster gefördert. Um diesen großen An forderungen zu genügen, mutzte ein Teil des Wassers aus dem Müggelsee entnommen werben. Sus Leipzig unü llmgeyenü. Leipzig, 1. August. Wetterbericht der König!. Sachs. Landeowctterwarte zu Dresden. Voraussage für den 2. August 1911. Nordostwinde, wolkig, weitere Abkühlung; im Osten Sachsens erhebliche, sonst zeitweise Regcnfällc. Pöhlberg: Glänzender Sonnenunter, und aufgang. Abendrot, beziehungsweise Himmelsfär bung gelb. Fichtelberg: Schwacher anhaltender Tau, glänzender Sonnenunter- und -aufgang. Abendrot, bzw. Himmelsfärbung gelb. Temperatur des Flutzwaper«. iN. 3uU add,. 5 Uhr l. August trüh - Uh, l. August mttgs.i^Uhr Germaniabad iPleib«) — 25,0 c-' 25,5" 0 Schwimmanstaltieistel) Gemeindebad 24,5" c 22,5" tl 22,5 " 0 Schönefeld (Parthe) 23,0" 6 » 20,0" 0 22,0 " 0 1°. Für Treue in der Arbeit. Von der Gepflogen heit der Eisenbahnbehörden, den unterstellten Arbei tern und Hilfsbeamten bei befriedigender Dienst führung einmalige von 5 zu 5 Jahren steigende G e l d o c l o h n u n ae n zu bewilligen, hat die König!. Sächsische Bahnverwaltung wiederum Ge brauch gemacht. Es erhielten 88 Bedienstete nach einer 2.'>iährigen Dienstzeit je 50 Nl, 31 Bedienstete nach 30 Jahren je 00 ^t, 32 Bedienstete nach 35 Jahren je 80 .st. 14 Bedienstete nach 10 Jahren je 100 .st und 2 Bedienstete nach 45 Jahren je 200 .st. Den über 10 Jahren in Diensten stehenden Arbei tern wurde außerdem eine schriftliche Belo n"i'nci von der König!. Geueraldirektion der Staatseisenbahnen erteilt. Auf die Bezirke Leipzig 1 und Leip zig II entfallen 10 Belohnungen. r. Berussjubiläum. Der in der Gurerverwaltung des hiesigen Dresdener Bahnhofes in Dien sten stehende Ausschreider Sch neider beging die Feier seines 40jähriacn Dienstjubiläums. Von seinen Kollegen und Mitarbeitern wurde der Ju- bilar beglückwünscht und geehrt, seitens der Eisen bahnverwaltung wurde ihm außer einem Diplom ein ansehnliches Geldgeschenk für die lange befrie digende Dienstsührung als Anerkennung überreicht. * Die Saalinhaber im Ministerium des Innern. Eine Abordnung des geichäjtsführenden Vorstandes des Landesverbandes der Saalinhaber im König reich Sachsen, bestehend aus den Herren Gustav Fritzsche und Adolf Thomas, wurde von Ministerialdirektor Dr. Rumpelt im Ministerium des Innern empfangen. Die zwischen den Ver tretern des Verbandes und dem Vertreter des Kgl, Staatsministeriums gepflogenen münolichenVerhand- lungen erstreckten sich auf die Abänderung der Ver ordnung über die Feuersicherheit der Theater, öffentlichen Versammlungsräume usw. und zwar in soweit, als Säle in Frage kommen, die bereits vor Herausgabe der Verordnung bestanden. Die Ver handlungen führten zu dem Ergebnis, daß seitens des Verbandes dem Ministerium ein ausführliches Verzeichnis aller derjenigen Forderungen zugehen soll, die ganz oder teilweste in Wegfall kommen bez. milder gehandhabt werden sollen, wozu die Regie rung entsprechende Entschließung treffen wird. Die Unterredung ließ erkennen, datz das Ministerium ge neigt ist, in weitgehendstem Maße den Wünschen der Saalwirte Rechnung zu tragen. s Internationale wissenschaftliche Ballonaufstiege Wie dre Internationale Kommission für rmsjemchaft- liche Lustjchiffahrt Straßburg mitteilt, finden am Donnerstag, den 3. August, m den Morgenstunden internationale wissenschaftliche Ballonausstiege statt. Es steigen Drachen, bemannte oder unbemannte Ballons in den meisten Hauptstädten Europas auf. Der Finder eines jeden unbemannten Ballons erhält eine Belohnung, wenn er der jedem Ballon bei- aegebenen Instruktion gemäß den Ballon und die Instrumente sorgjältig birgt und an die angegebene Adresse sofort telegraphisch Nachricht sendet. Begräbniskast« sächsischer Eemeindebeamten. Der am 1. April 18W ins Leben getretenen Be gräbniskaste des Vereins sächsischer Eemeindebeamten zu Leipzig gehören gegenwärtig 2857 Personen als Mitglieder mit einer Gesamtverficherungssumme von 852 800 .4! an. Einaetreten find dis jetzt 3506 Mit- glieder, davon sind durch Tod und freiwilligen oder gezwungenen Austritt 739 Personen ausgeschieden. An die Angehörigen der verstorbenen Mitglieder sind bis zum Schluffe des letzten Rechnungsjahres 105 725 .41 Versicherungssumme und 624 nach den Satzungen zurückzuerstattende Beiträge ausgezahlt worden. Das Vermögen der Kaffe bestand am 31. März 1911 aus 190 335 16 5M mehr als im Vorjahre. * Ausschließung der Knallkorke und Knallkapseln von der Postbeförderung. Knallkorke und Knall kapseln sind nach einer Verfügung des Reichspostamts nut Rücksicht aus die in letzter Zeit wiederholt vor gekommenen folgenschweren Selbstentzündun gen fortan von der Postbeförderung auszuichließen. Die Postanstalten haben daher die Annahme von Sendungen, die Knallkorke oder Knallkapseln ent halten, abzulehnen, und Fabriken, Geschäfte usw., die derartige Gegenstände versenden, mündlich zu ver ständigen. * Zeugen gesucht. Der Unfall vom 6. Juli, bei dem nachmittags zwischen 6 und 7 Uhr in der Drei- lindenstraßo in L -Lindenau das 7 Jahre alte Schul mädchen Hentschel von einem Radfahrer über fahren wurde, wird nochmals in Erinnerung ge bracht, da sich bedauerlicherweise Zeugen des Un falles bisher nicht gemeldet haben. Das Kind wurde schwer verletzt: es liegt heute noch ohne Be sinnung und muß künstlich ernährt werden. Es dürfte Menschenpflicht sein, daß sich Zeugen des Un falles ungesäumt in der Kriminalexpedition melden, damit der Unfall aufgeklärt werden kann. Den Zeugen wird jede erdenkliche Diskretion zugesichert, >o daß sie Bedenken, für das arme Kind einzutreten, nicht zu hegen brauchen. * Bauernfänger. Ein polnischer Arbeiter wurde am Sonntag vormittag von zwei Landsleuten ange sprochen. Nach kurzer Unterhaltung beauftragte einer der Gauner den Unkundigen, auf dem Dresdner Bahnhofe ein Zeitungsexemplar zu laufen. Zu diesem Zwecke erhielt ersterer auch 1 ausgehändrgr. Als Sicherheit dafür, datz er mit der einen Marl nicht durchgehe, forderte der Betrüger das Porte monnaie des Unkundigen, worauf dieser auch hinern- fiel. Das yingegebene Portemonnaie enthielt 25 Als er den Auftrag ausgeführt hatte und mit der Zeitung zurüäkehrte, waren beide Gauner und mir ihnen das gefüllte Portemonnaie verschwunden. Der eine der Unbekannten war etwa 25 Jahre alt, mittel groß. untersetzt, mit blondem Schnurrbart, trug weizzen Strohhut, sprach Deutsch und Polnisch. Der andere war etwa 25 Jahre alt. groß und schmächtig, hatte Schnurrbart und war bekleidet mit dunkel blauem Ialettanzug und graublauem weichen Filzhut. * Verschwundene Personen. Seit dem 25. Juli wird der Bäckerlehrling Ernst Dernau, geb. am 18. Oktober 1896 in Ahlsdorf bei Eisleben, aus seiner Lehrstelle in der Görlitzer Straße in L.-Eutritzsch vermigr. Der Vermißte ist mittelgroß, schmächtig, hat dunkelblondes Haar, blaue Augen, Sommersprossen und war u. a. bekleidet mit graukariertem Jackeltanzug. — Weiter wird seit dem 29. Juli aus seiner in der Könneritzstraße in L.-Schleußig gelegenen Wohnung der Mustter, jetzt Maschinenarbeiter, Adalbert Ernst Julius Wilhelm Rink, geb. am 17. Oktober 1875 in Gotha, vermißt. R. ist nervenleidend. Es wird vermutet, daß er sich ein Leid angetan hat. Er ist von untersetzter Gestalt, hat blondes Haar, dergleichen Schnurrbart, längliches Gesicht und blaue Augen. Bekleidet war er mit dunkelblaukariertem Jackett- anzug, braunlarierter Hose, schwarzem steifen Fitz hut, weißem Hemd, K. gezeichnet, ebenso gezeich neten Socken. * Eeldwechselschwindler traten in einem Geschäft der inneren Stadt auf. Sie operierten zu zweien. Seim König üer lvilüMlher. Von Richard Buch. Hinter der großen Saline, da wo sich der lauschige Promenadenweg am blumigen Uferrande hinzieyt, liegt jajt ein wenig versteckt im Erlengebüjky die „lleberfahn". Ein kurzer, schmal in di« hohe Fluß- döschung eingcjchnittener Pfad führt hinab an dl« Stelle, wo der altersgraue, breite Stechkahn ange rettet ist. Still liegt er im Abendglanze da; auch nicht die kleinste Well« schaukelt ihn heut«. Kein Luslhauch kräuselt das Silber des Flusses; starr grüßt das Bild schlanker Erlen und gebückter Uferweiden aus der unbeweglichen Tiefe d«s Wassers. Drüben am andern User, ein wenig flußabwärts, liegen an gurke Psähle gefesselt gewaltig« Flöß« weißer, ge schälter Stämme. In träger Sommerruhe warten st« L«r Zeit, wo der breite Riick«n des Flusses erstarkt und sie hniabträgt aus dieser Stille in den knirschenden Lärm des großen Sägewerks, drunten an der eisernen Brücke vor der aujdlühenden Stadt. Nicht immer ist's an der Ueberfahrtsstelle so ruhig wie heute abend. Vor wenigen Stunden noch lzerrschte hier fröhliches Treiben. Jungen, aus deren Augen unbezwingliche Wanderlust blitzte, sprangen jauchzend in Len Kahn, und schlanke, weiße Mädchen mit flat ternden Hüten betraten an der Hand Les alten Fergen mit schreckhaft lustigem Gekreisch den schmalen Rand acr schwankenden Barke. Wohl keins von all den Hunderten fröhlicher Men schenkinder, di« hier in Lenzcsfreude und Sommerlust überfahren, l-ar wohl schon bemerkt, daß an dieser Stelle rn greifbarer 'Nähe der König der Wilbfischer, oer farbenprächtige Eisvogel, sein« Sommer residenz auzgejchlagen hat. Nur durch einen schritt breiten Userraird von Wasser und Kahn getrennt, er hebt sich zur Rechten des Landungsplatzes die über mannshohe, steile Uferböschung aus gelbem Auen- lehm. In ihr findet sich, durch sein« Höhe gesichert vor den reißenden Wassern der trübgelben Frühjahrs fluten, das kreisrunde Eingangstor der Wildsischer- burg. Schwanke Gerten der Wildkirsche hängen dar über herab, und dornig« Ruten d«r Heckenrose und Himbeere umspinnen ihn gleich Dornröschens Schloß. Knorrige, vom Regen nacktgespülte Hainbuchen wurzeln bilden vor dem Eingang einen kräftigen Verhau und geben ein« stark« Brüstung ab. Es ist wirklich nicht leicht, das im grüngoldenen Dämmer licht gelegen« Schloßtor zu finden. Und hätt's der kleine Burgherr nicht selbst unserem scharf gewapp neten Auge beim Einsallen ins Gxdüsch verraten, wir wären nicht mistender al» all die hier ahnungslos Uebersetzenden. Es war eine Freud«, das schmucke Herrchen wie der einmal ein paar Stunden so recht nach Herzens lust in seinem wunderlichen Treiben belauschen zu können. Wie er vom Pfahl neben dem großen Floß kopfüber unter die Ellritzen taucht, um sich mit kräfti gen Flügelschlügen, die Beute im langen spitzen Spechtschnabel, wieder emporzuarbeiten, wie er neuen Fanges gcwärftg rüttelnd über dem Wasser hält, wie er die rasend schnelle Wasserjungfer aus ihrer Flug bahn r«ißt, das alle» hatten wir ja so lang« nicht ««sehen. Vor vielen, vielen Jahren, als wir noch droben im waldigen Tal am felsigen Gebirgsfluß wohnten, da waren wir wohloertraut mit ihm. Da wohnte er am steilen b-ehängc des tiefen Wehrteiches, und sein scharfer, jpitzer Schrei, sein hellrufendes Tiit, tiit, tiit übertönte das Pollern und Rauschen der wild zum Mühlgraben abstürzenden, weißschäumenden Wajjer- massen. Und im strengen Gebirgswinter, da saß er stundenlang mit der Geduld eines Anglers an den Eislöchern, die man des Eisgangs wegen in die starre Panzerdeck« des Flusses geschlagen hatte, um auf ein Schmerlchen oter ein Rotsederchen zu fahn den, denn Hunger und Kälte sind ein gefährlick)«s Brüderpaar. Wie wenig Eisvögel haben wir feit jener Zeit doch gesehen! Es muß wahr sein, daß Deutschlands farbenjchönster Vogel «ine Seltenheit geworden ist. Vogeldunst und Psahleisen scheinen tüchtig aufge räumt zu haben. Seitdem man in Deutschlands Schulen „nach der Natur" zeichnet und malt, muß jede der tausend und abertausend Schulen «in oder mehrere „ausgestopfte" Eisvögel besitzen. Da sitzt man denn vor ihm in den Zeichensälen und malt und malt, und sichl's nicht und merkt's nicht, daß unter der Hand des Ausstopsers dk Natur nach Haltung und Farin zur Karikatur geworden ist. Und dem Fisch züchtcr und Fischteichpächter, der dem Präparator das „Material" bringt, kommt's nicht zum Bewußtsein, welch himmelschreiender Frevel darin liegt, Deutsch lands Landschaft dieses Juwels zu berauben. Er sieht ja die Natur durch die bekannte Brille mit dem 'Nützlichkeit», und Schädlichkeitsglas an, und nach seiner Meinung gidt's in der ganzen Welt nur noch ein schädliches Tier, das ist der Fischotter. Auf dem jenseitigen Hange des Hohlweges an der Fähre haben wir uns ins Gras gestreckt. Einen näheren und bequemeren Beobachtungsposten können wir uns kaum wünschen. Eben verläßt der Eisvogel das Gebüsch. Ein blauer Streifen blitzt über die ruhige Wasserfläche und verliert sich flußabwärts. Jetzt schnell einen harmlosen Einbruch in sein Reich! Vorsichtia das Gebüsch auseinander! Da ist der Ein gang! Der Bau scheint nicht neuesten Dalums zu jein. Am Einschlupf ist die Erde trichterförmig aus gebröckelt. Vielleicht war die Burg bereits im vorigen Jahre bewohnt. — Das ganz dicht dem Ein gang genäherte Ohr vernimmt aus der dunklen Tiefe des Ganges, der wagrccht in die Userwand hinein geht, ein zartes, verträumtes Wispern. Erst gestern oder vorgestern mästen di« jungen Königskinder den schwachen Lichtschimmer erblickt haben, der vom Ein gang des Baues her in ihre düstere Kinderstube fällt. Denn da zu unseren Fügen am Rande des Wassers liegen in noch unberührter Reinheit Echalenrest« der großen, überaus zarten, dünnen, weißen Eier. Wie viel Prinzlcin und Prinzessinnen mögen es sein? — Sieben? — Das ist wohl di« höchst« Zahl! Nicht umsonst haben wir die schmale Taschenlampe bei uns. An die Spitze des Stockes gebunden, leistet sie uns trefflich« Dienst«. Hinten, in Armlänge etwa, er weitert sich die 3 dis 4 Finger breite Röhre mit einem ganz unmertlichen Anstieg zur geräumigen Hall«. Nur fünf Junge sind » merkwürdigerweise. Sie decken nicht einmal ganz das breit« Lager, da» fürsorgliche Mutterliebe ihnen aus den zarten Elfen flügeln geraubter Wasserjungfern sowie aus weicher Fischgrätenspreu bereitet hat. Durch verstärktes Piepen und zitterndes Recken der Hälschen ant worten sie auf den Lichtreiz. Wie häßlich die kleine Gesellschaft doch ist! Ja, kleine Kinder sind häßlich trotz aller gegenteiligen Versicherungen glückstrahlen der Eltern und honigsüßer Tanten und Basen. Und wie menschliche Fürflentindcr von diesem Satze keine Ausnahme machen werden, so sind auch unsere fünf Königssprossen häßlich — häßlich wie andere Vogel kinder auch. Erst wenn nach vierzehn Tagen die Federn die dunklen, stoppligen Spulen sprengen und die Jungen die gleißende Federpracht der Eltern an nehmen, ja, dann kommt's zur Geltung, daß sie doch etwas anderes sind als Gevatter Spatz und Emmer ling. Wo hungernde Klein«, da werden die Eltern nicht lang« warten lasten. Drum schnell noch eine Aufnahme des schonend jreigelegten Einschlupfs mit seiner lieblichen Umrahmung von Blatt und Zweig aus nächster Nähe! Das Stativ wird ins Wasser gestellt; ein paar große Steine bieten dem Fuß« Halt beim Einstellen und Knipsen. Schon hören wir weiter abwärts im Ufergebüsch das hellklingende Tiit, tiit. Jetzt ohne Verzug zurück auf unsern Posten, und die am Boden placierte Kamera auf den Rand des Stech kahns gerichtet! Denn hier wird er sich sicher nieder lassen, ehe er durckis dichte Strauchwerk in den Bau schlüpft. Doch er läßt warten. Hat er unser mertwürdiyes Gebaren von vorhin beobachtet? Ist er mißtrauisch geworden? — Wahrscheinlich! — Aber Elternliebe ist stärker als Tod und Gefahr. Wir liegen im Grase und harren — und harren. Ein herrlich schöner Juni abend! Ein paar Rauchschwalben kreuzen unablästig über dem Fluß. Wie kleine dunkle Anker schießen sie im Aether dahin. Im jenseitigen Ufergebüsch, weit, weit entfernt, ruft unablässig ein Fink sein „Reegnt, reegnt". Wirst nicht recht haben, kleiner Naseweis, das prachtvolle Abendrot am westlichen Himmel straft dich Lügen. Ein Rotschwänzchen schwirrt über den Fluß dem Neste zu. Vom fernen Kurgarten her trägt die Luft abgerissene, verwehte Akkorde an unser Ohr. Ein Abend wie geschaffen, um losgelöst von des All tags Gebresten, in die Tiefen des Himmels hinein zu träumen, um voll sehnsüchtigen Schauens letzte Abendstrahlen in geheimnisvolle Dunkelheiten zu verfolgen. Doch dann — dann! Jetzt ist alles Span nung an uns. Da blockt unser Eisvogel drüben auf einem Pfahl am Holzstoß auf. Ob's ein Männchen oder Weibchen ist, wir wissen s nicht, denn beide glei chen sich fast wie di« Eier, denen sie entschlüpften. Das Glas zeigt uns deutlich, daß er einen Fisch im Schnabel hat. Er wird also sicher zum Neste kommen. Ob er wirklick den ihm freundlichst zugedachten Platz «ianehmen wird? Die Frage wird brennend' — Da plötzlich, «in häßliches Intermezzo! Eine große Wasserratte, sicher eine der ältesten ihres Ge schlechts, raschelt über den Weg. Gerade unter dem Neste hält sie an. Sollt« sie beabsichtigen, in ver schlagener Tücke die Burg zu überfallen? Sollte sie «inen kühnen Prinzenraub planen? Verdammte Räu berbrut! Darf dem Ungeheuer wirklich soviel künf tige Schönheit, wie sie das Nest birgt, zum Opfer fallen? — Doch das Unheil zieht vorüber. Plätschernd verschwindet das Scheusal am Rande der Bark« im Wasser. Zur rechten Zeit! Unserem Eisvogel drüben scheint alles sicher zu sein. Da — leise zittert die - Hand, die ihn auf die Platte bannen soll — ein paar kühn« Wellenlinien über dem regungslosen Wasser, und da sitzt er — genau unter dem Nest« auf dem Rand der Fähre. Zwei, vier, sechs Sekunden? — Wer will's sagen? — Längst ist er geknipst. Schon ist er verschwunden in seiner Burg. Wie schade, daß sich die funkelnde Schönheit seines Gefieders nicht im Bild« sesshaften läßt! Das Glas hat sie uns wieder einmal trefflich gezeigt. Das wasserblau getupfte Dunkelgrün aus Kopf und Nacken, das unvergleichlich gleißend« Blau des Rückens und der Flügel, das Rostrot der Unterseite, das Atlasweiß der Kehle, das Lackrot der Füßchen — führwahr, eine königlich« Pracht! Welch einheimischer Vogel dürft« auch nur daran denken, mit dem Eisvogel zu wett eifern? Fast exotisch mutet uns der klein« Kerl an. Er scheint Len fernen Sehnsuchtsländern zu entstam. men, wo schillernde Kolibris gleich glitzernd«» Zu- welen märchenhaft schöne, hängende Orchideenblüten umgaukeln. KeinWunder, daß geheimnisvoller Volks, glaube diesen Vogel in seinen Zauberbann schlug, und daß di« Menschheit seit ihren Kindheitstagen von ihm fabulierte und ihn mit einem reichen Sagen- und Mytl)«nkranz umwob. Unser Freund M., in dessen Brust der Naturforscher und der Altphilologe einen beständigen Kampf lämpfen, weiß so gut davon zu erzählen: vom König Keyx und seiner schönen Ge mahlin Halkyone, die Thetis in schillernd« Eisvögel verwandelte, nachdem treue Gattenliebe sie zu seligem Tod in den Fluten vereinte. Und wie sie nun in einem wundersamen, aus Fischgräten geflochtenen N«st mit geheimnisvoller Zaubertür auf den Wellen treiben, von Aeolus, Halkvones göttlichem Vater, während der Brutzeit mit Tagen ßeliger Ruhe und heiterer Stille beglückt („halkyonische Tage"), bis einst das Weibchen Lern treu bis zum Ende gepflegten Männchen mit kläglichem Gesang« aufs neue in den Tod folgt. — Der Eisvogel als Bild rührender Gattenlieb«! Er, der sich meist nach dem Brut geschäfte sang- und klanglos vom Gemahl fortstiehlt, um im unwiderstehlichen Selbsterhaltungstrieb über die engen Grenzen des heimatlichen Gebietes hinaus zuschweifen, und der während des ganzen Winters nach echter Vagabundenmanier unablässig sein Stand quartier wechselt. Ja, die dichtende Volksseele, was kümmert di« di« nackte Wirklichkeit. Sieht sie in dem Eisvogel doch auch den Boten des heiligen Martin, der undegrabene Leichen mit Blumen be streut, der, tot ins Haus gebracht, die heimisch« Hütte vor dem zündenden Blitzstrahl bewahrt, der Frieden und Glück am häuslichen Herd erhält und noch in mannigfaltiger anderer Beziehung mit dem Geschick des Menschen verknüpft ist. Volksglaube und Wissenschaft — wieviel ließe sich darüber noch plaudern! Doch die Abendschatten senken sich tiefer und tiefer auf Len Fluß herab und mahnen zum Aufbruch. Darum zurück durch die dunklen Laudengänge der Promenade nach dem Bahnhof mit seinen zahlreichen Lichtern. Nach ein paar Stunden reinster Erhebung und freudigen Genießen» trägt uns der letzte Zug in kurzer Fahrt der Großstadt wieder z«.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)