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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.07.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191107300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110730
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110730
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-30
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Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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sic bewahren müssen und bewahren können — dann bars nicht wieder die ganze Frage ausgerollt und von einem allgemeinen Abkommen nicht bloß über Marokko, sondern auch über ganz Afrika und noch andere Weltteile gesprochen werden — . . . oder aber man will die Debatte im Gegenteil maßlos erweitern und dann kompliziert und erschwert man sic. Zn diesem Falle würde sic über das Feld der deutsch - französischen Beziehungen hinausragcn: andere Machte, vor allem England, inüjrtcn sich damit befassen. Man würde einer neuen internationalen Konferenz entgegengehen, was die Deutschen nicht verlockt. Diese Konicrenz ist unnütz, wenn Frankreich und Deutschland durch gegenseitige Zugeständnisse schnell zu einer Einigung kommen, yerr Asquith erklärte, daß er diese Einigung für möglich halte. Das rst auch unsere Ueberzeugung. Ein derartiges Handelsgeschäft stellt nicht die Haupt interesjen und noch weniger die Eigenliebe und die Würde der einen oder andern Station auf's Spiel. Aus dieser Debatte wird weder ein Sieger noch ein Besiegter hervorgehen." O Die Nachricht des „Temps", wonach die deutsche Regierung unter gewissen Bedingungen Togo und einige Grenzbezirkc Kameruns an Frankreich abtret en wolle, ist von der „Agencc Havas" be reits offiziell dementiert worden. Um so be merkenswerter ist es, das; die oft von offiziösen Stellen inspirierte „Köln. Ztg." nochmals auf diese Eventualität zurückkommt. Das Blatt schreibt: „Der „Temps" glaubt melden zu können, Laß in den Berliner Besprechungen die Rede davon ge wesen sei, das; Deutschland die Kolonie Togo und gewisse Grenzbezirkc Kameruns an Frankreich abtrctcn würde gegen Schadloshaltung an an deren Gebieten. Wieweit diese Angaben aus mehr als Kombinationen beruhen, entzieht sich unserer Kenntnis: cs würde sich dabei um eine großzügige Neuregelung des Besitz stand es in Westafrila handeln die, wenn sie überhaupt diskutabel sein soll, so eingerichtet sein müßte, daß nicht nur ein A ustansch in Bc tracht käme, sondern eine wirkliche wert volle Schadloshaltung Deutsch lands für diejenigen überaus wichtigen Zu geständnisse, die cs an Frankreich in Marokko machen könnte Bei der strengen Gchciinhaltnng des Verlaufs der Verhandlungen ist cs natürlich ganz ausgeschlossen, sich ein Urteil über solche Dinge zu bilden, nur scheint immer stärker hervor zutretcn, daß die Kompensationen nicht allein in Marokko selbst zu liege» brauchen, son dern auch an anderen Stellen gefunden wer den könnten." Die deutsch-französischen Verhandlungen. Staatssekretär v. Kiderle n-W achter hatte, wie die„Boss.Ztg." ausParis meldet,amFrcitagabend noch eine Unterredung mit Zules E a in b o n, der damals bereits im Besitze der Beschlüsse des Minister- rates in Rambouillet war. Die Unterhaltung in Berlin wirb voraussichtlich nächsten Dienstag fort- gesetzt, wenn Herr v. Kiderlen-Wächter aus swine- münde zurückgekchrt sein und den Willen des Kaisers kennen gelernt haben wird. Jetzt heißt es. Caillaux sei zu ansehnlichen Kongogebiets- abtretungcn an Deutschland geneigt, der Mi nister des Aeuszern de Selves aber vertrete eine ent gegengesetzte Ansicht und mache entschieden Bor de h a l t c. Er weise darauf hin, daß zu Gebiets abtretungen die Zustimmung der Kammer n erfor derlich ist, und die Erörterungen, die sich an eine Vor lage über diesen Punkt in der Kammer entspinnen würden, schwer« internationale Unzu- l r ä g l i ch k c i t e n in sich schließen könnten. Ueber diese Furcht vor Kammerstürmen wird die Negierung indes unter allen Umständen Hinweggelangen müssen, da sie eben nicht zu vermeiden sind, wenn die Ver Handlungen mitDeutjchland zu einem glücklichen Ende geführt werden sollen. Zu den Nachrichten über die Kompensationsver Handlungen schreibt Gras Reventlow in der „Deutschen Tages-Ztg.": „Prinzipiell hätten wir nichts dagegen, wenn das zersprengte kleine H>ebie1 von Togo gegen einen im Nahmen des ihr entsprechenden Gegenwerts vertauscht würde. Bon diesem Gegenwerte aber hängt die Beurteilung des ganzen Geschäfts ab, und über ihn weiß man noch nichts Genaueres. Daß man sich deutscherseits mit Teilen der französischen Kongo kolonie begnügen könne, ist unseres Erachtens völlig aussichtslos. So viel wir wissen, wäre den Fran zosen mit irgendwelchen Teilgebieten in Ma rokko auch nicht gedient." Ueber die Lage in Marokko wird gemeldet. Berlin, 2!). Juli. (Eig. Drahtmeld.) Nach heute vorliegenden Berichten der (Gesandtschaft inTanger herrscht in F e z andauernd R u h c. Eine Rebel lion der Nachbarstäminc, von der französische Blät ter wieder zu melden wissen, wird von der deutschen Gesandtschaft mit Bestimmtheit in Abrede gestellt. Schlechter Gesundheitszustand der französischen Truppen in Marokko. Aus Tanger wird gemeldet, daß der Gesund heitszustand der französischen Truppen außer ordentlich zu wünschen übrig läßt Dys- I entherie und Typhus sollen in einer Weise wüten, ! die ernste Besorgnisse hervorrufl. Täglich sterben in den Lazaretten 2—3 Soldaten an diesen Krank heiten. Die Lazarette sollen überfüllt und keines wegs geeignet fein, den an sic gestellten Anfor derungen voll zu entsprechen. Auch die Zahl der Aerztc isr nicht genügend, um jedem Kranken eine zweckentsprechende Behandlung zuteil werden zu lassen. Arzneien sind ebenfalls nicht in zureichender Menge vorhanden. Wie verlautet, hat das Kriegs ministerium Anstalten getroffen, um unverzüglich Militär Aerztc und Einrichtungen für neu zu er richtende Lazarette nach Marokko zu entsenden. Schon jetzt soll die volle Schlagkraft den französischen Truppen durch die schnelle Ausbreitung dieser Krank heiten geschwächt jein, zumal die moralische Wirkung der zahlreichen Sterbefällc auf die fran zösischen Soldaten nicht unbeträchtlich ist. Die Konferenz in Swinemünd«. G Swinemünde, 29. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Der Reichskanzler und Staatssekretär v. Kider len-Wächter sind nachmittags 4 Uhr 20 Min. auf dem Bahnhofe eingetroffen, wo Gesandter v. Trcutler zur Begrützung erschienen war. Der Salonwagen wurde bis zur Liegestellc der „Hohen- zollern" übergeführt, worauf beide Herren auf der Kaiferjacht Wohnung nahmen. Der Kaiser emp fing den Reichskanzler und bald darauf Herrn v. Kiderlen-Wächter. Um 5 Uhr unternahm d«r Kaiser mit Sen Herren der Umgebung eine Aus fahrt in Automobilen bei seh« schönem Wetter. Im ersten Wagen saßen der Kaiser und der Reichskanzler. Das Publikum begrüßte Sen Kaiser mit andauernden Hochrufen. Die Wirren in Albanien. Neue Vorschläge der Malissoren. Die Malisioren haben neue Vorschläge unter breitet. die aus zwölf Punkten bestehen. Der In halt ist noch nicht genau bekannt, sie dürften aber mit gewissen Abänderungen Len zwölf Punkten der früheren Vorschläge entsprechen. Der Pforte nahe stehende Kreise erklären die neuen Vorschläge für nicht unannehmbar. Es kann daher erwartet werden, daß die Pforte ihr Einverständnis erklären wird. Neue Kämpfe. Nach Meldungen, die in Konstantinopel aus Saloniki eingctroffen sind, sollen die Aufständischen versucht haben, sich durch einen Handstreich der Stadt Gorica zu bemächtigen. Die Zahl der Angreifer betrug angeblich mehr als 2500. Es kam zu einem geradezu mörderischen Kampfe zwischen den Auf ständischen und den türkischen Truppen, denen cs schließlich gelang, den Angriff abzulchlagen. Die Aufständischen ließen mehr als 200 Tote und über 100 Verwundete auf dem Kampfplätze zurück. Auch die Verluste der türkischen Truppen sollen sehr beträchtlich sein. In Gorica herrscht furchtbare Ver wirrung. Die Aufständischen ziehen trotz ihrer Ver luste in den benachbarten schwer zugänglichen Bergen große Scharen zulammen, um einen erneuten Angriff auf die Stellung der türkischen Truppen bei Gorica zu unternehmen. Die Cholera, die in der ganzen europäischen und asiatischen Türkei herrscht, nimmt gefahrdrohende Dimensionen an. Besonders start ist die Epidemie unter den türki schen Soldaten verbreitet, die nach Albanien und Alt-Serbien kommandiert sind. In diesem Gebiet tritt die Krankheit in der stärksten Form auf, ohne daß die Behörden auch nur die notwendigsten hygienischen Maßnahmen treffen. Die Häuser der von der Seuche Betroffenen werden nicht desin fiziert und die Beerdigung der gestorbenen Leute läßt meistens tagelang auf sich warten, wodurch eine weitere Verschleppung selbstverständlich ist. Weiter wird gemeldet: Konstantinopel, 29. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Der Oberkommandierende von Albanien meldet eine Reihe von Angriffender Rebellen, die vom 25. bis 27. Juli auf die Truppen bei Brojaund und Selcc erfolgten. Die Rebellen wurden jedes mal zurückgeschlagen. Die Transportschiffe „Plewna" und „Mekka" gingen gestern mit Truppen nach San Giovanni ab. Das Kriegsministerium beschloß, 2000 Artillcriepferdc in Ungarn und Rußland anzu kaufen. XXXI. Kongretz Deutscher Dentisten in Oresüen. * Dresden, 29. Juli. Die Delegierten von 37 Landes- und Provinzial vereinen traten am Donnerstag früh zusammen. Am Tage vorher hatte schon der Zentralvorstand unter Leitung des Verbandsvorsitzenden, Dentisten Collins-Gr. Lichterfelde, eine eingehende Vor standssitzung abgchalten. Der Magistrat der Stadt Dresden hatte als Vertreter die Stadträte Professor Dr. Lehmann, Apotheker Köller und Architekt Scholz und die Stadtverordneten van Lind und Eger entsandt. Seitens der Ortskrankenkaffe Dresden war Rechnungs rat Hesse, seitens der Bctriebskrankentaffe Herr Böhmig als Vertreter erschienen. — Der erste Ge schäftsführer des Verbands der Dentisten im Deutschen Reiche, Gehrke-Bensheim, gab ein Referat über die 30jährigc Standesarbeit des Verbandes. Darauf wurde der Kongreß von einem Teile der offiziellen Vertreter durch Ansprachen begrüßt. Im Vordergründe der Verhandlungen standen die Beratungen über die völlige Umgestaltung, die der stand der Dentisten durch die Be stiinmungen d.cr neuen Reichsversicherungsordnung erfährt. Es ist in diesem Gesetze endlich dem Drängen der Dentistenorganisalion nachgcgeben und die Ab legung eines Befähigungsnachweises für solche Dentisten vorgesehen, die sich nach dem Inkrafttreten der R.-B.-O. der Krankenkassenbehand- kung zuwenden. Die bisher seit langen Jahren in der Kaffenpraxis einwandfrei tätig gewesenen Den tisten werden, dem allgemeinen Wunsche der Kranken kassen entsprechend, zum größten Teile mit über nommen. Ganz besonders wichtig für alle Krankenkaffen mitglieder sind die neuen Bestimmungen der R.-B.-O., nach denen an allen Kaffen auf Wunsch des Versicherten die Behandlung durch geeignete Dentisten erfolgen kann. Es entspricht diese ge etz- August Trinius. Zum 00. Geburtstage des „Thüringer Wanders mannes." Von 1>r. Lipsius. (Nachdruck vcrbvicu.) Wer hätte noch nichts von dein Thüringer Wan dersmann, wie August Trinius in Woltershausen so treffend bezeichnet zu werden pflegt, gehört, mit dem sich s so unterhaltsam und gemütlich wandern und vlaudern läßt, wenn wir mit ihm die sonncnduftigcn .hohen und Täler des Thüringer Waldes durch streifen, wenn er uns das süße Waldgeheimnis sinnig zu deuten sucht, wenn er verklungene Sagen und Märchen zu neuem Leden wachruft, wenn er dem verfallenden Gemäuer alter Burgen und Schlösser ihr tausendjähriges Geheimnis entlockt oder wenn er mit uns Einkehr hält in einer der trauten Thü ringer Wald Gemeinden und uns mit den Sitten und Gebräuchen, dem Denken und Fühlen seiner Landsleute bekannt macht? Da wird's einem so wohlig ums Herz, zumal wenn man dem Wust und Staub und Lärm der Großstadt entfloh, und man fühlt sich ordentlich angeheimelt inmitten dieser — sagen wir — spießbürgerlichen Umgebung, die doch um nichts in der Welt mit uns tauschen möchte, weil sie eben in ihren beschränkten Verhältnissen, in ihrer Waldheimat das wahre Glück gefunden hat. Wie selten einer versteht es August Trinius, feine Leser in diesen Zauberbann zu fesseln, so datz man nur schwer von ihm loskommen mag. Das ist um so wunderbarer, als Trinius ursprünglich ganz anderen Verhältnissen entstammt. Unser „Thüringer Wanders mann" wurde nämlich im nahen Schkeuditz am 31. Juli 1851 geboren. Freilich kam er schon früh zeitig ins gelobte Thüringerland, denn in dessen alt ehrwürdiger Hauptstadt Erfurt verlebte er seine erste Jugend. Im Jahre 1803 siedelte er nach Berlin über, wo er seine Schulbildung vollendete und. da die häuslichen Verhältnisse eine andere Lösung der F.age kaum zuließen, sich dem Kaufmannsstande zu widmen, beschloß. Am liebsten freilich Hütte der begabte, lerneifrige Jüngling, der sich mit Vorliebe mit historischen und literarischen Studien beschäftigte, einen solchen Beruf gewählt, der ihm hierin geför dert und die Möglichkeit eines entsprechenden Wirkens geboten hätte. Es galt, einen Brotberuf zu er greifen, und als solcher blieb schließlich nur der Kaufmannsstand übrig. Aber das unstete Blut in seinen Adern ließ ihm leine Ruhe und drängte vorwärts. Er strebte nach lebendiger Betätigung, statt auf den Bureauscssel zu mechanischer Sitzarbeit verurteilt zu sein. Daher begann er bereits als Zwanzig jähriger Feuilletons für die „National-" und „Vosstsche Zeitung" zu schreiben. Durch den Beifall, den er sich hier erwarb, ermutigt, beschloß er, dein Kaufmannsstande für immer Lebewohl zu sagen und sich gänzlich der Schriftstellerei zu widmen. Da er aber ein offenes Auge und ein offenes Herz für Gottes weite Welt besaß und dazu ein empfängliches Gemüt, das für alles Schöne. Gute und Wahre in Natur- und Menjchenwelt Verständnis hat. so um legte er, um der ewig schönen Natur gewissermaßen näher zu sein, im Jahre 1890 seinen Wohnsitz aus dem hastigen, lauten Getriebe der Grogsladt nach dem kleinen Thüringer Wald-Städtchen Woltershausen im Herzogtum Sachfen-Gotha, am Nordabhange des Thüringer Waldes, unweit der berühmten Erziehungsanstalt Schncvsental. Hier wirkt und wandert August Trinius mit von Jahr zu Jahr steigendem Erfolge, der il>m auch nutzere Anerkennungen in reichen, Maße eintrug. So wurde ihm bereits im Jahre 1894 der Titel eines Hofrcrtcs, ipätcr eines Geh. Hofrates verliehen. Die Schriften Trinius' sind außerordentlich zahlreich, und zwar variieren sie fast ausnahmslos das eingangs gekennzeichnete Thema: Wanderungen sind» in Gottes herrlicher Schöpfung, zuerst in der Umgebung der Reichshauptstadt („Märkische Streifzügc", „Vom grünen Strand der Spree", „Die Umgebungen der Kaiserstadt Berlin in Wort und Bild"), dann vor ollem im Thüringer Lande, das ihm zur zweiten Heimat geworden ist („Unter Tannen und Farren", „Aus grünen Bergen", „Kreuz und quer" (Wander fahrten), „Im Waldesrauschen" u. a. m.). Auch als gemütvoller Erzähler hat sich Trinius betätigt („Herz und Welt", „2m Frühlingssturmc" und andere Thüringer Geschichten, „Gegen den Strom" u. a. Geschichten, „Im Waldesrauschen", „Kleinstadt luft", Neue Folge: „Neues aus Lerchenthal" n. a. m.). Auf diesen beiden Gebieten, als unterhaltsamer Wandersmann und als gemütvoller Erzähler beruht Trinius' Hauptverdienst. Denn zum Dramatiker („Recht für Recht") ist er nicht geboren Dagegen wären noch als verdienstlich hervorzuhcben „Ham burger Schlendertage", „Die Vogesen in Wort und Bild" sowie „Alldeutschland in Wort und Bild" u. a. Vor allem aber darf, um des „Thüringer Wandersmannes" innerstes Wesen und Wirken recht zu verstehen und zu würdigen, der goldige Humor nicht vergeßen werden, der „mit der Träne im Auge lächelt" und den meisten seiner Werke, vor allem den Thüringer Erzählungen und Wanderfahrten, etwas so Anheimelndes, dos Herz und Gemüt An sprechendes verleiht. Daher müssen wir als gewissenhafte Bericht erstatter noch beurkunden, daß unser Wandersmann auch der allbekannten „Eemernde Gabelbach" auf dem Kickclhahn bei Ilmenau angehört, und zwar sogar als Vorstandsmitglied, denn er wurde zu ibrem „Ncichshistoriographen" ernannt. Bekanntlich hatte seinerzeit kein geringerer als der allgewaltige Altreichskanzler Fürst Bismarck das Amt eines „Ehrenschulzen" dieser von Kaiser Heinrich I. gegrün deten Waldgcmeinde übernommen. Jeden Sonn abend versammeln sich die ehrenfesten Mannen der Gemeinde im sonncnumrankten „Rathausc" Gabel bach zu feuchtfröhlicher Sitzung, die durch einen herz- haftenSchluck aus der„TrompetevonSäckingen"—V. v. Scheffel hatte seinerzeit das Ehrenamt des „Gemeinde poeten" inne — eröffnet wird und bei gutem Wort- und frohem Liederklang, gewürzt durch heitern Humor, in der Regel bis zu und nachmitternächtiger Stunde andaucrt. Wenn er's einrichten kann, fehlt bei diesem hochwichtigen Geschäfte auch unser „Thüringer Wandersmann" nicht, geschmückt mit der höchsten Auszeichnung, die die Gemeinde verleihen kann, dem „St. Tannenordcn", und nimmt teil an den ernsten Beratungen, worüber er als gewissenhafter „Reichs historiograph" dann Bericht erstattet. Wir haben eine ganze Anzahl solcher Schriften aus seiner Feder („Die Gemeinde Gabelbach", „Eine Maienfahrt zum Gabelbach", vergl. ferner das bereits erwähnte „Im Waldesrauschen", Skizzen und Geschichten aus dem Thüringer Walde), in denen allen sein Spruch als Motto wicderklingt: „Herrsche aus Gabelbach nach wie vor, Meister des Lebens, gold'ner Humor!" Mit diesem Wunsche schließen auch wir. daß ihm noch cln recht langes und ersprießliches Wirken und Wandern beichieden sein möge! Layreuth lSll. Von Tugen Segnitz. Bayreuth, 29. Juli. VII. „Weißt du wie das wird?" Zum letzten Male beginnt die nachmittägliche Wanderung um Festspielhaus. Das Ende der Wotan tragödie ist da Wunderbar und merkwürdig spielen Götter- und Menschenschicksale ineinander. Die Ent scheidung aber ist allein der starken Persönlichkeit anheimgcgeben. Fast bis zur Unkenntlichkeit verblaßt die einst so strahlende Herrlichkeit Walvaters. „Fallen muß er mit allen" und zuvor jenen stolzen Helden durch feigen Meuchelmord sterben sehen, der, ein Teil seines Wesens, die Krone eines ganzen Ge schlechts war. Mit der, durch stürmische Beifallsovationen be lohnten Aufführung der „Götterdämmerung" gewann der diesjährige erste Zyklus der Bayreuther Festspiele seinen würdigen Abschluß. Noch einmal trat eine ansehnliche Reihe von Künstlern in den Vordergrund Les allgemeinen Interesses: Darsteller, die durch ihre scharf umriffene Persönlichkeit keine geringe Anziehungskraft auf die Zuschauer und Hörer ausübten und zudem auch, rein musikalisch betrachtet, als Sänger ganz hervorragende, teil weise auch tatsächlich außergewöhnliche Leistungen darboten. Neben den Vokalisten zeichnete sich das Orchester aus. Wenn sich auch mit dem Wagncrsohne unter Berufung auf bayreuthische und auswärtige Kapazitäten des Diri- gentenstabcs über mancherlei Temponahme streiten ließe, fehlte cs auch, z. B. an den Aktschlüssen und in der Trauermusik, oft an dem letzten großen Steige- rungsmomcnt, so muß doch anderseits die Repro duktion der Eötterdämmerungsmusik als ein erneu ter Fortschritt gegen die Leistungen der vorangehen den Abende bezeichnet werden. Sicherlich hat sich Siegfried Wagner im Verlaufe der szenischen Vorprobcn die eigentlichen, unbestreitbaren Lor beeren verdient. Die Augenzeugen können hier nicht genug des Künstlers Umsicht und Energie, seine vom frühen Morgen bis zum späten Abend währende Ausdauer und die Summe gewaltiger Arbeit anerkennen und rühmen, die er innerhalb jener Zeit geleistet hat. Als ein schlagender Beweis eben dieser umfassenden Befähigung, den scharfen Blik für alles, was bühnenwirksam und vom höchsten kritisch künstlerischen Gesichtspunkte aus betrachtet, möglich und zuläffig sei, mußte wieder die, in jedem einzelnen Punkte vollendete Lnfienicruna der „Götterdämmerung" gelten. Man wird schwerlich im szenischen Nahmen etwas finden, was das Auge mehr zu fesseln imstande wäre als der Blick auf die beiden Rheinlandjchaften mit ihrer weithin ge dehnten Perspektive und den unbeschreiblichen, der Natur ganz unmittelbar abgelaujchten Farbenreizen. Und von wunderbar intimer Stimmung ist die waldige Bucht am Rhein, wo die Begegnung Sieg frieds und der Rheintöchter stattfindet, ein ent zückendes lauschiges Fleckchen Erde, daß sich der größte Landschafter taum schöner und heimlich romantischer vorstellen und ausmalen kann. Ueber alle diese bildliche Herrlichkeit verbreitet nun Siegfried Wagner einen schlechthin unnachahmlichen Stim mungszauber, wendet er, sie zu eigent lichem Dasein und Leben zu erwecken, eine fast unendliche Skala von den aufs feinste differen zierten Farbentönen an, erfindet und entwickelt er eine Kunst der Beleuchtung und des Kolorits, die einesteils durch eine gewisse Virtuosität, andcrnteils durch absolute Naturtrcue in Erstaunen setzt. Hin länglich bekannt und berühmt ist die von S. Wagner geübte, geradezu geniale Verwendung jener feinen Gewebe, die z. B. den Zug der Mannen mit Siegfrieds Leiche ganz allmälich verschleiern und einen ganz märchenhaften, höchst stimmungsvollen Eindruck er zielen. Auf dem Gebiete der Herstellung des Bühnen bildes ist Siegfried Wagners künstlerisches Vermögen unzweifelhaft einzig in seiner Art und für die moderne Regie vorbildlich und bahnbrechend. Die in Rede stehende Vorstellung bot wieder sehr bedeutende Einzelleistungen, unter denen Alfred von Barys Siegfried voranstand. Eine ernste, große Gestalt, innerlich über Jungsiegfried weit hinausgewachsen, mit edeln, doch vollkommen freien und natürlichen Gesten und Bewegungen, tiefen Gefühlsäußerungen und heldenhaftem Pathos. Als Sänger üoertraf von Bary seine eigene Leistung des vorangegangenen Abends »roch um ein beträcht liches und vermehrte wiederum den Genuß durch ausgesucht seine Behandlung der Aussprache und musikalischen Phrasierung. Ellen Eulbranson als Brünnhilde schien evenfalls nicht unwesentlich gesteigert, und nicht an letzter Stelle der Bewun derung wert erschien auch dieser großen Stimme gegenüber die Möglichkeit, sich bis zuletzt gegen den stetig wachsenden orchestralen Ansturm voll zu be haupten. Als Darstellerin hatte die Künstlerin be sonders in der Szene des Speereides bedeutende Momente. Befremdlich naiv wirkte der Kampf zwischen Siegfried und Brünnhilden — beide be rührten einander kaum mit den Fingerspitzen und ließen dabei hohe Worte ertönen, sich aber durch das leidenschaftlich wütende Orchester nicht im geringsten beim Fingerhakelspiel stören. Scharf Umrissen war der Charakterkopf Hagens. Carl Braun gab weniger Len grimmen Mbensohn als vielmehr den Schleicher und Intriganten, der, fast unterwürfigen Wesens, die schwachen Gibichungen tatsächlich be herrscht und alle Fäden der Handlung in seiner energischen Faust zufammenhält. Als Sanger leistete C. Braun ganz vorzügliches und verfügte auch über manchen scharfen und heroischen Akzent der Dekla mation. Gespenstisch wirkte der Alberich Eduard Habichs mit seinem Flüstern und Raunen in jener unheilvollen Nacht, die dem Tage von Siegfrieds Verrat und Mord voraufgeht. Auch in den besten Auf führungen werden Gunther und Gutrune immer nur fast als Staffage wirken. Sie müssen wohl vor handen sein, aber sie interessieren nicht, weil sie eben nur Puppen von Hagens Willen sind. Hermann Weil gab dem Gibichungen die erwünschte Würde der Repräsentation und Julie Körner (Prag) verstand Eutrunens Klage an der Bahre des Helden mit besonderem Nachdruck zur Geklung zu bringen. Zum ersten Male sang und zwar stimmlich glänzend Margarete Matzenauer die Waltrautc Die von Wagner hier teilweise beliebte evijche Breite verlangt einen hervorragend individuell gefärbten Vortrag, den die bedeutende Künstlerin uns jedoch in manchen Einzelheiten schuldig blieb. Denn vieles bewegte sich hier zu gleichmäßig fort auf ein und derselben Eefühlslinie, verblieb zu eng be schlossen im rein tonlichen und gesanglich musi kalischen Bereiche, war aber der innerlichen dramatischen Belebung bar. Ausgezeichnetes leistete das Nornentrio, dessen ernste, vielbedeutsamen Wechselgesänge von Ernestine Schuman n-Hernt, Margarete Matzenauer und Olga Band-Aglodo (Stuttgart) mit schöner Stimmentfaltung und vortrefflichster Deklamation wiedergegeben wurden. Gan, entzückend (und in dieser höchsten Vollendung wohl nur ganz selten an anderem Ort anzutreffen) sangen wieder die Rheintöchter (Gertrude Foerstel, Sophie Bilchoff.David und Margarete Matzen auer), deren schöne Stimmen sich zu wahrhaft die Sinne gefangennehmender Wirkung vereinigten, deren anmutiges Gebaren und heiteres Wellenlpiel wohl manchen Helden hätte betören können. Von gewaltiger Wirkung war wieder der viel berühmte Mannenchor im zweiten Akte — eine Spezialität der Bayreuther Bühne: ausgezeichnet durch Klangvolumen und eminent lebhaften, keinen einzigen Akzent außer acht lassenden Vortrag und nach Seite der Darstellung hin ausgezeichnet durch lebhafteste Anteilnahme des einzelnen. Einen tragischen Eindruck hinterließ der Trauerzug. Als die wahrhaft erhabene Musik einsetzte, begann sich über dem Festspielhausc ein gewaltiges Gewitter zu entladen und dröhnend sang der Donner sein eigenes, mächtiges Lied zu Einen des toten Siegfried und einer untergehenden Welt. Berichtigung. Im V. Referat entstellt der Aus fall eines wichtigen Wortes den Sinn. Statt: „Es ist nicht einzusehen, weshalb Herr Wagner . . . vom Dirigentenposten zurücktritt" usw. ist zu lesen: „nicht zurucktritt." L. L. klicke KeisearlilcsI MIM Mlllkfl 8. Pele nsst l-. 6.
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