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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.08.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191108137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110813
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110813
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-13
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Bezuq-.PreiS jur L«t»,ta und vurort» durch „lee, Tiagrr und Eordttrur, 2«al tlieltch in, vau, arbrocht: «V1. m,natU.r.7V»». lirttrliabrl. Bei unirrn Filialen u. An- ttahmestellen abacholt" 7S P>. «anatl.. 2.2SMI. »ierteljahrl. »,rch »i, P,It: innerhalb D,«i>chland, und der deutlchen Kolonien uierieljabrl. >.« MI.. »«latl. Z.W VN. au,I<hl Posibrstellaeld Ferner in relgten, Dänemark, den ronauftaaren. Siallen. Uu;embuig. Niederlande. Nor. wegen, ^«uerrei»-Ungarn Rußland. Schweden. Schwei» u Lvanren. In allen übrigen Staaten nur dtrrlr durch di« Eeichästsstelle de» Blatt«, erhältlich. Tc, Leivjtger Tageblatt erichetnt 2«al täglich. Sonn- u. Feiertag, nur morgen». Ldonn«ment,-Annahm« I»ha»ni»,,il« S. bei unleren Tragern. Filialen. Spediteuren ii»d Annahmestellen. lowi« Postitmteru «ud Brieitragera. Nr. 223. MMer Tageblatt Anzeigen Preit ibr Inierat« au» lletp»rg und Umgedun" di, lipalttg» Petit»,ilr S Ps., die Netlame- »eil« l Ml. von aurwart, ZU Pi, Neklamen l.20 Mk. Inserat« von Behörden im amt- lichrn Teil di« Prtttjeil« 5» Pi. ^«lchai'tvon,eigen mit Plaboorschriiten u. in der Abendausgabe rm Preise erhöht Nabatt nach Tarts. Beilagegebühr tbesami- auslag« S Mt. p Tausend erst Postgedüh!. Tetldeilag« Häher. Festertellte Austräg« können nirdt »urück- aezogen werden. Für das Erscheinen an vesttinmten Tagen ui.d Platien wirb kein« Garantie übernommen. ^n,eigen - Annahme: I-h-nnisgoHe bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Lrpeditionen des In- und Auslandes. -» ... s lN«cht«»schl»t> ... s 14 882 iNachtauschlus,; rel.-Ztnscht.j 14 698 Tel.-Anschl.t 14 693 k 14 694 114 694 Amtsblatt des Aales und des Nolizeiamtes Ser Stadt Leipzig. Truck und Verla, oon Fischer L ttürste» Inhaber: Paul ttürsten. Nrdaltion und Eeschästestelle: Iohannisgaise 8. Haupt-Filiale TresSen: Eeestrane >, l (Telephon ttihl". Sonntag, üen l3. kugult lSll. t05. Zshrgsng. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 24 Leiten. Oss Wichtigste. ^DerGrotzherzog oon Mecklenburg- strelitz hat den Vertretern der Ritterschaft, die eine Resolution in Sachen der Reform der Landesverfassung überbrachten, eine be- mercenswerte Absage erteilt. sS- d. bes. Art.) * Geheimer Kirchenrat v. Pank in Leipzig tritt am 1. Mai nächsten Jahres in den Ruhestand. (S. Leipz. Ang.) * Die Leipziger Milchproduzenten haben am Sonnabend beschlossen, den Milchpreis um 2 Pf( pro Liter zu erhöhen. (S. d. bes. Art.) * In Leipzig-Plagwitz, in der Siemens- straße, sand gestern ein Eroßfeuer statt. (S. d. bes Art.) * In Anwesenheit des Kaisers wurde am Sonnabend in der. englischen Kirche zu Homburg r>. k>. Höhe eine Gedächtnistafel für König Eduard enthüllt. sS. Dischs R.) * Der Gesundheitszustand des Papstes hat sich etwas gebessert. (S. Ausl.) * Trotz des offiziellen Friebe ns - ichlusses dauert in London die Streik bewegung fort: man befürchtet weitere Aus- stände. (S. d. bes. Art.) * Das französische Kriegs mini st e- r i u m hat beschlossen, eine Reservefloltille von s u b- vcntionierte.n Flugzeugen zu schaffen. * In Barcelona kam es zu Demonstratio- nen gegen die Hinrichtung der Meuterer der ..N u - mancia". lS. Ausl.) Marokko in Dichtung unü Wahrheit. Es ist in diesen Tagen ein undankbares (beschilft über die marokkanischen Dinge zu schreiben: denn die Nervosität, die wir ver meiden wollten und zunächst auch vermieden hatten, ist nun wirklich da. Sie beschränkt sich auch keinesfalls auf ein paar inkommensurable Randaleure und gewerbsmäßig Entrüstete. Vielleicht, wenn der Reichstag versammelt wäre — und das ist der einzige Erfolg, den wir, die wir die Psyche und die Dynamik des Reichs tages aus bald zwanzigjähriger Beobachtung kennen, uns von seiner Einberufung ver sprechen könnten —, wäre sie nicht, oder wenig stens nicht in dem Maße vorhanden. Denn dann lebten die Reichsboten in Verkehr und Gedankenaustausch mit den verantwortlichen Leitern unserer Geschäfte und lernten die Dinge in der Nähe doch wohl ein wenig anders sehen. So aber sind sie von solchen Zusammenhängen losgelöst - und ausschließlich auf ihre Umwelt angewiesen. Diese Umwelt aber lebt sich in eine steigende Bitternis hinein und fühlt nachgerade sich von Kaiser, Kanzler und auswärtigen Staatssekretär ver raten und verkauft. Die deutsche Volks seele — das ist diesmal keine Phrase — kocht und die Parteien beeilen sich, ihr nachzu geben. Was in den letzten Tagen aus der „Nationalliberalen Korrespondenz" gesprochen hat — darüber müssen wir uns klar sein —, war nicht die Stimme des „alldeutschen Heraus gebers", war vielmehr die Meinung maß gebender Parteiinstanzen. Auch die Mitglieder der konservativen Parteileitung haben, wie man uns berichtet, sich dieser Tage in Berlin ein Stelldichein gegeben, um sich über ihre Haltung in der Marokkofrage schlüssig zu werden. Und wenn auch der Fürst Hatzfeld auf einen Hilfe ruf von Berlin — das wird doch wohl der Hergang gewesen sein — die „Post" abge schüttelt hat, so braucht man deshalb noch lange nicht anzunehmen, daß alle Mitglieder der freikonservativen Partei mit ihm derselben Meinung seien und gleich ihm den wilden Mann aus Esten in Acht und Bann tun werden. Es ist unter solchen Umständen — wir wiederholen das — nicht leicht, über Marokko zu schreiben. Man gerät, wenn man nun nicht gleichfalls mit der Hand auf den Tisch schlägt und statt dessen lieber zu einer ruhigen objektiven Betrachtung einlädt, in den Verdacht, ein offiziöser Handlanger und berufvmäßiger Schönfärber zu sein. Und doch scheint es uns in einem Moment, wo die Wasser über die Ufer zu treten drohen, eine er n ste natio nale Pflicht, auszusprechen, was ist; ge nauer: in einer sozusagen pragmatischen Schil derung festzustellen, wie in Wahrheit das alles sich so entwickelt hat. Da muß denn immer wieder betont werden, daß Herr von Kiderlen auch in dem Moment, wo er die Schiffe nach Agadir dirigierte, nicht an eine dauernde Festsetzung Deutschlands in Marokko gedacht hat. Man mag das für falsch halten, kann sogar der Meinung sein: wir hätten sofort landen und die Flagge hissen müssen und dann abwarten, was wird. Aber die Tatsache ist doch nun einmal nicht aus der Welt zu schaffen: Herr von Kiderlen hat dergleichen selber nicht gewollt. 2a, wir können noch hinzufügen, was länger geheim zu halten nunmehr wohl keinen Zweck hätte, daß, bevor die „Norddeutsche All gemeine Zeitung" die Mitteilung von dem Er scheinen des „Panther" auf der Reede von Agadir veröffentlichte, vom Auswärtigen Amt oder vom Staatssekretär, wie man will, an die Männer, die in der deutschen Presse von Einfluß und Gewicht sind, herangetreten worden war, um diesenSchritt von vornherein vorMißdeutungenzu schützen. Die alldeutschen Dithyramben, die er voraussah, waren Herrn von Kiderlen lästig. Und als dann Herr von Liebert sein deutsch mauretanisches Banner entrollte, war man im Auswärtigen Amt sogar betroffen. Herr von Kiderlen hat oon Anfang an immer nur ver handeln wollen: verhandeln auf der Grundlage von Kompensationen und was ihm dabei vor geschwebt hat, war eine Auseinandersetzung großen Stiles, die, weil sie Frankreich nicht kränkte und es in keinem wirklichen oder ver meintlichen Lebensinteresse traf, die Gewähr der Dauer in sich trug. Auch das kann falsch gewesen sein, mag bei dem Spiel der Gedanken sich leichter angeschaut haben als in der politi schen Praxis, wo, selbst wenn der Raum nicht so eng ist, sich hart die Sachen zu stoßen pflegen. Schon möglich, daß das Projekt bereits im An satz verfehlt war: daß die Psyche unserer fran zösischen Nachbarn nicht richtig beurteilt und die Schwierigkeiten, die uns von Englands Di plomatie erwachsen konnten, unterschätzt wurden. Aber es ist durch keine Legendenbildung und selbst durch den Geifer der „Post" nicht wegzu wischen: so und nicht anders hat das alles sich zugetragen. Wer die Dinge aus der Nähe mit einer gewissen innern Logik sich hat entwickeln sehen, weiß auch, daß man dem Kaiser sicher unrecht tut. Was man von einem im pressionistischen Eingriff des Kaisers erzählt hat und noch erzählt, ist Unsinn. Das war ja die englisch-französische Vorstellung gewesen: der Kaiser als üeu^ ex muetzinn von der Sommerfahrt heimkehrend und -- alle Näder stehen still, weil er cs will. In Wahrheit ist nichts davon ge schehen. Die Verhandlungen gehen weiter. Nicht gerade schnell und nicht übermäßig glatt: aber sie geben doch weiter. Sie wären vielleicht nur sistiert worden, wenn Frankreich aus seinem letzten Angebot beharrt hätte. Forscht man nach dem Ursprungsherd dieser Gerüchte, so stößt man immer wieder aus eine Korrespon denz, die zum Auswärtigen Amt keine Be ziehungen hat, deren geheimnisvollen „diplo matischen Mitarbeiter" niemand kennt und von dem wir für unsere Person uns nicht wundern würden, wenn er eines Tages sich als ein Staatsgclehrter von Marlins- Gnaden entpuppte. Aber dieser Diplomat von Monte Christo wird plötzlich zur unbestrittenen Autorität, deren nach Ursprung und Tendenz durchaus unkontrollierbare Verlautbarungen mit gläubiger Inbrunst hingenommen werden, und die für völlig ausreichend befunden wird, auf sie die gravierendsten Anklagen gegen den Kaiser zu gründen. Wir können uns nicht helfen: das dünkt uns eine schlechthin unge heuerliche Verirrung, auf deren Gefahren von besonnenen Patrioten nicht nachdrücklich genug hingewiesen werden kann. Alles ist noch in der Schwebe. Es kann gut, es kann auch sehr ernst enden. Immer noch mag es geschehen, daß die Kompensationen, die Frankreich zu gewähren bereit ist, uns nicht genügen, und wenn sie uns genügen, England zum andern Rial unfern Weg kreuzt und keine andere Wahl uns bleibt, als die ultima rativ regum. Aber in dem gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen mit einem wahren Feuer eifer vor aller Welt den Kaiser als Zauderer zu verdächtigen, der dem tapfern Schwaben fortgesetzt in den Arm fällt, ist unpolitisch und ist wenig klug dazu. Selbst wenn es wahr wäre, hätten wir allen Grund es zu leugnen, denn wir spielen unfern Gegnern so einen Trumpf zu, gegen den Asquiths und Lloyd Georges sämtliche Reden harmlose Schellen neune sind. Die smeriksnilchen Schleüs- vertrsge. Die „allgemeinen" Schiedsgerichtsverträge der Vereinigten Staaten mit England und Frankreich sind glücklich abgeschlossen. Der amerikanische Senar hat auch außerorüentlicherweije ihren Wortlaut veröffent lichen lassen, ehe er in die Beratung eingetreten ist. Da diese günstigenfalls etwa übers Halbjahr statt fände — man vergleiche die Daten des kanadischen Reziprozitäts-Abkommens! —, so Härte eine Geheim haltung bis dahin ja auch die Neugier der Mitwelt gar )U arg auf die Folter gestellt. Es wird also nun zwischen den angelsüchsiscljen Brüdern — von amerikainich-französiscifen Meinungs- verschiedenheiten hat man überhaupt nichts mehr ge hört, seit Uncle Sam Napoleon lll. aus Mexiko nbpfffj — ewiger Friede herrschen bis zum Ende aller Tage, wenn der Antichrist die ganze Crdenwelt in Verwirrung bringt. Wenigstens liest die alrc. gute Percha von Suttner mit ihren Mitschwärmern bei derlei Geschlechts solch frohe Aussicht aus den Para graphen des Vertrages heraus. Leider l>at inan die Einleitung nicht sonderlich glücklich gefaßt. Es wird daran erinnert, daß ohnehin schon seit dem Jahre 1?14 Briten und Pankees nicht mehr die Waffen ge treu,zt haben. Besser wäre die böse Erinnerung ge rade an jenes Jahr fortgelassen, in dem die englische Invasions-Arme in Washington den Brand von Atos- lau den westlichen Blutsverwandten vorspieltc. Die in Aberglaubenssachen sehr hellhörigen Jraliener z. B. möchten die ominöse Zahl mit Beklemmung an sehen. Wir vorurteilslosen Nordeuroväer halten uns na türlich an den Inhalt. Der aber ist doch einiger maßen geeignet, diejenigen stutzig zu machen, die aus den zahlreichen, den Vertrag schon vor seinem Ab schlüsse feiernden Dankettreden herausgehört hatten, englisch-amerikanische Kriegs seien fürderhin wenig stens soweit ausgeschlossen, als man das Wenn und das Aber volkspsychrscher Explosionen aus dem Wör terbuch« sriedenswilliger Est>erantisten auszumerzen entschlossen ist. Weil immer ein „allgemeiner" Schiedsoertrag angekündigt wurde, hatte man ge glaubt, daß seine tl^oretische Unbedingtheit fest gelegt werden solle. Es ist aber wohl vereinbart, daß alle Streitfragen mit Einschluß der staatlichen Lebens- und Ehrenfragen einer schiedsgerichtlichen Be-urreilung unterbreitet werden sollen. Daß aber die Parteien gehalten wären, sich dem Schiedssprüche aur jeden Fall zu unterwerfen, von dieser un bedingten Geltung wiederum lein Sterbens wort! Amerrkas Friedseligkeit reicht ja über den Kreis der beiden jetzt unterzeichneten Verträge hinaus.^Ver handlungen init uns Deutschen über eine gleich lautende Uebereinkunst haben bereits begonnen, und nach den früheren Verlautbarungen muß eigentlich etwas wn übernehmen, daß man nicht mit der Unter zeichnung der beiden ersten gewartet bat, bis auch die dritte zum Abschlüsse gebracht war. Aber auch nach Japan ist ein Fühler ausgestrecki. Präsident Taft hat intb p-xmla den Admiral Togo per sönlich avostropyiert. Der Sieger oon Tsuschima scljeint allerdings ein wenig iühl geantwortet zu hol'«!!. Immerhin ist Japan zur E-möglichung des englisch amerikanischen Abkommens durch Aufnahme der vielbcivrochenen Klausel in sein englisches Bünd nis den Angelsachsen ein tüchtiges Wegstück eurgegen- gekommen. Möglich, daß es sich schließlich zur Ein stimmung in einen Schiedsvcrirag breitschlagen läßt, d-cr in unserer Epoche der Friedenskonferenzen alle Welt hübich kleidet und schließlich — zu nichts ver bindet! Denn mair stelle sich einmal vor, daß die kalifornische Einwandcrungsfrage wieder gegen ständlich werde und vor «in Schiedsgericht gebracht werden solle. Gäbe dieses nun drin recht bestreitbaren Ansprache der Gelben aus imernationalc Freizügigkeit Brief und Siegel im Völkerrechte der Zukunft, so möchten wir durck-aus nicht mir Sicherheit prophe zeien, daß die Kalisornier sich dem Urteile beugen würden, ^Zerwürfe es aber die japaniche Forderung: welcher Sturm ob gekränkter nationaler Ehre dann ivohl das Sonncnaufgangsland durchloben würde! Ob da die Siegel des Vertrags-Jnstrnmc.rtes halten würden? Die Folgerichtigkeit verlangte ja nun, daß der Kreis der Vertragschließenden nicht auf die bis jetzt einbezogenen oder in Aussicht genommenen Länder beschränkt bliebe. Wenn die Union ernstlich an dem löblichen Werke des Weltfriedens arbeiten will, dann darf sie natürlich nicht zwei Klassen von Staaten ein richten wollen: gleichmächtige oder mächtigere, mit denen man Schiedsverträge schließt. und schwächere, mit denen man es bei der theoretisch jetzt verdammten Methode von Säbel und Flinte be wenden läßt. Aber noch vermißt man jeden W'nk, daß auch die Kleinen der Westfeste nach den Großen Europas und Asiens an die Reihe kommen sollen. Und die Gelegenheit war doch so bequem, als Herr Liman tons in den Frühjahrsmonaten so oft und so lange in Washington weilte, auch mit dem Vertreter Mexikos so liebenswürdig auf Frieden und Freundschaft an zustoßen, wie es mit dem großen Togo geschah! Welche Kosten hätte man sich überdies erspart, wenn die große Mobilmachung zu Wasser und zu Lande unter blieben und die Grenzbeschwerden vor das Haager oder ein anderes Schiedsgericht gebracht wären! Man hat es nämlich doch nickst für gut befunden, sich gerade auf Zar Nikolaus' Lieblingsschöpfnng in der niederländischen Hauptstadt zu versteifen. Woher dieses Mißtrauen rührt, ist nicht so ganz ersichtlich: Tatsache aber ble-dt, daß beliebiger Vereinbarung auch die Wahl eines englisch amerikanischen Sonder gerichts vorbehalten ist. Vielleicht war man beider seits mit der Entscheidung des neufundländischen Streites nicht so ganz zufrieden: oielleicht wirkte auch das Gedächtnis des ersten zwischenvclklichen Schieds spruches nach, den unser Geschlecht geseben hat, und der den eine Weile recht drohenden A labama- Konflikt aus der Welt geschafft hat. Absonderlich verwickelt erscheint aber die Be stimmung, daß über die Frage, ob Haager,^»» Sonder gericht, erst eine N o r k o m m i s s i o n zu entscheiden hat, nicht die Negierungen selbst befinden sollen. An diesen Paragraphen bat sich drüben auch bereits die Kritik angeheftet, und der Senat betont in seiner Erklärung ausdrücklich, daß »eine Beratung vorzüglich die Verhandlungen in die Lange ziehen werde. Ist die Einrichtung ständig gedacht, so steigt ja auch eine gewisse Gefahr auf, daß diese Vorkommission nicht allein für englisch-amerikanische Dinge das Welt tribunal allmählich ganz wieder außer Wirksamkeit setzt, und damit sein Ansehen auch Lei andern Na tionen herabdrückt, sondern daß sie die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten überhaupt zum großen Teile dem Staatssckretariate aus den Händen windet, somit die hundertjährige amerikanische Verfassung an einer wichtigen Stelle durchlöchert. Da nun voch die Gelegenheit versäumt ist, der amerikanischen Freundschaft mit Deutschland durch gleichzeitigen Abschluß guck' unseres Vertrages zu huldigen, so Laben natürlich auch wir reichliche Zeit gewonnen, uns die ss>rundzügs wie die Einzelheiten des uns verheißenen Traktates reckst sorgfältig vor ihrer Bestätigung durch den Reichstag anzusehen, sorgfältiger jedenfalls, als es im Getriebe des heran nahenden Winters mit seiner Wahlverwirrung ge schehen würde. Lea XIll., Namaalls unü rrispi. lEi» gescheiterter Aussöhiulngsoersuch.) Aus dem Nachlaß des verstorbenen Ministerpräsi denten Franzesco Erispi veröffentlicht «in Mitglied der Familie Erispi im ..Corricre della Sera" einen bisher unbekannten Briefwechsel zwischen dein italie nischen Kadinettschef und dem Avr von Montecassino Luigi Tosti, der einen höchst lehrreichen Beitrag für die wiederholten vergeblichen Versuche des Papstes Leos Xlll. mit dem Staat und der Regierung von Italien zur Aussöhnung zu gelangen, bildet, und do bei zeigt, daß der Vorgänger Pius' X". nicht >owohl der Gefangene der italieni scheu Negie rung, als vielmehr der ihn umgebenden machtvollen intransigenten Partei des Vatikans ge wesen ist. Die eben belanntgewordenen Schriftstücke haben aber auch im Hinblick aus die Halt n n g des ehemaligen Karöinalsiaatsse'rctärs Leos XIII., Nampolla, ein spezielles Interesse insoscrn. als ein großer Teil des katholischen Klerus auf Nam- volla als den c ü nftigenP a p st große Hoffnungen 'ctzt. Ob diese sich erfüllen werden, bleibt dahinge stellt. Jedenfalls ist es von erheblichem Wert zu wissen, daß Nampolla genau vor 2t Jahren im Sinne der Versöhnungs bestreb ungen Leos XIII. gearbeitet hat, dieser selbe Nampolla. der iin künftigen Konklave nur die Gegnerschaft Merrv del Vals und stiner Anhängerschaft zu fürch ten hat. Wie die Intriganten der vatika Nischen Kamarilla jenen Versöbnungsakt zu vereiteln wußten, werden die folgenden Zeilen l leuchten. Es war im Monat Mai 1b><7, da kam der Abt von Montecassino L. Tosti ins Ministerium des Innern und erwirkt« sich eine Audienz beim Kabinettschef Erispi, der sofort empfing, als er hörte, Tosti käme in besonderer Mission von feiten des Papstes. Wäh rend der Unterredung erhielc Erispi den Abzug einer non Tosti verfaß'en Broschüre „Die Aussöhnung" zu lesen und viel von den Bestrebungen Leos XHI. zu hören, der seinen Frieden mit dem italienischen Staate zu machen bereit wäre, wenn der letztere einige Bedingungen des Vatikans erfüllen könnte. Der Papst wäre des ewigen Haders zwischen dem Vatikan und Italien müde und wolle gerade im Jahre seines Prie'y-r jubiläums Frieden und Freundschaft mit dem Staate schließen. Tostis Broschüre sei auf Veranlassung des P a p ste s g e s ck r i e b e n und von ihm appro biert worden. In erster Linie verlange Leo die Rückgabe der alten Basilika von San Paolo und die Fonds für die Wiederaufbauung dieser Kirche.'Eriipi sagte freudig zu. Nichts kam ihm und seinem König erwünschter als die Anbahnung guter Beziehungen zwischen Vatikan und Luirinal. Es folgten Briese und Besuche zwischen dem Abt und dem Kabinettscher, der um des lieben Friedens willen auch mehr als die alt: Paulsbasilita bewilligt haben würde. In zwischen aber hatte die Partei, der im Vatikan eine Aussöhnung höchst ungelegen kam, von den geheimen Unterhandlungen Win) bekommen, und unter dem 27. Juni teilte der Avt dem Minister wehklagens mit. daß „der erhabene Pontifex empört darüber sei, daß sich jemand ins Mittel gelegt habe, die llnierhandlun gen zu durchkreuzen". Am 2. Juli schreibt der Abt an Erispi. daß sich im Vatikan bereits ein neuer Sturm über seinem sdes Abtes) Haupt entfesselt hat. der von der intransigenten Partei entfesselt ist. die versuche, dieOoerhand überdcnPa pst zu gewinne n. Trotzdem fehle es ihm idem Alstt nicht an Gi'ustbeweiscn von feiten des Papstes sowohl wie von seilen Nampolla s. Der Papst hätte ihm eine T r o st e p i st e l wegen der gegen ihn gerichtet:» Schwäbungen nacb Montecassino gesandt. Im übri gen dranae der Papst auf die alsbaldige Lösung ter Paulsccio»«,.frage. Sie wol.e Leo XIII. den Intran sigenten wie den gierigen Hunden als Bissen vor- werfen mit den Worten: Sehet her, hier ist die erste Frucht unserer Arnäk^erung an die italienische Re gierung ... Das Arrangement war fast fertig. Erispi erfuhr, daß Nampolla der Idee der Wiederoersöhnung außer ordentlich günstig gesinnt war. Da platzt« wie eine Bombe eine neue Enzyklika Leos XIII. da zwischen, die der italienischen Regierung alles andere als Schmeicheleien sagte. Wer hatte diesen Ausfall
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