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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.07.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110729010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911072901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911072901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-29
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Das Wichtiglte. * Ter Kaiser traf gestern nachmittag vor 2 winemündc ein. * In einem Tagesbefehl warnt der russisch« Marine Minister die Befehlshaber vor einer rein mechanischen Pflichterfüllung, die der Verschleuderung der Krongelder Vor schub leistet. (2. Ausl.) * Infolge der großenandauernden Hitze ist der Wasserstau- aller Flüsse gesunken wie seit vielen Jahren nicht. (2. Tageschr.) * Nahe Halle wurde ein vorachtTagener- mordeter Klempnermeister aufgefunden. (Siehe Tageschr.) * Auf der Ostdeutschen Ausstellung in Posen brach ein Feuer aus. (2. Tageschr.) * Ls gelang, die Brandstifter der letzten grossen Konstantinopler Feuersbrunst festzustellen. (2. Tageschr.) Samarra. lieber die Organisation der Neapolitanischen Kamorra machte der Karabinierihauptmann Fabroni, dem in Neapel die Leitung der lleberwachung der Kamorristen anvertraut ist, während der in Viterbo abgehaltenen Geschwo- renensitzung gegen 42 Kamorristen eine Reihe hochinteressanter Mitteilungen. Nach Fabroni ist die Kamorra ein spanisches Gewächs, das zur Zeit, als Süditalien sich spanischer Herrscher zu „erfreuen" hatte, dorthin importiert worden ist. Das Wort Kamorra selbst ist aus dem im Madrider Verbrecherjargon gebräuchlichenEamar herzuleiten. Die Regeln und Grundsätze der Kamorristen sind im sogenannten Frieno ent halten, das aber niemals gedruckt wird. Denn die Geheimbündler vermeiden alles Geschriebene oder Gedruckte über ihre Ziele, um sich den Be hörden nicht zu verraten. Die strengste Geheimhaltung von allen Vor gängen innerhalb des Bundes ist erste Pflicht jedes Kamorristen, der der Behörde nur dann Angaben machen darf, wenn es sich darum Han delt, Gefährten vor der Strafe zu schützen. Streitigkeiten untereinander dürfen die Gerichte unter keinen Umständen beschäftigen. Ein Ge fährte darf, auch wenn er unschuldig um an derer Gefährten willen, die straflos ausgehen, verurteilt ist und auch, wenn er die wirklichen Schuldigen kennt, niemals diese zur Anzeige brin gen. Leistet ein aus der Sekts ausgeschlossener Kamorrist Spionendicnste, so kann er je nach der Schwere seines „Verbrechens" zur Todesstrafe, zu Messerstichen oder zu einer derben Tracht Prügel vom Geheimbund verurteilt werden. Die Verhängung der Todesstrafe ist seit dem Jahre 1860 selten ausgesprochen worden, das letztemal eben in der zur Verhandlung stehen den Affäre des Ehepaares Euocolo, das nach einem regulären Urteilsspruch der Kamorra vor sechs Jahren ermordet worden ist. In zwei anderen Fällen wurden Kamorristen im Ge fängnis, in das sie von den Behörden geworfen wurden, von anderen Kamorristen ermordet!!! Der Kamorrist Abatemaggio, der in dem Cuo- colprozeß den Angeber gespielt hat, dürfte sein Zeugnis mit dem Leben büßen, wenn er es nicht vorzieht, im Ausland einen absolut ge sicherten Unterschlupf zu finden. Bei der Verwegenheit und Tollkühnheit, mit der einzelne Kamorristen bei der Lösung ihrer verbrecherischen Aufgaben zu Werke gehen, kann es gar nicht fehlen, daß sie in den Augen der unteren Volksschichten ein gewisser Nimbus um gibt. Eine geschichtliche Rolle spielte die Kamorra bei der Einigung Italiens im Jahre 1860. Garibaldi war in Neapel ein gedrungen und die letzten Reste der bourboni- schen Polizei hatten sich aufgelöst. Nun ver traute die von Garibaldi eingesetzte provisorische Regierung die Sicherheitspolizei den — Häuptern der Kamorra an und ernannte sie zu Polizeikommissaren in den einzelnen Quar tieren, machte also mit einem Wort den Bock zum Gärtner. (Man wird sich eine Vorstellung von den damaligen Zuständen Zuständen in dem von organisierten Ver brechern „polizeilich geschützten" Neapel machen können! D. Red.) Die Tollhauswirtschaft der improvisierten Polizei wurde der Regierung bald zu arg und sie mußte die Häupter des Eeheimbundes allgemein ihres Postens ent heben. Nichtsdestoweniger blieben diese noch zahrelang mit der Polizei in gewisser Fühlung. (Der Carabinieri-Hauptmann Fabroni hielt sich j bei diesem wunden Punkt während seiner Aus sage nicht lange auf. Er hätte u. a. angeben können, wie sehr einzelne Polizeipräfekten vor 10 und 20 Jahren um die Gunst der Kamorra- häuptlinge förmlich gebuhlt hatten, weil sie durch diese oft mehr erreichten, als durch ihre eigenen Beamten. Anmerkung des Bericht erstatters.) Nach Fabronis Aussagen ist das Niveau der Kamorra in den letzten Jahren ständig gesunken. Früher zeigten ihre Mit glieder noch eine Art Ritterlichkeit gegenüber Schwachen. Heute besteht ihr Hauptgeschäft im Stehlen, im ordinären Ausplündern und in der gemeinsten Zuhälterei. Um Kamorrist zu werden, bedarf es mehrerer Tapferkeitsprobcn. Der „Lehrling" muß sich einem Scheinduell unterziehen, das in Gegenwart alter Kamorristen stattfindet und das mit Verwundungen enden muß. Es gibt natürlich verschiedene Rangstufen, eine hierarchische Ordnung. Man kann Kamorrist auf Wochen und Monate werden, ehe man der Ausnahme als ordentliches Mitglied gewürdigt wird. Zahllos wie die Verbrechen sind auch die Quellen kamorristischen Erwerbes. Die besten Geschäfte machen die Kamorristen als — Pri vat de ktio es. Der Gatte, der seine untreue Frau überwachen lassen will, bedient sich der Hilfe des Kamorristen, ebenso der Geschäfts mann, der einem Angestellten zu mißtrauen Ursache hat. Kurz, überall wo Verrat, Untreue und Betrug eine Rolle spielen, ist der Kamorrist zu finden. Er übernimmt es, private Händel auf seine Weise zu schlichten, übernimmt es ferner, den Rachedurst anderer mittels Dolches, Revolvers und Giftes gegen ent sprechende Bezahlung zu stillen und nachher den unersättlichen Erpresser an seinem Auftrag geber selbst zu spielen. Ueberhaupt versteht er das Erpressergeschäft aus dem Effeff. Kein noch so ängstlich gehütetes Familiengeheimnis bleibt ihm verborgen. Fabroni läßt es außer allem Zweifel, daß es gewisse Vorteile hat, in Neapel sich der Gunst eines Kamorrahäuptlings zu erfreuen. Auf der Insel Pantelleria waren einem Herrn Teducci 25000 Lire geraubt worden Er wandte sich an den jetzt auf der Anklage bank sitzenden Kamorristen di Matteo. Dieser überreichte ihm am nächsten Morgen das ge raubte Geld, von dem auch kein Soldo fehlte. Der gleichfalls auf der Anklagebank sitzende Pfarrer Don Giro Vitozzi wollte eine Wagen fahrt machen. Der Kutscher verlangte 6 Lire, obwohl Vitozzi nur 3 geben wollte mit dem Bemerken, daß jener die Mehrforderung zu bereuen haben würde. Am nächsten Morgen wurde der Kutscher von Kamorristen weidlich durchgeprügelt. Er brachte dem Pfarrer die 6 Lire freiwillig zurück mit dem Versprechen, den Pfarrer nunmehr immer umsonst fahren zu wollen! Um sich vor Diebstählen zu sichern, bezahlt die Napolitanische Allgemeine Elektri zitätsgesellschaft eine freiwillige Monatsabgabe an den jetzigen Kamorrachef Erricone, der dafür sorgt, daß nicht gestohlen wird. Diesem Beispiel folgen zahlreiche andere große und kleinere Geschäfte und Gesellschaften, vor allen Dingen Spiel- und öffentliche Häuser, die ihren Tribut an die Kamorra gern entrichten, um vor Scherereien mit der Polizei und vor Denun ziationen gesichert zu sein. Die Kamorra als Darlehnskasse bildet ein besonderes Kapitel. Die Opfer werden mit 250—300 Prozent aus gewuchert. Bei öffentlichen Versteigerungen darf niemand mehr bieten als die anwesenden Kamorristen, die auch die Auswanderer im Hafen plündern und schröpfen und deren Mädchen handel in höchster Blüte steht und die durch die Macht des Geldes und durch Drohungen viele öffentliche Gewalten sich dienstbar zu machen wissen. Eine prooilorlMe üeutlch- lrsnMlche verltsnüigung. * Paris, 27. Juli. Die deutsch-französisch-englische Pressepolemik über Marokko hat ihren Kulminationspunkt erreicht. Selbst das offizielle Organ der Regierungspartei „Le Ra- dical" leitartikelt heute urrter der Ueberschrist: „Ein neuer deutscher Bluff: Will Deutschland von Frank reich die Räumung Marokkos verlangen?", und läßt sich in letzter Stunde aus Berlin telegraphieren: „Die Regierung fordert weiter bedeutende Kompensationen. Die Presse erhielt das Losungswort, Front gegen das Ausland zu machen und zu jagen, daß Deutschland bereit ist, den Fehdehandschuh aufzuheben, wenn Eng land mit Drohungen kommt. Die Situation ist heute abend ernst." Der „Matin" übertrifft mit seinem Leit artikel alle Hetzereien, die er bislang gegen Deutsch land vorbrachte, und vergeblich würde man nach einer Zeitungsstimme suchen, die nicht auf die pessimistische Note abgestimmt wäre. Die Auszüge, die aus der englischen Presse, aus der deutschen, österreichisch ungarischen, italrenischrn usw. telegraphiert werden, bestärken den Eindruck, daß „seit 1870 der Weltfriede von keinem kritischeren Moment bedroht wurde , wie ein Pariser Blatt sagt. Daß selbst die offiziöse deutsche Presse es für nötig erachtet, in sehr entschiedener Sprache gewisse unverantwortliche und halbverant- wörtliche Anmaßungen französischer sowie insbeson dere englischer Politiker zurüchuweisen, war ganz natürlich. Aber sind ob dieser Verschärfung der Dis kussion di« schlimmsten Befürchtungen gerechtfertigt? Wir glauben es nicht. Wir glauben im Gegenteil allen Grund zur Annahme zu hoben, daß die Basis zu erner provisorischen Verstän- digungzwischenDeutschlandunüFrank- relch bereits gefunden ist und daß Eng- landdazuseineEinwilligungnichtvor- enthalten wird. Tatsache ist (und dies wird Ihrem Korrespondenten heule aus einer bisher über die Tendenz der laufenden Verhandlungen stets gut unterrichteten, dem Ministerpräsidenten nahestehenden Quelle bestätigt), daß in den offiziellen Kreisen eine optimistischere, mit der Schwarzmalerei der Presse völlig kontrastierende Auffassung vorherrscht. Nicht daß die Schwierigkeiten behoben seien. Wohl aber, weil eine Verständigung über die politischen Vor bedingungen erzielt jei. Von französischer Seite bestreitet man nicht mehr, daß heute rn Marotko eine Lage eingetreten ist, die nicht mehr jener zur Zeit der Algeciras-Konserenz und nicht einmal jener zur Zeit des deutsch-franzö sischen Abkommens, Februar 1909, entspricht. Das Prinzip der Kompensationen, oder wenn man vor zieht. der Konzessionen an Deutschland ist zugelassen. Aber die Möglichkeit einer definitiven Entschädigung ist noch nicht vorhanden, wenn man auch einen Augen blick auf beiden Seiten daran geglaubt hat. Nach dem deutschen Standpunkt müßen die gegenwärtigen französischen Operationen in Marokko folgerichtig die Souveränität des Sultans, die spanischen Operationen die Integrität des Sultanats einschränken. Frank- reich bestreitet nicht, daß das Resultat jo sein kann, wie Deutschland es voraussagt. Aber es will die Haut des Bären nicht zur Verteilung bringen, bevor er völlig erlegt ist. Das Geschrei der französisch«" Preße darüber, daß Herr wn Kiderlen-Wächter Gabon und Libreville verlangt haben sollte, be kundete, daß man in der Oeffentlichkeit die momen tanen Vorteile der Republik im Sultanat als nicht im Verhältnis zur Aufopferung einer älteren Kolonie stehend erachtete. Würde die Preße die deutsche Kompensationsforderung am Kongo weniger als eine „Beleidigung" empfunden haben, wenn der marokkanische Okkuoationsplan bereits «in „t'ait aeooinpli" wäre? Die französische Diplomatie läßt die Frage offen. Sie knüpft aber daran unmittelbar den Vorschlag, mit einer Vertagung der Beantwor tung an eine Lösung des Problems heranzutreten, so wie es sich heute stellt. Deutschland sagt, daß Frankreich bereits Vorteile errungen hat, seit es dem Sultan in Fez Hilfe bracht«. Kompensieren wir zu nächst Liese Vorteile, schlägt Frankreich vor. Erringen wir später neue, dann kompensieren wir weiter. Dies Verfahren konnte in Berlin nicht angenommen wer den, wenn gleichzeitig verlangt wurde, daß Deutsch land seine wirtschaftliche Ausreitung im Susgebiet aufgebe. Das Berständigungsprogramm, für das Not schalter Cambon in London gestern glücklich plädiert zu haben scheint, um so der Konstruktion seines ge schickten Berliner Bruders eine sichere Basis zu ver schaffen, setzt sich aus folgenden Punkten zusammen: Frankreich hält sich an die Bestimmungen der Algeciras-Akte, joweit Lies mit seinem vom öeutsch- französischen Abkommen von 1909 bestätigten Interesse an der Ordnung und Sicherheit im Sultanat verein bart ist. Dementsprechend setzt es die Zurücknahme seiner Truppen fort. Die im gleichen Abkommen von 1909 stipuliert« wirtschaftlich« Zusammenarbeit wird mit Nachdruck neu ausgenommen. Eine Grenz regulierung größeren Stils für Kamerun und im Tjchadgebiet wird durchgeführt. Die deutschen Kriegs schiffe verweilen nicht permanent in Agadir, unter der stillschweigenden Voraussetzung, Laß keine franzö sischen und auch keine englischen Kriegsschiffe diesen Hafen anlaujen werden und daß keine Sullans- mahalla unter dem Kommando französischer Instruk toren nach dem Susgebiet kommt. Die deutsche und die sranzvsijche Diplomatie bleiben fortdauernd in Verhandlung, um die definitive Lösung des Problems nicht aus Len Augen zu verlieren. Diese Punkte sollen, wie uns gesagt wird, vor läufig in sehr allgemeiner Fassung auf beiden Seiten zur Grundlage der ferneren Diskussion dienen. Natür lich hängen sie von Voraussetzungen ab, von Direk tiven für die Zukunft, über die noch viele diploma- tische Telegramme ausgetauscht werden müßen. Von einer Beseitigung des Konflikts kann nicht die Rede sein; aber ohne die Annahme dieser vorläufigen und primitiven Verständigung könne bei der außerordent lichen Verschiedenheit der Berliner, Pariser und Lon doner Wünjch« nur der Abbruch der Verhandlungen erfolgen, mit all seinen Konsequenzen. Wie jedes Provisorium, so hat auch das jetzt vorgeichlagene sein« großen Nachteile; es wird niemanden befriedigen, ja es behebt nicht einmal die drohenden Gefahren für die Zukunft — immerhin behebt es die momentane Gefahr, an die zur Stuich« noch die Journalistik fast der ganzen Welt glauben zu müßen scheint. Deutsch land verzichtet auf keine seiner jetzt gestellten For derungen; es gewinnt Zeit. Ls wird vor allem sehen können, ob es im Susgebiet seinen Einfluß ausbreiten soll und ob dort die erwarteten wirtschaftlichen Vor teile einer größeren Aktion tatsächlich verlohnen oder ob eine gleichzeitige Entschädigung an der französi schen Kongoküfte unumgänglich notwendig ist, um die Aufgabe des Vetos von Tanger vor der Geschichte zu rechtfertigen. Wenn niemand eine diplomatische Nie derlage in dieser langjährigen Affäre endgültig er- leiden soll, wuß ein Mittelweg gefunden werden: etwas, was Deutschland die Besitzergreifung des gan zen marokkanischen Norden durch Frankreich und Spanien auiwiegt, ohne daß von einer „Erniedrigung Frankreichs" oder einer „Bedrohung Englands'' ge sprochen werden kann. Akademie kür kommunale Verwaltung. Auf dem Wege der Gründung besonderer Fach- Akademien hat die Stadt Düsseldorf in diesen Tagen einen bemerkenswerten Schritt getan, indem von ihren städtischen Körperschaften die Errichtung einer Akademie für kommunal« Verwaltung beschlossen wurde. Verhältnismäßig schnell hat man in der rhei nischen Kunstmetropole den Plan zur Tat reifen lassen, so daß angenommen werden muß, über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer jolchen Aka demie hätten keine erheblichen Zweifel geherrscht. Das erscheint ganz natürlich, denn nachdem schon ge raume Zeit mit Len niederen und mittleren Fach schulen aller Art die besten Erfahrungen gemacht worden waren, ist man zur Gründung von höheren Fachschulen oder Akademien geschritten, von denen inan sich ebenfalls das Beste verspricht. Wir erinnern nur an die Handelshochschulen, an die Akademien für praktisch Medizin usw.; auch di« Post und Tclc- grapl)enschule in Berlin, welck)« bis zur letzten Reform der Posikarricre die Anwärter für den höhe ren Post- bzw. Telegraphendicnst zu absolvieren hat ten, zählte zu dieser Kategorie. Der Gedanke, auch den Anwärtern für leitend« Kommunalstellen Ge legenheit zur theoretischen und praktischen Ausbil dung zu geben, lag in Düsseldorf um so näher, als die Stadt schon seit einem Jahrzehnt eine Schule für mittlere Gemeindebeamte besitzt, und damit gut« Er fahrungen gemacht hat; auch die dort mit Erfolg be triebene Rheinisck)« Polizeischul«, auf der die kom munalen Polizeisergeanten usw. theoretisch ausgebil det werden, regte zu wetteren Versuchen auf diesem Gebiete an. Die Düsseldorfer Akademie für kommunale Ver waltung wird die erste derartig« Einrichtung in Deutschland sein, sie ist als Fachhochschule gedacht und für leitende Kommuiialbcainte bestimmt, welche nicht auf einen durch Examina abgeschlossenen akademischen Studien- und praktischen Äusbildungsgang zurück blicken, also für Männer, die, ohne di« Befähigung zum Richteramtc oder zum höheren Verwaltungs dienst« zu besitzen, dazu qualifiziert erscheinen, lei tende Stellen in der Stadt- oder Landgemeindeoer- waltung auszufüllen. Gerad« für diesen Kreis von Personen ist bei den in unserer Zeit täglich aus tauchenden neuen Problemen sozialer und wirtschaft licher Natur eine gründliche fachliche Ausbildung dringend erwünscht. Nicht nur denen, die sich für di« Laufbahn eines Kommunalbeamten in leitender Stellung vorbereiten wollen, soll die Düsseldorfer Akademie eine wissen schaftlich-praktisch« Ausbildung gewähren, sondern sie soll auch den schon im Amte befindlichen Beamten Gelegenheit zur Erweiterung und Vertiefung ihrer Kenntnisse geben und darüber hinaus allen an kom- munalrechtlichen und wirtschaftlichen Fragen inter essierten Personen die Möglichkeit zu weitergehender Bildung bieten, und zwar auf hochschulmäßiger Grundlage. An der Spitze der Akademie wird ein Studiendirektor stehen, während als Dozenten Uni versitätslehrer und Praktiker ausersehen sind. Für die Vorlesungen hat man folgende Themen in Aus sicht genommen: Agrarpolitik, Handels- und Ge werbepolitik, kommunale Wirtschafts- und Sozial- so wie Finanzpolitik, Sparkassen- und Armenwesen, Ver sicherungswesen, Reichs- und Staats-, Verwaltungs und Verfaßungsrecht und andere Materien, welche für Kommunalbeamte von Bedeutung sind. Der Teilnehmerkreis der Hochschule soll bestehen aus bereits im Amte befindlichen Kommunalbeamten, Referendaren, Rechtsbeflißenen, inaktiven Offizieren, Nationalökonomen, Technikern und Abiturienten höherer Lehranstalten. Alle Einrichtungen sind ge troffen worden, daß das erst« Semester schon im Herbste d. I. eröffnet werden kann. Mit Interesse wird man in den großen Kommunen Deutschlands dielen ersten Versuch einer Hochschule für leitende Ge- mcindebeamte verfolgen und sich die Erfahrungen zu nutze machen. Nach üer Keüe Asquiths. In den gestrigen Berliner Abendblättern befinden sich wenige besonders auffallende Kommentare zu der Rede von Asquith. Die „Tägl. Rundschau" will gern anerkennen, daß die Asquithschen Aus führungen auf einen wesentlich anderen Ton gestimmt waren, als die kriegerische Fricdensrede des Schatzkan, lers Lloyd George, oder die Darlegungen der engli chen Presse in den letzten Tagen. Aber die E i n m i! ch ung Englands sei trotzdem da. Sie sei eine Tatsache, die sich in Las Bewußtsein des deutschen Volkes eingraben wird. Das Blatt er wähnt das in hiesigen politischen Kreisen angeblich mit Bestimmtheit auftretende Gerücht, Laß England dem Berliner Auswärtigen Amt habe erklären laßen, daß es sich selbst der Erwerbung einer Koh le n st a t i o n an der marokkanischen Küste durch das Deutsche Reich widersetzen müßte. Di« französische Preße bat die Ausführungen des englischen Premierministers Asquith ruhig ausgenommen. Die Kommentare, die sie daran knüpft, sind kurz, oft sogar vom Kern punkt der Sache abschweifend. Der gewiß nicht deutschfreundliche „Matin" schreibt: „Laßt uns Optimc (ten sein. Wir wißen, daß man in Berlin wie in Paris von dem Wunsch beseelt ist, die Verhandlungen zu einem guten Ende zu bringen." Der „Figaro" ist der gleichen Ansicht, benutzt aber die Gelegenheit, auf die Unkonsequenz, die die deutsche Politik seiner Ansicht nach besitzt, nochmals hinzuweisen: „Es ist verwunderlich, daß Deutschland unsere er st «Expedition nach Fezbilligt«, gegen di« zweite aber, die doch nur eine notwendige Folge der ersten war, Protest erhebt." Auf Frankreichs Vorsichtsmaßnahmen weist das „Pettt Journal" hin: „Wir sind bereit, in Frieden zu verhandeln, haben aber unsere Vorsichts maßregeln getroffen, wie die noch gestern
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