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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110805018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911080501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911080501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-05
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Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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politische Umschau. Oie Kallerin Mellrich. Heute jährt sich zum zehnten Male der Tag, an dem die Malierin Friedrich, geborene Prinzessin von Großbritannren und Irland, die Äugen zum ewigen Schlafe geschlossen hat. Es war im Jahre 1848, als die Prinzessin Wil helm von Preußen, die nachmalige Kaiserin Äugusta, im Schlosse von Windsor als Gast des englischen Königspaares weilte. In regem Familicnverkehr, unterbrochen von glänzenden festen, schwanden die Tage des Ausenthalts schnell dahin. Äm Morgen vor der Abreise, jo wird erzählt, sah die Prinzepin auf dem mit Kupferstichen bedeckten Tisch ihres Vor zimmers ein damals sehr beliebtes Bild, die Be gegnung Blüchers und Wellingtons, mit der Unter schrift ,^a Belle Alliance" liegen und die Bildnisse ihres einzigen Sohnes, des fünfzehnjährigen Prinzen Friedrich Wilhelm, und der fünfjährigen Prinzeß Royal von Großbritannien so darüber gebreitet, daß jene Unterschrift sichtbar blieb. Wie zufällig waren die Bilder in dieser Weise zueinander gekommen, aber die Prinzessin merkte sofort, dasi sie der kurz vorher ins Vorzimmer getretene preußische Gesandte von Bunsen absichtlich zusammengelegt hatte, und sie verstand den mit diplomatischem Geschick angedeutc- ten Gedanken. Im Januar 1858 wurde dann die „Familien-Allianz" zwischen dem Hause Hohenzollern und den englischen Koburgern abgeschlossen. Für die in ganz fremde Verhältnisse verpflanzte Prinzessin Viktoria mar es keine leichte Aufgabe, sich an dem preußischen Hofe, wo die politischen und ge sellschaftlichen Meinungen so verschieden waren, zu rechtzufinden und den ihr zukommenden Platz zu be» haupten. Es zeugt für die Geschicklichkeit der Prin zessin, deren reizende Verkehrsformen und un gezwungene freundliche Sprache ihr die Sympathien aller gewannen, die mit ihr in Berührung kamen, dasi sie schnell beliebt wurde, und dasi man allgemein in den höchsten Ausdrücken des Lobes von rhr sprach. Dem alten Wrangel hatte sie es besonders angetan, weil sie gut zu Pferd war und den Soldaten Inter esse entgegenvrachte. Jahrzehnte verflossen seitdem, Jahre äußeren Glanzes, die dem Kronprinzenpaare viele innere Enttäuschungen brachten. Wir wissen aus den Auf zeichnungen Roggenbachs, der ein lieber Gas: im Hause des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und d r Prinzessin Viktoria war. wie sehr der dcut'che Kron prinz den Hohenzollern-VetLer in Rumänien beneidet hat, weil dieser in der Blüte seiner Jahre nach eige nem Willen für einen Staat schaffen konnte, wäh rend er selbst die Jahre der besten Kraft in Unselb ständigkeit dahinbringen musste. Wir willen außer» dem aus Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen", wie sehr er mit der Voreingenommenheit der in den Traditionen ihres Vaters aufgezogenen Prinzesi Royal zu kämpfen hatte, seit sie im Jahre 1858 in Berlin festen Fusi gefaßt hatte. Ihre natürliche und angeborene Sympathie für ihre Heimat liesi sie stets ihren politischen Einfluß zugunsten Englands gel tend machen. Dieser Einfluß der Prinzessin kul minierte in der Zeit, als Kaiser Friedrich den Thron bestiegen hatte. Als er am 15. Juni 1888 starb, hinterließ er eine unglücklick>e Gattin, die keine Zu kunft vor sich sah. Auch auf sie paßt das Schillerschs Wort von der Parteien Gunst und Haß. Bismarcks Urteil in allen Ehren, aber seine Antipathie hat der Beurteilung seiner Gegner, wie es ja menschlich ver ständlich ist, meist eine allzu große Schärfe gegeben. Franz von Roggenbach, freilich als Freund des Schlaffes Friedrichshof ebenso Partei wie Bismarck, ba^ kurz vor seinem Tode auf die Frage eines Historikers, in welchem Umfange Prinzessin Viktoria politischen, künstlerischen und literarischen Einfluß aus ihren Gemahl geübt habe, folgende Antwort ge geben: „Die Prinzessin Viktoria mit ihrem festen w^rfikser. ümsanender Bildung, weiten» Horizonte und warmem künstlerischen und literarischen Inter esse hat gewiß die Atmosphäre des kronvrinzlikben Hofes und Hauses geschaffen." Daß diese den Kron prinzen vielfach anregte, wird kaum geleugnet werden können. Dagegen lag es der Prinzessin ganz ^ern. irgendeinen bewußten Einfluß auf ihren Ge mahl ansüben zu wollen, und in der Tot gingen die Auffassungen vielfach auseinander. Insbesondere laa es derselben ganz s<wn, -malische Institutionen und Methoden für Preußen befürworten zu wollen. K'n Gegenteil schien sie manchmal geradezu leiden- schaitlich dnrz"tun. wie ganz unmöglich ein solcher s^j Aiub künstl-'risch ainaen die Richtungen vielfach auseinander. Der Kronprinz blieb lest in d-n Traditionen *rand»nb>'raischer und srideriziani- scher Reminiszenzen und einer großen Ehrfurcht vs-- de- Eiaenart jedes Künstlers, wenn ihm selbst auch dellen Schänst'naen mißfallen mochi-'n. Tie Kron prinzen bewunderte alles Schöne als solches. Gin wertvolles lozislüemokrstilches Iuyeltsnünis Unter dieser Ucberschrift versendet der Sekretär oes Sächsischen Landesverbandes Evangelischer Ar beitervereine folgenden Artikel: In letzter Zeit erschienen in der Tagespresse mehrere Artikel, die sich mit den schlechten Arbeits und Lohnverhältnissen in sozialdemokratischen Be trieben beschäftigten. In der Hauptsache kam die Seifenfabrik in Eröba bei Riesa in Frage, die Eigentum der sozialdemokratischen Konsum vereine ist. Die Eroßeinkaufsgesellschaft Deut scher Konsumvereine wendet sich in den sozialdemokratischen Parteiorganen jetzt gegen die diesbezüglichen Meldungen. Die Entgegnung der Eroßeinkaufsgesellschaft ist recht zahm gehalten, ja zum Teil werden schlechte Verhältnisse in der Seifen fabrik in Eröba zugestanden. Zwei Sätze der Ent gegnung verdienen aber besondere Beachtung, auch für den, der von der ganzen Angelegenheit noch nichts erfahren hat. Die Eroßeinkaufsgesellschaft schreibt nämlich, daß „die Seifenfabrik in Eröba durchaus nicht den Anspruch darauf erhebt, ein „Paradies" zu sein, sie muß den übrigen Seifen fabriken gegenüber konkurrenzfähig sein". Diese letzte Ausführung ist besonders interessant. Wenn die evangelisch-nationale Arbeiterbewegung bzw. deren Führer immer und immer wieder be tonen. daß sie bei dem Eintreten für die Interessen der Arbeiterschaft vor allen Dingen mit darauf achten, daß die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie durch die Forderungen der Arbeiter nicht geschwächt wird, hat die Sozialdemokratie für diese gesunde Ansicht nichts als Spott und Hohn dafür übrig, wenn es sich aber darum handelt, sozialdemo kratische Betriebe recht rentabel zu gestalten, da macht es die Sorge um die Konkurrenzfähigkeit nötig, die Forderungen der Arbeiterschaft abzu- ^Nicht uninteressant sind auch folgende Ausfüh rungen in der Entgegnung der Krosieinkaufsgesell schäft: „Ihre Errichtung lalso die der Seifenfabrik) soll doch auch für ihre Besitzer, die organisierten Konsumenten, einen Vorteil im Eefolge haben". Dem gewöhnlichen sterblichen Unternehmer, diesem „elenden Ausbeuter", spricht die Sozialdemokratie bekanntlich das Recht ab, Vorteile aus seinem Be triebe zu gewinnen. Etwas ganz anderes ist das bei sozialdemokratischen Betrieben. Wenn zwei das Gleiche tun, so ist das eben noch lange nicht dasselbe. Am Schlüße der Entgegnung entschuldigt sich die Eroheinkaussaesellschaft über die wenig erfreulichen Verhältnisse für die Arbeiter in ihrer Seifenfabrik mit folgenden Worten: „Vielleicht, dasi die Ver hältnisse in der Seifenfabrik Zukunftsstaatsvor stellungen nicht entsprechen und man sich unter para diesischen Freuden auch etwas anderes vorstellen wird als das Arbeiten in einer Seifenfabrik der Grosi- einkaufsgesellschaft. Dafür kann diese aber nichts, denn sie bat gar nicht die Absicht, den Zukunftsstaat in ihrer Seifenfabrik einzurichten!" Deutsches Reich. Leipzig, 5. August Zur Erkrankung der olaiseri«. Wie wir bereits in der gestrigen Abendnummer berichteten, leidet die Kaiserin an einer Hals entzündung. Erfreulicherweise ist das Leiden nur leichterer Art, so dasi es in einigen Tagen behoben sein dürfte. Wir erhalten folgende Drahtmeldungen: Kassel, 4. August. (Priv.-Tel.) Die Erkrankung der Kaiserin ist, wie Ihr »-Korrespondent von ärzt licher unterrichteter Seite erfährt, eine leichte. Es handelt sich um eine unbedeutende Erkältung mit Anschwellung der inneren Halsorgane. Im übrigrn bleibt im Befinden der Kaiserin nichts zu wünschen übrig. Die Kaiserin hat gestern nachmittag in Be gleitung des Prinzen Oskar einen mehrstündigen Spaziergang im Schlosipark bis zum Eintritt der Dämmerung unternommen. Die Kaiserin wird von dem Generalarzt Prof. Dr. Zunker behandelt. Das Unwohlsein der Kaiserin dürfte in wenig Tagen behoben sein. O. Berlin, 4. August. (Priv.-Tel.) Die Er krankung der Kaiserin stellt sich als eine leichte Mandelentzündung dar, die wahrscheinlich durch plötzlichen Tempcraturwechsel entstanden und absolut ungefährlich ist. Da eine Besserung im Befinden be reits eingetrcten ist, wird die Kaiserin nur ein bis zwei Tage das Zimmer hüten müßen. — Hiernach liegt die Vermutung nahe, daß die Anwesenheit des Kaisers in Berlin auch durch die politische Situation bedingt ist. * * Tagung der deutschen und französischen Sozial versicherungsgesellschaft Das Comitö permanent international des assurances sociales tagt in Ge meinschaft mit dem Deutschen Komitee für inter nationale Sozialversicherung am 15. und 16. Sep tember anläßlich der Internationalen Hygiene-Aus stellung in Dresden. Die Einladungen, die soeben verschickt werden, tragen die Unterschriften des Ehrenvorsitzenden des Lomitz permanent internatioaal und des Deustchen Komitees für Sozialversicherung, Dr. Graf vonPosadowsky- Wehner, des früheren französischen Finanzministers Poincarl und des Staatssekretärs Dr. von Mayr, des Präsidenten des Reichsversicherungsamtes Dr. Kaufmann, des Generalsekretärs des Comite permanent, Prof. Fuster und Dr. Zacher. Die Bera tungen werdensichausfolgendcPunltebeziehen:Freitag, Maßnahmen zur Verhütung von Betriebsunfällen, Gewerbckrankheiten und Voikskrantheiten, Methoden des Heilverfahrens bei Betriebsunfällen. Sonn abend: Verbindung staatlicher Zwangsversicherung mit freier Versicherung. Die Sondcrkonserenz soll einen rein praktischen Charakter Haden, so dag die geplanten Erörterungen vornehmlich das durch die Erfahrung Gewonnene und durch die Ausstellung Gebotene zum Gegenstand haben werden. Die Aussprache zu den einzelnen Punkten der Tages ordnung wird nur durch einen kurzen Vortrag ein- geleitek werden. Das Organisationskomitee behält sich jedoch vor, noch vor der Konferenz den Teil nehmern Leitsätze zu Punkt 1 und 2 der Tagesord nung (mit einem Uebersichtsvlan über die für die Konferenz bemerkenswerten Teile der Ausstellung), eventuell auch einen kurzen Bericht zu Punkt 5 (ver faßt von 2 Vertretern der beiderseitigen Richtungen) gedruckt zur Verfügung zu stellen. Die Teilnahme an der Konferenz wird im Sinne der vom Comitö permanent im Haag gefaßten Beschlüsse auf die Mitglieder der nationalen Komitees beschränkt. An meldungen müssen umgehend dem Generalselretariat in Paris übermittelt werden. Vom 10, September ab befindet sich das Bureau der Konferenz und ihres Organisaiionskomitecs auf dem Ausstellungsgelände selvst, im Pavillon der deutschen Arbeiterversicherung. * * Für die Uebersiedelung des Kronprinzen nach Danzig sind die Vorbereitungen bereits im Gange. Die Wohnungen für die kronprinzliche Familie, den Hofstaat, die Adjutanten usw. müssen bereits Mitte September bezugsfertig sein. Bei der Regiments übernahme ist vorläufig eine Parade über die Lcib- husarenbrigade auf dem Großen Exerzierplatz (voraus sichtlich am 28. September) und dann die feierliche Negimentsllbergabe mit anschließendem Offiziers eßen im Kaisersaal der Leibhusarenbrigade vor gesehen. Die Kaiserin wird mit der Prinzessin Viktoria Luise im September einige Zeit in Cadinen Aufenthalt nehmen und von dort aus mit dem Kaiser zusammen in Danzig eintresfen, wo dann auch bereits die kronprinzliche Familie weilt. Die Hofhaltung des Kronprinzen wird bestehen aus dem Hofmarschall Grafen von Bismarck-Bohlen, den persönlichen Adjutanten Major Gras zu Solms- Wildenfels und Hauptmann Edler von der Planitz. Außerdem ist der Eeneraladjutant des Kaisers, Generalleutnant von Schenk, zur Dienstleistung beim Kronprinzen kommandiert, ferner als Leibarzt Generaloberarzt Professor Dr. Widenmann, Divisions arzt der 36. Division in Danzig. Hierzu treten die Beamten des Hofmarschallamtes, der Hofstaatskasse, der Schatullverwaltung usw. An der Spitze der Hofhaltung der Kronprinzessin steht die Oberhof meisterin Frau Gabriele von Alvensleben geb. Freiin von Berlichingen. Mit Wahrnehmung der Geschäfte eines diensttuenden Kammerherrn ist Kammerjunker von Behr beauftragt, der zugleich der Privattanzlei und Schatullverwaltung vorsteht. Als Hofdamen begleiten die Kronprinzessin die Gräfinnen Maria von Wedel und Eustava Grote. * Keine Anklage wegen des „Falles Kraatz". Gegen die Offiziere, die während der Predigt des Pastors Kraatz die Kirche verlassen haben, kann, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" von juri stischer Seite geschrieben wird, eine Anklage nicht erhaben werden. Es würde sich um den 167 des Reichsstrafgesetzbuches handeln, nach dem eine Stö rung des Gottesdienstes bestraft wird. Aus der Fassung des Paragraphen und aus den Kommen taren geht aber ganz klar hervor, dasi der Paragraph nur eine Bestrafung wegen böswilliger Störung vorsieht, da sonst fast jeder Gottesdienst Anlchz zu einer Strafverfolgung auf Grund dieses Para graphen 167 geben wurde. Der 8 167 sieht eine Be strafung derjenigen Personen vor, die den Gottes dienst besuchten in der Absicht, ihn zu stören, oder die während des Gottesdienstes aus Mutwillen oder böswilliger Absicht eine Störung veranlaßten. Wenn z. B. ein Besucher fälschlich annehmen würde, daß Feuer in der Kirche entstanden ist, so könnte er nicht bestraft werden, selbst wenn der ganze Gottesdienst durch eine entstandene Panik gestört werden würde. Aus diesem Fall gebt schon hervor, wie der Para graph ausgelegt werden mutz. Man müßte fragen, ob die Offiziere die Kirche in der Absicht verließen, um den Gottesdienst zu stören, oder in der Absicht, um die Soldaten die Predigt nicht anhören zu laßen. Die Beantwortung der Frage ergibt sich von selbst, und dadurch ist der ganze Fall erledigt. * Der Kölner Kirchenftreit. Unter dem Titel: „Der Kölner Kirchenstreit. Pfarrer Jathos Amts entsetzung im Lichte der öffentlichen Meinung. Nach den Quellen zufammciigestellt" hat Konsistorialrat Dr. E. von Royden eine Schrift veröffentlicht, die eine unparteiische Darlegung des gesamten Verlaufes der Angelegenheit und der Stellungnahme der Preße dazu bietet. Der Verfasser hat das Material sorgfältig gesammelt und gesichtet. Vermöge seiner amtlichen Stellung, die ihm eine persönliche Teil nahme an den Verhandlungen ermöglichte, war er dazu besonders geeignet. Wer sich gründlich und sachlich über den „Fall Iatho" unterrichten will, dem kann das Buch empfohlen werden. * Im Reichshaushaltsetat für 1912 werden zum ersten Male die Bestimmungen des neuen im vorigen Tagungsabschnitte vom Reichstage angenommenen Reichsbesteuerungsgesetzes Berücksichtigung finden. In den bisherigen Etats der Militärver waltung und der Marine waren bekanntlich für ver schiedene Gemeinden, die infolge von in ihnen befind lichen reichsfiskakischcn Betrieben besondere Lasten zu tragen hatten, Beihilfen ausgeworfen. In den Militäretat waren so Summen für Spandau, Sieg burg und Lippstadt, in den Marineetat für Gemeinden um Kiel und Wilhelmshaven eingestellt. Durch das Reichsbesteuerungsgesetz hat dieses Beihilfewesen eine große Umänderung, nicht nur weil die Zahl der be treffenden Gemeinden vergrößert ist, sondern auch insofern erfahren, als diese Gemeinden nunmehr genau formulierte Rechtsansprüche besitzen und ihnen diesen gemäß vom Reiche Summen zur Verfügung gestellt werden. Auch im Reichshauchaltsetat werden sich demgemäß Aenderungen der bisher eingestellt gewesenen Positionen nötig machen. Ruslsnü. Frankreich. * Der Dockarbeiterstreik. In Dünkirchen haben die ausständigen Dockarbeiter die Arbeit wieder ausgenommen, nachdem ihre Forderungen be willigt worden sind. In Calais kam es aber mals zu argen Raufereien zwischen Streikenden und Arbeitswilligen. Die Unternehmer beschloßen, Arbeiter von auswärts kommen zu lassen. * Die drei Ansschusimitglieder des Maurer syndikats, die den sogenannten Sous du Soldat verwalten und dabei antimilitaristische Propaganda getrieben haben, werden auf Beschluß der Anklage kammer aus Grund des Gesetzes von 1894 zur Unter drückung anatchistischer Umtriebe vor das Zucht polizeigericht gestellt werden. Die Verhandlung ist auf den 10. August anberaumt. * Sabotage. Bei Lorient wurden sämtliche Telephonleitunaen durchschnitten. — Der Kongreß der Eisenbahner nahm mit 262 Stimmen bei 26 Stimmenthaltungen eine Resolution an, welche die Sabotage mißbilligt. Niederlande. * Der Streik der holländische« Hafen- und Trans port-Arbeiter. Der Verband der holländischen Transport- und Hafenarbeiter hat an die Reeder ein Rundschreiben gerichtet, in dem die Forde rungen des Maschinisten- und Heizer-Verbandes als identisch mit denen der Transport- und Hafen-Ar beiter erklärt werden. Eine Antwort auf dieses Schreiben wird bis zum 6. August erbeten, da an diesem Tage eine gemeinsame Sitzung des Ver bandes der Transport- und Hafenarbeiter und des Verbandes der Maschinisten und Heizer stattfindcn und über gemeinschaftlich zu unternehmende Schritte beraten werden soll. England. * Der Kriegsminister über England und Deutsch land. Bei Eröffnung der Sommerkurse der Uni versität Oxford, die die Stellung Deutschlands in der Weltgeschichte behandeln sollen, hielt der Kriegs mini st er gestern abend eine Festrede über das Thema „Eroßbrrtannien und Deutschland, eine ethnologische Studie". Haldane hob den ungeheuren Einfluß der Philosophen auf das praktische Leben Deutschlands hervor und sagte, Engländer und Deutsche hätten manche Gelegenheit und Befähigung gemeinsam bei der großen Mission, die Welt zu zivilisieren. Es wäre außerordentlich bedauerlich, wenn das fried liche Nebeneinanderwirten der beiden Völker für die Zivilisation zerstört oder behindert würde durch unnötigen Argwohn, der aus Unwissenheit und Mangel an Mäßigung entstehe. Selbstbeschränkung sei dringend nötig. Wie vortrefflich würde es für den Frieden der Welt sein, wenn, gerade wie Eng länder, Franzosen, Russen und Amerikaner nur das Peste von einander glaubten, dieselbe Tendenz auch zwischen Engländern und Deutschen beginnen würde. Augenscheinlich gebe es keinen unüberwindlichen Grund dagegen, ältere Freundschaften zu bewahren, während man neue knüpfe und die Erwägungen der Selbstverteidigung nicht anfgebe. Ein solcher Wechsel würde wahrscheinlich die finanziellen Lasten er- I leichtern. Deshalb sollte England danach trachten, die Nachbarn ringsherum zu verstehen und seine insularen Charakterzüge zu verbessern. Wenige Dinge seien wünschenswerter, als dasi Eng land und Deutschland einander verstehen lernen. * Keine Reise der Königin Mary nach Berlin. Die offiziöse „Westminster Gazette" erklärt, dasi Königin Mary auf ihrer Reise nach dem Festland Potsdam und Berlin nicht besuchen wird. Die Königin gedenkt nur wenige Tage mit ihrer Tante, der Erosiyerzogin Auguste von Neustrelitz, zu verbringen. Auch die Nachricht von der Teilnahme des Prinzen von Wales an der Flottenrevue von Swinemünde und der großen Herbstparade wird für unwahr erklärt. * Premierminister Asquith hat sich eine Hals entzündung zugezogen. Die Aerzte haben ihm für mehrere Tage vollkommene Ruhe anempfohlen. Asquith wird sich in London jeder rednerischen Tätigkeit enthalten, um angesichts der gespannten innerpolitischen Lage in kürzester Zeit wieder mit voller Kraft in die politischen Kämpfe eingreifen zu können. Von einer Erholungsreise hat der Premier minister vorläufig abgesehen. * Die Zahl der ausständigen Hafen- und Dock- Arbeiter in London beläuft sich auf 24 000. Auf dem Themse-Kais stauen sich wieder Waren aller Art, die nicht befördert werden können. Die Ozeandampfer können nur teilweise befrachtet wer den und müßen große Mengen des für sie bestimm ten Stückgutes zurücklassen. So konnten gestern 2000 t Ladung eines Kanada-Fahrers nicht mit diesem die Reise über den Ozean antreten. In Lon don ist vorläufig noch keine Aussicht auf Bei legung des Ausstandes vorhanden. Spanien. * Der portugiesische Flüchtling Homen Christo. Der Polizeichef rief gestern den portugiesischen Flücht ling Homen Christo zu sich und erklärte ihm im Auftrage der Regierung, dasi die Ausdehnung seines Aufenthaltes in Madrid zu einem ernsten Kon flikt Anlaß geben könne und dasi sein Leben stetig in Gefahr schwebe und daher eine schleunige Abreise empfehlenswert sei. Homen Christo ist nach Paris abgereist, um der spanischen Regierung keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Er gedenkt tn kürze andere europäische Städte, darunter Berlin, zu besuchen. Türkei. * Die Rückkehr der Albanesen. Wie der Walt von Janina meldet, beginnen die Albanesen, die in der Umgebung von Argyrokastro versammelt waren, in die Dörfer zurllckzukehren. Auch die Alba nesen von De lvino sind teilweise zurückgekebrt. Die Sandschaks Janina und Elbasan sind ruhig. Der Chef der Albanesen. Suleiman Basuch, und alle po Mischen Verurteilten unterwarfen sich. Die Be Hörden schworen der Regierung Treue, die sie durch Taten beweisen wollen. Griechenland. * Ingenieur Richter nicht auf griechischem Gebiet? Die „Agence d'Athene" erklärt die über den Trans port des gefangenen Ingenieurs Richter über die griechische Grenze, der im Einverständnis mit den griechischen Grenzoffizieren geschehen sei. verbreiteten Gerüchte als Erfindungen böswilliger Be richterstatter in Saloniki. Es sei festgestellt, dasi die Gefangennahme Richters auf türkischem Gebiet erfolate, wo sich seit mehreren Wochen der Gefangene sowohl als auch die Räuber befänden, die mit den lokalen Behörden in einem Briefwechsel zur Rege lung der Frage des Lösegeldes ständen. Vereinigte Staaten. * Die Unterzeichnung der Schiedsgerichtsverträge erfolate unter großer Feierlichkeit in der Bibliothek des Präsidenten im Weißen Hause in Gegenwart Tafts und der Vertreter der betreffenden Staaten. Staatssekretär Knox und der englische Botschafter Bryce unterzeichneten den Schiedsgerichtsvertrag mit England,' den mit Frankreich unterzeichneten Knox und der Vertreter der französischen Botlchaft, da der Botschafter 2 usserand augenblicklich in Paris weilt. Die Mitglieder des Senats glauben nicht an eine baldige Ratifikation der Verträge, Einige Mitglieder des Ausschußes für auswärtige Angelegenheiten sprechen die Ansicht aus, daß die Verträge in den Methoden mangelhaft feien, die vorgesehen seien, um Fälle für schiedsgerichtliche Regelung vor den Schiedsgerichtsyof zu bringen. Der Anklang, den jede auf Erhaltung des Welt friedens hinzielende Bewegung in der öffentlichen Meinung finde, werde doch schließlich zweifellos die Ratifikation der Verträge sichern. Mexiko. * General Reyes, der seine K a ndidatur für die Präsidentschaft von Mexiko formell an gemeldet hatte, erklärte sich bereit, sie zurückzu ziehen und das Laitd zu verlaßen, falls neue Un ruhen dadurch verhindert würden. pretzltlmmen. Die Frag« der Kompeusatiouen innerhalb und außerhalb Ntarokko nehmen nach wie vor in Lar Preß« einen breiten Raum ein. Dabei wird eine AusfolgungvonTogoanFrankreichfast durchgängig abgelehnt. So lesen wir im „Hamburger Fremdenblatt: Ein wertvoller alter Besitz, wie unser Togo ist, kann also als Kompensationsobjekt nicht in Frage kommen. Ein Staatssekretär, der mit solchem Vor schlag, oder ein Reichskanzler, der mit solcher Tat sache vor die Nation tritt, würde einen Sturm der Entrüstung auslösen, der solche „Mehrer des Reiches" von ihren Sesseln fegen würde. Daran könnt« auch di« innigste Uedereinstimmung des Heun von Ki- Lerlen-Waechter mit dem Philosophen von Hohen finow und selbst mit des Kaisers Majestät nichts ändern. Wenn wir nun auch den Togo-Austausch als undiskutierbar aufsaßen und ihn in dem Meer von Marokko-Märck-en gar nicht an der Oberfläche sehen möchten, so dürfen wir doch nicht darauf ver zichten, uns mit dieser Unmöglichkeit abzugeben. Be wegt doch diese Frage zurzeit alle deutschen Gau«. Und wenn es in einer französischen Tageszeitung heißt, daß Togo außerhalb der Frage der Koinpen- sationen steh«, über di« gegenwärtig in Berlin unter handelt wird, daß man jedoch erwäge, ob es nicht un abhängig hiervon im Interesse beider Länder liege, Togo gegen «inen gleichwertigen Teil des französi schen Kongogebieies auszutauschen, jo wird die öffentliche Meinung in Deutschland keinen Unter- schied machen, ob Togo so oder so verhandelt werden soll. Sie wird gegen jede Art der Abtretung dieses Schutzgebietes Verwahrung «wiegen. Wir möchten daher hoffen, daß d«m weiter unten ausführlich wiedergegebenen Protest der deutschen Kolonial gesellschaft recht bald sich «in Vorgehen der deutschen Togo-Gesellschaft anschliesit, daß die Direktion der selben persönlich Fühlung mit dem Auswärtigen Amt nehmen möge, das ihm in diesem Augenblick aus giebige Rücksprache unmöglich versagen kann. Auch könnte ein« Kundgebung hiesiger Handelskammern der Klarstellung nur dienen. Und wenn das An erbieten auf der ganzen Linie auch weiter nichts von der ganzen leidigen Kompensationsfrage enthüllt, als dasi Togo nicht in Frage kommt, so ist schon Wichtiges erreicht, denn eine lang« Wart«zeit in Bureaukratws Wartezimmer bekommt dem Handel nicht. Ein Pro test ist aber auch deshalb wohlberechtigt, weil Un gewißheit, über kurz oder lang als Tauschobjekt in Frag« zu kommen, auch in jedem anderen Schutzgebiet di« Tatkraft lähmen würde." Zu dem gleichen Thema schreibt di« „Rheinisch» Wests. Ztg." insbesondere auch mit Bezug auf den Protest der Deutschen Kolonialgesellschaft: „Die Deutsche Kolonialgesellschaft ist in hohem Masi« berufen, den Wert der in der Presse genannten französischen Kolonialgebiete, di« wir eventuell für die Aufgabe unserer Rechte in Marokko nehmen sollen, zu beurteilen, und di« Ablehnung all dieser Kom pensationen ist ein Beweis, dasi auch di« Deutsch« Kolonialgesellschaft solche Gebietsaustausch« nicht al» eine vollwertig« Entschädigung für Marokko ansteht. Die Erklärung der Deutschen Kolonialgesellschast ist um so bedeutungsvoller, als an der Spitze dieses Vereins «in deutscher Bunt«sfürft steht, der Herzog regent von Braunschweig, Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin. Die Deutsche Kolonial gesellschaft steht auch immer in regen Beziehungen zur Reichsregierung, zum Auswärtigen Amte und -um Kolonialamt«. Wenn der Verein in diesem Augenblick mit einer Erklärung an di« Oeffrntlichkeit tritt, in der Entschädigungen in Marokko selbst ver langt werden, dann darf man wohl annehmen, dasi die Darstellungen in einem Teile der Presse, al» ob es schon feststehe, daß die deutsche Regierung Marokko den Franzosen überlaßen werde, nicht zutreffend
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